S 3 R 515/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 515/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 146/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rentner haben keinen Anspruch auf die Tragung des hälftigen Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung durch die Rentenversicherungsträger über den 31.03.2004 hinaus.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Pflicht der Beklagten, weiter über den 31.03.04 hinaus den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung zur Hälfte zu tragen, streitig.

Die 1946 geborene Klägerin, serbische Staatsangehörige, zugezogen aus dem ehemaligen Jugoslawien im Dezember 1970 in die Bundesrepublik Deutschland, entrichtete ab Dezember 1970 -mit einer kurzen Unterbrechung von Juni bis August 1971- bis August 1995 aufgrund ihrer Beschäftigung als Lagerarbeiterin, Reinigungsfrau und Küchengehilfin Pflichtbeiträge an die Beklagte. Es schloß sich ein ununterbrochener Bezug von Krankengeld und Arbeitslosengeld mit Beitragsentrichtung durch die Krankenkasse bzw. die Bundesagentur für Arbeit bis 25.03.1999 an. Danach war die Klägerin ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.04.2001 gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.11.2000 auf unbestimmte Dauer; von der monatlich zustehenden Bruttorente in Höhe von 1.150,71 DM wurden die Beitragsanteile der Klägerin zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 78,82 DM sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 9,78 DM einbehalten. Dabei trug die Klägerin die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags in Höhe von 13,70 % sowie des Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von 1,70 % der beitragspflichtigen Einnahmen; die andere Hälfte des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrages leistete die Beklagte.

Mit Bescheid vom 08.03.2004 hob die Beklagte den Bescheid vom 03.04.2001 mit Wirkung ab 01.04.2004 insoweit auf, als aufgrund des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 27.12.2003 die Beklagte ab 01.04.2004 nicht mehr die Hälfte des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung trägt, und daher der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 1,70 % nunmehr ab 01.04.2004 voll von der Rente der Klägerin einbehalten werden wird. Denn ab 01.04.2004 sei der Betrag zur Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 10,52 EUR von der Klägerin allein zu tragen. Der monatliche Rentenzahlungsbetrag verminderte sich dadurch auf 562,31 EUR.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen den Einbehalt des Pflegeversicherungsbeitrags in voller Höhe. Zur Begründung führte die Klägerin aus, daß der Gesetzgeber unzulässig in ihr verfassungsrechtlich geschütztes Eigentumsrecht eingreife. Denn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1985, Az.: 1 BvL 5/80, wonach die Beiträge, die der Rentenversichgerungsträger für die Krankenversicherung der Rentner zahlt, unter den Schutzbereich des Art. 14 Grundgesetz (GG) fallen, müsse auch für die Beiträge gelten, die der Rentenversicherungsträger zur Pflegeversicherung leiste.

Der Widerspruch wurde nach Aktenlage mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2004 als unbegründet zurückgewiesen, weil die Beklagte verpflichtet sei, das geltende geänderte Gesetz zu beachten und auszuführen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die weitere Tragung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung durch die Beklagte zur Hälfte über den 31.03.2004 hinaus. Zur Klagebegründung wird das Widerspruchsvorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004 zu verpflichten, über den 01.04.2004 hinaus den hälftigen Beitrag der Klägerin zur gesetzlichen Pflegeversicherung zu tragen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beklagte vor, daß eine Kollision der Neuregelung der vollen Beitragslast der Rentner zur Pflegeversicherung mit verfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht ersichtlich sei, und verweist ergänzend auf ihre Ausführungen im vorgenannten Widerspruchsbescheid.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen und auf den übrigen Akteninhalt der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2004 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die weitere Tragung des hälftigen Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung über den 31.03.2004 hinaus.

Die Klägerin, die als Rentnerin in der gesetzlichen Krankenversicherung und so gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) auch in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert ist, hat ab dem 01.04.2004 den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung allein zu tragen.

