Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 10 U 643/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 82/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Unfallrente aufgrund eines tätlichen Angriffs entfällt, wenn die Beweggründe für die Tat dem privaten Bereich des Verletzten zuzurechnen sind. Können weder Täter noch Tatmotiv festgestellt werden, so geht dies zu Lasten der insoweit beweispflichtigen BG.
1. Der Bescheid vom 9. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2002 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis vom 5. Dezember 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist unter den Beteiligten, ob es sich bei dem tätlichen Angriff auf den Kläger um einen Arbeitsunfall handelt.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist von Beruf Bauingenieur und war zum Zeitpunkt des Überfalls Oberbauleiter bei der Fa. D. und W. AG, F ...
Am 05.12.2000 wurde der Kläger auf dem Weg zur Arbeit vor seiner Wohnung beim Einsteigen in seinen PKW von einem unbekannten, maskierten Täter überfallen. Dieser hatte ihn angegriffen und ihm mit einem großen Gegenstand wie einer Machete oder ähnlichem am Kopf, Gesicht, Auge, rechte Schulter, beide Hände, am linken Unterarm und an beiden Beinen massive Hiebverletzungen zugefügt.
Mit Bescheid vom 05.12.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab, da es sich um einen gezielten Angriff gegen den Kläger gehandelt habe, der nicht im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden habe. Für einen gezielten Angriff aus persönlichen Motiven spreche, dass der Kläger von dem Täter offensichtlich aufgelauert worden sei. Auch die Tatsache, dass der Angreifer eine Waffe mit einer großen Klinge bei sich getragen habe, spreche für eine geplante Tat. Dagegen gäbe es keine Anhaltspunkte für ein betriebsbezogenes Tatmotiv.
Mit dem dagegen am 05.05.2001 eingelegten Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, dass auch ein gezielter Angriff als Arbeitsunfall anerkannt werden könne. Es gäbe keinerlei Hinweise dafür, dass der Überfall privater Ursache gewesen sei. Angesichts seiner Stellung als Oberbauleiter könne es ebenso sein, dass ein verärgerter Nachunternehmer hinter der Tat stecke. Im Übrigen habe die Beklagte zu beweisen, dass der Überfall privat motiviert gewesen sei. Dies sei ihr nicht gelungen, so dass sie angesichts der ihr obliegenden Beweislast das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen habe.
Die Beklagte zog sodann die Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft D. bei. Die Behörde teilte unter dem 16.11.2001 mit, dass bislang nicht habe geklärt werden können, aus welcher Motivation heraus der Kläger Opfer des Angriffs geworden sei. Eine Festlegung auf ein privates oder betriebsbezogenes Motiv könne derzeit nicht erfolgen.
Sodann wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.01.2002 zurück. Nach nochmaliger Würdigung aller ermittelten Tatsachen sprächen die Indizien für eine gezielte und geplante Gewalttat aufgrund von privaten Motiven aus dem früheren bzw. jetzigen familiären Umfeld. Die Hinweise des Klägers auf berufliche Tatmotive hätten in den Ermittlungsakten keine Bestätigung gefunden. Soweit ergäben sich nicht einmal Verdachtsmomente. Es hätten zur Tatzeit auch keine besonderen Umstände wie Dunkelheit oder einsame Gegend vorgelegen, die den tätlichen Angriff auf dem Arbeitsweg entscheidend begünstigt hätten. Zur Bestätigung ihrer Rechtsauffassung verwies die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 30.06.1998 (B 2 U 27/97 R), in dem es um einen Überfall auf einen Angehörigen der Sikh-Gemeinde ging. Auch hier seien Täter und Tatmotiv nicht abschließend zu ermitteln gewesen. Da alle möglichen Beweggründe aber ausschließlich im Zusammenhang mit dem privaten Umfeld, nämlich mit der Mitgliedschaft zu den Sikhs zu suchen gewesen seien, habe das BSG einen inneren Zusammenhang des Arbeitsweges mit der beruflichen Tätigkeit abgelehnt und damit den Überfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt. So liege der Fall auch hier.
