Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 96/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 74/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 250/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom
14. November 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beitragsnachforderungsbescheide der Beklagten für die Beitragsjahre 1995 bis 1998 rechtmäßig sind.
Die Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, betrieb seinerzeit in Düsseldorf ein Ingenieurbüro und verlieh Ingenieure im Wege der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ab dem 01. Januar 1995 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. September 1995 zu den Gefahrtarifstellen 23 und 24 des Gefahrtarifs 1995 (GT 1995). Die Gefahrtarifstelle 23 mit der Gefahrklasse 1,6 erfasst Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten. Die übrigen Arbeitnehmer sind der Gefahrtarifstelle 24 zugeordnet, und zwar gestaffelt nach den Gefahrklassen 12,8 für das Kalenderjahr 1995, 15,8 für das Kalenderjahr 1996 und 18,8 für das Kalenderjahr 1997. Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 23. Mit Bescheiden vom 26. April und 02. Mai 1996 für das Beitragsjahr 1995, vom 26. August, 08. und 09. Oktober 1997 für das Beitragsjahr 1996 und vom 27. April 1998 für das Beitragsjahr 1997 berechnete die Beklagte die Beiträge nach der Gefahrklasse 1,6.
Ab dem 01. Januar 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. März 1998 zu den entsprechenden Gefahrtarifstellen 48 (Gefahrklasse 0,57) und 49 (Gefahrklasse 10,66) des Gefahrtarifs 1998 (GT 1998). Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 48. Mit Bescheiden vom 22./27. April 1999 berechnete die Beklagte die Beiträge für das Umlagejahr 1998 nach der Gefahrklasse 0,57.
Im Februar 1999 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung durch und vertrat die Auffassung, die Arbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure seien den Gefahrtarifstellen 24 und 49 zuzuordnen. Im Prüfbericht vom 26. Februar 1999 kündigte sie eine entsprechende Korrektur der Beitragsbescheide an und gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu binnen zwei Wochen zu äußern.
Mit Bescheiden vom 07. Juni 1999 änderte die Beklagte die Beitragsbescheide vom 02. Mai 1996, 09. Oktober 1997 sowie vom 27. April 1998 und berechnete die Beiträge anhand der Gefahrtarifstellen 24 und 49 neu.
Gegen die Veranlagungsbescheide erhob die Klägerin am 11. Juni 1999 Widerspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Beitragsänderungsbescheiden vom 07. Juni 1999 widersprach sie am 22. Juni 1999 und beantragte gleichzeitig, ihr die nachberechneten Beiträge zu stunden. Zur Begründung gab sie an, die verliehenen Ingenieure verrichteten an ihren jeweiligen Einsatzorten ausschließlich planerische Konstruktionsarbeiten im Büro und seien daher "eher dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen". Sie müssten genauso behandelt werden, wie die Ingenieure, die im Stammhaus tätig seien. Denn für ihre Mitarbeiter im Ingenieurbüro (Gefahrtarifstelle 10 bzw. 4) betrage die Gefahrklasse 2,2 (ab 1995) bzw. 0,67 (ab 1998).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Beitragsbescheide vom 07. Juni 1999 für die Umlagejahre 1995 bis 1998 zurück und führte zur Begründung aus, die Veranlagungsbescheide seien bindend geworden. Nach den Gefahrtarifen komme es keinesfalls auf die Tätigkeit, die der Beschäftigte ausübe, sondern allein auf die Art und den Gegenstand des Unternehmens an.
Dagegen hat die Klägerin am 02. Mai 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und vorgetragen, dass ihre Ingenieure in den Leiharbeitsunternehmen ausschließlich kaufmännisch und verwaltend tätig seien. Sie erledigten an Büroarbeitsplätzen Korrespondenz, betreuten Waren- sowie Stücklisten und erstellten am Computer Pläne und Abläufe. Außendiensttätigkeiten auf Baustellen, an Projektorten oder in Fabrikationsanlagen kämen nicht vor. Es sei deshalb inakzeptabel, sie mit gewerblichen Arbeitnehmern gleichzustellen. Der Berufsgruppenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit, an dem sich die Beklagte orientiere, erfülle keinesfalls die Anforderungen der Beitragsgerechtigkeit und sei deshalb für die Zuordnung der Arbeitsentgelte zu den Gefahrtarifstellen unverbindlich. Jedenfalls habe sie - die Klägerin - die Bruttoarbeitsentgelte ihrer entliehenen Ingenieure gutgläubig zu den Gefahrtarifstellen 23 und 48 gemeldet. Schon deshalb dürften die Gefahrklassen nicht zu ihren Ungunsten geändert werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Beitragsnachforderung ihre wirtschaftliche Weiterexistenz in Frage stelle.