1. Seit der Einfügung des § 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI durch Art. 6 Nr. 1 des Zweiten SGB VI - Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 27.12.2003, Bundesgesetzblatt I 3013, zum 01.04.2004 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelung gemäß Art. 13 Abs. 4 des 2. SGB VI - ÄndG) hat jedes Mitglied der sozialen Pflegeversicherung, das in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung allein zu tragen. Nach der bis zum 31.03.2004 geltenden Rechtslage trugen das Mitglied und der Rentenversicherungsträger je zur Hälfte den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI alte Fassung (a.F.) i. V. m. § 249 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Diese Verweisung auf die Beitragsregelung des § 249 a SGB V für Krankenversicherungspflichtige mit Rentenbezug im Krankenversicherungsrecht wurde durch das 2. SGB VI-ÄndG gestrichen, und im 2. Halbsatz des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ausdrücklich eine alleinige Beitragslast des krankenversicherungspflichtigen Rentners normiert. Nach § 55 Abs. 1, erster Halbsatz SGB XI betrug der Beitragssatz in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 30.06.1996 bundeseinheitlich 1 v. H. und wurde für die Zeit ab 01.07.1996 mit der Einführung der zweiten Stufe der Pflegeversicherung (stationäre Pflege) bundeseinheitlich auf 1,7 v. H. der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder erhöht. Die Neuregelung durch das 2. SGB VI-ÄndG führt nun zu einer Erhöhung des Beitrags der Rentner zur sozialen Pflegeversicherung von 0,85 % auf 1,7 % ab 01.04.2004. Für die Klägerin hat diese Gesetzesänderung eine monatliche Mehrbelastung in Höhe von 5,26 EUR (0,85 % der Bruttorente in Höhe von 618,94 EUR) gegenüber dem Rechtszustand vor dem 01.04.2004 zur Folge.

Die Beklagte hat diese gesetzliche Neuregelung in dem angefochtenen Bescheid vom 08.03.2004 zutreffend angewandt und umgesetzt.

2. Die Kammer gelangte nicht zu der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI, so daß das Verfahren nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die verfassungsrechtliche Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen war. Die Belastung der Klägerin mit der vollen Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

a) Die Klägerin ist nicht in ihrem nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrecht verletzt, weil die hälftige Tragung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung durch die Beklagte bereits nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie unterliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (BVerfGE 100, 1, 32 ff; 97, 271, 283 ff; 95, 143, 160 ff; 75, 78, 97 ff; 71, 1, 11 ff; 70, 101, 101 ff; 69, 272, 298 ff; 64, 87, 101 ff; 58, 81, 109 ff; 53, 164, 175 f; 53, 257, 289 ff; 29, 22, 33; 22, 241, 253; 20, 52, 54; 19, 202, 205) ist Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger privatnützig, zu seinem persönlichen Nutzen, zugeordnet ist, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und seiner Existenzsicherung dient.

aa) Für die Beantwortung der Frage, welche sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche als Eigentum im Sinn des Art. 14 GG anzusehen sind, ist auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückzugreifen. Ihr kommt die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen (so BVerfG in BVerfGE 69, 272, 298 ff). Die Klägerin konnte daher davon ausgehen, daß es sich bei der früheren Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. i.V.m. § 249 a SGB V über die hälftige Beitragstragung durch die Rentenversicherungsträger um eine ihr ausschließlich zustehende Rechtsposition handelte.

bb) Diese sozialversicherungsrechtliche Position beruhte aber nicht auf nicht unerheblichen Eigenleistungen der Klägerin.

Besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition ist die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten, wie diese vor allem in den einkommensbezogenen Eigenleistungen Ausdruck findet (vgl. etwa BVerfGE 53, 257, 291 f.). Zwar steht der Annahme einer nicht unerheblichen Eigenleistung nicht entgegen, daß die Rechtsposition auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfallen aber Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, daß der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, nicht dem Schutz des Art. 14 GG (vgl. BVerfG in BVerfGE 69, 272 ff m. w. N.).

