Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 4931/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 B 461/05 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Antrag, die aufschiebende Wirkung der am 26. August 2004 vor dem Sozialgericht Berlin (S 14 RA 4931/04) erhobenen Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom 8. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2004 für Bezugszeiten ab dem 1. Dezember 2003 vorgenommene Anrechnung von Industrial Injuries Disablement Benefit- Leistungen bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen anzuordnen, abgelehnt wird. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Zeit ab 1. Dezember 2003 über die Anrechnung einer aufgrund eines Arbeitsunfalls in Großbritannien gezahlten Leistung (Industrial Injuries Disablement Benefit (IIDB)) im Rahmen der Altersrente für Schwerbehinderte.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 2. November 2001 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beginnend am 1. April 2000. Ausgehend von 26,3035 persönlichen Entgeltpunkten ergebe sich eine zwischenstaatliche Rente von 1.270,20 DM ab 1. April 2000. Für die Zeit ab 1. Januar 2002 belaufe sich die monatliche zwischenstaatliche Rente auf 665,85 Euro zuzüglich 23,57 Euro Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag, so dass der monatliche Zahlbetrag 689,42 Euro betrage. Eine Minderung der Rentenhöhe aufgrund anderer Ansprüche trete nicht ein. Die Antragstellerin stellte dabei in ihrer Prüfung, ob die Rente mit anderen Renten oder mit Einkommen zusammen trifft, die von der Antragstellerin aufgrund zweier Arbeitsunfälle in Großbritannien bezogene Leistung (IIDB) ein. Sie ging bei der Prüfung der Anrechnung davon aus, dass die an die Antragstellerin ab 1. April 2000 gezahlte britische Leistung in Höhe von umgerechnet 276,28 DM 15 % der ungeminderten ausländischen Unfallrente darstelle und legte diesen Betrag der Berechnung des maßgeblichen Grenzbetrages (§ 93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) zu Grunde. Sie ermittelte ausgehend von der monatlichen Leistung i.H.v. 276,28 DM und einem Prozentsatz von 15 % eine (fiktive) monatliche ungeminderte Unfallrente i.H.v. 1.823,44 DM welche mit 18 multipliziert den im Bescheid aufgeführten fiktiven Jahresverdienst i.H.v. 33.153,66 DM ergibt. Da aufgrund der Berechnungen der für eine Anrechnung maßgebliche Grenzbetrag nicht überschritten werde, erfolge eine Anrechnung auf die Altersrente nicht. Die Antragstellerin hatte sich bereits gegen die Anrechnung der IIDB-Leistung im Rahmen der ihr zuvor gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewandt. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999 hatte die Antragsgegnerin entschieden, dass sie bezüglich dieser Leistung (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen sei.
Mit Bescheid vom 3. April 2002 wurde der Zahlbetrag der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. April 2000 wegen der Änderung der Zuschüsse zur Krankenversicherung neu berechnet. Mit Bescheid vom 28. Mai 2002 erfolgte eine Anpassung ab dem 1. April 2002. Eine Anrechnung der IIDB wurde auch in diesem Bescheid nicht verfügt; die entsprechende Berechnung ging wiederum bezüglich der britischen Leistung von einem Zahlbetrag von 157,83 Euro und der Annahme aus, dieser Betrag stelle 15 % der ungeminderten Unfallrente dar.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2002 teilte der für die IIDB zuständige britische Träger (Department of Social Security Pensions and Overseas Benefits Directorate Industrial Injuries) mit, dass die Antragstellerin seit 6. November 1991 IIDB- Leistungen für eine 20 % Behinderung erhalte. Dies beruhe auf einer Bewertung von zwei Unfällen am 24. Juli 1991 (10 %) und 2. November 1990 (5%).
