Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 RA 66/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 250/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Teilurteil
Das Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 10. September 2004 wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1999 und der Widerspruchsbescheid vom 4. September 2000 werden, soweit es die Beitragsnacherhebung für die bislang beigeladenen Arbeitnehmer betrifft, aufgehoben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der beklagte Rentenversicherungsträger — heute Deutsche Rentenversicherung Bund - zuvor Bundesversicherungsanstalt (in Folge: die Beklagte) — hat nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1999 zu Lasten der klagenden Aktiengesellschaft (AG) Gesamtsozialversicherungs (GSV) beiträge zu allen Zweigen der Sozialen Sicherheit nacherhoben — für individualisierte, der Beklagten bekannte, von ihr aber nicht unterrichtete oder auch sonst nicht nach § 12 des Sozialgesetzbuches (SGB) X beteiligte Arbeitnehmer der Firma "I I-M GmbH" in dreistelliger Zahl — für die Zeit von Januar bis November 1995 in Höhe von 123.643,32 DM — mit der Behauptung, die Arbeitgeberin habe den Arbeitnehmern im Einvernehmen mit der zu 1) beigeladenen Gewerkschaft und dem Konzernbetriebsrat der damaligen K-H-D AG (KHD) rechtswidrig Teile des ihnen tariflich zustehenden Weihnachtsgeldes vorenthalten.
Die klagende D AG ist Rechtsnachfolgerin der I I-M GmbH; diese firmierte später als W Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, blieb aber im Konzernverbund der KHD; mit Wirkung zum 1.1.2000 ist die W der klagenden D AG nach einer formwechselnden Umwandlung angewachsen. Die I I-M GmbH unterfiel dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW, geschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie NW e.V. und der Industriegewerkschaft (IG) Metall – Bezirksleitungen D und W. Dieser Tarifvertrag enthielt u.a. folgende Regelungen:
" § 1
Geltungsbereich Dieses Abkommen gilt 1. räumlich: für das Land Nordrhein-Westfalen;
§ 2
Voraussetzungen und Höhe der Leistungen
1.
Arbeitnehmer und Auszubildende, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen. Ausgenommen sind
2.
Die Sonderzahlungen werden nach folgender Staffel gezahlt: 1994 1995 nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 30 % nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 40% nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 50 % nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 60 % eines Monatsentgelts bzw. einer Monatsvergütung.
3.
Diese Leistungen gelten als Einmalleistungen im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.
§ 3
Zeitpunkt
1.
Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.
2.
Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2 Nr 1 der 1. Dezember. In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die Erfüllung der Zahlung vorher durchzuführen.
3.
Über Abschlagszahlungen können Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden.
§ 4
Anrechenbare betriebliche Leistungen Leistungen des Arbeitgebers, wie die Jahresabschlußvergütungen, Ergebnisbeteiligungen (Gratifikationen, Jahresprämie), Weihnachtsgeld u.ä. gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne des § 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.
§ 5
1.
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. April 1994 in Kraft. 2. Er kann mit Monatsfrist zum Monatsende gekündigt werden, § 2 Nr 2 frühestens zum 31. Dezember 1995, "
Der Tarifvertrag ist — darin stimmen auch Klägerin und Beklagte überein — nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Am 22. September 1995 schlossen die KHD — damals im Besitz der I I-M GmbH — und der Konzernbetriebsrat eine "Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) über Weihnachtsgeld 1995 für alle Tarifmitarbeiter der Konzerngesellschaften im Inland (mit Ausnahme). Danach sollte für die Ermittlung des Weihnachtsgeldes grundsätzlich der jeweils geltende Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens/Sonderzahlung gelten (Punkt 2.); er enthielt des Weiteren u.a. folgende Bestimmungen:
"Punkt 5.)
Entgeltanteil des Weihnachtsgeldes Ein Betrag in Höhe von 30 % des fiktiv errechneten Weihnachtsgeldes wird als Geldleistung (brutto) erbracht.
Punkt 6.)
Aktienanteil des Weihnachtsgeldes 70 % des errechneten Weihnachtsgeldes werden in Aktien der Klöckner-Humboldt-Deutz AG umgewandelt. Dabei wird je Aktie ein Wert von 20 DM des Weihnachtsgeldes zugrundegelegt. Die Steuern und Sozialabgaben werden ermittelt und abgeführt. Das Aktienvolumen wird entsprechend reduziert. Das verbleibende Aktienvolumen erhält der Mitarbeiter zur freien Verfügung. Spitzenbeträge werden dem laufenden Nettoeinkommen zugerechnet.
Punkt 7.)
Direktversicherung Wird aus dem Weihnachtsgeld eine Direktversicherung einschließlich Pauschalsteuer finanziert, so erfolgt eine Umwandlung gemäß Ziff 6 erst, nachdem diese Beträge vom fiktiv errechneten Weihnachtsgeld abgezogen worden sind, ggf. über den Entgeltanteil gemäß Ziff 5 hinaus.
Punkt 8.)
Auszahlungszeitpunkt/Ausgabe der Aktien Der Entgeltanteil des Weihnachtsgeldes wird mit der Novemberabrechnung ausgezahlt. Über den in Ziff 6 genannten Aktienanteil soll der Mitarbeiter bis Mitte Oktober verfügen können.
Punkt 9.)
Verwahrung der Aktien / Kosten.
Punkt 10.)
Tariflicher Anspruch Die vorgenannten Zahlungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne der Tarifverträge über Teile eines 13. Monatseinkommens / Sonderzahlung und erfüllen den tariflichen Anspruch."
Der Börsenkurs der KHD betrug am 16.10.1995 9,43 DM, am 20.11.1995 8,90 DM und am 1.12.1995 8,36 DM (von der Beklagten unwidersprochene Mitteilung der Klägerin vor dem Senat). Er belief sich am 24.1.2006 auf 4,01 EUR.
Im Anschluß an die KVB vom 22.9.1995 erfolgte mit Datum des 27. September 1995 eine "Vereinbarung der IG Metall mit dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie NW e.V.", in der es hieß: "Die in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens und erfüllen den tariflichen Anspruch."
Mit Datum des 29.9.1995 wurden die Mitarbeiter der KHD-Gruppe im Gemeinschaftsbetrieb K (ohne KHD S GmbH) mit einer Schrift "Der rote Punkt" informiert. Gefolgt von einem Berechnungsbeispiel hieß es aaO u.a.: " ...Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Konzerns und zur Vermeidung stärkerer Einschnitte in andere betrieblichen Leistungen ist man nach langen und schwierigen Verhandlungen mit dem Konzernbetriebsrat in Abstimmung mit den Tarifvertragsparteien übereingekommen, einen Teil des Weihnachtsgeldanspruchs 1995 in Aktien umzuwandeln. Alle Mitarbeiter werden damit am Unternehmen beteiligt. Aktienanteil des Weihnachtsgeldes. Für die Umwandlung wird je Aktie ein Wert von 20.- DM zugrundegelegt. Für die Versteuerung und die Beiträge zur Sozialversicherung wird ein Betrag von 8,60 DM je Aktie angesetzt. Diese Abzüge werden nicht vom laufenden Einkommen abgezogen, sondern durch eine entsprechende Reduzierung der Anzahl der Aktien ..."
In der Zeit vom 2. bis zum 30.5.1997 führte die Beklagte bei der Firma I I-M GmbH eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1996 durch. Bei der Schlußbesprechung vom 30.5.1997 kam auch die Beitragserhebung aus dem Weihnachtsgeld zur Sprache. Nach Erteilung eines an die Firma I I-M GmbH gerichteten Beitragsbescheides vom 15.12.1997 nebst Abhilfebescheid vom 25.6.1999 teilte die Beklagte der W (als Rechtsnachfolger der I GmbH) mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 14.12.1999 mit: die beim Weihnachtsgeld praktizierte Berechnungsmethode führe zu einer unzulässigen Verminderung des beitragspflichtigen Arbeitsentgeltes; aus diesem Grunde würden Sozialversicherungsbeiträge aus der Differenz zwischen dem tatsächlich bestehenden und dem mit Beiträgen belegten Weihnachtsgeldanspruch nacherhoben; es würden nach Maßgabe der Anlage 123.643.32 DM Beiträge nacherhoben. In der dem Bescheid in den Akten der Beklagten vorgehefteten Anlage wird dieser Betrag namentlich individualisierten Arbeitnehmern in Teilbeträgen zugewiesen. Mit ihrem am 6.1.2000 (Eingangsdatum) erhobenen Widerspruch machten die Teilrechtsvorgänger der Klägerin geltend (Schriftsatz vom 12.04.2000): die in der KBV vereinbarte Umwandlung von 70 vH des Weihnachtsgeldes stelle keinen Teilverzicht auf den Weihnachtsgeldanspruch dar; zu dem Schritt der Umwandlung habe man sich im Jahre 1995 zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage entschieden (wird ausgeführt) - im Einverständnis von Konzernleitung, Konzernbetriebsrat und Tarifvertragsparteien. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2000 zurück. Sie erklärte, die Beitragsnachberechnung erfolge auf der Grundlage der tariflich zustehenden Arbeitsentgelte und der Differenz zwischen den umgewandelten Aktienanteilen und ihrem Börsenwert, welcher der ursprünglichen Beitragsabrechnung zugrundegelegen habe.
