Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 15/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 166/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Befugnis der Beklagten, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe teilweise aufzuheben und gezahlte Beträge in Höhe von 3.773,36 EUR zurückzufordern.
Der Kläger ist gelernter Sanitär-Installateur und hat mittlerweile einen von der Beklagten geförderten Meisterlehrgang absolviert. Bis zum 21.12.2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.000,00 DM. Ab dem 22.12.2001 hatte der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit Bescheid vom 11.01.2002 rechnete die Beklagte die Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 31.12.2001 auf der Grundlage eines ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 912,75 DM (gerundet 910.-DM) ab.
In der Verfügung für die laufende Bewilligung der Arbeitslosenhilfe übernahm die Beklagte den Betrag "912,75" in EUR. Die Arbeitslosenhilfe wurde daher ab dem 01.01.2002 nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 912,75 EUR (gerundet jetzt 915.- EUR) weitergezahlt (Bescheid vom 13.01.2002).
Da der Kläger ab dem 22.07.2002 an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teilnahm, bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe bis zum 21.07.2002.
Nachdem der Beklagten aufgefallen war, dass das Bemessungsentgelt zu hoch festgesetzt war, hob sie mit Bescheid vom 21.11.2002 die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 21.07.2002 in Höhe von 3.773,36 EUR auf und forderte diesen Betrag zurück.
Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass er nicht habe erkennen können, dass die Leistung zu Unrecht zu hoch gezahlt wurde. Ihm sei anlässlich eines Beratungsgesprächs am 21.12.2001, bei dem es um die Neufestsetzung des Bemessungsentgeltes wegen gesundheitlicher Einschränkungen ging, mitgeteilt worden, er habe eventuell in Zukunft sogar höhere Leistungen zu beanspruchen.
Mit Bescheid vom 29.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, da auch ein rechtsunkundiger Bürger erkennen müsse, dass Arbeitslosenhilfe nicht höher sein könne als das zuletzt gezahlte Arbeitslosengeld. Wenn eine derartige Unstimmigkeit zum Zeitpunkt der Währungsumstellung auftrete, sei es naheliegend, dass ein Fehler unterlaufen ist. Da es keinerlei entsprechende gesetzliche Grundlage gäbe sei es ausgeschlossen, dass dem Kläger im Beratungsgespräch am 21.12.2001 mitgeteilt worden sei, er habe höhere Leistungen zu erwarten.
Hiergegen richtet sich die am 18.02.2003 erhobene Klage. Der Kläger meint weiterhin, er habe nicht erkennen können, dass die Leistung zu hoch erfolgt sei.
Er beantragt,
den Bescheid vom 21.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist §§ 45 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Betroffene keinen Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X genießt.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Einsichtsfähigkeit des Betroffenen an (BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R).
Dieser Fahrlässigkeitsvorwurf trifft den Kläger:
Der Kläger bezog zuletzt bis zum 20.12.2001 Arbeitslosengeld in Höhe von 497,49 DM/Woche. Die von der Beklagten ab 01.01.2002 fehlerhaft bewilligte Arbeitslosenhilfe betrug 332,57 EUR/Woche. Dies entspricht einem Betrag von 650,45 DM. Die Arbeitslosenhilfe war damit mehr als 150,00 DM höher als das zuletzt gezahlte Arbeitslosengeld. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass ihm grundsätzlich bekannt ist, dass Arbeitslosenhilfe niedriger ist als Arbeitslosengeld. Schon deshalb hätte ihm auffallen müssen, dass die Entscheidung der Beklagten nicht zutreffend sein kann. Dies gilt umso mehr, als zum 01.01.2002 die deutsche Währung von DM auf EUR umgestellt wurde und allgemein bekannt war, dass ein EUR mehr wert ist als eine DM. Der Kläger hätte damit ohne tiefere Überlegungen feststellen können, dass die Erhöhung der Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Arbeitslosengeld nicht mit einem höheren Leistungsanspruch sondern mit einem Fehler bei der Währungsumstellung zusammenhängt.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er den Bewilligungsbescheid nicht richtig gelesen habe. Eine Pflicht, Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. In verschiedenen Zusammenhängen hat das BSG aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet, dass die Beteiligten sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren haben (BSG, Urteil vom 08.02.2001 a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit Bescheid vom 11.01.2002 eine zutreffende Abrechnung des restlichen Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 31.12.2001 erhalten hat. Jedenfalls hierdurch hätte ihm ohne weiteres auffallen können, dass das Bemessungsentgelt ab dem 01.01.2002 ohne erkennbaren Grund erhöht wurde.
Sofern der Kläger sich darauf beruft, ihm sei am 21.12.2001 mitgeteilt worden, das Bemessungsentgelt könne sich aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der Tatsache, dass er nicht mehr als Sanitär-Installateur arbeiten kann, erhöhen, so hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung. Diese Rechtsauskunft wäre derartig abwegig, dass das Gericht ohne weitere Ermittlungen unterstellt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten sich in diesem Sinne nicht geäußert hat. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden, dass die Behauptung, ihm sei gesagt worden, die Leistungen könnten sich erhöhen, auf einem Missverständnis seinerseits beruhen könne. Ein Missverständnis auf Seiten des Begünstigten ist jedoch kein rechtlich anzuerkennender Grund, überzahlte Leistungen behalten zu dürfen.
Der Kläger hat eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und einen Meisterkurs absolviert, so dass Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Urteils- und Einsichtsfähigkeit nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Befugnis der Beklagten, die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe teilweise aufzuheben und gezahlte Beträge in Höhe von 3.773,36 EUR zurückzufordern.