Mit Bescheid vom 19. Juli 2002 wurde zunächst die früher gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die bereits zuvor mit Bescheid vom 4. Juli 2001 neu berechnet worden war, ab dem 1. Januar 1995 nochmals neu berechnet. Mit Bescheid vom 6. September 2002 wurde die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Juli 2002 wegen Änderung des Zuschusses zur Krankenversicherung neu berechnet. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 3. September 2003 erfolgte eine weitere Neuberechnung ab dem 1. Juli 2003, wobei die IIDB ausgehend von einem Leistungssatz von 15 % berücksichtigt und im Ergebnis nicht angerechnet wurde.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 wurde die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Wirkung ab 1. Dezember 2003 neu berechnet. Die zwischenstaatliche Rente von monatlich 687,31 Euro vermindere sich wegen des Zusammentreffens anderer Ansprüche auf 628,04 Euro. Ausgehend von Leistungen aus der britischen Unfallversicherung (IIDB) von umgerechnet 147,33 Euro, die nunmehr als 20 % einer Vollrente angesehen wurden, errechne sich ein Grenzbetrag von 773,49 Euro, bereinigt auf 667,70 Euro. Grenzbetrag sei mindestens die zu berücksichtigende Rente aus der Rentenversicherung in Höhe von 687,31 Euro. Die Summe der Rentenbeträge von 746,58 Euro übersteige den Grenzbetrag um 59,27 Euro. Die Rente der Rentenversicherung sei um diesen Betrag zu mindern; sie betrage damit 628,04 Euro. Der Rentenbescheid vom 2. November 2001 in der Fassung des Bescheides vom 3. September 2003 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Dezember 2003 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen. Es sei von einem zusammengefassten Behinderungsgrad von 20 % auszugehen. Die Rücknahme für die Zukunft sei zulässig, da sich die Antragstellerin nicht auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen könne und die Fristen, in denen eine Rücknahme erfolgen könne, nicht abgelaufen seien. Im Wege des Ermessens sei die Bescheidrücknahme gerechtfertigt, weil ein überwiegendes Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bestehe.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Oktober 2003 Widerspruch ein. Ihr Behinderungsgrad betrage 15 % und nicht 20 %. Mit Bescheid vom 12. November 2003 ergänzte die Antragsgegnerin die Begründung ihres Bescheides. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde die ungekürzte Zahlung ab 1. Februar 2004 und eine Nachzahlung für Dezember 2003 und Januar 2004 veranlasst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2004 wurde der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15. Juni 2000 (bezüglich einer Neuberechnung der ursprünglich gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Juli 2000) zurückgewiesen. In dem Bescheid heißt es wörtlich: "Der Widerspruch wird – soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 04.07. 2001, 27.12.2001, 03.04.2002, 19.07.2002, 06.09.2002, 3.09.2003 abgeholfen worden ist – zurückgewiesen." Es sei nicht zu beanstanden, dass die IIDB bei der Berechnung der Rente berücksichtigt werde. Der IIDB-Leistung liege aufgrund zweier Arbeitsunfälle ein Behinderungsgrad von insgesamt 15 % zu Grunde. Bei einem Behinderungsgrad von mehr als 14 % bis 20 % werde bei der Feststellung des IIDB automatisch ein Behinderungsgrad von 20 % berücksichtigt. Aus diesem festgestellten Behinderungsgrad ergebe sich, dass der IIDB in Höhe von 20 % der vollen britischen Unfallrente gezahlt werde. Es sei nicht zu beanstanden, dass bei der Berechnung nach § 93 SGB VI auf Anlage 7 des Rentenbescheides vom 8. Oktober 2003 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % berücksichtigt werde.
Hiergegen richtet sich die am 26. August 2004 erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin zum Aktenzeichen S 14 RA 4931/04, mit der sich die Antragstellerin grundsätzlich gegen die Anrechnung der IIDB-Leistung und gegen den herangezogenen Grad der Behinderung wendet. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass aufgrund des Endes der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches mit Wirkung ab 1. Dezember 2004 die Rente aufgrund der Anrechnung der IIDB reduziert werde. Daraufhin beantragte die Antragstellerin bei dem SG die Herstellung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Beschluss vom 26. April 2005 hat das SG Berlin den Antrag auf Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2004 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die am 24. Mai 2005 eingegangene Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr Begehren weiter verfolgt. Die IIDB-Leistung sei eine Sozialleistung und habe nichts mit einer Unfallversicherung zu tun. Der Behinderungsgrad betrage 15 % und nicht 20 %. Außerdem stehe erst aufgrund der Entscheidung vom 17. April 1996 fest, dass eine Gesamtbehinderung lebenslang von 15 % bestehe. Die maßgebende Entscheidung sei daher erst nach Eintritt der deutschen Rente erfolgt.
Die Verwaltungsakte hat bei der Entscheidung vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Beschlussformel genannten Klage zu verstehen (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG kann das Gericht weiter die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist.
Der Antrag ist statthaft, wenn der in der Hauptsache geeignete Klageantrag eine isolierte Anfechtungsklage ist und der Klage nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG). So verhält es sich hier. Denn die Antragstellerin verfolgt in der Hauptsache vor dem SG ihr Anfechtungsbegehren mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Gegenstand der Klage (i.S.v. § 95 SGG) ist der Bescheid vom 8. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2004, mit dem mit Wirkung auf die Zukunft ab 1. Dezember 2003 der Rentenbescheid betreffend die Gewährung einer Altersrente geändert wurde im Hinblick auf die Festsetzung des maßgeblichen Anrechnungsbetrages und die sich daraus ergebende Minderung des Zahlbetrages. Den gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2003 eingelegten Widerspruch der Antragstellerin hat der Widerspruchsausschuss in seinem Bescheid vom 7. Mai 2004 mitbeschieden. Zwar werden weder der Rentenbescheid über die Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 2. November 2001 noch der Teilaufhebungsbescheid vom 8. Oktober 2003 in dem Verfügungssatz genannt. Doch ergibt sich aus der Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 3. April 2002, 6. September 2002 und 3. September 2003, dass der Widerspruchsausschuss nicht nur über die Widersprüche hinsichtlich der Rente wegen Erwerbsminderung, sondern auch über die Widersprüche hinsichtlich der Altersrente entscheiden wollte. Hinzu kommt, dass auf die Berechnung in dem Bescheid vom 8. Oktober 2003 ausdrücklich Bezug genommen und sie nicht beanstandet wird.
Diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Zwar berührt die Festsetzung des Anrechnungsbetrages nicht die Festsetzung des Wertes des Rechtes auf Altersrente, sondern lediglich die in der Höhe dieses Wertes monatlich entstehenden Zahlungsansprüche. Damit kommt der Festsetzung des Anrechnungsbetrages aber die Wirkung eines Eingriff zu, weshalb er als teilweise Entziehung einer laufenden Rentenleistung durch Verwaltungsakt anzusehen ist. Die aufschiebende Wirkung dieser Klage entfällt daher gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG, da es sich um eine Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzt, handelt. Dass die Antragstellerin ferner in der Hauptsache zulässigerweise eine echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhoben hat, da sie im Falle, dass sie mit ihrem Anfechtungsbegehren durchdringt, die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung entsprechend höherer Geldbeträge – gestützt auf die dann bindend gewordenen Wertfestsellungen - begehrt, ändert nichts an der Statthaftigkeit ihres Antrages nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Vorliegend überwiegt das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da der angefochtene Bescheid vom 8. Oktober 2003 rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist. Maßgeblich ist vorliegend die letzte vor der Abänderungsentscheidung mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 getroffene Festsetzung des Anrechnungsbetrages im Hinblick auf die IIDB-Leistung. Diese liegt in dem Bescheid vom 3. September 2003, wonach zwar nicht in Abänderung, so doch aber in Ersetzung der Anrechnungsentscheidung in dem Bescheid vom 2. November 2001, der Anrechnungsbetrag für Bezugszeiten ab 1. Juli 2003 auf Null festgesetzt wurde. Zwar war der Bescheid vom 3. September 2003 im Zeitpunkt der Änderung der Festsetzung des Anrechnungsbetrages noch nicht bestandskräftig. Gleichwohl sind auch bei Änderungen im laufenden Widerspruchsverfahren die die Rücknahme von Verwaltungsakten regelnden Bestimmungen der §§ 45 ff SGB X - zumindest analog - heranzuziehen (KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X RdNr 9).
Der Bescheid vom 3. September 2003 ist hinsichtlich der hier zur Überprüfung anstehenden Entscheidung über einen Anrechnungsbetrag insoweit rechtswidrig, als bei der Prüfung der Anrechnung der IIDB-Leistung ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15 % die maßgeblichen Grenzbeträge falsch ermittelt wurden und es im Ergebnis zu keiner Anrechnung kam. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung, die IIDB-Leistung überhaupt (dem Grunde nach) anzurechnen. Nach § 93 Abs. 1 SGB VI wird für den Fall, dass für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung besteht, eine Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. § 93 SGB VI regelt die Voraussetzungen, unter denen der Träger der gesetzlichenRentenversicherung (RV) als Schuldner des Versicherten, der ihm gegenüber als Gläubiger ein Recht auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, den in Höhe des Wertes dieses Rechts entstandenen monatlichen Ansprüchen (ganz oder teilweise) anspruchsvernichtend durch Verwaltungsakt (Festsetzung des monatlichen Anrechnungsbetrages und des daraus resultierenden monatlichen Rentenzahlbetrages) entgegenhalten darf und muss, dieser habe jeweils für denselben Monat außerdem einen Anspruch auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung (UV), durch den bereits (ganz oder teilweise) der Nachteil ausgeglichen werde, den abzugelten die RV - insoweit nachrangig zur UV - versprochen habe. Im Einzelnen bestimmt sich der Anrechnungsbetrag ua nach der Freibetragsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VI und der Grenzbetragsregelung des Abs. 3. Diese normativen Ausgestaltungen sind mit Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art 14 GG vereinbar (hierzu und zum weiteren Aufbau des § 93 SGB VI: BSG, Urteil des 4. Senats vom 31. März 1998, BSGE 82, 83 ff = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Nach § 93 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI erfolgt eine Anrechnung auch, wenn von einem Träger mit Sitz im Ausland eine Rente wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit geleistet wird, die einer Rente aus der Unfallversicherung vergleichbar ist. Als einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung vergleichbar gelten in Anlehnung an § 6 des Fremdrentengesetzes auf Gesetz beruhende Versicherungen gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder eines dieser Risiken ("Wagnisse"). Die IIDB-Leistung ist eine vergleichbare Leistung. Sie beruht auf dem Social Security Contributions and Benefits Act 1992, Part V Section 94 ff. Danach werden Leistungen erbracht an angestellte Erwerbstätige, die durch oder im Verlauf ihrer beruflichen Tätigkeit eine Verletzung erleiden, also eben in den Fällen, in denen auch die gesetzliche UV der Bundesrepublik Deutschland leistungspflichtig ist. Die Tatsache, dass das britische IIDB-System steuer- und nicht wie die deutsche Unfallversicherung beitragsfinanziert ist, hat auf die Frage der Vergleichbarkeit keinen Einfluss. Wegen des Zwecks der Vorschrift (Vermeidung von Doppelleistungen) kommt es allein auf die Art der Leistung an.
