L 24 B 1148/05 KR PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1203/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 1148/05 KR PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2005 geändert. Dem Kläger wird mit Wirkung vom 28. September 2005 für den Rechtsstreit S 81 KR 1203/05 beim Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Matthias Pump beigeordnet. Der Kläger hat beginnend ab 01. Februar 2006 monatliche Raten in Höhe von 30 Euro an die Landeskasse Berlin zu leisten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für den vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 81 KR 1203/05 geführten Rechtsstreit, der um seine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung geführt wird. Die Beklagte hatte das Vorliegen von Sozialversicherungspflicht unter Hinweis auf persönliche Beziehungen des Klägers zu der von ihm angegebenen Arbeitgeberin K L abgelehnt.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2005 hat der Antragsteller am 20. Mai 2005 Klage erhoben und zugleich PKH unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt.

Im Hinblick auf den PKH-Antrag erging unter dem 02. Juni 2005, im Anschluss an die Eingangsbestätigung zur Klage mit der Aufforderung, die schriftliche Vollmacht (im Original) und den PKH-Antrag im Original innerhalb von drei Wochen zu übersenden, folgende Aufforderung an den Bevollmächtigten des Klägers: "Ich bitte um Angabe, bei wem das Kind des Klägers lebt, ob der Kläger Unterhalt zahlt, wenn ja, wie viel seine Ehefrau verdient, wer das Kindergeld bezieht, die widersprüchlichen Angaben zu der Frage, ob ein Bankkonto besteht, zu korrigieren, Mietvertrag vorlegen, Unterlagen zum Ratenkredit." Am 21. Juli 2005 ging beim Sozialgericht das Original der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Kopien des Arbeitsvertrages zum streitigen Beschäftigungsverhältnis, einer Kopie der Entgeltabrechnung für den Monat Dezember 2004 und dem Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein, dass die weiteren Fragen des Gerichts in Kürze beantwortet würden. Am 29. August 2005 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass das Arbeitsverhältnis vom 31. Dezember 2004 bis 13. März 2005 in Ermangelung von Aufträgen unterbrochen gewesen sei. Während dieser Zeit habe er Arbeitslosengeld bezogen.

Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH zurückgewiesen: Nach § 118 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) lehne das Gericht die Bewilligung von PKH ab, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft macht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet. Die vom Gericht gestellten Fragen seien seitens des Klägers nicht beantwortet worden. Zudem sei die Bewilligung von PKH nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Seitens des Klägers seien bislang keine Tatsachen vorgetragen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide begründen könnten. Der jetzt vorgelegte schriftliche Arbeitsvertrag datiere vom 02. Juni 2002 und nenne als Beginn der Beschäftigung den 16. Juni 2002, weshalb am bisherigen Vortrag des Klägers, er sei bei der Firma "Berliner Bauservice" seit 17. Juni 2002 beschäftigt, zusätzliche Zweifel bestünden.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 05. September 2005 zugestellten Beschluss hat dieser am 28. September 2005 Beschwerde eingelegt: Die Fragen des Gerichts könnten dahingehend beantwortet worden, dass das Kind des Klägers bei der Kindesmutter, Frau Lindenlaub lebe, die auch das Kindergeld erhalte. Der Kläger zahle an sie 130 Euro Kindesunterhalt. Er sei jedoch nicht verheiratet.

Bei dem Arbeitsverhältnis mit der Firma Bauservice Berlin Lindenlaub handele es sich nicht um ein Gefälligkeitsarbeitsverhältnis. Der Arbeitsvertrag mit dieser Firma sei am 02. Juni 2002 geschlossen worden, das Arbeitsverhältnis habe dann am 17. Juni 2002 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger zum neuen Arbeitsort gefahren. Der 16. Juni 2002 sei versehentlich angegeben worden. Im Übrigen sei der Kläger ordnungsgemäß bei der AOK angemeldet worden, an diese Kasse seien auch Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden. Vor seinem neuen Arbeitsverhältnis sei der Kläger selbständiger Bauleiter bzw. Hochbautechniker gewesen, seine Firma sei allerdings in Zahlungsverfall geraten. Die Beklagte habe die monatlich gezahlten Sozialversicherungsbeiträge entgegengenommen und sei von einem bestehenden Versicherungsverhältnis ausgegangen. Erst als der Kläger herzkrank geworden sei und eine Bypassoperation erforderlich wurde, habe die Beklagte die Ansicht vertreten, ein Versicherungsverhältnis sei nicht zustande gekommen.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Sie hat im Hauptsacheverfahren die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht zweifelsfrei nachgewiesen, seit dem 17. Juni 2002 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt zu haben.