Die Beklagte hat entgegnet, kaufmännisch und verwaltend sei nur tätig, wer in den Bereichen Handel und Vertrieb (im Sinne des Handelsgesetzbuches), der allgemeinen Sachbearbeitung, Büroorganisation sowie der Büro- und Ablaufplanung überwiegend geistige Arbeit verrichte. Alle anderen Mitarbeiter gehörten in die Gefahrtarifstelle für gewerbsmäßige Arbeiten, wobei die Begriffe "kaufmännisch und verwaltend" eng gefasst seien. Folglich könnten weder Ingenieure noch technische Zeichner oder Architekten dem kaufmännisch-verwaltenden Personenkreis zugerechnet werden, weil sie technisch geprägte Aufgaben erledigten.
Mit Urteil vom 14. November 2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die entliehenen Ingenieure seien weder in kaufmännischen oder verwaltenden Unternehmensteilen der Ver- und Entleiher eingesetzt gewesen noch hätten sie ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichtet. Es sei schwer vorstellbar, dass Ingenieure ihre Aufgaben allein vom Schreibtisch mit Hilfe eines PC erledigen könnten. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, so bestehe kein Zweifel daran, dass sie keine kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeiten im üblichen Sinne ausgeführt hätten. Folglich sei die Lohnmeldung der Klägerin objektiv unrichtig gewesen. Deshalb sei die Beklagte befugt, die Nachentrichtung der vorenthaltenen Beiträge zu verlangen. Ob die Falschmeldung schuldhaft erfolgte, sei dabei belanglos.
Nach Zustellung am 14. Februar 2003 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 13. März 2003 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass der Begriff "kaufmännisch-verwaltend" seinem Wortlaut nach jede Tätigkeit erfasse, die sich im Bürobereich abspiele. Betrachte man den Normzweck, so solle die Unterscheidung zwischen "kaufmännisch-verwaltend" und "sonstigen Tätigkeiten" die typischen Unfallrisiken in diesen Bereichen voneinander abgrenzen. Dies gelinge aber nur, wenn man den Begriff "verwaltend" im Sinne von "Schreibtischarbeit" verstehe, weil zwischen Ingenieuren und sonstigen Sachbearbeitern, die ausschließlich am PC arbeiteten, kein risikospezifischer Unterschied bestehe. Hinzu komme, dass die entsandten Ingenieure Stücklisten, Arbeitspläne und Ausführungsbeschreibungen fertigten und damit "verwaltende Tätigkeit im engeren Sinn" verrichteten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf 14. November 2002 zu ändern und die Bescheide vom 07. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28. März 2000 aufzuheben.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten (Kundennummer: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beitragsnacherhebungsbescheide der Beklagten vom 07. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28. März 2000 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) formell und materiell rechtmäßig sind und die Klägerin deshalb nicht beschweren (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Beklagte war befugt, die ursprünglichen Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 1995 bis 1998 mit den angefochtenen Bescheiden nachträglich zu ändern. Rechtsgrundlage der Beitragsnacherhebungsbescheide für die Beitragsjahre 1995 bis 1996 sind gem. § 219 Abs. 1 Satz 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), während für die nachfolgende Zeit die Bestimmungen des SGB VII gelten (§ 219 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; vgl. auch Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997, Az: L 3 U 223/97, HVBG-Info 1997, 2985; LSG Berlin, Urteil vom 30. April 2002, Az: L 2 U 55/00, HVBG-Info 2003, 421; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Juni 2002, Az: L 8 U 120/01, HVBG-Info 2003, 794). Nach § 749 Nr. 3 RVO und § 168 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII darf der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten des Beitragspflichtigen nur dann "anders festgestellt" bzw. "aufgehoben" werden, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthält. Die Klägerin hat die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zu den Gefahrtarifstellen 23 und 48 gemeldet. Das war unrichtig. Denn diese Gefahrtarifstellen erfassen nur Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt werden und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten. Dies ergibt sich, wenn man die Begriffe "kaufmännisch" und "verwaltend" nach ihrem Wortsinn, ihrer systematischen Stellung sowie nach Sinn und Zweck (sog. teleologische Interpretation) auslegt. Die historische Interpretation führt nicht weiter, weil zur Entstehungsgeschichte der Gefahrtarife 1995 und 1998 keine Materialien vorhanden sind.
Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt "kaufmännisch", wer als Kaufmann Waren anschafft und weiterveräußert, also Umsatzgeschäfte tätigt (vgl. Brox, Handelsrecht und Wertpapierrecht, 10. Aufl. 1993, Rn. 1). Zur kaufmännischen Tätigkeit gehört es, Produkte, Waren und Dienstleistungen zu bewerben (Marketing) und zu präsentieren, den (potentiellen) Kunden über Art, Qualität, Eigenschaften, Nutzen, Funktion sowie An- und Verwendung der Ware und deren Pflege zu beraten, um "seine" Produkte schließlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) zu veräußern. In diesem Zusammenhang hat er Preise zu kalkulieren, Kosten zu berechnen, Angebote zu bearbeiten, Statistiken aufzustellen, sowie zu kassieren, abzurechnen und zu bilanzieren. Um Waren zu beschaffen, muss er Geschäftsbeziehungen zu Herstellern und Großhändlern pflegen, Beschaffungs- und Absatzmärkte beobachten, planen, disponieren, die Waren ordnungsgemäß lagern, Sortimente zusammenstellen und den Warenein- und -ausgang überwachen. Kaufmännische Tätigkeiten spielen sich deshalb nicht nur im Bürobereich ab, wie die Klägerin meint.
Das Wort "verwalten" leitet sich aus dem mittelhochdeutschen "walten" ab, was sich mit "herrschend leiten", "lenken", "führen" umschreiben lässt. Die Vorsilbe "ver" bedeutet soviel wie "vorwärts (bis zur Vollendung) treiben" und drückt gleichzeitig aus, dass etwas "mittelbar", d.h. im Auftrag eines anderen geschieht. "Verwalten" heißt also: etwas beeinflussen, ausführen, durchführen, verrichten, besorgen. Als Verwalter wird somit tätig, wer fremde Angelegenheiten zweckgerichtet, planmäßig und fremdnützig über einen längeren Zeitraum hinweg besorgt (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, § 2 Rn. 8f.). Da der Verwalter an einen Verwaltungszweck gebunden ist, den ein anderer bestimmt, ist er diesem gegenüber verantwortlich. Verwaltende Tätigkeiten fallen insbesondere im Personalwesen, in der Revision und Buchhaltung sowie in Büros und Sekretariaten beim Erledigen von Schriftverkehr. Hierzu zählt vor allem das Anfertigen von Schriftsätzen, Berichten, Protokollen, Aufstellungen, Statistiken, Auswertungen u. ä. Zu Überschneidungen mit kaufmännischen Tätigkeiten kommt es insbesondere bei der Entgeltabrechnung, Kostenrechnung, Auftrags- und Rechnungsbearbeitung, dem Bilanzieren, Beobachten und Analysieren der Wirtschaftsentwicklung sowie beim Einzug und der "Verwaltung" von Geldmitteln. Da ein Verwalter fremde Angelegenheiten nicht nur "im Bürobereich" bzw. "am Schreibtisch" abwickeln kann, darf der Begriff "verwaltend" nicht nur im Sinne von "Schreibtischarbeit" verstanden werden, wie die Klägerin meint. Denn die Beklagte hat die Gefahrtarifstellen 24 und 48 bewusst mit dem Begriffspaar "kaufmännisch-verwaltend" umschrieben und nicht mit den Begriffen Schreibtisch- oder Büroarbeit.
Der Senat verkennt nicht, dass Ingenieure auch kaufmännisch und verwaltend tätig werden (können). Ihre Hauptaufgabe besteht jedoch im Entwickeln von Waren, Produkten, Komponenten, Geräten, Software, Steuerungssystemen u.v.a.m. Sie konzeptionieren, entwerfen und entwickeln neue Komponenten, Geräte, Anlagen, Maschinen und berücksichtigen dabei (selbstverständlich auch) die Wirtschaftlichkeit unter kaufmännischen Gesichtspunkten. Darüber hinaus planen und überwachen sie Produktionsprozesse, Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen und nehmen Aufgaben im Bereich des Personalführung und des Personaleinsatzes wahr. In diesem Bereich sowie bei der Betriebsorganisation und Arbeitsvorbereitung sind sie verwaltend tätig. Insofern erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Ingenieur überwiegend oder sogar ausschließlich "kaufmännisch-verwaltend" arbeitet. Da er aber typischerweise im konstruktiven Bereich eingesetzt wird und hierfür auch ausgebildet ist, legt der Wortlaut nahe, dass Ingenieure nicht "kaufmännisch-verwaltend" arbeiten. Für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gilt dies umso mehr, weil Entleihfirmen für kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten eher einen Kaufmann bzw. Verwaltungsspezialisten entleihen werden und gerade keinen Ingenieur, der für diese Arbeiten auch gar nicht ausgebildet ist.