Die Klägerin hat am 21.9.2000 Klage erhoben (SG Köln – S 22 RA 120/00, später S 6 RA 66/02) und vorgetragen, die Klage sei schon deshalb begründet, weil die Beklagte den Widerspruchsbescheid an die W c/o D AG gerichtet habe, obwohl ihr per 12.4.2000 mitgeteilt worden sei, daß die D AG die Rechtsnachfolgerin der W sei. Die Klägerin hat vor dem SG beantragt, den Bescheid vom 14.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.9.2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat vor dem SG beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erklärt, die Arbeitnehmer hätten nicht auf Entgeltanteile verzichtet und deshalb Anspruch auf das volle Weihnachtsgeld in bar gehabt.
Die zu 1) Beigeladene hat vor dem SG keinen Antrag gestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 24.7.2002 ausgeführt, § 4 des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 sei ihres Erachtens so zu verstehen, daß die dort genannten Leistungen des Arbeitgebers den tariflichen Anspruch nur insoweit erfüllten, als sie ihm auch tatsächlich wertmäßig entsprächen; § 4 enthalte keine Öffnungsklausel, daß der Arbeitgeber den Tarifvertrag unterlaufen könne; soweit in der KBV vom 22.9.1995 solche anrechenbaren betrieblichen Leistungen vereinbart worden seien, ersetzten sie nicht generell den Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen, sondern seien eben nach dem Tarifvertrag insoweit "anrechenbar"; insoweit trete auch nur Erfüllung des tariflichen Anspruchs ein; für sich gesehen sei das kein Verzicht auf darüber hinausgehende tarifvertragliche Ansprüche; ein solcher Verzicht könne auch nur durch entsprechende tarifvertragliche Regelungen der Tarifvertragsparteien erfolgen; die Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 könne allerdings – auch wenn sich dies aus Form und Wortlaut nicht sofort erschließe – als eine solche tarifvertragliche Verzichtsvereinbarung gewertet werden; das sei jedenfalls Sinn und Zweck der Beteiligung der Tarifvertragsparteien gewesen.
Das SG Köln hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: eine tarifvertragliche Öffnungsklausel iS von § 77 Abs 3 S. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) sei weder erkennbar noch von den Beteiligten vorgebracht; mit der Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 sei lediglich klargestellt worden, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche; hätten die Tarifvertragsparteien eine Verringerung des tarifvertraglichen Anspruchs gewollt, hätten sie das in ihrer Erklärung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müssen (Hinw. auf Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Urt.v. 9.6.1998 3 (4) Sa 2170/97).
Die Klägerin hat gegen das Urteil — ihr zugestellt am 22.9.2004 — am 15.10.2004 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 habe durch die Bezugnahme auf die KBV vom 25.9.1995 einen nach § 1 Abs 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) zulässigen Regelungsgegenstand; die Tarifvertragsparteien hätten damit einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen; berücksichtige man die Umstände, unter denen die Erklärungen zustandegekommen seien, könne kein Zweifel bestehen, daß es sich bei der Vereinbarung vom 27.9.1995 um einen Tarifvertrag handle; es habe mithin eine Konkurrenz bestanden zwischen dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 und dem Tarifvertrag vom 27.9.1995; für die Auflösung einer solchen Konkurrenz gelte das Prinzip der betrieblichen, fachlichen, persönlichen und räumlichen Nähe, das sog Spezialitätsprinzip (Hinw auf Wiedemann TVG, 6 Aufl. § 4 Rdn 289); das bedeute hier, daß der auf die besondere Situation zugeschnittene Tarifvertrag vom 27.9.1995 den älteren Vertrag verdränge; zu Unrecht gehe das SG davon aus, daß mit der Erklärung vom 27.9.1995 nur darauf habe hingewiesen werden sollen, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch insoweit erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche, denn es heiße in der Erklärung vom 27.9.1995 ausdrücklich, daß der tarifliche Anspruch durch die KVB erfüllt werde; für einen weitergehenden, nach anderen Kriterien zu erfüllenden Anspruch lasse die Formulierung keinen Raum; es komme letztlich auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien an, den die beigeladene IG Metall geschildert habe; es sei der Klägerin nicht möglich, mitzuteilen, welche der im Bescheid vom 14.12.1999 erfaßten Arbeitnehmer tarifgebunden, d.h. Gewerkschaftsmitglieder, seien bzw. gewesen seien. Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 10.9.2004 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.9.2000 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen und sieht sich ebenfalls außerstande zu erklären, welche Arbeitnehmer tarifgebunden seien. Die Beklagte meint, das unterliege der Geheimhaltungspflicht und sei nur durch eine Einzelbefragung der Arbeitnehmer zu klären.
Der Senat hat – zu 2) – 14) – die Fremdversicherungsträger und – zu 15) – 21) – in der Anlage zum Bescheid vom 14.12.1999 aufgeführte Versicherte beigeladen.
Zur mündlichen Verhandlung am 9.3.2006 ist für die Beigeladenen niemand erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist ihnen ordnungsgemäß zugestellt worden. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Mit der Nachricht ist darauf hingewiesen worden, daß auch in Abwesenheit der Beigeladenen und eines Bevollmächtigten der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden könne.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I.
1.
Obgleich für die Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beigeladenen sind – mit Hinweis auf diese Möglichkeit – ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 9.3.2006 geladen worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 SGG, § 126 SGG; Bundessozialgericht (BSG) in SozR Nr 5 zu § 110 SGG). Es bestand kein Anlaß, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Die Beteiligten haben um Terminsverlegung nicht ersucht und sie hatten hinreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Anordnung des Erscheinens der beigeladenen Gewerkschaft war lediglich erfolgt, um ihr Gelegenheit zu geben, sich gegen den bereits mit Richterbrief vom 7.2.2006 angesprochenen, von der Beklagten konkludent erhobenen Vorwurf weiter zur Wehr zu setzen, die Gewerkschaft habe die Arbeitnehmer der I I-M GmbH im Zusammenwirken mit Arbeitgeberin und Konzernbetriebsrat um Teile des ihnen 1995 tariflich zustehenden Weihnachtsgeldes gebracht und damit den Vertrauensschutz der betroffenen Arbeitnehmer in die Fortgeltung der tariflichen Regelung verletzt. Auf die Anhörung der beigeladenen Gewerkschaft konnte insoweit verzichtet werden, als eine solche Verletzung nicht erkennbar ist und die Beklagte weder zuvor noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nur eine Tatsache angeführt hat, die geeignet wäre, eine solche Verletzung des Vertrauensschutzes zu belegen.
2.
Weil die Beklagte (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) den Abschluß eines Unterwerfungsvergleichs auf der Grundlage einer Entscheidung in Sachen der vom Senat bereits zum Verfahren beigeladenen Arbeitnehmer der ehemaligen I I-M GmbH verweigert hat und weil eine weitergehende Entscheidung des Senats die Beiladung der übrigen Arbeitnehmer, die schon die Beklagte zumindest hätte benachrichtigen müssen, notwendig vorausgesetzt hätte (§ 75 Abs 2, 1. Mögl des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - vgl. BSGE 85,200 = SozR 3-2400 § 28 b Nr 2 mwN), hat der Senat über den zur Endentscheidung reifen Teil des Rechtsstreits, über die Frage der Rechtmäßigkeit der Beitragsnacherhebung von Beiträgen durch die Beklagte in Anbetracht eines weitergehenden und nicht verwirklichten Weihnachtsgeldanspruchs der bereits beigeladenen Versicherten, durch Teilurteil entschieden (§ 202 SGG iVm § 301 Abs 1 S. 1 ZPO).
3.
Die Berufung der Klägerin ist, soweit der Senat bereits darüber entscheiden konnte, begründet. Die insoweit streitige Beitragsnacherhebung war rechtswidrig, denn den beigeladenen Arbeitnehmern stand ein weitergehender Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 1995 nicht zu. Das Urteil des SG vom 10.9.2004 war daher in entsprechendem Umfang zu ändern und die angefochtenen Bescheide waren insoweit aufzuheben.