II.

Die gemäß § 172 SGG zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten, denn er erfüllt die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO. Er kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nur in Raten aufbringen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss hat der Kläger die vom Sozialgericht geforderten Angaben, soweit sie für die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlich sind, nicht verspätet gemacht. Insoweit hatte der erstinstanzliche Richter zwar als Zusatz zur Anforderung des Original-PKH-Antrages verfügt: "Ich bitte binnen drei Wochen um Angabe, bei wem das Kind des Klägers lebt ". Diese Verfügung wurde jedoch ausweislich Blatt 33 der Gerichtsakte von der Geschäftsstelle der 81. Kammer anders ausgeführt. Ausweislich der Abschrift des an den Bevollmächtigten des Klägers gesandten Schreibens vom 02. Juni 2005 wurde dieser aufgefordert, die schriftliche Vollmacht und den PKH-Antrag im Original innerhalb von drei Wochen zu übersenden (Blatt 33 GA). Erst im Anschluss an diese Fristsetzung folgt die vom Vorsitzenden der Kammer verfügte Bitte um Angabe, bei wem das Kind des Klägers lebt Unter diesen Umständen liegt eine ordnungsgemäße Fristsetzung im Sinne von § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht vor, weshalb die Ablehnung von Prozesskostenhilfe in Anwendung dieser Vorschrift nicht erfolgen kann.

Die seitens des Klägers im Beschwerdeverfahren gemachten Angaben reichen für die Entscheidung im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus. Soweit der Kläger in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein Girokonto bei der Kreisparkasse Herzogtum Lauenburg eingetragen hat, ohne jedoch ein Guthaben anzugeben, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass ein solches Guthaben tatsächlich nicht vorhanden ist, er insoweit nur die Verpflichtung gesehen hat, ein vorhandenes Konto anzugeben. Dies folgt auch daraus, dass der Kläger dort die Frage nach Bank-Vermögen/Bankkonten zunächst mit "nein" beantwortet hatte. Im Hinblick auf die Wahrheitspflicht, dessen Einhaltung der Kläger versichert hat, ist die fehlende Eintragung eines Guthabens angesichts des Sozialhilfebezuges bis Juni 2002 und des seitherigen Einkommens aus der streitigen Beschäftigung dahin zu werten, dass insoweit Vermögen nach § 115 Abs. 2 ZPO nicht vorhanden ist. Soweit der Kläger die Frage des Sozialgerichts in Bezug auf den Ratenkredit nicht beantwortet hat, wertet der Senat die fehlende Aussage hierzu zu Lasten des Klägers, in dem er insoweit keine Absetzung der angegebenen Rate von monatlich 250 Euro vornimmt. Die erforderlichen Angaben zum Ratenkredit hätten jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gemacht werden müssen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. § 73a Rdnr. 5e).

Es ergibt sich folgende Berechnung:

Bruttoeinkommen 1350,00 Euro

abzüglich Lohnsteuer 88,08 Euro

abzüglich Sozialversicherungsbeiträge 291,62 Euro

abzüglich Erwerbstätigenfreibetrag 173,00 Euro

abzüglich Unterhaltsfreibetrag für den

Kläger 380,00 Euro

abzüglich Unterhaltsrente an das

Kind Leon 130,00 Euro

abzüglich Kosten der Unterkunft

in Zeitz 180,00 Euro

abzüglich Kosten für Heizung

(gemäß Mietvertrag 40 Euro pro

Vierteljahr) 13,34 Euro

ergibt einen verbleibenden Betrag von 93,96 Euro

Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO auf volle Euro abgerundet ergibt sich der Betrag von 93,00 Euro als einsetzbares Einkommen. Mit diesem Einkommen kann der Kläger nach der Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO eine monatliche Rate von 30,00 Euro leisten.