Die hälftige Tragung der Beiträge bei Krankenversicherungspflichtigen mit Rentenbezug durch die Träger der Rentenversicherung wurd e in § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. i.V.m. § 249 a SGB V von keinen Voraussetzungen der krankenversicherungspflichtigen Rentenbezieher und insbesondere von keinen (Vor-) Leistungen der Versicherten -wie etwa Dauer der Beitragszahlung zur sozialen Pflegeversicherung als Aktiver- abhängig gemacht. Auch für die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten sowie diejenigen, die nach den Vorschriften des Elften Buches verpflichtet waren, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen und aufrecht zu erhalten, genügte gemäß § 106 a SGB VI allein der Rentenbezug für die Berechtigung zu einem Zuschuß zur Pflegeversicherung. Die hälftige Beitragstragung durch die Rentenversicherungsträger beruhte daher nicht auf einer dem Versicherten individuell zurechenbaren Eigenleistung. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte wie in der gesetzlichen Krankenversicherung so auch in der sozialen Pflegeversicherung der Beitrag von dem Rentenbezieher und dem Rentenversicherungsträger gemeinsam getragen werden (so BT-Drucks. 12/5262, S. 126), d. h. die Beitragstragung in der sozialen Pflegeversicherug sollte derjenigen in der Krankenversicherung folgen.

cc) Auch ist die Regelung über die Tragung des hälftigen Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung durch den Rentenversicherungsträger nicht dazu bestimmt, der Existenzsicherung des Berechtigten zu dienen.

Nicht nur Versichertenrenten, auch andere sozialversicherungsrechtliche Positionen können für die große Mehrzahl der Bevölkerung eine wichtige Grundlage ihrer Existenzsicherung sein, vor allem dann, wenn sich eine wesentliche, durch lange Zeiträume gewährte Leistung so verfestigt hat, daß die Versicherten sie zu ihrer existentiellen Versorgung rechnen können (vgl. BVerfGE 53, 257, 294). Entscheidend ist nicht, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Position angewiesen ist. Maßgeblich ist vielmehr die objektive Feststellung, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung der Berechtigten zu dienen bestimmmt ist (vgl. BVerfGE 53, 257, 290). Ein Eigentumsschutz kann allerdings nur für solche sozialversicherungsrechtlichen Positionen in Betracht kommen, die für den Berechtigten von solcher Bedeutung sind, daß ihr Fortfall oder ihre Einschränkung die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren würde (vgl. BVerfGE 69, 272, 298 ff; 64, 87, 102).

Zum einen war die Entscheidung des Gesetzgebers, ab Einführung der Pflegeversicherung (zunächst) die Beitragslast zwischen Rentenbeziehern und den Rentenversicherungsträgern zu halbieren, nicht zur Existenzsicherung der Rentenbezieher beabsichtigt. Da die soziale Pflegeversicherung als eigenständige Säule der sozialen Sicherheit unter dem Dach der gesetzlichen Krankenversicherung errichtet worden ist, sollte die Beitragstragung im Wesentlichen nur den Regeln der Krankenversicherungsbeiträge folgen (s. BT-Drucks. a. a. O.); eine Existenzsicherung der Rentenbezieher war dagegen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt.

Zum anderen ist der Wegfall der hälftigen Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung durch die Rentenversicherungsträger im Hinblick auf einen Beitragssatz von 0,85 % der Bruttorente tatsächlich für die Rentenbezieher nicht von existentieller Bedeutung. Es handelt sich bei diesem Beitragssatz um keinen für alle wertmäßig einheitlichen festen Fixbetrag, sondern um einen variablen Betrag in Abhängigkeit von der Höhe der Bruttorente mit einem Faktor von 0,85 %. Diese Belastung ist daher entgegen der Ansicht der Klägerin wegen ihrer Geringfügigkeit nicht zu vergleichen mit der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1985 in BVerfGE 69, 272 ff zugrunde liegenden Belastung der versicherten Rentner mit einer Beitragslast zur Krankenversicherung in Höhe von weit über 10 % der monatlichen Bruttorente.