II.
Der Senat konnte die von der Beklagten nicht geklärte Frage offen lassen, welche der von ihr in den angefochtenen Bescheiden einbezogenen Arbeitnehmer überhaupt gewerkschaftlich organisiert, tarifgebunden waren oder sonst 1995 aus Tarifrecht Rechte hätten geltend machen können, denn jedenfalls den beigeladenen, seinerzeit bei der I I-M GmbH beschäftigten Arbeitnehmern stand das von der Beklagten der Beitragsnacherhebung zugrundegelegte weitere Arbeitsentgelt (§§ 14 Abs 1 SGB IV, 226 Abs 1 S. 1 Nr 1 SGB V, 57 Abs 1 SGB XI, 162 Nr 1 SGB VI, 175 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)) auch dann nicht zu, wenn sie aus dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 Rechte hätten geltend machen können. Es war deshalb hier unerheblich, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundessozialgerichts (BSG) aus tariflich zustehenden, aber nicht zugeflossenen Leistungen durchaus Beiträge zu erheben sind (vgl. Urt. v. 30.10.03 L 16 KR 169/02 LSG NW = BSG 14.7.04 B 12 KR 1/04 R = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2).
Richtig ist freilich, daß die in der KBV vereinbarte Umwandlung von 70 vH des Weihnachtsgeldes in Aktien entgegen der Darstellung der Klägerin durchaus einen — wenn auch nicht von den einzelnen Arbeitnehmern selbst erklärten — Teilverzicht auf den tariflichen Anspruch auf Weihnachtsgeld darstellte, sollten doch jedenfalls die tarifgebundenen Arbeitnehmer, die Ende 1995 seit mindestens 6 Monaten ununterbrochen im Konzern beschäftigt waren, eines Teils ihres tariflichen Anspruchs verlustig gehen, der, wie noch zu erörtern, jedenfalls als Anwartschaft im September 1995 schon entstanden war. Zwar handelte es sich bei der Vereinbarung der Umwandlung in Aktien insoweit lediglich um die Vereinbarung, was der Arbeitgeber an Erfüllungs statt (§ 364 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB -) leisten durfte; im wirtschaftlichen Ergebnis bedeutete dies aber ersichtlich eine Einbuße für den Arbeitnehmer. Das mußte jedem mit der Sache Befaßten und auch nur halbwegs mit der wirtschaftlichen Lage der Firma Vertrauten bei einem Aktienkurs von unter 10 DM sofort ins Auge springen, wenn er zur Kenntnis nahm, daß nach der KBV 70 vH des tariflich in toto bar auszuzahlenden Weihnachtsgeldes in Höhe von je 20 DM mit nur einer Aktie abgegolten werden sollte, deren tatsächlicher Wert dem nicht annähernd entsprach und deren spekulativer Wert womöglich noch geringer war. Auch mehr als zehn Jahre später hat sich der Wert der Aktie nicht gesteigert.
Diese zu Lasten der Arbeitnehmer gehende Regelung in der KBV verstieß deshalb auch ersichtlich gegen § 77 Abs 2 S. 1 BetrVG, nach dem Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG bestimmt indes, daß dies - S. 1 - nicht gilt, wenn ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. Dies ist – darin ist dem SG und der beigeladenen Gewerkschaft beizupflichten – im Vorhinein nicht geschehen; es gab zuvor keine Tariföffnungsklausel iS von § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG. Ausgehend davon gelangt das SG indes zu der Fehlinterpretation der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995, man habe mit dieser lediglich klarstellen wollen, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche – so wie das die beigeladene Gewerkschaft zu Recht zu § 4 des Tarifvertrags vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 referiert hatte. Von letzterer Einschränkung ist aber weder in der KBV vom 22. noch in der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 die Rede; das widerspricht dem uneingeschränkten Erklärungsinhalt dieser Erklärungen, und das SG übersieht insoweit die hier gegebene Möglichkeit einer rückwirkenden Genehmigung der Tariföffnung durch eben die Tarifertragsparteien, die den Tarifvertrag geschlossen haben, in den mit der Betriebsvereinbarung eingegriffen werden soll. Darauf und auf die Zulässigkeit einer solchen rückwirkenden Tariföffnung hat das Gericht die Beteiligten bereits mit Schreiben vom 7.2.2006 unter Beifügung eines Doppels des im Anschluß an das vom SG angeführte LAG-Urteil ergangenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.4.1999 (1 AZR 631/98 = BAGE 91,244) hingewiesen, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und insbesondere die Beklagte aufgefordert, darzulegen, ob und ggf. aus welchen Gründen ihrer Auffassung nach hier die Vereinbarung einer rückwirkenden Tariföffnung nach dem Maßstab der Entscheidung des BAG am schutzwürdigen Vertrauen der Arbeitnehmer hat scheitern können oder müssen. Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung vom 28.2.2006 - und so auch vor dem Senat - an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und behauptet, eine rückwirkende Tariföffnung habe gegen Vertrauensschutzrechte der Arbeitnehmer verletzt; die Beklagte hat aber nicht eine einzige Tatsache vorgetragen, die diese Behauptung aus der Sicht der o.a. Rechtsprechung des BAG stützen könnte.
III.
War eine rückwirkende Öffnung des Tarifvertrages möglich, so konnte es nach den vorliegenden Umständen Zweck der wenige Tage nach der KBV vom 22.9. am 27.9.1995 abgegebenen schlichten Ein-Satz-Erklärung der Tarifvertragsparteien (des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 ) unterhalb der KBV vom 22.9.1995 (hier vorliegend als Seite 5 der KBV Bl 1-4) "Die in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens und erfüllen den tariflichen Anspruch." allein sein, die Rechtswidrigkeit der Einschränkung der tariflichen Weihnachtsgeldansprüche durch die KBV nach § 77 Abs 2 S. 1 BetrVG im Wege einer rückwirkenden Tariföffnung nach § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG zu beseitigen oder jedenfalls der Annahme einer Rechtswidrigkeit vorbeugend zu begegnen. Eben dies hat denn auch – wenn auch ohne rechtlichen Überbau, mit anderen Worten und nach der Abgabe gewundener Erklärungen - letztlich auch die Beigeladene zu 1) als für die Arbeitnehmer beteiligte Tarifpartei schon in erster Instanz erklärt. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien Möglichkeit und Notwendigkeit nicht erkannt haben sollten, so haben sie mit ihrer Erklärung vom 27.9. 1995 ausdrücklich die "in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen" sanktionieren und – uneingeschränkt - als Erfüllung des tariflichen Anspruchs anerkennen wollen. Was allein in der KBV und in der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien gleichermaßen nicht ausdrücklich erklärt worden ist und auch im Vortrag der beigeladenen Gewerkschaft zu vermissen ist, ist das klare Eingeständnis, daß solcherart Aktienumwandlung eine nicht unwesentliche Verringerung des tariflichen Anspruchs beinhaltete und nicht lediglich eine "andere Art der Erfüllung" eines der Höhe nach unverändert bestehenden Anspruchs erlaubte. Eben dies lag aber aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts des Tarifvertrages vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994, aufgrund der KBV vom 22.9.1995, aufgrund beider abweichender Leistungsinhalte und aufgrund des Inhalts der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 für alle Beteiligten klar zu Tage, und darüber hat, wie noch zu erörtern, wohl selbst die Personalabteilung die Belegschaft mit der schönfärberischen Wendung in der Informationsschrift vom 29.9.1995 nicht hinwegtäuschen können, "alle Mitarbeiter würden damit am Unter-nehmen beteiligt".
IV.
Mit dem BAG im o.a. Urteil vom 20.4.1999 hält der erkennende Senat dafür, daß die ausdrückliche Zulassung von Tariföffnungsklauseln in § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG deutlich macht, daß es den Tarifvertragsparteien gerade vorbehalten bleibt, ob sie abweichende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht, daß dieser Schutzzweck auch dann gewahrt ist, wenn sie nachträglich über die Billigung einer tarifvorbehaltswidrigen Betriebsvereinbarung durch entsprechende Öffnungsklausel entscheiden, und daß die rückwirkende Genehmigung ihre Grenze in den Grundsätzen des Vertrauensschutzes findet, wobei der Rückwirkung von Tarifverträgen die gleichen Grenzen gesetzt sind wie der Rückwirkung von Gesetzen.