Als voraussichtliche Kosten der Prozessführung (§ 115 Abs. 3 ZPO) ergibt sich als voraussichtliche Rechtsanwaltsgebühr bei Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Anlage 1 hierzu für das Verfahren vor dem Sozialgericht eine Verfahrensgebühr (Nr. 3102 von 40 bis 460 Euro) als Mittelgebühr ein Betrag von 250 Euro. Hinzu kommt eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 (20 bis 380 Euro) mit einer Mittelgebühr von 200 Euro. Hinzu kommt eine Pauschale für Post und Telekommunikationsdienstleistungen von 20 Euro, woraus eine Zwischensumme von 470 Euro folgt. Zuzüglich 16 v. H. Mehrwertsteuer (75,20 Euro) ergeben sich insgesamt voraussichtliche Kosten der Prozessführung in Höhe von 545,20 Euro. Diese Kosten übersteigen dem Kläger mögliche 4 Monatsraten in Höhe von 30 Euro, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht nach § 115 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen ist.

Die Klage hat auch hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO. Insoweit ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage nicht erforderlich. Zwar mag mit dem Sozialgericht anzunehmen sein, dass viele Indizien, insbesondere die von der Beklagten angegebenen Umstände gegen die Annahme eines "ordentlichen" Beschäftigungsverhältnisses und damit die Versicherungspflicht sprechen. Auszugehen ist allerdings davon, dass der Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag vorgelegt hat und nach seinem Vortrag eine diesem Arbeitsvertrag entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat. Es wird also festzustellen sein, ob der Kläger tatsächlich als Arbeitnehmer und damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Form nichtselbständiger Arbeit tätig war bzw. ist (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Dabei ist die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht nach den Grundsätzen zu beurteilen, die Lehre und Rechtsprechung zum entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis in der Sozialversicherung entwickelt haben. Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, was Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung erfordert. Hierzu liegen bisher keinerlei Erkenntnisse vor, weshalb im Hauptsacheverfahren eine Beweiserhebung ernsthaft in Betracht kommt.

Allein die Tatsache, dass der Kläger Lebenspartner der Inhaberin seines Beschäftigungsbetriebes ist, rechtfertigt nicht etwa eine Beweislast des Klägers, der - wie die Beklagte wohl meint - nachweisen müsse, in einem "ordnungsgemäßen" Beschäftigungsverhältnis zu stehen. Selbst zwischen Angehörigen kann ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis angenommen werden, wenn

- der Angehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlich ausübt,

- der Angehörige dem dargelegten Weisungsrecht des Arbeitgebers - wenn auch in abgeschwächter Form - unterliegt,

- der Angehörige anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt wird,

- ein der Arbeitsleistung angemessenes (das heißt in der Regel ein tarifliches oder ortsübliches) Arbeitsentgelt vereinbart ist und auch regelmäßig gezahlt wird,

- von dem Arbeitsentgelt regelmäßig Lohnsteuer entrichtet wird und

- das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wird.

Aufgrund der Bindungen zwischen den am Arbeitsverhältnis Beteiligten sind an den Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht zwar strengere Maßstäbe anzulegen (BSG 12, 153), wobei die Anforderungen jedoch nicht so hoch liegen dürfen, dass bei der Beschäftigung von Angehörigen die Versicherungspflicht in der Praxis kaum noch zum Tragen kommt. Es ist vielmehr auch vorliegend eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den daran Beteiligten ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG, SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8).

Da vorliegend die tatsächlichen Verhältnisse nicht aufgeklärt sind, kann eine Aussage dahin, wie viele Umstände für ein Beschäftigungsverhältnis und andererseits wie viele Umstände dagegen sprechen, nicht gemacht werden. Von daher ist der Erfolg der Klage jedenfalls nicht dahin zu beurteilen, dass sie keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Insgesamt kann Prozesskostenhilfe nicht versagt werden.

Da der Kläger die erforderlichen Angaben erst mit der Beschwerde vom 28. September 2005 gemacht hat bzw. die entsprechenden Unterlagen vorgelegt hat, war Prozesskostenhilfe erst mit Wirkung vom 28. September 2005 zu bewilligen.

Die Raten sind beginnend ab 01. Februar 2006 an die Landeskasse Berlin zu zahlen (§ 120 Abs. 2 ZPO).

Dieser Beschuss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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