Mit der dagegen am 25.02.2002 erhobenen Klage setzt der Kläger sein Begehren fort. Auch nach Jahren hätten die Täter und das Tatmotiv nicht aufgeklärt werden können. Die Auffassung der Beklagten, dass die Tat jedenfalls privat motiviert gewesen sei, finde keinerlei Bestätigung in den Ermittlungsakten. Sie beruhe allein auf Vermutungen. Da die Beklagte nicht in der Lage sei zu beweisen, dass der Überfall privat motiviert gewesen sei, habe sie das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 09.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.02 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 05.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie ist der Auffassung, dass nicht sie die Beweislast zu tragen, sondern der Kläger nachzuweisen habe, dass der Überfall betrieblich motiviert gewesen sei. Dies sei ihm trotz der umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht gelungen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Gericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft D. beigezogen. Aus dem Anschreiben vom 29.09.2005 geht hervor, dass keine weiteren Ermittlungsergebnisse vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Darmstadt, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die rechtzeitig erhobene Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Die Beklagte hat das Ereignis vom 05.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Arbeitsstätte (Wegeunfall). Dieser Unfallversicherungsschutz entfällt auch nicht deshalb, weil ein Verletzter einem Überfall, also einem vorsätzlichen Angriff zum Opfer gefallen ist. Bei der Frage, ob ein Überfall auf dem Weg nach oder von der Arbeitstätte als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anzusehen ist, kommt es nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteil vom 30.06.1998, Az Beklagte 2 U 27/97, JURIS) in der Regel entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es unbedingt eines betriebsbezogenen Tatmotivs bedarf, um den inneren Zusammenhang zwischen dem Überfall als Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit herzustellen. Dieser Zusammenhang ist nämlich nach der Rechtsprechung des BSG von vornherein grundsätzlich gegeben, sofern der – ohne erhebliche Umwege oder Unterbrechungen zurückgelegte – Weg nach oder von der Arbeitsstätte den Versicherten an die Stelle geführt hat, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden kann. Dieser Zusammenhang verliert indes an Bedeutung, wenn die Beweggründe dem privaten Bereich des Verletzten zuzurechnen sind. Dann bedeutet die Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeitsstätte oft nur eine von vielen Gelegenheiten für den Angreifer, die verfeindete Person zu überfallen, die ihm genauso gut zu anderer Zeit an anderer Stelle erreichbar gewesen wäre. Die Erwägung, dass hier die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Versichertem vorherrschen und den Zusammenhang des Überfalls mit dem Zurücklegen des versicherten Weges als rechtlich unwesentlich zurückdrängen, rechtfertigt in solchen Fällen die Versagung des Versicherungsschutzes. In Fällen dieser Art kann allerdings gleichwohl Unfallversicherungsschutz gegeben sein, wenn besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges (z. B. Dunkelheit, einsame Gegend) die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt haben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem streitigen Überfall auf den Kläger um einen Arbeitsunfall. Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt unstreitig auf dem Weg zur Arbeit, so dass er grundsätzlich im Zeitpunkt des Überfalls unter dem Schutz der Unfallversicherung stand. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es für die Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen einem Überfall auf dem Arbeitsweg und der betrieblichen Tätigkeit nicht des Nachweises eines betriebsbezogenen Motivs. Entscheidend ist vielmehr der Nachweis, ob der Kläger aufgrund eines überwiegend persönlichen Tatmotivs Opfer des Überfalls geworden ist und für das Vorliegen dieses rechtsvernichtenden Tatmotivs trägt die Beklagte die objektive Beweislast (so Urteil des BSG: 2 RU 40/78, JURIS).
Die Beklagte hat indes nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen können, dass die Tat überwiegend persönlich motiviert war. Nach dem Gesamtergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konnten bislang weder ein Täter noch ein Tatmotiv festgestellt werden. Infolgedessen hat die zuständige Staatsanwaltschaft D. ausdrücklich festgestellt, dass bislang ungeklärt sei, aus welcher Motivation heraus der Kläger Opfer des Angriffs geworden sei. Eine Festlegung auf ein privates oder betriebsbezogenes Motiv könne bislang nicht erfolgen.