Diese Grenze ist im vorliegenden Fall nicht überschritten. Die nachträgliche Genehmigung der betrieblichen Regelung hat hier nicht dazu geführt, daß bereits entstandene Vergütungsansprüche, die sich aus dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 ergeben hätten, iS einer echten Rückwirkung mit der KBV und/oder der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 entfallen wären, denn der tarifliche Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 1995 entstand erst Ende des Jahres zum durch Betriebsvereinbarung vereinbarten späteren Auszahlungszeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer am Auszahlungstag in einem Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis stand und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 6 Monate angehört hatte (§ 2 und 3 des Tarifvertrages vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994). Die Arbeitnehmer der Firma hatten also, wie bereits erwähnt, im September 1995 allenfalls eine Anwartschaft auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1995, die unter den aufgezeigten Bedingungen Ende des Jahres zum Vollrecht erstarken konnte. Es handelte sich mithin bei der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 um eine unechte Rückwirkung, eine Einwirkung nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft, die bei Gesetzen grundsätzlich für zulässig erachtet wird und ihre Schranken nur im rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit findet, wobei Rechtssicherheit für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 68,287,306), was eine Abwägung erfordert, ob der Einzelne auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung billigerweise nicht hat vertrauen dürfen (vgl. BSGE 35,78). Selbst im Falle einer echten Rückwirkung geht man davon aus (so BSG Urt.v. 1.9.05 B 3 KR 34/04 R = bislang Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 05,693), daß das Rückwirkungsverbot durchbrochen werden kann, wenn Gründe des gemeinen Wohls es gebieten und ein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen nicht entgegen steht (BVerfGE 72, 200, 258; 97, 67, 79 f; 101, 239, 263 f), wobei das Rückwirkungsverbot dort keine Berechtigung hat, wo der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen ist, nicht mit dem Fortbestand der für ihn günstigeren Regelung rechnen durfte (BVerfGE 37, 363, 397 f; 45, 142, 173 f; 88, 384, 404), und dies insbesondere dann, wenn durch die Rückwirkung nur ein unerheblicher Nachteil eintritt (BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258 f; 95, 64, 86 f). In diesem Sinn scheint das BAG im o.a. Urteil vom 20.4.1999 selbst im Fall einer echten Rückwirkung davon auszugehen, daß der Schutz des Vertrauens in den Fortbestand einer tariflichen Regelung etwa (schon) dann entfällt, wenn die Tarifvertragsparteien eine "gemeinsame Erklärung" über den Inhalt der Tarifänderung und den beabsichtigten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vor Abschluß des Tarifvertrages abgeben und diese den betroffenen Kreisen bekannt machen, bzw. (so der Leitsatz 3.) wenn die zuständige Gewerkschaft ihre Mitglieder darüber informiert, daß sie eine ungünstigere Betriebsvereinbarung genehmigt hat.
Nach diesen Grundsätzen ist der Schutz des Vertrauens der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall jedenfalls mit ihrer Information durch die Schrift "Der rote Punkt" vom 29.9.1995 selbst dann entfallen, wenn man den Maßstab der Anforderungen an die Zulässigkeit einer echten Rückwirkung anlegt.
V.
Zum Einwand des Senates vom 7.2.2006, daß die gerichtskundig desolate wirtschaftliche Situation der Tochterfirmen der KHD den Arbeitnehmern kaum verborgen geblieben und Konzernleitung, Gesamtbetriebsrat sowie Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerverband hinreichend Anlaß gegeben haben möge, um Schlimmerem vorzubeugen, das tariflich vorgesehene Weihnachtsgeld durch Teilumwandlung in Aktien zu kürzen, hat die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 28.2.2006 nur vortragen können, "daß diesseitig keine Erkenntnisse darüber beständen, ob und inwiefern es dem Unternehmen im Jahre 1995 tatsächlich nicht gut gegangen sei". Die Beklagte hätte sich, bevor sie sich anheischig macht, in die Rechte anderer einzugreifen, wie der Senat dann im Berufungsverfahren um einen ersten Überblick über die wirtschaftliche Situation der KHD im Jahre 1995 im Wege einer Internet-Recherche bemühen können (etwa "alltheweb.com Stichwort "KHD 1995"). Sie hätte dann bestätigt gefunden, was die Klägerseite vor dem Senat glaubhaft und überzeugend bekundet hat und weitgehend ohnehin allgemeinkundig ist. Der u.a. für die Klägerin erschienene Herr Assessor X hat erklärt: er sei 1995 Mitarbeiter der Personalabteilung bzw. der Rechtsabteilung gewesen; im Jahre 1995 sei die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes sehr, sehr schlecht gewesen; im Jahre 1996 habe sich dann noch bei weiteren Ermittlungen herausgestellt, daß bei der W AG, einem Tochterunternehmen der KHD, umfangreiche Verluste infolge Bilanzmanipulationen eingetreten gewesen seien; damit habe sich die Prognose aus dem Jahre 1995 in erheblichem Umfang bestätigt; in der Betriebsveröffentlichung "Der rote Punkt", der im Gemeinschaftsbetrieb K umfassend am Betriebseingang/- ausgang ausgelegt worden sei und der von der Personalabteilung herausgegeben werde, sei über die Vereinbarung vom 27.9.1995 ausreichend informiert worden; jeder Arbeitnehmer habe die Möglichkeit gehabt, sich über die Angelegenheit zu informieren; bevor die KBV im Herbst 1995 veröffentlich worden sei, sei in der Belegschaft schon klar gewesen, daß über die Gestaltung des Weihnachtsgeldes habe gesprochen werden müssen; über die Vertrauensleute und über die Gewerkschaften, die naturgemäß schon im Vorfeld beteiligt gewesen seien, seien solche Informationen an die Belegschaften, auch der Tochterunternehmen, weitergegeben worden; er selber habe mitbekommen, daß die Weihnachtsgeldangelegenheit über einen längeren Zeitpunkt auf allen Ebenen ein Gespräch in der Belegschaft gewesen sei; es sei keine überraschende Entwicklung für die Belegschaft gewesen, als am 27.9.1995 die Tarifvertragsparteien die Vereinbarung vom 22.9.1995 bestätigt hätten; es habe keinen einzigen Prozeß eines Arbeitnehmers in der Folgezeit gegeben, der ein höheres Weihnachtsgeld eingeklagt hätte; das könne er verbindlich sagen, weil er selbst der Verantwortliche für derartige Prozesse in jener Zeit gewesen sei; es sei ihm auch nicht bekannt geworden, daß sich einzelne Arbeitnehmer an die Betriebs-leitung gewandt hätten und das Verhalten der Tarifvertragsparteien, insbesondere des Betriebes, gerügt hätten.
Für den Senat bestanden danach keine Zweifel, daß die wirtschaftliche Situation der KHD im Jahre 1995 drastische Schritte erforderlich gemacht hat, und daß Arbeitnehmer, Betriebsrat und Gewerkschaft seinerzeit mit Schlimmerem bis hin zum Verlust des Arbeitslatzes haben rechnen müssen und gerechnet haben, als sie die rückwirkende Minderung des tariflichen Anspruchs auf Weihnachtsgeld hingenommen bis mitgetragen haben. Da die Beklagte demgegenüber, wie schon betont, nicht eine Tatsache anzuführen vermochte, die es erlauben könnte, diese Sicht in Zweifel zu ziehen, bestand kein Anlaß, diesen Dingen weiter nachzugehen, und es ist auch weder ersichtlich noch von der Beklagten aufgezeigt, wie dies überhaupt sinnvoll hätte geschehen können.
Der Schutz des Vertrauens der Versicherten war danach vor Fälligkeit des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1995 jedenfalls mit Verteilung der Schrift "Der rote Punkt" vom und am 29.9.1995 entfallen. In dieser Schrift waren die Arbeitnehmer über die Gründe, die Art des Einschnitts und das Einverständnis auch der Tarifvertragsparteien unterrichtet worden; aus dem Berechnungsbeispiel konnten sie ersehen, daß und in welchem Umfang sich der ihnen tariflich zustehende Weihnachtsgeldanspruch verringern würde. Im übrigen war die Kürzung des Weihnachtsgeldes durch Umwandlung des Anspruchs in Aktien nach den glaubhaften Bekundungen des Herrn X bereits vor Abschluß der KBV vom 22.9.1995 bei der Belegschaft "im Gespräch", ihr Eintritt auch für die Arbeitnehmer also durchaus keine Überraschung und - gemessen etwa am möglichen Verlust des Arbeitsplatzes - ein unerheblicher Nachteil im Sinne der o.a. Rechtsprechung.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1999 und der Widerspruchsbescheid vom 4. September 2000 werden, soweit es die Beitragsnacherhebung für die bislang beigeladenen Arbeitnehmer betrifft, aufgehoben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der beklagte Rentenversicherungsträger — heute Deutsche Rentenversicherung Bund - zuvor Bundesversicherungsanstalt (in Folge: die Beklagte) — hat nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1999 zu Lasten der klagenden Aktiengesellschaft (AG) Gesamtsozialversicherungs (GSV) beiträge zu allen Zweigen der Sozialen Sicherheit nacherhoben — für individualisierte, der Beklagten bekannte, von ihr aber nicht unterrichtete oder auch sonst nicht nach § 12 des Sozialgesetzbuches (SGB) X beteiligte Arbeitnehmer der Firma "I I-M GmbH" in dreistelliger Zahl — für die Zeit von Januar bis November 1995 in Höhe von 123.643,32 DM — mit der Behauptung, die Arbeitgeberin habe den Arbeitnehmern im Einvernehmen mit der zu 1) beigeladenen Gewerkschaft und dem Konzernbetriebsrat der damaligen K-H-D AG (KHD) rechtswidrig Teile des ihnen tariflich zustehenden Weihnachtsgeldes vorenthalten.