Die logisch-systematische Interpretation berücksichtigt den Bedeutungszusammenhang, in dem ein Begriff verwendet wird, also den gesetzlichen (hier: satzungsmäßigen) Kontext. Es ist davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch innerhalb einer Satzung (hier: der Gefahrtarife) einheitlich ist, d.h. dasselbe Wort dieselbe Bedeutung hat. Betrachtet man die Gefahrtarife, so fällt auf, dass der Satzungsgeber das Wort "Büro" mehrfach verwendet, etwa im Zusammenhang mit dem "Börsenbüro", dem "Architekturbüro", dem "Wettbüro" und dem "Ingenieurbüro". Da er die Unternehmensarten der Gefahrtarifstellen 23 und 48 aber nicht mit "büromäßigen" Arbeiten, sondern mit "kaufmännischen und verwaltenden Tätigkeiten" umschreibt, ist davon auszugehen, dass er damit etwas anderes meint. Deshalb kann der Interpretation der Klägerin, kaufmännisch-verwaltend sei mit dem Begriff "büromäßig" gleichzusetzen und erfasse vor allem "Schreibtischtätigkeiten", nicht gefolgt werden.
Jede Rechtsnorm hat einen (Sinn und) Zweck, der sich aus der zugrunde liegenden Interessenlage und ihrer Bewertung durch den Normgeber ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Normen in der Regel gegenläufige Interessen zum Ausgleich bringen (sollen). Der (Haupt-)Zweck des Gefahrtarifs, seiner Tarifstellen und Klassen besteht (schlicht) darin, der Klägerin die Einnahmen zu verschaffen, die sie benötigt, um ihre Aufgaben als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen (vgl. die Überschrift des Sechsten Kapitels: "Aufbringung der Mittel"). Selbstverständlich sollen die Beiträge möglichst differenziert nach Gefährdungsrisiken erhoben werden (Nebenzweck). Denn große Risiken müssen - schon aus Gründen der Gerechtigkeit und Prävention - mit höheren Beiträgen versichert werden als kleine Risiken. Die Klägerin übersieht jedoch, dass diesem Nebenzweck andere Gesichtspunkte gegenüberstehen, die bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind: Die Beitragserhebung muss praktikabel und effektiv sein; großer personeller und sachlicher Verwaltungsaufwand, der mit Einzelfallentscheidungen immer verbunden ist, muss vermieden werden, um den Hauptzweck (schnelle und effiziente Einnahmen zur Aufgabenbewältigung) durch bürokratischen Mehraufwand nicht zu gefährden. Gerade bei der Beitragserhebung ist Rechtsunsicherheit durch ausgiebige Beurteilungsspielräume und Einzelfallentscheidungen, die Missbräuche geradezu herausfordern, gänzlich unerwünscht. Deshalb muss die Klägerin - gerade unter teleologischen Gesichtspunkten - hinnehmen, dass Ingenieure undifferenziert und pauschal den Gefahrtarifstellen 23 und 48 zugeordnet werden, zumal Wortlaut, systematische und teleologische Interpretation für diese Auslegung sprechen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 29. Oktober 2003, Az: L 17 U 209/00).