Auch wenn die Rentenversicherungsträger die Hälfte des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung seit Inkrafttreten der sozialen Pflegeversicherung zum 01.01.1995 bis zum 31.03.2004 getragen haben, so führt schließlich allein die Zeitdauer der Gewährung dieser Leistung nicht dazu, daß die Versicherten diese Leistung zu ihrer existentiellen Versorgung rechnen können. Denn bereits die Schaffung der sozialen Pflegeversicherung war geprägt vom erstmals praktizierten Grundsatz des Umbaus des Sozialstaats (so Jung, Die neue Pflegeversicherung, 1995, S. 40). Neue soziale Leistungen wurden von Anfang an nicht mehr nur im Wege der Erhöhung der Beitragslast finanziert; es wurde für die aus den Arbeitgeberbeiträgen zur Pflegeversicherung entstehende Belastungen der Wirtschaft ein Ausgleich -eine Kompensation- gemäß § 58 Abs. 2 - 4 SGB XI geschaffen. Auch die weitere Beitragsentwicklung ist daher entsprechend den Anfängen der sozialen Pflegeversicherung und gemäß ihrer Struktur nicht beschränkt auf Beitragserhöhungen. Die 9-jährige hälftige Beitragstragung durch die Rentenversicherungsträger, die von Anfang an unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit durch die Rentenversicherungsträger und unter dem besonderen Vorbehalt der strukturellen Abänderbarkeit stand, vermochte daher noch keine Verfestigung eines dauerhaften Bezuges einer Sozialleistung zu begründen. Trotz 3-jähriger Tragung des halben Beitrags durch die Beklagte durfte und konnte die Klägerin daher diese Leistung nicht zu ihrer unerläßlichen Daseinsvorsorge rechnen.

b) Die Klägerin ist durch diese Neuregelung auch nicht in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und mit dem Rechtsstaatsprinzip garantierten Teilhaberecht verletzt.

Die Belastung mit der vollen Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung stellt zwar einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit dar. Das Grundrecht der allgemeinen Freiheit ist aber nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1, 2. Halbsatz GG garantiert. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, in das jeweils vorgefundene Leistungsgefüge ordnend einzugreifen. Art. 2 Abs. 1 GG ist nur dann nicht verletzt, wenn die verfassungsmäßige Ordnung gewahrt wird, d. h. wenn die Eingriffsnormen formell und materiell verfassungsgemäß sind und so insbesondere dem Übermaßverbot, den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips und dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG), entsprechen (vgl. etwa BVerfGE 97, 271, 286).

Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum. Er hat nicht nur frühere maßgebliche Strukturprinzipien und den Umfang der früher erbrachten Vorleistungen der Versicherten als Aktive zu beachten, sondern muß auch unterschiedliche Gemeinwohlbelange und zum Teil gegenläufige Grundrechtspositionen zum Ausgleich bringen (siehe BSG, Urteil vom 31.07.2002, Az.: B 4 RA 120/00 R)). Die Rentensicherheit für die nachrückende Generation, Folgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und für die öffentlichen Haushalte, die Belastungen der die Beiträge zahlenden aktiven Versicherten und Unternehmen und die Lasten aus Steuern sind in die Abwägung einzustellen (so BSG, a. a. O.).

aa) Der Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin erweist sich einerseits gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich und ist andererseits gemessen an der von der Klägerin erworbenen Rechtsposition sowie dem Umfang ihrer Beitragsleistung verhältnismäßig.

Mit der Neuregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XI wollte der Gesetzgeber die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller erhalten und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anpassen. Denn aus der steigenden Lebenserwartung der Versicherten und dem gleichzeitig ungünstiger werdenden Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern resultieren langfristig erhebliche Finanzierungsprobleme für die gesetzliche Rentenversicherung. So wird sich die Rentenbezugsdauer von 1960 bis 2030 in etwa verdoppeln. Gleichzeitig verschlechtert sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern: Dieses betrug 1960 noch rund 5:1 und wird voraussichtlich im Jahr 2003 bei ca. 2:1 liegen. Längere Rentenlaufzeiten, die von einem immer kleiner werdenden Anteil der Aktiven finanziert werden müssen, führen zu unvertretbar steigenden Beiträgen für die aktiven Beitragszahler, wenn keine anderen langfristig wirkenden Maßnahmen ergriffen werden (so BT-DRucks. 15/1830 S. 1). Der Gesetzgeber wollte die Rentenreform des Jahres 2001 weiter entwickeln und Impulse für die Sicherung und den Aufbau von Beschäftigung geben. Denn Wachstum und Beschäftigung seien grundlegende Bedingungen, um die gesetzliche Rentenversicherung langfristig zu sichern. Zur Belebung der Konjunktur soll daher der Beitragssatz von 19,5 % zur gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2004 beibehalten werden; ein Anstieg des Beitragssatzes um 0,9 Prozentpunkte müsse zur Verhinderung des Absinkens des verfügbaren Einkommens der Arbeitnehmer um 3,6 Milliarden Euro sowie eine entsprechende Erhöhung der Lohnnebenkosten der Arbeitgeber vermieden werden. Aufgrund der aktuellen finanziellen Situation könne dagegen die gesetzliche Rentenversicherung nicht weiter die Hälfte der Beitragslast der Rentner zur sozialen Pflegeversicherung übernehmen. Im Gegenzug zu dieser Belastung der Rentner mit dem vollen Beitrag zur Pflegeversicherung werden die Beitragsentlastungen in der Krankenversicherung so schnell wie möglich an die Rentner weitergegeben. Denn durch die Maßnahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes werden die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung bereits im Jahr 2004 durch entsprechende Beitragssatzänderungen bei den gesetzlichen Krankenkassen deutlich sinken und zeitnah an die Rentner weitergegeben werden (s. BT-Drucks. 15/1830, S. 1 ff).