Die klagende D AG ist Rechtsnachfolgerin der I I-M GmbH; diese firmierte später als W Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, blieb aber im Konzernverbund der KHD; mit Wirkung zum 1.1.2000 ist die W der klagenden D AG nach einer formwechselnden Umwandlung angewachsen. Die I I-M GmbH unterfiel dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW, geschlossen zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie NW e.V. und der Industriegewerkschaft (IG) Metall – Bezirksleitungen D und W. Dieser Tarifvertrag enthielt u.a. folgende Regelungen:
" § 1
Geltungsbereich Dieses Abkommen gilt 1. räumlich: für das Land Nordrhein-Westfalen;
§ 2
Voraussetzungen und Höhe der Leistungen
1.
Arbeitnehmer und Auszubildende, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen. Ausgenommen sind
2.
Die Sonderzahlungen werden nach folgender Staffel gezahlt: 1994 1995 nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 30 % nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 40% nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 50 % nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit ... 60 % eines Monatsentgelts bzw. einer Monatsvergütung.
3.
Diese Leistungen gelten als Einmalleistungen im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.
§ 3
Zeitpunkt
1.
Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.
2.
Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2 Nr 1 der 1. Dezember. In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die Erfüllung der Zahlung vorher durchzuführen.
3.
Über Abschlagszahlungen können Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden.
§ 4
Anrechenbare betriebliche Leistungen Leistungen des Arbeitgebers, wie die Jahresabschlußvergütungen, Ergebnisbeteiligungen (Gratifikationen, Jahresprämie), Weihnachtsgeld u.ä. gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne des § 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.
§ 5
1.
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. April 1994 in Kraft. 2. Er kann mit Monatsfrist zum Monatsende gekündigt werden, § 2 Nr 2 frühestens zum 31. Dezember 1995, "
Der Tarifvertrag ist — darin stimmen auch Klägerin und Beklagte überein — nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Am 22. September 1995 schlossen die KHD — damals im Besitz der I I-M GmbH — und der Konzernbetriebsrat eine "Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) über Weihnachtsgeld 1995 für alle Tarifmitarbeiter der Konzerngesellschaften im Inland (mit Ausnahme). Danach sollte für die Ermittlung des Weihnachtsgeldes grundsätzlich der jeweils geltende Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens/Sonderzahlung gelten (Punkt 2.); er enthielt des Weiteren u.a. folgende Bestimmungen:
"Punkt 5.)
Entgeltanteil des Weihnachtsgeldes Ein Betrag in Höhe von 30 % des fiktiv errechneten Weihnachtsgeldes wird als Geldleistung (brutto) erbracht.
Punkt 6.)
Aktienanteil des Weihnachtsgeldes 70 % des errechneten Weihnachtsgeldes werden in Aktien der Klöckner-Humboldt-Deutz AG umgewandelt. Dabei wird je Aktie ein Wert von 20 DM des Weihnachtsgeldes zugrundegelegt. Die Steuern und Sozialabgaben werden ermittelt und abgeführt. Das Aktienvolumen wird entsprechend reduziert. Das verbleibende Aktienvolumen erhält der Mitarbeiter zur freien Verfügung. Spitzenbeträge werden dem laufenden Nettoeinkommen zugerechnet.
Punkt 7.)
Direktversicherung Wird aus dem Weihnachtsgeld eine Direktversicherung einschließlich Pauschalsteuer finanziert, so erfolgt eine Umwandlung gemäß Ziff 6 erst, nachdem diese Beträge vom fiktiv errechneten Weihnachtsgeld abgezogen worden sind, ggf. über den Entgeltanteil gemäß Ziff 5 hinaus.
Punkt 8.)
Auszahlungszeitpunkt/Ausgabe der Aktien Der Entgeltanteil des Weihnachtsgeldes wird mit der Novemberabrechnung ausgezahlt. Über den in Ziff 6 genannten Aktienanteil soll der Mitarbeiter bis Mitte Oktober verfügen können.
Punkt 9.)
Verwahrung der Aktien / Kosten.
Punkt 10.)
Tariflicher Anspruch Die vorgenannten Zahlungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne der Tarifverträge über Teile eines 13. Monatseinkommens / Sonderzahlung und erfüllen den tariflichen Anspruch."
Der Börsenkurs der KHD betrug am 16.10.1995 9,43 DM, am 20.11.1995 8,90 DM und am 1.12.1995 8,36 DM (von der Beklagten unwidersprochene Mitteilung der Klägerin vor dem Senat). Er belief sich am 24.1.2006 auf 4,01 EUR.
Im Anschluß an die KVB vom 22.9.1995 erfolgte mit Datum des 27. September 1995 eine "Vereinbarung der IG Metall mit dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie NW e.V.", in der es hieß: "Die in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens und erfüllen den tariflichen Anspruch."
Mit Datum des 29.9.1995 wurden die Mitarbeiter der KHD-Gruppe im Gemeinschaftsbetrieb K (ohne KHD S GmbH) mit einer Schrift "Der rote Punkt" informiert. Gefolgt von einem Berechnungsbeispiel hieß es aaO u.a.: " ...Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Konzerns und zur Vermeidung stärkerer Einschnitte in andere betrieblichen Leistungen ist man nach langen und schwierigen Verhandlungen mit dem Konzernbetriebsrat in Abstimmung mit den Tarifvertragsparteien übereingekommen, einen Teil des Weihnachtsgeldanspruchs 1995 in Aktien umzuwandeln. Alle Mitarbeiter werden damit am Unternehmen beteiligt. Aktienanteil des Weihnachtsgeldes. Für die Umwandlung wird je Aktie ein Wert von 20.- DM zugrundegelegt. Für die Versteuerung und die Beiträge zur Sozialversicherung wird ein Betrag von 8,60 DM je Aktie angesetzt. Diese Abzüge werden nicht vom laufenden Einkommen abgezogen, sondern durch eine entsprechende Reduzierung der Anzahl der Aktien ..."
In der Zeit vom 2. bis zum 30.5.1997 führte die Beklagte bei der Firma I I-M GmbH eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1996 durch. Bei der Schlußbesprechung vom 30.5.1997 kam auch die Beitragserhebung aus dem Weihnachtsgeld zur Sprache. Nach Erteilung eines an die Firma I I-M GmbH gerichteten Beitragsbescheides vom 15.12.1997 nebst Abhilfebescheid vom 25.6.1999 teilte die Beklagte der W (als Rechtsnachfolger der I GmbH) mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 14.12.1999 mit: die beim Weihnachtsgeld praktizierte Berechnungsmethode führe zu einer unzulässigen Verminderung des beitragspflichtigen Arbeitsentgeltes; aus diesem Grunde würden Sozialversicherungsbeiträge aus der Differenz zwischen dem tatsächlich bestehenden und dem mit Beiträgen belegten Weihnachtsgeldanspruch nacherhoben; es würden nach Maßgabe der Anlage 123.643.32 DM Beiträge nacherhoben. In der dem Bescheid in den Akten der Beklagten vorgehefteten Anlage wird dieser Betrag namentlich individualisierten Arbeitnehmern in Teilbeträgen zugewiesen. Mit ihrem am 6.1.2000 (Eingangsdatum) erhobenen Widerspruch machten die Teilrechtsvorgänger der Klägerin geltend (Schriftsatz vom 12.04.2000): die in der KBV vereinbarte Umwandlung von 70 vH des Weihnachtsgeldes stelle keinen Teilverzicht auf den Weihnachtsgeldanspruch dar; zu dem Schritt der Umwandlung habe man sich im Jahre 1995 zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage entschieden (wird ausgeführt) - im Einverständnis von Konzernleitung, Konzernbetriebsrat und Tarifvertragsparteien. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.9.2000 zurück. Sie erklärte, die Beitragsnachberechnung erfolge auf der Grundlage der tariflich zustehenden Arbeitsentgelte und der Differenz zwischen den umgewandelten Aktienanteilen und ihrem Börsenwert, welcher der ursprünglichen Beitragsabrechnung zugrundegelegen habe.