Entgegen der Ansicht der Klägerin verstoßen die Beitragsnacherhebungsbescheide auch nicht gegen den Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wonach alle Menschen (und alle inländischen juristischen Personen, Art. 19 Abs. 3 GG) vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind. Das Grundrecht ist nämlich nur verletzt, wenn ein Sachverhalt im Vergleich zu einem anderen Sachverhalt anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st. Rspr., zuletzt BVerfG, Urteil vom 06. März 2002, Az.: 2 BvL 17/99, SozR 3-1100 Art. 3 Nr. 176; BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 22/01 R). Geht es - wie hier - um die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Sachverhalten, ist die Prüfung auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt (Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 20, 26). Die Beklagte behandelt die Ingenieure, die im Stammhaus der Klägerin arbeiteten (Ausgangsgruppe), beitragsmäßig anders als diejenigen Ingenieure, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an andere Unternehmen "verliehen" wurden (Vergleichsgruppe). Denn die Beiträge für die Ingenieure der Ausgangsgruppe berechnete sie nach der Gefahrklasse 2,20 (bzw. ab 1998: 0,67), die Ingenieure der Vergleichsgruppe nach den Gefahrklassen 12,8 (1995), 15,8 (1996) 18,8 (1997) und 10,66 (1998), was zu einer Schlechterstellung der Vergleichsgruppe führt. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie durch einen "hinreichend gewichtigen Grund" (Urteil vom 28. April 1999, Az: 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, 138, 174; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 3 Rn. 14) gerechtfertigt ist. Als Differenzierungsgrund kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht; es genügt, wenn sich "irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen lässt" (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1985, Az.: 2 BvL 4/83, BVerfGE 71, 39, 58 und vom 08. April 1987, Az.: 2 BvR 908/92 u.a., BVerfGE 75, 108, 157). Auf keinen Fall verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Februar 1991, Az.: 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395, 401 und vom 08. Oktober 1991, Az.: 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 359; BSG, Urteile vom 12. Dezember 1985, Az: 2 RU 40/85, SozR 2200 § 731 Nr. 2, vom 21. August 1991, Az: 2 RU 54/90, NZA 1992, 335, 336 und vom 18. Oktober 1994, Az: 2 RU 6/94, SGb 1995, 253, 254ff.; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 3 Rn. 15). Die Beklagte durfte zwischen den Ingenieuren der Ausgangs- und der Vergleichsgruppe differenzieren und für beide verschiedene Beiträge erheben. Denn die Ingenieure der Vergleichsgruppe sind im Unterschied zu den Ingenieuren der Ausgangsgruppe anderen Gefahren ausgesetzt. Sie wechseln den Arbeitsplatz öfter, müssen sich häufiger an eine neue Arbeitsumwelt sowie an neue Wege zu und von der Arbeit gewöhnen. Dies bedeutet nicht, dass die Gefahren - verglichen mit den Ingenieuren im Stammhaus - höher sein müssen. Sie sind aber auf jeden Fall anders. Und schon dies lässt eine Differenzierung zwischen beiden Ingenieurgruppen zu (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, Az.: B 2 U 21/02 R, SozR 4-2700 § 157 Nr. 1).
Ob die Unrichtigkeit der Lohnnachweise auf einem Verschulden der Klägerin beruht, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, ob der Lohnnachweis objektiv unrichtig war (LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1969, 1027; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 169 Rn. 4). Denn es geht nicht um eine Sanktion, sondern um Richtigstellung im Interesse der Beitragsgerechtigkeit für alle Unternehmer, die wegen des Umlagesystems (§ 152 SGB VII) durch zu niedrige Beitragsfestsetzungen doppelt belastet werden: Einerseits zahlen sie höhere Beiträge und andererseits entstehen ihnen gegenüber dem begünstigten Konkurrenten Wettbewerbsnachteile.
Die §§ 749 Nr. 3 RVO, 168 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII räumen der Beklagten einen Ermessensspielraum ein (Senatsurteil vom 26. April 1989, Az.: L 17 U 229/87, Breithaupt 1990, 39, 42; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Februar 2004, Az.: L 2 ER 59/03 U, NZS 2004, 602, 603; Achterrath, Die Aufhebung von Beitragsbescheiden und Veranlagungsbescheiden zu den Gefahrklassen in der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung, 1996, 107ff.; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, § 168 Rn. 11; a.A.: LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997, Az.: L 3 U 223/97, Breithaupt 1997, 939, 942f.). Einen Ermessensfehler hat der Senat nicht festgestellt.
Schließlich waren die Beitragsnachforderungen auch noch nicht verjährt, als die Beklagte die angefochtenen Bescheide erließ (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB IV]).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in seiner bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes; vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 05. Mai 2003, Az: B 13 SF 5/02 S, SozR 4-1500 § 183 Nr. 1; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Aufl. 2005, Vor § 183 Rn. 12).
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
14. November 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beitragsnachforderungsbescheide der Beklagten für die Beitragsjahre 1995 bis 1998 rechtmäßig sind.