Die Berechnung des Anrechnungsbetrages in dem Bescheid vom 3. September 2003 ist fehlerhaft. Nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchst a SGB VI bleibt bei der Verletztenrente aus der UV der Betrag unberücksichtigt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetzes (BVG) geleistet würde, bei einer MdE um 20 vH zwei Drittel der Mindestgrundrente nach dem BVG, bei einer MdE um 10 vH ein Drittel dieser Rente. In dem Bescheid vom 3. September 2003 ist die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung des Freibetrages zu Unrecht von Leistungen nach einem Behinderungsgrad von 15 % ausgegangen. Zwar liegt der unfallbedingte Behinderungsgrad bei 5 % zuzüglich 10 %, dh insgesamt 15 %. Da indes die IIDB-Leistung nach einem Satz von 20 % geleistet wird, ist auch dieser Satz bei der Berechnung des Freibetrages zugrunde zu legen, so dass er sich auf zwei Drittel der Mindestgrundrente nach dem BVG beläuft. Auf den Leistungssatz von 20 % und nicht auf den Behinderungsgrad von 15 % ist abzustellen, da die Anrechnung an die wirtschaftliche Bedeutung der hinzutretenden Leistung anknüpft, die in der den Zahlbetrag unmittelbar bestimmenden Größe – hier dem "durch Aufrundung" ermittelten Leistungssatz von 20 % - Ausdruck findet. Zweck der Freibetragsregelung ist es, im Rahmen einer Gleichbehandlung unfallverletzter Rentenberechtigter diejenigen Rentenanteile von der Anrechnung auszunehmen, die dem Ausgleich immaterieller Schäden dienen. § 93 SGB VI trägt - wie seine Vorgängerregelungen (§§ 1278 Reichsversicherungsordnung (RVO), 55 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG)) - der sozialpolitischen Überlegung Rechnung, dass das Renteneinkommen des Versicherten, das Lohnersatzfunktion hat, nicht höher sein soll als das Nettoerwerbseinkommen bei voller Arbeitsleistung. Die Anrechnungsregelung verfolgt den verfassungsmäßigen Zweck, Nachteilsüberkompensationen (sog Überversorgung) aus der Summierung teilweise zweckähnlicher Versicherungsleistungen aus zwei Zweigen der Sozialversicherung des SGB zu begrenzen. Die Verletztenrente aus der UV deckt teilweise den Bedarf mit ab, dessen Absicherung auch die Rente aus der RV bezweckt. Diese hat in einem weiteren Sinn Einkommensersatzfunktion (sog Alterslohnprinzip; dazu: BSG, Urteil des 4. Senats vom 29. Juni 2000, BSGE 86, 262, 300 f = SozR 3-2600 § 210 Nr 2). Eine solche Funktion hat zum Teil auch die Verletztenrente; zugleich kompensiert sie aber auch den immateriellen Schaden, den das Unfallopfer erlitten hat (zum Ganzen: BSG, Urteil des 4. Senats vom 31. März 1998, BSGE 82, 83, 84, 90, 92 ff = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Auch die weiteren Rechenschritte der Antragsgegnerin im Bescheid vom 3. September 2003 sind zu beanstanden. Insbesondere die Ermittlung des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass die von der Antragstellerin bezogene Leistung 20 % der Leistung für eine "IIDB-Vollrente" darstellt. So errechnet sich ein fälschlicherweise zu hoch angesetzter Jahresarbeitsverdienst, woraus sich dann ein zu hoher Grenzbetrag ergibt, mit der Folge, dass eine Anrechnung unterbleibt.
Diesen im Hinblick auf die Anrechnungsentscheidung und den damit verbundene Festsetzung des Zahlbetrages rechtswidrigen Bescheid konnte die Antragsgegnerin mit Wirkung für die Zukunft durch Bescheid vom 8. Oktober 2003 zurücknehmen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen, da hier nur eine Anpassung für die Zukunft mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2003 erfolgt ist. Ebenso weinig ist die Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin zu beanstanden. Auch die Fristen des § 45 Abs. 3 SGB X sind gewahrt.
Die neue Entscheidung über den Anrechnungsbetrag berücksichtigt nunmehr zu Recht, dass die Antragstellerin Leistungen nach einem Satz von 20 % erhält und berechnet den maßgeblichen Grenzbetrag und den sich daraus ergebenden Anrechnungsbetrag insoweit zutreffend. Insbesondere steht der Anrechnung nicht § 93 Abs. 5 SGB VI entgegen. Nach dieser Vorschrift werden die Absätze 1 bis 4 nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat. Die hier maßgebliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen wurde erstmals mit Beschied vom 2. November 2001 mit Rentenbeginn am 1. April 2000 bewilligt. Die Unfälle, die Auslöser der IIDB-Leistungen waren, dh. die Versicherungsfälle, liegen beide vor diesem Zeitraum.