Die Versuche der Beklagten, aus den Gesamtumständen der Ermittlungsergebnisse und insbesondere aus den Aussagen der vernommenen Personen ein persönliches Tatmotiv herzuleiten, überzeugen nach Auffassung der Kammer nicht. So spricht der Umstand, dass es sich um eine gezielte und geplante Tat gehandelt hat, nicht zwingend für ein persönliches Motiv. Auch eine betrieblich motivierte Tat kann vorbereitet und geplant sein. Das Verhalten des Täters zeigt nur, dass er es nicht dem Zufall überlassen wollte, das Opfer zu treffen und erheblich zu verletzen. Die weiter von der Beklagten vorgebrachten Argumente, etwa dass der Kläger angesichts seiner Frauenbekanntschaften aus Eifersucht, Hass oder Wut Opfer des Überfalls wurde, stellen nach Auffassung der Kammer bloße Vermutungen und vage Spekulationen dar. Angesichts seiner Stellung als Oberbauleiter einer großen Baustelle hält es die Kammer für ebenso möglich, dass der Kläger von irgendeinem seiner zahlreichen, ihm naturgemäß nicht bekannten Mitarbeiter eines seiner Subunternehmen überfallen wurde. Schließlich kann der Kläger Opfer einer Verwechslung gewesen sein, was ebenfalls unfallversicherungsrechtlich geschützt wäre. Der vorliegende Sachverhalt ist nach Auffassung der Kammer gerade nicht zu vergleichen mit den Tatumständen in dem Sikh-Urteil (BSG vom 30.06.1998, a.a.O.). Hier waren alle möglichen Tatmotive ausschließlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers in der Sikh-Gemeinde und den dortigen Auseinandersetzungen zu suchen und es war nur deshalb nicht zu einer Anklage der Beschuldigten gekommen, weil die gewonnenen Erkenntnisse zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts nicht ausreichten. Vorliegend gibt es nicht einmal konkrete Anhaltspunkte für ein Tatmotiv, selbst die Sendung XY- ungelöst erbrachte kein Ergebnis. Wenn mithin die Beweggründe des Täters nach wie vor völlig unklar sind, hält die Kammer den erforderlichen Nachweis eines persönlichen Tatmotivs für nicht erbracht. Die Folgen dieser Beweislosigkeit gehen zu Lasten der Beklagten, so dass sie den streitbefangenen Überfall als Arbeitsunfall anzuerkennen hat.
Die Beklagte wird nunmehr Art und Ausmaß der Unfallfolgen zu prüfen haben, um die Höhe der Entscheidungsleistungen feststellen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
2. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis vom 5. Dezember 2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Strittig ist unter den Beteiligten, ob es sich bei dem tätlichen Angriff auf den Kläger um einen Arbeitsunfall handelt.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist von Beruf Bauingenieur und war zum Zeitpunkt des Überfalls Oberbauleiter bei der Fa. D. und W. AG, F ...
Am 05.12.2000 wurde der Kläger auf dem Weg zur Arbeit vor seiner Wohnung beim Einsteigen in seinen PKW von einem unbekannten, maskierten Täter überfallen. Dieser hatte ihn angegriffen und ihm mit einem großen Gegenstand wie einer Machete oder ähnlichem am Kopf, Gesicht, Auge, rechte Schulter, beide Hände, am linken Unterarm und an beiden Beinen massive Hiebverletzungen zugefügt.
Mit Bescheid vom 05.12.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall ab, da es sich um einen gezielten Angriff gegen den Kläger gehandelt habe, der nicht im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden habe. Für einen gezielten Angriff aus persönlichen Motiven spreche, dass der Kläger von dem Täter offensichtlich aufgelauert worden sei. Auch die Tatsache, dass der Angreifer eine Waffe mit einer großen Klinge bei sich getragen habe, spreche für eine geplante Tat. Dagegen gäbe es keine Anhaltspunkte für ein betriebsbezogenes Tatmotiv.
Mit dem dagegen am 05.05.2001 eingelegten Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, dass auch ein gezielter Angriff als Arbeitsunfall anerkannt werden könne. Es gäbe keinerlei Hinweise dafür, dass der Überfall privater Ursache gewesen sei. Angesichts seiner Stellung als Oberbauleiter könne es ebenso sein, dass ein verärgerter Nachunternehmer hinter der Tat stecke. Im Übrigen habe die Beklagte zu beweisen, dass der Überfall privat motiviert gewesen sei. Dies sei ihr nicht gelungen, so dass sie angesichts der ihr obliegenden Beweislast das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen habe.