Die gesetzliche Neuregelung ist geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen. Ihm steht im Sozialversicherugnsrecht wie in allen komplexen, auf künftige Entwicklungen ausgelegten Rechtsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu (so BVerfG, Nichtannahmebeschluß vom 03.02.2004, Az.: 1 BvR 2491/97 m. w. N.). Von diesem Einschätzungsspielraum ist die Vorschrift über die Streichung der hälftigen Beitragslast der Rentenversicherungsträger zur sozialen Pflegeversicherung gedeckt. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung wurde in den Jahren 2004 und 2005 stabil mit 19,5 % beibehalten. Das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer wurde nicht abgesenkt und die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber nicht erhöht. Dem steht nicht entgegen, daß die vom Gesetzgeber angestrebte Steigerung des Wirtschaftswachstums sowie der Beschäftigung nicht in dem erhofften Umfang eingetreten ist.

Die Neuregelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Dem Gesetzgeber stand kein milderes, die betroffenen Rentner insgesamt weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele ebenso gut hätte erreichen können. Insbesondere kann der Gesetzgeber nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung etwa bei den aktiven Versicherten durch Beitragserhöhung zu erzielen (vgl. etwa BVerfG E 103, 172, 189; 75, 78, 101 f.).

Die Streichung der hälftigen Tragung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung durch den Rentenversicherungsträger ist auch verhältnismäßig. Sie war bedingt durch den massiven Anstieg der Ausgaben der Rentenversicherungsträger, der drohte zu unvertretbar steigenden Beiträgen zu führen. Die nachteiligen Folgen dieser Entwicklung für die Beitragszahler, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt durfte der Gesetzgeber als gewichtig bewerten. Dem stand auf Seiten der betroffenen Rentner ein Eingriff in deren Rechtsposition gegenüber, die nicht dem Kernbereich der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen ist. Denn die hälftige Tragung des Beitrags zur sozialen Pflichtversicherung durch die Träger der Rentenversicherung für Krankenversicherungspflichtige nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. i.V.m. § 249 a SGB V (ebenso wie der Anspruch der freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten sowie der in einer privaten Krankenversicherung pflichtversicherten Rentenbezieher auf einen Zuschuß zur Pflegeversicherung gemäß § 106 a SGB VI a.F.) zählt nicht zum Kernbestand der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie ist deshalb als versicherungsfremde Zusatzleistung zu bezeichnen (vgl. etwa Vorlagebeschluß des BSG an das BVerfG vom 30.03.2004, Az.: 1 BvL 10/04; BSG, Urteil vom 25.02.2004, Az.: B 5 RJ 44/02 R). Diese Leistungen, die weder dem Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung noch diesem angegliederten Systemen unterliegen, können leichter an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse angepaßt werden, weil ihre Wertigkeit gegenüber Leistungen des Kernsystems geschwächt ist. Die durch die Neuregelung erfolgte Belastung der Rentner mit der zweiten Hälfte der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ist mangels Intensität als zumutbar zu bewerten. Die Mehrbelastung der Rentner mit 0,85 % des Bruttorentenbezugs ist im Hinblick auf die gesamte Altersversorgung als unerhebliche Mehraufwendung zu qualifizieren. Auch steht dieser Mehrbelastung durch die Tragung des vollen Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung entsprechend o. g. Gesamtplanung des Gesetzgebers eine Beitragsentlastung der Rentner in der Krankenversicherung ab dem Jahr 2004 gegenüber. Es errechnet sich unter Berücksichtigung der Senkung des Krankenversicherungsbeitrags bei der AOK Bayern, bei der die Klägerin pflichtversichert ist, ab 01.04.2004 um 0,4 % (Beitragssatz von 14,5 %) und ab 01.07.2005 um weitere 0,9 % (Beitragssatz 13,6 %) eine tatsächliche Mehrbelastung der Klägerin ab 01.04.2004 bis 30.06.2005 in Höhe von insgesamt 0,45 % und so von 2,78 EUR; ab 01.07.2005 entwickelt sich die Gesamtbeitragsbelastung der Klägerin (zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung) sogar zu ihrem Vorteil mit einer Erhöhung der Nettorente um insgesamt 0,45 % (2,78 EUR) gegenüber der Rechtslage vor dem 01.04.2004.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, daß die durch die Belastung der Rentner mit der vollen Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung bewirkte Entlastung der Rentenversicherungsträger und so Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auch dem Interesse der Rentner dient, damit der Aufwand für die Renten durch moderate Beiträge dauerhaft für die Zukunft gesichert werden kann.