Die Anrechnungsentscheidung steht auch nicht im Widerspruch zum europäischen Recht. Vielmehr sieht Art. 46a Abs. 3 der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Konsolidierte Fassung ABl. Nr. L 28 vom 30. Januar 1997 S. 1) gerade eine Anrechnungsmöglichkeit vor. Dort wird die Anwendung der Kürzungs-, Ruhens- und Entziehungsbestimmungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats bei Zusammentreffen einer Leistung bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene mit einer Leistung gleicher Art oder einer Leistung unterschiedlicher Art oder mit sonstigen Einkünften geregelt. Nach Abs. 3 b) werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats (hier: Großbritannien) erworbenen Leistungen oder die in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte nur berücksichtigt, wenn die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates (hier: Bundesrepublik Deutschland) die Berücksichtigung solcher im Ausland erworbenen Leistungen oder dort erzielter Einkünfte vorsehen. Dies erfolgt im bundesdeutschen Recht durch § 93 SGB VI.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Zeit ab 1. Dezember 2003 über die Anrechnung einer aufgrund eines Arbeitsunfalls in Großbritannien gezahlten Leistung (Industrial Injuries Disablement Benefit (IIDB)) im Rahmen der Altersrente für Schwerbehinderte.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 2. November 2001 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beginnend am 1. April 2000. Ausgehend von 26,3035 persönlichen Entgeltpunkten ergebe sich eine zwischenstaatliche Rente von 1.270,20 DM ab 1. April 2000. Für die Zeit ab 1. Januar 2002 belaufe sich die monatliche zwischenstaatliche Rente auf 665,85 Euro zuzüglich 23,57 Euro Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag, so dass der monatliche Zahlbetrag 689,42 Euro betrage. Eine Minderung der Rentenhöhe aufgrund anderer Ansprüche trete nicht ein. Die Antragstellerin stellte dabei in ihrer Prüfung, ob die Rente mit anderen Renten oder mit Einkommen zusammen trifft, die von der Antragstellerin aufgrund zweier Arbeitsunfälle in Großbritannien bezogene Leistung (IIDB) ein. Sie ging bei der Prüfung der Anrechnung davon aus, dass die an die Antragstellerin ab 1. April 2000 gezahlte britische Leistung in Höhe von umgerechnet 276,28 DM 15 % der ungeminderten ausländischen Unfallrente darstelle und legte diesen Betrag der Berechnung des maßgeblichen Grenzbetrages (§ 93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) zu Grunde. Sie ermittelte ausgehend von der monatlichen Leistung i.H.v. 276,28 DM und einem Prozentsatz von 15 % eine (fiktive) monatliche ungeminderte Unfallrente i.H.v. 1.823,44 DM welche mit 18 multipliziert den im Bescheid aufgeführten fiktiven Jahresverdienst i.H.v. 33.153,66 DM ergibt. Da aufgrund der Berechnungen der für eine Anrechnung maßgebliche Grenzbetrag nicht überschritten werde, erfolge eine Anrechnung auf die Altersrente nicht. Die Antragstellerin hatte sich bereits gegen die Anrechnung der IIDB-Leistung im Rahmen der ihr zuvor gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewandt. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999 hatte die Antragsgegnerin entschieden, dass sie bezüglich dieser Leistung (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen sei.
Mit Bescheid vom 3. April 2002 wurde der Zahlbetrag der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. April 2000 wegen der Änderung der Zuschüsse zur Krankenversicherung neu berechnet. Mit Bescheid vom 28. Mai 2002 erfolgte eine Anpassung ab dem 1. April 2002. Eine Anrechnung der IIDB wurde auch in diesem Bescheid nicht verfügt; die entsprechende Berechnung ging wiederum bezüglich der britischen Leistung von einem Zahlbetrag von 157,83 Euro und der Annahme aus, dieser Betrag stelle 15 % der ungeminderten Unfallrente dar.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2002 teilte der für die IIDB zuständige britische Träger (Department of Social Security Pensions and Overseas Benefits Directorate Industrial Injuries) mit, dass die Antragstellerin seit 6. November 1991 IIDB- Leistungen für eine 20 % Behinderung erhalte. Dies beruhe auf einer Bewertung von zwei Unfällen am 24. Juli 1991 (10 %) und 2. November 1990 (5%).
Mit Bescheid vom 19. Juli 2002 wurde zunächst die früher gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die bereits zuvor mit Bescheid vom 4. Juli 2001 neu berechnet worden war, ab dem 1. Januar 1995 nochmals neu berechnet. Mit Bescheid vom 6. September 2002 wurde die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Juli 2002 wegen Änderung des Zuschusses zur Krankenversicherung neu berechnet. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 3. September 2003 erfolgte eine weitere Neuberechnung ab dem 1. Juli 2003, wobei die IIDB ausgehend von einem Leistungssatz von 15 % berücksichtigt und im Ergebnis nicht angerechnet wurde.