Die Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, betrieb seinerzeit in Düsseldorf ein Ingenieurbüro und verlieh Ingenieure im Wege der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Ab dem 01. Januar 1995 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. September 1995 zu den Gefahrtarifstellen 23 und 24 des Gefahrtarifs 1995 (GT 1995). Die Gefahrtarifstelle 23 mit der Gefahrklasse 1,6 erfasst Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten. Die übrigen Arbeitnehmer sind der Gefahrtarifstelle 24 zugeordnet, und zwar gestaffelt nach den Gefahrklassen 12,8 für das Kalenderjahr 1995, 15,8 für das Kalenderjahr 1996 und 18,8 für das Kalenderjahr 1997. Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 23. Mit Bescheiden vom 26. April und 02. Mai 1996 für das Beitragsjahr 1995, vom 26. August, 08. und 09. Oktober 1997 für das Beitragsjahr 1996 und vom 27. April 1998 für das Beitragsjahr 1997 berechnete die Beklagte die Beiträge nach der Gefahrklasse 1,6.
Ab dem 01. Januar 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 31. März 1998 zu den entsprechenden Gefahrtarifstellen 48 (Gefahrklasse 0,57) und 49 (Gefahrklasse 10,66) des Gefahrtarifs 1998 (GT 1998). Die Klägerin meldete die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zur Gefahrtarifstelle 48. Mit Bescheiden vom 22./27. April 1999 berechnete die Beklagte die Beiträge für das Umlagejahr 1998 nach der Gefahrklasse 0,57.
Im Februar 1999 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung durch und vertrat die Auffassung, die Arbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure seien den Gefahrtarifstellen 24 und 49 zuzuordnen. Im Prüfbericht vom 26. Februar 1999 kündigte sie eine entsprechende Korrektur der Beitragsbescheide an und gab der Klägerin Gelegenheit, sich hierzu binnen zwei Wochen zu äußern.
Mit Bescheiden vom 07. Juni 1999 änderte die Beklagte die Beitragsbescheide vom 02. Mai 1996, 09. Oktober 1997 sowie vom 27. April 1998 und berechnete die Beiträge anhand der Gefahrtarifstellen 24 und 49 neu.
Gegen die Veranlagungsbescheide erhob die Klägerin am 11. Juni 1999 Widerspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Beitragsänderungsbescheiden vom 07. Juni 1999 widersprach sie am 22. Juni 1999 und beantragte gleichzeitig, ihr die nachberechneten Beiträge zu stunden. Zur Begründung gab sie an, die verliehenen Ingenieure verrichteten an ihren jeweiligen Einsatzorten ausschließlich planerische Konstruktionsarbeiten im Büro und seien daher "eher dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen". Sie müssten genauso behandelt werden, wie die Ingenieure, die im Stammhaus tätig seien. Denn für ihre Mitarbeiter im Ingenieurbüro (Gefahrtarifstelle 10 bzw. 4) betrage die Gefahrklasse 2,2 (ab 1995) bzw. 0,67 (ab 1998).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Beitragsbescheide vom 07. Juni 1999 für die Umlagejahre 1995 bis 1998 zurück und führte zur Begründung aus, die Veranlagungsbescheide seien bindend geworden. Nach den Gefahrtarifen komme es keinesfalls auf die Tätigkeit, die der Beschäftigte ausübe, sondern allein auf die Art und den Gegenstand des Unternehmens an.
Dagegen hat die Klägerin am 02. Mai 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und vorgetragen, dass ihre Ingenieure in den Leiharbeitsunternehmen ausschließlich kaufmännisch und verwaltend tätig seien. Sie erledigten an Büroarbeitsplätzen Korrespondenz, betreuten Waren- sowie Stücklisten und erstellten am Computer Pläne und Abläufe. Außendiensttätigkeiten auf Baustellen, an Projektorten oder in Fabrikationsanlagen kämen nicht vor. Es sei deshalb inakzeptabel, sie mit gewerblichen Arbeitnehmern gleichzustellen. Der Berufsgruppenkatalog der Bundesanstalt für Arbeit, an dem sich die Beklagte orientiere, erfülle keinesfalls die Anforderungen der Beitragsgerechtigkeit und sei deshalb für die Zuordnung der Arbeitsentgelte zu den Gefahrtarifstellen unverbindlich. Jedenfalls habe sie - die Klägerin - die Bruttoarbeitsentgelte ihrer entliehenen Ingenieure gutgläubig zu den Gefahrtarifstellen 23 und 48 gemeldet. Schon deshalb dürften die Gefahrklassen nicht zu ihren Ungunsten geändert werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Beitragsnachforderung ihre wirtschaftliche Weiterexistenz in Frage stelle.