bb) Die Neuregelung genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Gesetzgeber durfte die mit der gesetzlichen Neuregelung verfolgten öffentlichen Interessen höher als den Vertrauenstatbestand der Rentenbezieher bewerten. Bei der Beurteilung dieser Frage bedarf es der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen Rentners und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 69, 272, 298 ff.; 64, 87, 104; 24, 220, 230 f.).

Das Vertrauen der Rentner auf die Fortgeltung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a. F. und so auf die Beibehaltung einer systemfremden Regelung (s. hierzu oben) ist aber von vornherhein weniger schutzwürdig als das Vertrauen in Leistungen des Kernsystems der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach 3-jähriger hälftiger Beitragstragung durch die Beklagte bestand für die Klägerin kein besonders verfestigter Vertrauenstatbestand auf den Fortbestand der Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. Nachdem nach mehr als 20-jähriger Diskussion zum 01.01.1995 endlich die soziale Pflegeversicherungt als fünfte Säule des deutschen Sozialversicherungssystems zur solidarischen Absicherung des elementaren Lebensrisikos Pflegebedürftigkeit geschaffen worden war, konnte nicht erwartet werden, daß die anfänglichen gesetzlichen Vorschriften über die Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung auf Dauer unverändert fortbestehen werden. Die alte Regelung der hälftigen Beitragslastverteilung stand von Anfang an unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit durch die Rentenversicherungsträger und dem besonderen Vorbehalt der strukturellen Abänderbarkeit (s. hierzu bereits oben). Die gesetzliche Rentenversicherung darf -und muß- sich als Solidargemeinschaft zu ihrer Zukunftssicherung veränderten Situationen -hier eine erheblich verschlechterte finanzielle Lage- anpassen. Wer derart geprägten Gemeinschaften beitritt, erwirbt nicht nur die damit verbunden Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (so BVerfGE 69, 272, 298 ff). Dies gilt auch für die Versicherten der sozialen Pflegeversicherung.

Die Neuregelung erfolgte, um die Finanzierung der Rentenversicherung zu stabilisieren, ein weiteres Ansteigen der Beiträge um 0,9 Prozentpunkte zu verhindern sowie das Wachstum und die Beschäftigung langfristig zu sichern (so BT-Drucks. 15/1830 S. 1 ff.). Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung hochrangige öffentliche Allgemeinwohlbelange realisieren.

Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der dargestellten Gemeinwohlbelange mit den Interessen der Rentner ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Den Rentnern sind die durch diese Neuregelung entstehenden Nachteile auch zumutbar (ausführlich hierzu bereits oben). Die monatliche Mehrbelastung der Klägerin ist -isoliert betrachtet- mit 5,26 EUR im Verhältnis zu ihrer Nettorente von 562,31 EUR als geringfügig zu bewerten. Der existenzsichernde Charakter ihrer Rente wird hierdurch nicht gefährdet. Wird dagegen, wie vom Gesetzgeber als "Gesamtpaket" beabsichtigt, die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags in die Betrachtung einbezogen, so reduziert sich die monatliche Mehrbelastung der Klägerin in der Zeit vom 01.04.2004 bis 30.06.2005 auf 2,78 EUR und führt ab 01.07.2005 sogar zu einer Erhöhung der Nettorente in Höhe von 2,78 EUR.