Die Klägerin hat am 21.9.2000 Klage erhoben (SG Köln – S 22 RA 120/00, später S 6 RA 66/02) und vorgetragen, die Klage sei schon deshalb begründet, weil die Beklagte den Widerspruchsbescheid an die W c/o D AG gerichtet habe, obwohl ihr per 12.4.2000 mitgeteilt worden sei, daß die D AG die Rechtsnachfolgerin der W sei. Die Klägerin hat vor dem SG beantragt, den Bescheid vom 14.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.9.2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat vor dem SG beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erklärt, die Arbeitnehmer hätten nicht auf Entgeltanteile verzichtet und deshalb Anspruch auf das volle Weihnachtsgeld in bar gehabt.
Die zu 1) Beigeladene hat vor dem SG keinen Antrag gestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 24.7.2002 ausgeführt, § 4 des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 sei ihres Erachtens so zu verstehen, daß die dort genannten Leistungen des Arbeitgebers den tariflichen Anspruch nur insoweit erfüllten, als sie ihm auch tatsächlich wertmäßig entsprächen; § 4 enthalte keine Öffnungsklausel, daß der Arbeitgeber den Tarifvertrag unterlaufen könne; soweit in der KBV vom 22.9.1995 solche anrechenbaren betrieblichen Leistungen vereinbart worden seien, ersetzten sie nicht generell den Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen, sondern seien eben nach dem Tarifvertrag insoweit "anrechenbar"; insoweit trete auch nur Erfüllung des tariflichen Anspruchs ein; für sich gesehen sei das kein Verzicht auf darüber hinausgehende tarifvertragliche Ansprüche; ein solcher Verzicht könne auch nur durch entsprechende tarifvertragliche Regelungen der Tarifvertragsparteien erfolgen; die Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 könne allerdings – auch wenn sich dies aus Form und Wortlaut nicht sofort erschließe – als eine solche tarifvertragliche Verzichtsvereinbarung gewertet werden; das sei jedenfalls Sinn und Zweck der Beteiligung der Tarifvertragsparteien gewesen.
Das SG Köln hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: eine tarifvertragliche Öffnungsklausel iS von § 77 Abs 3 S. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) sei weder erkennbar noch von den Beteiligten vorgebracht; mit der Erklärung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 sei lediglich klargestellt worden, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche; hätten die Tarifvertragsparteien eine Verringerung des tarifvertraglichen Anspruchs gewollt, hätten sie das in ihrer Erklärung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müssen (Hinw. auf Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, Urt.v. 9.6.1998 3 (4) Sa 2170/97).
Die Klägerin hat gegen das Urteil — ihr zugestellt am 22.9.2004 — am 15.10.2004 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 habe durch die Bezugnahme auf die KBV vom 25.9.1995 einen nach § 1 Abs 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) zulässigen Regelungsgegenstand; die Tarifvertragsparteien hätten damit einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen; berücksichtige man die Umstände, unter denen die Erklärungen zustandegekommen seien, könne kein Zweifel bestehen, daß es sich bei der Vereinbarung vom 27.9.1995 um einen Tarifvertrag handle; es habe mithin eine Konkurrenz bestanden zwischen dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 und dem Tarifvertrag vom 27.9.1995; für die Auflösung einer solchen Konkurrenz gelte das Prinzip der betrieblichen, fachlichen, persönlichen und räumlichen Nähe, das sog Spezialitätsprinzip (Hinw auf Wiedemann TVG, 6 Aufl. § 4 Rdn 289); das bedeute hier, daß der auf die besondere Situation zugeschnittene Tarifvertrag vom 27.9.1995 den älteren Vertrag verdränge; zu Unrecht gehe das SG davon aus, daß mit der Erklärung vom 27.9.1995 nur darauf habe hingewiesen werden sollen, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch insoweit erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche, denn es heiße in der Erklärung vom 27.9.1995 ausdrücklich, daß der tarifliche Anspruch durch die KVB erfüllt werde; für einen weitergehenden, nach anderen Kriterien zu erfüllenden Anspruch lasse die Formulierung keinen Raum; es komme letztlich auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien an, den die beigeladene IG Metall geschildert habe; es sei der Klägerin nicht möglich, mitzuteilen, welche der im Bescheid vom 14.12.1999 erfaßten Arbeitnehmer tarifgebunden, d.h. Gewerkschaftsmitglieder, seien bzw. gewesen seien. Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 10.9.2004 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.9.2000 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen und sieht sich ebenfalls außerstande zu erklären, welche Arbeitnehmer tarifgebunden seien. Die Beklagte meint, das unterliege der Geheimhaltungspflicht und sei nur durch eine Einzelbefragung der Arbeitnehmer zu klären.
Der Senat hat – zu 2) – 14) – die Fremdversicherungsträger und – zu 15) – 21) – in der Anlage zum Bescheid vom 14.12.1999 aufgeführte Versicherte beigeladen.
Zur mündlichen Verhandlung am 9.3.2006 ist für die Beigeladenen niemand erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist ihnen ordnungsgemäß zugestellt worden. Insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Mit der Nachricht ist darauf hingewiesen worden, daß auch in Abwesenheit der Beigeladenen und eines Bevollmächtigten der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden könne.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
I.
1.
Obgleich für die Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beigeladenen sind – mit Hinweis auf diese Möglichkeit – ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 9.3.2006 geladen worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 SGG, § 126 SGG; Bundessozialgericht (BSG) in SozR Nr 5 zu § 110 SGG). Es bestand kein Anlaß, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Die Beteiligten haben um Terminsverlegung nicht ersucht und sie hatten hinreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Anordnung des Erscheinens der beigeladenen Gewerkschaft war lediglich erfolgt, um ihr Gelegenheit zu geben, sich gegen den bereits mit Richterbrief vom 7.2.2006 angesprochenen, von der Beklagten konkludent erhobenen Vorwurf weiter zur Wehr zu setzen, die Gewerkschaft habe die Arbeitnehmer der I I-M GmbH im Zusammenwirken mit Arbeitgeberin und Konzernbetriebsrat um Teile des ihnen 1995 tariflich zustehenden Weihnachtsgeldes gebracht und damit den Vertrauensschutz der betroffenen Arbeitnehmer in die Fortgeltung der tariflichen Regelung verletzt. Auf die Anhörung der beigeladenen Gewerkschaft konnte insoweit verzichtet werden, als eine solche Verletzung nicht erkennbar ist und die Beklagte weder zuvor noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nur eine Tatsache angeführt hat, die geeignet wäre, eine solche Verletzung des Vertrauensschutzes zu belegen.
2.
Weil die Beklagte (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) den Abschluß eines Unterwerfungsvergleichs auf der Grundlage einer Entscheidung in Sachen der vom Senat bereits zum Verfahren beigeladenen Arbeitnehmer der ehemaligen I I-M GmbH verweigert hat und weil eine weitergehende Entscheidung des Senats die Beiladung der übrigen Arbeitnehmer, die schon die Beklagte zumindest hätte benachrichtigen müssen, notwendig vorausgesetzt hätte (§ 75 Abs 2, 1. Mögl des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - vgl. BSGE 85,200 = SozR 3-2400 § 28 b Nr 2 mwN), hat der Senat über den zur Endentscheidung reifen Teil des Rechtsstreits, über die Frage der Rechtmäßigkeit der Beitragsnacherhebung von Beiträgen durch die Beklagte in Anbetracht eines weitergehenden und nicht verwirklichten Weihnachtsgeldanspruchs der bereits beigeladenen Versicherten, durch Teilurteil entschieden (§ 202 SGG iVm § 301 Abs 1 S. 1 ZPO).
3.
Die Berufung der Klägerin ist, soweit der Senat bereits darüber entscheiden konnte, begründet. Die insoweit streitige Beitragsnacherhebung war rechtswidrig, denn den beigeladenen Arbeitnehmern stand ein weitergehender Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 1995 nicht zu. Das Urteil des SG vom 10.9.2004 war daher in entsprechendem Umfang zu ändern und die angefochtenen Bescheide waren insoweit aufzuheben.
II.
