Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 59 AS 480/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 111/06 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 23. März 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin dem Grunde nach die Übernahme der Kosten eines von einem gewerblichen Umzugsunternehmen durchgeführten Umzugs zuzusichern. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 23. März 2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) gleichen Tags, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat es das SG abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Übernahme der Kosten eines durch ein Umzugsunternehmen durchgeführten Umzugs zuzusichern.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist hier der Fall.
Da sich die Sachlage im Eilverfahren nicht abschließend klären lässt und ein Erfolg in der Hauptsache auch nicht ausgeschlossen ist, ist eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen im Sinne einer Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, Stand: Juni 2005, § 86b Rn. 19; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, S. 166 ff., 168). Diese fällt zugunsten der Antragstellerin aus.
Mit dem SG ist der Senat der Überzeugung, dass Hilfebedürftige nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) einen notwendigen Umzug, soweit es möglich ist, selbst zu organisieren haben. Die Kosten eines Umzugs durch ein gewerbliches Umzugsunternehmen gehören zu den erforderlichen Umzugskosten nur dann, wenn nach allen Umstände des Einzelfalles ein selbst organisierter Umzug für den Hilfeempfänger unzumutbar ist, etwa aufgrund seines Alters, seiner Behinderung, dem Fehlen von hilfebereiten Angehörigen, Freunden oder Bekannten (vgl. Berlit in LPK-SGB II, Rn. 63 zu § 22 m. w. Nachw.).
Der Senat hält es – vor allem auf der Grundlage ihrer Ausführungen im Beschwerdeverfahren – für nicht unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, den Umzug in die ab dem 1. April 2006 angemietete neue Wohnung mit einem Miet-Transporter selbst durchzuführen. Da sie ihren glaubhaften Angaben zufolge keine Fahrerlaubnis besitzt und zum Umzugsgut auch schwere Gegenstände wie eine Waschmaschine, ein Kühlschrank sowie ein Wohnzimmerschrank gehören, ist sie für die Durchführung des Umzugs aus der in der dritten Etage gelegenen bisher genutzten (alten) Wohnung in die in etwa einen Kilometer entfernte neue Wohnung auf körperlich belastbare Hilfskräfte mit einer Fahrerlaubnis angewiesen. Anders als dies bei männlichen, vor allem vormals gewerblich tätigen Hilfebedürftigen der Fall sein mag, kann nicht unterstellt werden, dass sie auf solche Hilfskräfte zurückgreifen kann, die sich ihr aus freundschaftlicher Verbundenheit auch zum Bewegen schwerer Lasten zur Verfügung stellen. Sie hat im Beschwerdeverfahren glaubhaft vorgetragen, dass ihr Bekanntenkreis überwiegend aus Frauen bestehe und diese es ablehnten, einen Umzug mit schweren Gegenständen durchzuführen. Ein Bekannter mit dem Vornamen P. halte sich mit seiner Frau G. zum Urlaub in Thailand auf und komme erst Mitte April zurück. Es sei ungewiss, ob er dann bereit und in der Lage sein werde, ihr beim Umzug zu helfen. Es gebe wohl Leute, die bereit und imstande seien, Umzugskartons zu tragen, nicht jedoch die Waschmaschine oder den Kühlschrank oder schwere Möbelteile. In dieselbe Richtung deutet ihre Einlassung im Antragsverfahren, sie werde nicht auf Laien zurückgreifen, die älter seien als sie und teilweise ebenfalls schon gesundheitliche Probleme hätten.
Bei einer Abwägung der beteiligten Interessen wiegt das Interesse der Antragstellerin an der Durchführung des Umzugs in die neue Wohnung zum vorgesehenen Termin schwerer als das öffentliche Interesse an einer vorläufigen Vermeidung ggf. unnötiger Aufwendungen. Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, den Umzug bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinauszuschieben.
Dabei fällt in erster Linie ins Gewicht, dass der Umzug aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist. Die von ihr bisher genutzte Wohnung ist massiv vom Schimmel befallen. Nachdem Versuche des Vermieters, diesen Schimmelbefall abzustellen, bisher vergeblich gewesen waren, hat dieser ihr eine andere, insofern unbelastete Wohnung aus seinem Bestand angeboten. Sie hat dieses Angebot im Einverständnis mit der Antragsgegnerin angenommen. Unterbleibt der Umzug, so ist die Antragstellerin in der bisher genutzten (alten) Wohnung weiterhin der gesundheitlichen Belastung und dem Risiko einer Schädigung ihrer Gesundheit durch den Schimmel ausgesetzt. Das gesundheitliche Risiko wiegt nach Auffassung des Senats schwerer als das dagegen abzuwägende Risiko der Antragsgegnerin bzw. der Allgemeinheit, durch die Beauftragung eines gewerblichen Umzugsunternehmens vorläufig mit Kosten - ausweislich eines von der Antragstellerin eingeholten Angebots mit ca. 500 EUR - belastet zu werden. Hinzu kommt, dass diese bei einem vorläufigen Verbleib in der alten Wohnung zumindest bis zur Wirksamkeit einer Kündigung des Mietvertrages über die neue Wohnung die Miete für zwei Wohnungen und auch eine Kaution für die neue Wohnung aufbringen müsste, da die Kaution für die alte Wohnung erst nach Kündigung des Mietverhältnisses auf die Kaution für die neue angerechnet werden könnte. Zu einem solchen finanziellen Aufwand ist die Antragstellerin nicht in der Lage. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 23. März 2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) gleichen Tags, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat es das SG abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Übernahme der Kosten eines durch ein Umzugsunternehmen durchgeführten Umzugs zuzusichern.