Schließlich entrichtete die Klägerin in ihrer aktiven Erwerbsphase nur für acht Monate (Januar bis August 1995) aufgrund eigener Arbeit Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von nur 0,5 % ihres Arbeitsverdienstes. Dieser sehr kurzen eigenen Mitfinanzierung des Pflegeversicherungssystems steht eine über neunjährige Beitragsbegünstigung durch die Beklagte gegenüber.

cc) Die Neuregelung verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (so ständige Rechtsprechung des BVerfG; s. statt vieler: BVerfGE 104, 126, 144 f.).

Zum einen besteht keine Ungleichbehandlung gegenüber den versicherungspflichtig Beschäftigten außerhalb Sachsens, die weiterhin gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nur den halben Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen haben, und gegenüber den in Sachsen versicherungspflichtig Beschäftigten mit der vollen Beitragslast zur sozialen Pflegeversicherung gemäß § 58 Abs. 3 SGB XI. Denn die Verpflichtung des Arbeitgebers -außer im Land Sachsen-, die zweite Hälfte des Pflegeversicherungsbeitrags zu tragen, beruht auf einer Streichung des Buß- und Bettags als gesetzlichen Feiertag (anders in Sachsen) gemäß § 58 Abs. 3 SGB XI (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung siehe BVerfG, Nichtannahmebeschluß vom 11.06.2003, Az.: 1 BvR 190/00). Mit dieser Regelung sollte im Interesse der Sicherung der Arbeitsplätze ein weiterer Anstieg der Lohnzusatzkosten vermieden werden und einer Schwächung der Investitionstätigkeit und einer Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit entgegengewirkt werden (siehe Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drucks. 13/3811, S. 4). Während also bereits ab Beginn der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes zum 01.01.1995 die Beschäftigten in allen Bundesländern, ausgenommen Sachsen, die hälftige Beitragslast durch die Arbeitgeber mit der Streichung des gesetzlichen Feiertages Buß- und Bettag ausgeglichen haben und so einen Tag mehr gearbeitet haben sowie die Beschäftigten in Sachsen den vollen Pflegeversicherungsbeitrag allein getragen haben, wurde bei den Rentnern die Hälfte des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung durch die Rentenversicherungsträger getragen, ohne daß die Rentner hierzu besondere Voraussetzungen oder gar eine Gegenleistung erbringen mußten. Für diesen Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.03.2004 waren die Rentner, verglichen mit den Beschäftigten, günstiger gestellt. Der Gesetzgeber ist daher befugt, diese Besserstellung der Rentner zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Angleichung an die Beitragslast der Beschäftigten aufzuheben. Schließlich ist auch die geringfügige Ungleichbehandlung der Rentner mit den Beschäftigten in Sachsen, deren Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung nur 1 % beträgt (§ 58 Abs. 3 Satz 1 SGB XI), durch hinreichende sachliche Gründe, nämlich den Nutzen der Einführung der sozialen Pflegeversicherung, gerechtfertigt (vgl. BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Beitragsmehrbelastung der in Sachsen Beschäftigten im Vergleich zu den in anderen Ländern Beschäftigten, Nichtannahmebeschluß vom 11.06.2003, a. a. O.).

Es erfolgt auch keine Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Rentner, weil für die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten sowie die in der privaten Krankenversicherung Versicherten der Zuschuß zur sozialen Pflegeversicherung nach § 106 a SGB VI a.F. ebenfalls mit Wirkung ab 01.04.2004 gestrichen worden ist (siehe § 59 Abs. 4 SGB XI).

Die Neuregelung verstößt schließlich nicht gegen das Sozialstaatsprinzip. Dieses begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (BVerfGE 35, 202, 235 f.; 27, 253, 283). Die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt vornehmlich der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers; dieser Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Sprungrevision war gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Beklagte hat das Verfahren als Musterverfahren ausgewählt, in dem eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der vollen Beitragstragung der Rentner zur sozialen Pflegeversicherung, die in einer großen Zahl gleichgelagerter Fälle aufgeworfen wird, herbeigeführt werden soll. -
Rechtskraft
Aus
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