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 wurde die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Wirkung ab 1. Dezember 2003 neu berechnet. Die zwischenstaatliche Rente von monatlich 687,31 Euro vermindere sich wegen des Zusammentreffens anderer Ansprüche auf 628,04 Euro. Ausgehend von Leistungen aus der britischen Unfallversicherung (IIDB) von umgerechnet 147,33 Euro, die nunmehr als 20 % einer Vollrente angesehen wurden, errechne sich ein Grenzbetrag von 773,49 Euro, bereinigt auf 667,70 Euro. Grenzbetrag sei mindestens die zu berücksichtigende Rente aus der Rentenversicherung in Höhe von 687,31 Euro. Die Summe der Rentenbeträge von 746,58 Euro übersteige den Grenzbetrag um 59,27 Euro. Die Rente der Rentenversicherung sei um diesen Betrag zu mindern; sie betrage damit 628,04 Euro. Der Rentenbescheid vom 2. November 2001 in der Fassung des Bescheides vom 3. September 2003 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Dezember 2003 nach § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen. Es sei von einem zusammengefassten Behinderungsgrad von 20 % auszugehen. Die Rücknahme für die Zukunft sei zulässig, da sich die Antragstellerin nicht auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen könne und die Fristen, in denen eine Rücknahme erfolgen könne, nicht abgelaufen seien. Im Wege des Ermessens sei die Bescheidrücknahme gerechtfertigt, weil ein überwiegendes Interesse der Versichertengemeinschaft an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bestehe.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Oktober 2003 Widerspruch ein. Ihr Behinderungsgrad betrage 15 % und nicht 20 %. Mit Bescheid vom 12. November 2003 ergänzte die Antragsgegnerin die Begründung ihres Bescheides. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde die ungekürzte Zahlung ab 1. Februar 2004 und eine Nachzahlung für Dezember 2003 und Januar 2004 veranlasst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2004 wurde der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15. Juni 2000 (bezüglich einer Neuberechnung der ursprünglich gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. Juli 2000) zurückgewiesen. In dem Bescheid heißt es wörtlich: "Der Widerspruch wird – soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 04.07. 2001, 27.12.2001, 03.04.2002, 19.07.2002, 06.09.2002, 3.09.2003 abgeholfen worden ist – zurückgewiesen." Es sei nicht zu beanstanden, dass die IIDB bei der Berechnung der Rente berücksichtigt werde. Der IIDB-Leistung liege aufgrund zweier Arbeitsunfälle ein Behinderungsgrad von insgesamt 15 % zu Grunde. Bei einem Behinderungsgrad von mehr als 14 % bis 20 % werde bei der Feststellung des IIDB automatisch ein Behinderungsgrad von 20 % berücksichtigt. Aus diesem festgestellten Behinderungsgrad ergebe sich, dass der IIDB in Höhe von 20 % der vollen britischen Unfallrente gezahlt werde. Es sei nicht zu beanstanden, dass bei der Berechnung nach § 93 SGB VI auf Anlage 7 des Rentenbescheides vom 8. Oktober 2003 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % berücksichtigt werde.
Hiergegen richtet sich die am 26. August 2004 erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin zum Aktenzeichen S 14 RA 4931/04, mit der sich die Antragstellerin grundsätzlich gegen die Anrechnung der IIDB-Leistung und gegen den herangezogenen Grad der Behinderung wendet. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass aufgrund des Endes der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches mit Wirkung ab 1. Dezember 2004 die Rente aufgrund der Anrechnung der IIDB reduziert werde. Daraufhin beantragte die Antragstellerin bei dem SG die Herstellung der aufschiebenden Wirkung.
Mit Beschluss vom 26. April 2005 hat das SG Berlin den Antrag auf Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 3. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2004 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die am 24. Mai 2005 eingegangene Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr Begehren weiter verfolgt. Die IIDB-Leistung sei eine Sozialleistung und habe nichts mit einer Unfallversicherung zu tun. Der Behinderungsgrad betrage 15 % und nicht 20 %. Außerdem stehe erst aufgrund der Entscheidung vom 17. April 1996 fest, dass eine Gesamtbehinderung lebenslang von 15 % bestehe. Die maßgebende Entscheidung sei daher erst nach Eintritt der deutschen Rente erfolgt.
Die Verwaltungsakte hat bei der Entscheidung vorgelegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Beschlussformel genannten Klage zu verstehen (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG kann das Gericht weiter die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist.
Der Antrag ist statthaft, wenn der in der Hauptsache geeignete Klageantrag eine isolierte Anfechtungsklage ist und der Klage nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG). So verhält es sich hier. Denn die Antragstellerin verfolgt in der Hauptsache vor dem SG ihr Anfechtungsbegehren mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Gegenstand der Klage (i.S.v. § 95 SGG) ist der Bescheid vom 8. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2004, mit dem mit Wirkung auf die Zukunft ab 1. Dezember 2003 der Rentenbescheid betreffend die Gewährung einer Altersrente geändert wurde im Hinblick auf die Festsetzung des maßgeblichen Anrechnungsbetrages und die sich daraus ergebende Minderung des Zahlbetrages. Den gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2003 eingelegten Widerspruch der Antragstellerin hat der Widerspruchsausschuss in seinem Bescheid vom 7. Mai 2004 mitbeschieden. Zwar werden weder der Rentenbescheid über die Altersrente für schwerbehinderte Menschen vom 2. November 2001 noch der Teilaufhebungsbescheid vom 8. Oktober 2003 in dem Verfügungssatz genannt. Doch ergibt sich aus der Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 3. April 2002, 6. September 2002 und 3. September 2003, dass der Widerspruchsausschuss nicht nur über die Widersprüche hinsichtlich der Rente wegen Erwerbsminderung, sondern auch über die Widersprüche hinsichtlich der Altersrente entscheiden wollte. Hinzu kommt, dass auf die Berechnung in dem Bescheid vom 8. Oktober 2003 ausdrücklich Bezug genommen und sie nicht beanstandet wird.
Diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Zwar berührt die Festsetzung des Anrechnungsbetrages nicht die Festsetzung des Wertes des Rechtes auf Altersrente, sondern lediglich die in der Höhe dieses Wertes monatlich entstehenden Zahlungsansprüche. Damit kommt der Festsetzung des Anrechnungsbetrages aber die Wirkung eines Eingriff zu, weshalb er als teilweise Entziehung einer laufenden Rentenleistung durch Verwaltungsakt anzusehen ist. Die aufschiebende Wirkung dieser Klage entfällt daher gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG, da es sich um eine Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzt, handelt. Dass die Antragstellerin ferner in der Hauptsache zulässigerweise eine echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhoben hat, da sie im Falle, dass sie mit ihrem Anfechtungsbegehren durchdringt, die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung entsprechend höherer Geldbeträge – gestützt auf die dann bindend gewordenen Wertfestsellungen - begehrt, ändert nichts an der Statthaftigkeit ihres Antrages nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Vorliegend überwiegt das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da der angefochtene Bescheid vom 8. Oktober 2003 rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist. Maßgeblich ist vorliegend die letzte vor der Abänderungsentscheidung mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 getroffene Festsetzung des Anrechnungsbetrages im Hinblick auf die IIDB-Leistung. Diese liegt in dem Bescheid vom 3. September 2003, wonach zwar nicht in Abänderung, so doch aber in Ersetzung der Anrechnungsentscheidung in dem Bescheid vom 2. November 2001, der Anrechnungsbetrag für Bezugszeiten ab 1. Juli 2003 auf Null festgesetzt wurde. Zwar war der Bescheid vom 3. September 2003 im Zeitpunkt der Änderung der Festsetzung des Anrechnungsbetrages noch nicht bestandskräftig. Gleichwohl sind auch bei Änderungen im laufenden Widerspruchsverfahren die die Rücknahme von Verwaltungsakten regelnden Bestimmungen der §§ 45 ff SGB X - zumindest analog - heranzuziehen (KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X RdNr 9).
Der Bescheid vom 3. September 2003 ist hinsichtlich der hier zur Überprüfung anstehenden Entscheidung über einen Anrechnungsbetrag insoweit rechtswidrig, als bei der Prüfung der Anrechnung der IIDB-Leistung ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15 % die maßgeblichen Grenzbeträge falsch ermittelt wurden und es im Ergebnis zu keiner Anrechnung kam. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung, die IIDB-Leistung überhaupt (dem Grunde nach) anzurechnen. Nach § 93 Abs. 1 SGB VI wird für den Fall, dass für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung besteht, eine Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. § 93 SGB VI regelt die Voraussetzungen, unter denen der Träger der gesetzlichenRentenversicherung (RV) als Schuldner des Versicherten, der ihm gegenüber als Gläubiger ein Recht auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, den in Höhe des Wertes dieses Rechts entstandenen monatlichen Ansprüchen (ganz oder teilweise) anspruchsvernichtend durch Verwaltungsakt (Festsetzung des monatlichen Anrechnungsbetrages und des daraus resultierenden monatlichen Rentenzahlbetrages) entgegenhalten darf und muss, dieser habe jeweils für denselben Monat außerdem einen Anspruch auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung (UV), durch den bereits (ganz oder teilweise) der Nachteil ausgeglichen werde, den abzugelten die RV - insoweit nachrangig zur UV - versprochen habe. Im Einzelnen bestimmt sich der Anrechnungsbetrag ua nach der Freibetragsregelung des § 93 Abs. 2 SGB VI und der Grenzbetragsregelung des Abs. 3. Diese normativen Ausgestaltungen sind mit Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art 14 GG vereinbar (hierzu und zum weiteren Aufbau des § 93 SGB VI: BSG, Urteil des 4. Senats vom 31. März 1998, BSGE 82, 83 ff = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Nach § 93 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI erfolgt eine Anrechnung auch, wenn von einem Träger mit Sitz im Ausland eine Rente wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit geleistet wird, die einer Rente aus der Unfallversicherung vergleichbar ist. Als einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung vergleichbar gelten in Anlehnung an § 6 des Fremdrentengesetzes auf Gesetz beruhende Versicherungen gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten oder eines dieser Risiken ("Wagnisse"). Die IIDB-Leistung ist eine vergleichbare Leistung. Sie beruht auf dem Social Security Contributions and Benefits Act 1992, Part V Section 94 ff. Danach werden Leistungen erbracht an angestellte Erwerbstätige, die durch oder im Verlauf ihrer beruflichen Tätigkeit eine Verletzung erleiden, also eben in den Fällen, in denen auch die gesetzliche UV der Bundesrepublik Deutschland leistungspflichtig ist. Die Tatsache, dass das britische IIDB-System steuer- und nicht wie die deutsche Unfallversicherung beitragsfinanziert ist, hat auf die Frage der Vergleichbarkeit keinen Einfluss. Wegen des Zwecks der Vorschrift (Vermeidung von Doppelleistungen) kommt es allein auf die Art der Leistung an.