Der Kläger ist gelernter Sanitär-Installateur und hat mittlerweile einen von der Beklagten geförderten Meisterlehrgang absolviert. Bis zum 21.12.2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.000,00 DM. Ab dem 22.12.2001 hatte der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit Bescheid vom 11.01.2002 rechnete die Beklagte die Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 31.12.2001 auf der Grundlage eines ungerundeten wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 912,75 DM (gerundet 910.-DM) ab.
In der Verfügung für die laufende Bewilligung der Arbeitslosenhilfe übernahm die Beklagte den Betrag "912,75" in EUR. Die Arbeitslosenhilfe wurde daher ab dem 01.01.2002 nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 912,75 EUR (gerundet jetzt 915.- EUR) weitergezahlt (Bescheid vom 13.01.2002).
Da der Kläger ab dem 22.07.2002 an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teilnahm, bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe bis zum 21.07.2002.
Nachdem der Beklagten aufgefallen war, dass das Bemessungsentgelt zu hoch festgesetzt war, hob sie mit Bescheid vom 21.11.2002 die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 21.07.2002 in Höhe von 3.773,36 EUR auf und forderte diesen Betrag zurück.
Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass er nicht habe erkennen können, dass die Leistung zu Unrecht zu hoch gezahlt wurde. Ihm sei anlässlich eines Beratungsgesprächs am 21.12.2001, bei dem es um die Neufestsetzung des Bemessungsentgeltes wegen gesundheitlicher Einschränkungen ging, mitgeteilt worden, er habe eventuell in Zukunft sogar höhere Leistungen zu beanspruchen.
Mit Bescheid vom 29.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, da auch ein rechtsunkundiger Bürger erkennen müsse, dass Arbeitslosenhilfe nicht höher sein könne als das zuletzt gezahlte Arbeitslosengeld. Wenn eine derartige Unstimmigkeit zum Zeitpunkt der Währungsumstellung auftrete, sei es naheliegend, dass ein Fehler unterlaufen ist. Da es keinerlei entsprechende gesetzliche Grundlage gäbe sei es ausgeschlossen, dass dem Kläger im Beratungsgespräch am 21.12.2001 mitgeteilt worden sei, er habe höhere Leistungen zu erwarten.
Hiergegen richtet sich die am 18.02.2003 erhobene Klage. Der Kläger meint weiterhin, er habe nicht erkennen können, dass die Leistung zu hoch erfolgt sei.
Er beantragt,
den Bescheid vom 21.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist §§ 45 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III. Hiernach ist ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Betroffene keinen Vertrauensschutz im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X genießt.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei kommt es auf die persönliche Urteils- und Einsichtsfähigkeit des Betroffenen an (BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R).
Dieser Fahrlässigkeitsvorwurf trifft den Kläger:
Der Kläger bezog zuletzt bis zum 20.12.2001 Arbeitslosengeld in Höhe von 497,49 DM/Woche. Die von der Beklagten ab 01.01.2002 fehlerhaft bewilligte Arbeitslosenhilfe betrug 332,57 EUR/Woche. Dies entspricht einem Betrag von 650,45 DM. Die Arbeitslosenhilfe war damit mehr als 150,00 DM höher als das zuletzt gezahlte Arbeitslosengeld. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass ihm grundsätzlich bekannt ist, dass Arbeitslosenhilfe niedriger ist als Arbeitslosengeld. Schon deshalb hätte ihm auffallen müssen, dass die Entscheidung der Beklagten nicht zutreffend sein kann. Dies gilt umso mehr, als zum 01.01.2002 die deutsche Währung von DM auf EUR umgestellt wurde und allgemein bekannt war, dass ein EUR mehr wert ist als eine DM. Der Kläger hätte damit ohne tiefere Überlegungen feststellen können, dass die Erhöhung der Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Arbeitslosengeld nicht mit einem höheren Leistungsanspruch sondern mit einem Fehler bei der Währungsumstellung zusammenhängt.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er den Bewilligungsbescheid nicht richtig gelesen habe. Eine Pflicht, Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. In verschiedenen Zusammenhängen hat das BSG aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet, dass die Beteiligten sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren haben (BSG, Urteil vom 08.02.2001 a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit Bescheid vom 11.01.2002 eine zutreffende Abrechnung des restlichen Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 21.12.2001 bis zum 31.12.2001 erhalten hat. Jedenfalls hierdurch hätte ihm ohne weiteres auffallen können, dass das Bemessungsentgelt ab dem 01.01.2002 ohne erkennbaren Grund erhöht wurde.
Sofern der Kläger sich darauf beruft, ihm sei am 21.12.2001 mitgeteilt worden, das Bemessungsentgelt könne sich aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der Tatsache, dass er nicht mehr als Sanitär-Installateur arbeiten kann, erhöhen, so hält das Gericht dies für eine Schutzbehauptung. Diese Rechtsauskunft wäre derartig abwegig, dass das Gericht ohne weitere Ermittlungen unterstellt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten sich in diesem Sinne nicht geäußert hat. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden, dass die Behauptung, ihm sei gesagt worden, die Leistungen könnten sich erhöhen, auf einem Missverständnis seinerseits beruhen könne. Ein Missverständnis auf Seiten des Begünstigten ist jedoch kein rechtlich anzuerkennender Grund, überzahlte Leistungen behalten zu dürfen.
Der Kläger hat eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und einen Meisterkurs absolviert, so dass Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Urteils- und Einsichtsfähigkeit nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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