Der Senat konnte die von der Beklagten nicht geklärte Frage offen lassen, welche der von ihr in den angefochtenen Bescheiden einbezogenen Arbeitnehmer überhaupt gewerkschaftlich organisiert, tarifgebunden waren oder sonst 1995 aus Tarifrecht Rechte hätten geltend machen können, denn jedenfalls den beigeladenen, seinerzeit bei der I I-M GmbH beschäftigten Arbeitnehmern stand das von der Beklagten der Beitragsnacherhebung zugrundegelegte weitere Arbeitsentgelt (§§ 14 Abs 1 SGB IV, 226 Abs 1 S. 1 Nr 1 SGB V, 57 Abs 1 SGB XI, 162 Nr 1 SGB VI, 175 Abs 1 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)) auch dann nicht zu, wenn sie aus dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 Rechte hätten geltend machen können. Es war deshalb hier unerheblich, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundessozialgerichts (BSG) aus tariflich zustehenden, aber nicht zugeflossenen Leistungen durchaus Beiträge zu erheben sind (vgl. Urt. v. 30.10.03 L 16 KR 169/02 LSG NW = BSG 14.7.04 B 12 KR 1/04 R = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2).
Richtig ist freilich, daß die in der KBV vereinbarte Umwandlung von 70 vH des Weihnachtsgeldes in Aktien entgegen der Darstellung der Klägerin durchaus einen — wenn auch nicht von den einzelnen Arbeitnehmern selbst erklärten — Teilverzicht auf den tariflichen Anspruch auf Weihnachtsgeld darstellte, sollten doch jedenfalls die tarifgebundenen Arbeitnehmer, die Ende 1995 seit mindestens 6 Monaten ununterbrochen im Konzern beschäftigt waren, eines Teils ihres tariflichen Anspruchs verlustig gehen, der, wie noch zu erörtern, jedenfalls als Anwartschaft im September 1995 schon entstanden war. Zwar handelte es sich bei der Vereinbarung der Umwandlung in Aktien insoweit lediglich um die Vereinbarung, was der Arbeitgeber an Erfüllungs statt (§ 364 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB -) leisten durfte; im wirtschaftlichen Ergebnis bedeutete dies aber ersichtlich eine Einbuße für den Arbeitnehmer. Das mußte jedem mit der Sache Befaßten und auch nur halbwegs mit der wirtschaftlichen Lage der Firma Vertrauten bei einem Aktienkurs von unter 10 DM sofort ins Auge springen, wenn er zur Kenntnis nahm, daß nach der KBV 70 vH des tariflich in toto bar auszuzahlenden Weihnachtsgeldes in Höhe von je 20 DM mit nur einer Aktie abgegolten werden sollte, deren tatsächlicher Wert dem nicht annähernd entsprach und deren spekulativer Wert womöglich noch geringer war. Auch mehr als zehn Jahre später hat sich der Wert der Aktie nicht gesteigert.
Diese zu Lasten der Arbeitnehmer gehende Regelung in der KBV verstieß deshalb auch ersichtlich gegen § 77 Abs 2 S. 1 BetrVG, nach dem Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG bestimmt indes, daß dies - S. 1 - nicht gilt, wenn ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. Dies ist – darin ist dem SG und der beigeladenen Gewerkschaft beizupflichten – im Vorhinein nicht geschehen; es gab zuvor keine Tariföffnungsklausel iS von § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG. Ausgehend davon gelangt das SG indes zu der Fehlinterpretation der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995, man habe mit dieser lediglich klarstellen wollen, daß auch eine solche Aktienumwandlung einen ansonsten in Geld bestehenden tarifvertraglichen Anspruch erfüllen könne, als er ihm wertmäßig entspreche – so wie das die beigeladene Gewerkschaft zu Recht zu § 4 des Tarifvertrags vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 referiert hatte. Von letzterer Einschränkung ist aber weder in der KBV vom 22. noch in der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 die Rede; das widerspricht dem uneingeschränkten Erklärungsinhalt dieser Erklärungen, und das SG übersieht insoweit die hier gegebene Möglichkeit einer rückwirkenden Genehmigung der Tariföffnung durch eben die Tarifertragsparteien, die den Tarifvertrag geschlossen haben, in den mit der Betriebsvereinbarung eingegriffen werden soll. Darauf und auf die Zulässigkeit einer solchen rückwirkenden Tariföffnung hat das Gericht die Beteiligten bereits mit Schreiben vom 7.2.2006 unter Beifügung eines Doppels des im Anschluß an das vom SG angeführte LAG-Urteil ergangenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.4.1999 (1 AZR 631/98 = BAGE 91,244) hingewiesen, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und insbesondere die Beklagte aufgefordert, darzulegen, ob und ggf. aus welchen Gründen ihrer Auffassung nach hier die Vereinbarung einer rückwirkenden Tariföffnung nach dem Maßstab der Entscheidung des BAG am schutzwürdigen Vertrauen der Arbeitnehmer hat scheitern können oder müssen. Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung vom 28.2.2006 - und so auch vor dem Senat - an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und behauptet, eine rückwirkende Tariföffnung habe gegen Vertrauensschutzrechte der Arbeitnehmer verletzt; die Beklagte hat aber nicht eine einzige Tatsache vorgetragen, die diese Behauptung aus der Sicht der o.a. Rechtsprechung des BAG stützen könnte.
III.
War eine rückwirkende Öffnung des Tarifvertrages möglich, so konnte es nach den vorliegenden Umständen Zweck der wenige Tage nach der KBV vom 22.9. am 27.9.1995 abgegebenen schlichten Ein-Satz-Erklärung der Tarifvertragsparteien (des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 ) unterhalb der KBV vom 22.9.1995 (hier vorliegend als Seite 5 der KBV Bl 1-4) "Die in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen gelten als betriebliche Leistungen im Sinne des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens und erfüllen den tariflichen Anspruch." allein sein, die Rechtswidrigkeit der Einschränkung der tariflichen Weihnachtsgeldansprüche durch die KBV nach § 77 Abs 2 S. 1 BetrVG im Wege einer rückwirkenden Tariföffnung nach § 77 Abs 2 S. 2 BetrVG zu beseitigen oder jedenfalls der Annahme einer Rechtswidrigkeit vorbeugend zu begegnen. Eben dies hat denn auch – wenn auch ohne rechtlichen Überbau, mit anderen Worten und nach der Abgabe gewundener Erklärungen - letztlich auch die Beigeladene zu 1) als für die Arbeitnehmer beteiligte Tarifpartei schon in erster Instanz erklärt. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien Möglichkeit und Notwendigkeit nicht erkannt haben sollten, so haben sie mit ihrer Erklärung vom 27.9. 1995 ausdrücklich die "in der vorgenannten Vereinbarung vereinbarten Leistungen" sanktionieren und – uneingeschränkt - als Erfüllung des tariflichen Anspruchs anerkennen wollen. Was allein in der KBV und in der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien gleichermaßen nicht ausdrücklich erklärt worden ist und auch im Vortrag der beigeladenen Gewerkschaft zu vermissen ist, ist das klare Eingeständnis, daß solcherart Aktienumwandlung eine nicht unwesentliche Verringerung des tariflichen Anspruchs beinhaltete und nicht lediglich eine "andere Art der Erfüllung" eines der Höhe nach unverändert bestehenden Anspruchs erlaubte. Eben dies lag aber aufgrund des objektiven Erklärungsinhalts des Tarifvertrages vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994, aufgrund der KBV vom 22.9.1995, aufgrund beider abweichender Leistungsinhalte und aufgrund des Inhalts der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 für alle Beteiligten klar zu Tage, und darüber hat, wie noch zu erörtern, wohl selbst die Personalabteilung die Belegschaft mit der schönfärberischen Wendung in der Informationsschrift vom 29.9.1995 nicht hinwegtäuschen können, "alle Mitarbeiter würden damit am Unter-nehmen beteiligt".
IV.
Mit dem BAG im o.a. Urteil vom 20.4.1999 hält der erkennende Senat dafür, daß die ausdrückliche Zulassung von Tariföffnungsklauseln in § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG deutlich macht, daß es den Tarifvertragsparteien gerade vorbehalten bleibt, ob sie abweichende Betriebsvereinbarungen zulassen wollen oder nicht, daß dieser Schutzzweck auch dann gewahrt ist, wenn sie nachträglich über die Billigung einer tarifvorbehaltswidrigen Betriebsvereinbarung durch entsprechende Öffnungsklausel entscheiden, und daß die rückwirkende Genehmigung ihre Grenze in den Grundsätzen des Vertrauensschutzes findet, wobei der Rückwirkung von Tarifverträgen die gleichen Grenzen gesetzt sind wie der Rückwirkung von Gesetzen.