Die Beklagte zog sodann die Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft D. bei. Die Behörde teilte unter dem 16.11.2001 mit, dass bislang nicht habe geklärt werden können, aus welcher Motivation heraus der Kläger Opfer des Angriffs geworden sei. Eine Festlegung auf ein privates oder betriebsbezogenes Motiv könne derzeit nicht erfolgen.
Sodann wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.01.2002 zurück. Nach nochmaliger Würdigung aller ermittelten Tatsachen sprächen die Indizien für eine gezielte und geplante Gewalttat aufgrund von privaten Motiven aus dem früheren bzw. jetzigen familiären Umfeld. Die Hinweise des Klägers auf berufliche Tatmotive hätten in den Ermittlungsakten keine Bestätigung gefunden. Soweit ergäben sich nicht einmal Verdachtsmomente. Es hätten zur Tatzeit auch keine besonderen Umstände wie Dunkelheit oder einsame Gegend vorgelegen, die den tätlichen Angriff auf dem Arbeitsweg entscheidend begünstigt hätten. Zur Bestätigung ihrer Rechtsauffassung verwies die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 30.06.1998 (B 2 U 27/97 R), in dem es um einen Überfall auf einen Angehörigen der Sikh-Gemeinde ging. Auch hier seien Täter und Tatmotiv nicht abschließend zu ermitteln gewesen. Da alle möglichen Beweggründe aber ausschließlich im Zusammenhang mit dem privaten Umfeld, nämlich mit der Mitgliedschaft zu den Sikhs zu suchen gewesen seien, habe das BSG einen inneren Zusammenhang des Arbeitsweges mit der beruflichen Tätigkeit abgelehnt und damit den Überfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt. So liege der Fall auch hier.
Mit der dagegen am 25.02.2002 erhobenen Klage setzt der Kläger sein Begehren fort. Auch nach Jahren hätten die Täter und das Tatmotiv nicht aufgeklärt werden können. Die Auffassung der Beklagten, dass die Tat jedenfalls privat motiviert gewesen sei, finde keinerlei Bestätigung in den Ermittlungsakten. Sie beruhe allein auf Vermutungen. Da die Beklagte nicht in der Lage sei zu beweisen, dass der Überfall privat motiviert gewesen sei, habe sie das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 09.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.02 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 05.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie ist der Auffassung, dass nicht sie die Beweislast zu tragen, sondern der Kläger nachzuweisen habe, dass der Überfall betrieblich motiviert gewesen sei. Dies sei ihm trotz der umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht gelungen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Gericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft D. beigezogen. Aus dem Anschreiben vom 29.09.2005 geht hervor, dass keine weiteren Ermittlungsergebnisse vorliegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Darmstadt, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die rechtzeitig erhobene Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet. Die Beklagte hat das Ereignis vom 05.12.2000 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach dem Ort der Arbeitsstätte (Wegeunfall). Dieser Unfallversicherungsschutz entfällt auch nicht deshalb, weil ein Verletzter einem Überfall, also einem vorsätzlichen Angriff zum Opfer gefallen ist. Bei der Frage, ob ein Überfall auf dem Weg nach oder von der Arbeitstätte als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anzusehen ist, kommt es nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. Urteil vom 30.06.1998, Az Beklagte 2 U 27/97, JURIS) in der Regel entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es unbedingt eines betriebsbezogenen Tatmotivs bedarf, um den inneren Zusammenhang zwischen dem Überfall als Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit herzustellen. Dieser Zusammenhang ist nämlich nach der Rechtsprechung des BSG von vornherein grundsätzlich gegeben, sofern der – ohne erhebliche Umwege oder Unterbrechungen zurückgelegte – Weg nach oder von der Arbeitsstätte den Versicherten an die Stelle geführt hat, wo im fraglichen Zeitpunkt eine zur Gewalttat entschlossene Person seiner habhaft werden kann. Dieser Zusammenhang verliert indes an Bedeutung, wenn die Beweggründe dem privaten Bereich des Verletzten zuzurechnen sind. Dann bedeutet die Zurücklegung des Weges nach oder von der Arbeitsstätte oft nur eine von vielen Gelegenheiten für den Angreifer, die verfeindete Person zu überfallen, die ihm genauso gut zu anderer Zeit an anderer Stelle erreichbar gewesen wäre. Die Erwägung, dass hier die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Versichertem vorherrschen und den Zusammenhang des Überfalls mit dem Zurücklegen des versicherten Weges als rechtlich unwesentlich zurückdrängen, rechtfertigt in solchen Fällen die Versagung des Versicherungsschutzes. In Fällen dieser Art kann allerdings gleichwohl Unfallversicherungsschutz gegeben sein, wenn besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges (z. B. Dunkelheit, einsame Gegend) die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt haben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem streitigen Überfall auf den Kläger um einen Arbeitsunfall. Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt unstreitig auf dem Weg zur Arbeit, so dass er grundsätzlich im Zeitpunkt des Überfalls unter dem Schutz der Unfallversicherung stand. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es für die Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen einem Überfall auf dem Arbeitsweg und der betrieblichen Tätigkeit nicht des Nachweises eines betriebsbezogenen Motivs. Entscheidend ist vielmehr der Nachweis, ob der Kläger aufgrund eines überwiegend persönlichen Tatmotivs Opfer des Überfalls geworden ist und für das Vorliegen dieses rechtsvernichtenden Tatmotivs trägt die Beklagte die objektive Beweislast (so Urteil des BSG: 2 RU 40/78, JURIS).