Die Berechnung des Anrechnungsbetrages in dem Bescheid vom 3. September 2003 ist fehlerhaft. Nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchst a SGB VI bleibt bei der Verletztenrente aus der UV der Betrag unberücksichtigt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetzes (BVG) geleistet würde, bei einer MdE um 20 vH zwei Drittel der Mindestgrundrente nach dem BVG, bei einer MdE um 10 vH ein Drittel dieser Rente. In dem Bescheid vom 3. September 2003 ist die Antragsgegnerin bei ihrer Berechnung des Freibetrages zu Unrecht von Leistungen nach einem Behinderungsgrad von 15 % ausgegangen. Zwar liegt der unfallbedingte Behinderungsgrad bei 5 % zuzüglich 10 %, dh insgesamt 15 %. Da indes die IIDB-Leistung nach einem Satz von 20 % geleistet wird, ist auch dieser Satz bei der Berechnung des Freibetrages zugrunde zu legen, so dass er sich auf zwei Drittel der Mindestgrundrente nach dem BVG beläuft. Auf den Leistungssatz von 20 % und nicht auf den Behinderungsgrad von 15 % ist abzustellen, da die Anrechnung an die wirtschaftliche Bedeutung der hinzutretenden Leistung anknüpft, die in der den Zahlbetrag unmittelbar bestimmenden Größe – hier dem "durch Aufrundung" ermittelten Leistungssatz von 20 % - Ausdruck findet. Zweck der Freibetragsregelung ist es, im Rahmen einer Gleichbehandlung unfallverletzter Rentenberechtigter diejenigen Rentenanteile von der Anrechnung auszunehmen, die dem Ausgleich immaterieller Schäden dienen. § 93 SGB VI trägt - wie seine Vorgängerregelungen (§§ 1278 Reichsversicherungsordnung (RVO), 55 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG)) - der sozialpolitischen Überlegung Rechnung, dass das Renteneinkommen des Versicherten, das Lohnersatzfunktion hat, nicht höher sein soll als das Nettoerwerbseinkommen bei voller Arbeitsleistung. Die Anrechnungsregelung verfolgt den verfassungsmäßigen Zweck, Nachteilsüberkompensationen (sog Überversorgung) aus der Summierung teilweise zweckähnlicher Versicherungsleistungen aus zwei Zweigen der Sozialversicherung des SGB zu begrenzen. Die Verletztenrente aus der UV deckt teilweise den Bedarf mit ab, dessen Absicherung auch die Rente aus der RV bezweckt. Diese hat in einem weiteren Sinn Einkommensersatzfunktion (sog Alterslohnprinzip; dazu: BSG, Urteil des 4. Senats vom 29. Juni 2000, BSGE 86, 262, 300 f = SozR 3-2600 § 210 Nr 2). Eine solche Funktion hat zum Teil auch die Verletztenrente; zugleich kompensiert sie aber auch den immateriellen Schaden, den das Unfallopfer erlitten hat (zum Ganzen: BSG, Urteil des 4. Senats vom 31. März 1998, BSGE 82, 83, 84, 90, 92 ff = SozR 3-2600 § 93 Nr 7).
Auch die weiteren Rechenschritte der Antragsgegnerin im Bescheid vom 3. September 2003 sind zu beanstanden. Insbesondere die Ermittlung des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass die von der Antragstellerin bezogene Leistung 20 % der Leistung für eine "IIDB-Vollrente" darstellt. So errechnet sich ein fälschlicherweise zu hoch angesetzter Jahresarbeitsverdienst, woraus sich dann ein zu hoher Grenzbetrag ergibt, mit der Folge, dass eine Anrechnung unterbleibt.
Diesen im Hinblick auf die Anrechnungsentscheidung und den damit verbundene Festsetzung des Zahlbetrages rechtswidrigen Bescheid konnte die Antragsgegnerin mit Wirkung für die Zukunft durch Bescheid vom 8. Oktober 2003 zurücknehmen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen, da hier nur eine Anpassung für die Zukunft mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2003 erfolgt ist. Ebenso weinig ist die Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin zu beanstanden. Auch die Fristen des § 45 Abs. 3 SGB X sind gewahrt.
Die neue Entscheidung über den Anrechnungsbetrag berücksichtigt nunmehr zu Recht, dass die Antragstellerin Leistungen nach einem Satz von 20 % erhält und berechnet den maßgeblichen Grenzbetrag und den sich daraus ergebenden Anrechnungsbetrag insoweit zutreffend. Insbesondere steht der Anrechnung nicht § 93 Abs. 5 SGB VI entgegen. Nach dieser Vorschrift werden die Absätze 1 bis 4 nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat. Die hier maßgebliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen wurde erstmals mit Beschied vom 2. November 2001 mit Rentenbeginn am 1. April 2000 bewilligt. Die Unfälle, die Auslöser der IIDB-Leistungen waren, dh. die Versicherungsfälle, liegen beide vor diesem Zeitraum.
Die Anrechnungsentscheidung steht auch nicht im Widerspruch zum europäischen Recht. Vielmehr sieht Art. 46a Abs. 3 der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Konsolidierte Fassung ABl. Nr. L 28 vom 30. Januar 1997 S. 1) gerade eine Anrechnungsmöglichkeit vor. Dort wird die Anwendung der Kürzungs-, Ruhens- und Entziehungsbestimmungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats bei Zusammentreffen einer Leistung bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene mit einer Leistung gleicher Art oder einer Leistung unterschiedlicher Art oder mit sonstigen Einkünften geregelt. Nach Abs. 3 b) werden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats (hier: Großbritannien) erworbenen Leistungen oder die in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte nur berücksichtigt, wenn die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaates (hier: Bundesrepublik Deutschland) die Berücksichtigung solcher im Ausland erworbenen Leistungen oder dort erzielter Einkünfte vorsehen. Dies erfolgt im bundesdeutschen Recht durch § 93 SGB VI.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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