Einstweilige Anordnungen sind zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist hier der Fall.
Da sich die Sachlage im Eilverfahren nicht abschließend klären lässt und ein Erfolg in der Hauptsache auch nicht ausgeschlossen ist, ist eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen im Sinne einer Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, Stand: Juni 2005, § 86b Rn. 19; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, S. 166 ff., 168). Diese fällt zugunsten der Antragstellerin aus.
Mit dem SG ist der Senat der Überzeugung, dass Hilfebedürftige nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) einen notwendigen Umzug, soweit es möglich ist, selbst zu organisieren haben. Die Kosten eines Umzugs durch ein gewerbliches Umzugsunternehmen gehören zu den erforderlichen Umzugskosten nur dann, wenn nach allen Umstände des Einzelfalles ein selbst organisierter Umzug für den Hilfeempfänger unzumutbar ist, etwa aufgrund seines Alters, seiner Behinderung, dem Fehlen von hilfebereiten Angehörigen, Freunden oder Bekannten (vgl. Berlit in LPK-SGB II, Rn. 63 zu § 22 m. w. Nachw.).
Der Senat hält es – vor allem auf der Grundlage ihrer Ausführungen im Beschwerdeverfahren – für nicht unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, den Umzug in die ab dem 1. April 2006 angemietete neue Wohnung mit einem Miet-Transporter selbst durchzuführen. Da sie ihren glaubhaften Angaben zufolge keine Fahrerlaubnis besitzt und zum Umzugsgut auch schwere Gegenstände wie eine Waschmaschine, ein Kühlschrank sowie ein Wohnzimmerschrank gehören, ist sie für die Durchführung des Umzugs aus der in der dritten Etage gelegenen bisher genutzten (alten) Wohnung in die in etwa einen Kilometer entfernte neue Wohnung auf körperlich belastbare Hilfskräfte mit einer Fahrerlaubnis angewiesen. Anders als dies bei männlichen, vor allem vormals gewerblich tätigen Hilfebedürftigen der Fall sein mag, kann nicht unterstellt werden, dass sie auf solche Hilfskräfte zurückgreifen kann, die sich ihr aus freundschaftlicher Verbundenheit auch zum Bewegen schwerer Lasten zur Verfügung stellen. Sie hat im Beschwerdeverfahren glaubhaft vorgetragen, dass ihr Bekanntenkreis überwiegend aus Frauen bestehe und diese es ablehnten, einen Umzug mit schweren Gegenständen durchzuführen. Ein Bekannter mit dem Vornamen P. halte sich mit seiner Frau G. zum Urlaub in Thailand auf und komme erst Mitte April zurück. Es sei ungewiss, ob er dann bereit und in der Lage sein werde, ihr beim Umzug zu helfen. Es gebe wohl Leute, die bereit und imstande seien, Umzugskartons zu tragen, nicht jedoch die Waschmaschine oder den Kühlschrank oder schwere Möbelteile. In dieselbe Richtung deutet ihre Einlassung im Antragsverfahren, sie werde nicht auf Laien zurückgreifen, die älter seien als sie und teilweise ebenfalls schon gesundheitliche Probleme hätten.
Bei einer Abwägung der beteiligten Interessen wiegt das Interesse der Antragstellerin an der Durchführung des Umzugs in die neue Wohnung zum vorgesehenen Termin schwerer als das öffentliche Interesse an einer vorläufigen Vermeidung ggf. unnötiger Aufwendungen. Es ist der Antragstellerin nicht zuzumuten, den Umzug bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinauszuschieben.
Dabei fällt in erster Linie ins Gewicht, dass der Umzug aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist. Die von ihr bisher genutzte Wohnung ist massiv vom Schimmel befallen. Nachdem Versuche des Vermieters, diesen Schimmelbefall abzustellen, bisher vergeblich gewesen waren, hat dieser ihr eine andere, insofern unbelastete Wohnung aus seinem Bestand angeboten. Sie hat dieses Angebot im Einverständnis mit der Antragsgegnerin angenommen. Unterbleibt der Umzug, so ist die Antragstellerin in der bisher genutzten (alten) Wohnung weiterhin der gesundheitlichen Belastung und dem Risiko einer Schädigung ihrer Gesundheit durch den Schimmel ausgesetzt. Das gesundheitliche Risiko wiegt nach Auffassung des Senats schwerer als das dagegen abzuwägende Risiko der Antragsgegnerin bzw. der Allgemeinheit, durch die Beauftragung eines gewerblichen Umzugsunternehmens vorläufig mit Kosten - ausweislich eines von der Antragstellerin eingeholten Angebots mit ca. 500 EUR - belastet zu werden. Hinzu kommt, dass diese bei einem vorläufigen Verbleib in der alten Wohnung zumindest bis zur Wirksamkeit einer Kündigung des Mietvertrages über die neue Wohnung die Miete für zwei Wohnungen und auch eine Kaution für die neue Wohnung aufbringen müsste, da die Kaution für die alte Wohnung erst nach Kündigung des Mietverhältnisses auf die Kaution für die neue angerechnet werden könnte. Zu einem solchen finanziellen Aufwand ist die Antragstellerin nicht in der Lage. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Rechtskraft
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