Diese Grenze ist im vorliegenden Fall nicht überschritten. Die nachträgliche Genehmigung der betrieblichen Regelung hat hier nicht dazu geführt, daß bereits entstandene Vergütungsansprüche, die sich aus dem Tarifvertrag vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994 ergeben hätten, iS einer echten Rückwirkung mit der KBV und/oder der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 entfallen wären, denn der tarifliche Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 1995 entstand erst Ende des Jahres zum durch Betriebsvereinbarung vereinbarten späteren Auszahlungszeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer am Auszahlungstag in einem Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis stand und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 6 Monate angehört hatte (§ 2 und 3 des Tarifvertrages vom 30.10.1976 idF vom 15.3.1994). Die Arbeitnehmer der Firma hatten also, wie bereits erwähnt, im September 1995 allenfalls eine Anwartschaft auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1995, die unter den aufgezeigten Bedingungen Ende des Jahres zum Vollrecht erstarken konnte. Es handelte sich mithin bei der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 27.9.1995 um eine unechte Rückwirkung, eine Einwirkung nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft, die bei Gesetzen grundsätzlich für zulässig erachtet wird und ihre Schranken nur im rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit findet, wobei Rechtssicherheit für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in BVerfGE 68,287,306), was eine Abwägung erfordert, ob der Einzelne auf den Fortbestand der gesetzlichen Regelung billigerweise nicht hat vertrauen dürfen (vgl. BSGE 35,78). Selbst im Falle einer echten Rückwirkung geht man davon aus (so BSG Urt.v. 1.9.05 B 3 KR 34/04 R = bislang Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 05,693), daß das Rückwirkungsverbot durchbrochen werden kann, wenn Gründe des gemeinen Wohls es gebieten und ein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen nicht entgegen steht (BVerfGE 72, 200, 258; 97, 67, 79 f; 101, 239, 263 f), wobei das Rückwirkungsverbot dort keine Berechtigung hat, wo der Betroffene schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen ist, nicht mit dem Fortbestand der für ihn günstigeren Regelung rechnen durfte (BVerfGE 37, 363, 397 f; 45, 142, 173 f; 88, 384, 404), und dies insbesondere dann, wenn durch die Rückwirkung nur ein unerheblicher Nachteil eintritt (BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258 f; 95, 64, 86 f). In diesem Sinn scheint das BAG im o.a. Urteil vom 20.4.1999 selbst im Fall einer echten Rückwirkung davon auszugehen, daß der Schutz des Vertrauens in den Fortbestand einer tariflichen Regelung etwa (schon) dann entfällt, wenn die Tarifvertragsparteien eine "gemeinsame Erklärung" über den Inhalt der Tarifänderung und den beabsichtigten Zeitpunkt ihres Inkrafttretens vor Abschluß des Tarifvertrages abgeben und diese den betroffenen Kreisen bekannt machen, bzw. (so der Leitsatz 3.) wenn die zuständige Gewerkschaft ihre Mitglieder darüber informiert, daß sie eine ungünstigere Betriebsvereinbarung genehmigt hat.
Nach diesen Grundsätzen ist der Schutz des Vertrauens der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall jedenfalls mit ihrer Information durch die Schrift "Der rote Punkt" vom 29.9.1995 selbst dann entfallen, wenn man den Maßstab der Anforderungen an die Zulässigkeit einer echten Rückwirkung anlegt.
V.
Zum Einwand des Senates vom 7.2.2006, daß die gerichtskundig desolate wirtschaftliche Situation der Tochterfirmen der KHD den Arbeitnehmern kaum verborgen geblieben und Konzernleitung, Gesamtbetriebsrat sowie Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerverband hinreichend Anlaß gegeben haben möge, um Schlimmerem vorzubeugen, das tariflich vorgesehene Weihnachtsgeld durch Teilumwandlung in Aktien zu kürzen, hat die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 28.2.2006 nur vortragen können, "daß diesseitig keine Erkenntnisse darüber beständen, ob und inwiefern es dem Unternehmen im Jahre 1995 tatsächlich nicht gut gegangen sei". Die Beklagte hätte sich, bevor sie sich anheischig macht, in die Rechte anderer einzugreifen, wie der Senat dann im Berufungsverfahren um einen ersten Überblick über die wirtschaftliche Situation der KHD im Jahre 1995 im Wege einer Internet-Recherche bemühen können (etwa "alltheweb.com Stichwort "KHD 1995"). Sie hätte dann bestätigt gefunden, was die Klägerseite vor dem Senat glaubhaft und überzeugend bekundet hat und weitgehend ohnehin allgemeinkundig ist. Der u.a. für die Klägerin erschienene Herr Assessor X hat erklärt: er sei 1995 Mitarbeiter der Personalabteilung bzw. der Rechtsabteilung gewesen; im Jahre 1995 sei die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes sehr, sehr schlecht gewesen; im Jahre 1996 habe sich dann noch bei weiteren Ermittlungen herausgestellt, daß bei der W AG, einem Tochterunternehmen der KHD, umfangreiche Verluste infolge Bilanzmanipulationen eingetreten gewesen seien; damit habe sich die Prognose aus dem Jahre 1995 in erheblichem Umfang bestätigt; in der Betriebsveröffentlichung "Der rote Punkt", der im Gemeinschaftsbetrieb K umfassend am Betriebseingang/- ausgang ausgelegt worden sei und der von der Personalabteilung herausgegeben werde, sei über die Vereinbarung vom 27.9.1995 ausreichend informiert worden; jeder Arbeitnehmer habe die Möglichkeit gehabt, sich über die Angelegenheit zu informieren; bevor die KBV im Herbst 1995 veröffentlich worden sei, sei in der Belegschaft schon klar gewesen, daß über die Gestaltung des Weihnachtsgeldes habe gesprochen werden müssen; über die Vertrauensleute und über die Gewerkschaften, die naturgemäß schon im Vorfeld beteiligt gewesen seien, seien solche Informationen an die Belegschaften, auch der Tochterunternehmen, weitergegeben worden; er selber habe mitbekommen, daß die Weihnachtsgeldangelegenheit über einen längeren Zeitpunkt auf allen Ebenen ein Gespräch in der Belegschaft gewesen sei; es sei keine überraschende Entwicklung für die Belegschaft gewesen, als am 27.9.1995 die Tarifvertragsparteien die Vereinbarung vom 22.9.1995 bestätigt hätten; es habe keinen einzigen Prozeß eines Arbeitnehmers in der Folgezeit gegeben, der ein höheres Weihnachtsgeld eingeklagt hätte; das könne er verbindlich sagen, weil er selbst der Verantwortliche für derartige Prozesse in jener Zeit gewesen sei; es sei ihm auch nicht bekannt geworden, daß sich einzelne Arbeitnehmer an die Betriebs-leitung gewandt hätten und das Verhalten der Tarifvertragsparteien, insbesondere des Betriebes, gerügt hätten.
Für den Senat bestanden danach keine Zweifel, daß die wirtschaftliche Situation der KHD im Jahre 1995 drastische Schritte erforderlich gemacht hat, und daß Arbeitnehmer, Betriebsrat und Gewerkschaft seinerzeit mit Schlimmerem bis hin zum Verlust des Arbeitslatzes haben rechnen müssen und gerechnet haben, als sie die rückwirkende Minderung des tariflichen Anspruchs auf Weihnachtsgeld hingenommen bis mitgetragen haben. Da die Beklagte demgegenüber, wie schon betont, nicht eine Tatsache anzuführen vermochte, die es erlauben könnte, diese Sicht in Zweifel zu ziehen, bestand kein Anlaß, diesen Dingen weiter nachzugehen, und es ist auch weder ersichtlich noch von der Beklagten aufgezeigt, wie dies überhaupt sinnvoll hätte geschehen können.
Der Schutz des Vertrauens der Versicherten war danach vor Fälligkeit des Weihnachtsgeldes für das Jahr 1995 jedenfalls mit Verteilung der Schrift "Der rote Punkt" vom und am 29.9.1995 entfallen. In dieser Schrift waren die Arbeitnehmer über die Gründe, die Art des Einschnitts und das Einverständnis auch der Tarifvertragsparteien unterrichtet worden; aus dem Berechnungsbeispiel konnten sie ersehen, daß und in welchem Umfang sich der ihnen tariflich zustehende Weihnachtsgeldanspruch verringern würde. Im übrigen war die Kürzung des Weihnachtsgeldes durch Umwandlung des Anspruchs in Aktien nach den glaubhaften Bekundungen des Herrn X bereits vor Abschluß der KBV vom 22.9.1995 bei der Belegschaft "im Gespräch", ihr Eintritt auch für die Arbeitnehmer also durchaus keine Überraschung und - gemessen etwa am möglichen Verlust des Arbeitsplatzes - ein unerheblicher Nachteil im Sinne der o.a. Rechtsprechung.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Rechtskraft
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