Die Beklagte hat indes nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen können, dass die Tat überwiegend persönlich motiviert war. Nach dem Gesamtergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konnten bislang weder ein Täter noch ein Tatmotiv festgestellt werden. Infolgedessen hat die zuständige Staatsanwaltschaft D. ausdrücklich festgestellt, dass bislang ungeklärt sei, aus welcher Motivation heraus der Kläger Opfer des Angriffs geworden sei. Eine Festlegung auf ein privates oder betriebsbezogenes Motiv könne bislang nicht erfolgen.
Die Versuche der Beklagten, aus den Gesamtumständen der Ermittlungsergebnisse und insbesondere aus den Aussagen der vernommenen Personen ein persönliches Tatmotiv herzuleiten, überzeugen nach Auffassung der Kammer nicht. So spricht der Umstand, dass es sich um eine gezielte und geplante Tat gehandelt hat, nicht zwingend für ein persönliches Motiv. Auch eine betrieblich motivierte Tat kann vorbereitet und geplant sein. Das Verhalten des Täters zeigt nur, dass er es nicht dem Zufall überlassen wollte, das Opfer zu treffen und erheblich zu verletzen. Die weiter von der Beklagten vorgebrachten Argumente, etwa dass der Kläger angesichts seiner Frauenbekanntschaften aus Eifersucht, Hass oder Wut Opfer des Überfalls wurde, stellen nach Auffassung der Kammer bloße Vermutungen und vage Spekulationen dar. Angesichts seiner Stellung als Oberbauleiter einer großen Baustelle hält es die Kammer für ebenso möglich, dass der Kläger von irgendeinem seiner zahlreichen, ihm naturgemäß nicht bekannten Mitarbeiter eines seiner Subunternehmen überfallen wurde. Schließlich kann der Kläger Opfer einer Verwechslung gewesen sein, was ebenfalls unfallversicherungsrechtlich geschützt wäre. Der vorliegende Sachverhalt ist nach Auffassung der Kammer gerade nicht zu vergleichen mit den Tatumständen in dem Sikh-Urteil (BSG vom 30.06.1998, a.a.O.). Hier waren alle möglichen Tatmotive ausschließlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers in der Sikh-Gemeinde und den dortigen Auseinandersetzungen zu suchen und es war nur deshalb nicht zu einer Anklage der Beschuldigten gekommen, weil die gewonnenen Erkenntnisse zur Begründung eines hinreichenden Tatverdachts nicht ausreichten. Vorliegend gibt es nicht einmal konkrete Anhaltspunkte für ein Tatmotiv, selbst die Sendung XY- ungelöst erbrachte kein Ergebnis. Wenn mithin die Beweggründe des Täters nach wie vor völlig unklar sind, hält die Kammer den erforderlichen Nachweis eines persönlichen Tatmotivs für nicht erbracht. Die Folgen dieser Beweislosigkeit gehen zu Lasten der Beklagten, so dass sie den streitbefangenen Überfall als Arbeitsunfall anzuerkennen hat.
Die Beklagte wird nunmehr Art und Ausmaß der Unfallfolgen zu prüfen haben, um die Höhe der Entscheidungsleistungen feststellen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
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