Die Beklagte hat entgegnet, kaufmännisch und verwaltend sei nur tätig, wer in den Bereichen Handel und Vertrieb (im Sinne des Handelsgesetzbuches), der allgemeinen Sachbearbeitung, Büroorganisation sowie der Büro- und Ablaufplanung überwiegend geistige Arbeit verrichte. Alle anderen Mitarbeiter gehörten in die Gefahrtarifstelle für gewerbsmäßige Arbeiten, wobei die Begriffe "kaufmännisch und verwaltend" eng gefasst seien. Folglich könnten weder Ingenieure noch technische Zeichner oder Architekten dem kaufmännisch-verwaltenden Personenkreis zugerechnet werden, weil sie technisch geprägte Aufgaben erledigten.
Mit Urteil vom 14. November 2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die entliehenen Ingenieure seien weder in kaufmännischen oder verwaltenden Unternehmensteilen der Ver- und Entleiher eingesetzt gewesen noch hätten sie ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichtet. Es sei schwer vorstellbar, dass Ingenieure ihre Aufgaben allein vom Schreibtisch mit Hilfe eines PC erledigen könnten. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, so bestehe kein Zweifel daran, dass sie keine kaufmännisch-verwaltenden Tätigkeiten im üblichen Sinne ausgeführt hätten. Folglich sei die Lohnmeldung der Klägerin objektiv unrichtig gewesen. Deshalb sei die Beklagte befugt, die Nachentrichtung der vorenthaltenen Beiträge zu verlangen. Ob die Falschmeldung schuldhaft erfolgte, sei dabei belanglos.
Nach Zustellung am 14. Februar 2003 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 13. März 2003 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass der Begriff "kaufmännisch-verwaltend" seinem Wortlaut nach jede Tätigkeit erfasse, die sich im Bürobereich abspiele. Betrachte man den Normzweck, so solle die Unterscheidung zwischen "kaufmännisch-verwaltend" und "sonstigen Tätigkeiten" die typischen Unfallrisiken in diesen Bereichen voneinander abgrenzen. Dies gelinge aber nur, wenn man den Begriff "verwaltend" im Sinne von "Schreibtischarbeit" verstehe, weil zwischen Ingenieuren und sonstigen Sachbearbeitern, die ausschließlich am PC arbeiteten, kein risikospezifischer Unterschied bestehe. Hinzu komme, dass die entsandten Ingenieure Stücklisten, Arbeitspläne und Ausführungsbeschreibungen fertigten und damit "verwaltende Tätigkeit im engeren Sinn" verrichteten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf 14. November 2002 zu ändern und die Bescheide vom 07. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28. März 2000 aufzuheben.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten (Kundennummer: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beitragsnacherhebungsbescheide der Beklagten vom 07. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28. März 2000 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) formell und materiell rechtmäßig sind und die Klägerin deshalb nicht beschweren (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Beklagte war befugt, die ursprünglichen Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 1995 bis 1998 mit den angefochtenen Bescheiden nachträglich zu ändern. Rechtsgrundlage der Beitragsnacherhebungsbescheide für die Beitragsjahre 1995 bis 1996 sind gem. § 219 Abs. 1 Satz 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), während für die nachfolgende Zeit die Bestimmungen des SGB VII gelten (§ 219 Abs. 1 Satz 1 SGB VII; vgl. auch Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997, Az: L 3 U 223/97, HVBG-Info 1997, 2985; LSG Berlin, Urteil vom 30. April 2002, Az: L 2 U 55/00, HVBG-Info 2003, 421; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Juni 2002, Az: L 8 U 120/01, HVBG-Info 2003, 794). Nach § 749 Nr. 3 RVO und § 168 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII darf der Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zuungunsten des Beitragspflichtigen nur dann "anders festgestellt" bzw. "aufgehoben" werden, wenn der Lohnnachweis unrichtige Angaben enthält. Die Klägerin hat die Bruttoarbeitsentgelte der verliehenen Ingenieure zu den Gefahrtarifstellen 23 und 48 gemeldet. Das war unrichtig. Denn diese Gefahrtarifstellen erfassen nur Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt werden und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten. Dies ergibt sich, wenn man die Begriffe "kaufmännisch" und "verwaltend" nach ihrem Wortsinn, ihrer systematischen Stellung sowie nach Sinn und Zweck (sog. teleologische Interpretation) auslegt. Die historische Interpretation führt nicht weiter, weil zur Entstehungsgeschichte der Gefahrtarife 1995 und 1998 keine Materialien vorhanden sind.
Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt "kaufmännisch", wer als Kaufmann Waren anschafft und weiterveräußert, also Umsatzgeschäfte tätigt (vgl. Brox, Handelsrecht und Wertpapierrecht, 10. Aufl. 1993, Rn. 1). Zur kaufmännischen Tätigkeit gehört es, Produkte, Waren und Dienstleistungen zu bewerben (Marketing) und zu präsentieren, den (potentiellen) Kunden über Art, Qualität, Eigenschaften, Nutzen, Funktion sowie An- und Verwendung der Ware und deren Pflege zu beraten, um "seine" Produkte schließlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) zu veräußern. In diesem Zusammenhang hat er Preise zu kalkulieren, Kosten zu berechnen, Angebote zu bearbeiten, Statistiken aufzustellen, sowie zu kassieren, abzurechnen und zu bilanzieren. Um Waren zu beschaffen, muss er Geschäftsbeziehungen zu Herstellern und Großhändlern pflegen, Beschaffungs- und Absatzmärkte beobachten, planen, disponieren, die Waren ordnungsgemäß lagern, Sortimente zusammenstellen und den Warenein- und -ausgang überwachen. Kaufmännische Tätigkeiten spielen sich deshalb nicht nur im Bürobereich ab, wie die Klägerin meint.
Das Wort "verwalten" leitet sich aus dem mittelhochdeutschen "walten" ab, was sich mit "herrschend leiten", "lenken", "führen" umschreiben lässt. Die Vorsilbe "ver" bedeutet soviel wie "vorwärts (bis zur Vollendung) treiben" und drückt gleichzeitig aus, dass etwas "mittelbar", d.h. im Auftrag eines anderen geschieht. "Verwalten" heißt also: etwas beeinflussen, ausführen, durchführen, verrichten, besorgen. Als Verwalter wird somit tätig, wer fremde Angelegenheiten zweckgerichtet, planmäßig und fremdnützig über einen längeren Zeitraum hinweg besorgt (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 1999, § 2 Rn. 8f.). Da der Verwalter an einen Verwaltungszweck gebunden ist, den ein anderer bestimmt, ist er diesem gegenüber verantwortlich. Verwaltende Tätigkeiten fallen insbesondere im Personalwesen, in der Revision und Buchhaltung sowie in Büros und Sekretariaten beim Erledigen von Schriftverkehr. Hierzu zählt vor allem das Anfertigen von Schriftsätzen, Berichten, Protokollen, Aufstellungen, Statistiken, Auswertungen u. ä. Zu Überschneidungen mit kaufmännischen Tätigkeiten kommt es insbesondere bei der Entgeltabrechnung, Kostenrechnung, Auftrags- und Rechnungsbearbeitung, dem Bilanzieren, Beobachten und Analysieren der Wirtschaftsentwicklung sowie beim Einzug und der "Verwaltung" von Geldmitteln. Da ein Verwalter fremde Angelegenheiten nicht nur "im Bürobereich" bzw. "am Schreibtisch" abwickeln kann, darf der Begriff "verwaltend" nicht nur im Sinne von "Schreibtischarbeit" verstanden werden, wie die Klägerin meint. Denn die Beklagte hat die Gefahrtarifstellen 24 und 48 bewusst mit dem Begriffspaar "kaufmännisch-verwaltend" umschrieben und nicht mit den Begriffen Schreibtisch- oder Büroarbeit.
Der Senat verkennt nicht, dass Ingenieure auch kaufmännisch und verwaltend tätig werden (können). Ihre Hauptaufgabe besteht jedoch im Entwickeln von Waren, Produkten, Komponenten, Geräten, Software, Steuerungssystemen u.v.a.m. Sie konzeptionieren, entwerfen und entwickeln neue Komponenten, Geräte, Anlagen, Maschinen und berücksichtigen dabei (selbstverständlich auch) die Wirtschaftlichkeit unter kaufmännischen Gesichtspunkten. Darüber hinaus planen und überwachen sie Produktionsprozesse, Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen und nehmen Aufgaben im Bereich des Personalführung und des Personaleinsatzes wahr. In diesem Bereich sowie bei der Betriebsorganisation und Arbeitsvorbereitung sind sie verwaltend tätig. Insofern erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Ingenieur überwiegend oder sogar ausschließlich "kaufmännisch-verwaltend" arbeitet. Da er aber typischerweise im konstruktiven Bereich eingesetzt wird und hierfür auch ausgebildet ist, legt der Wortlaut nahe, dass Ingenieure nicht "kaufmännisch-verwaltend" arbeiten. Für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung gilt dies umso mehr, weil Entleihfirmen für kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten eher einen Kaufmann bzw. Verwaltungsspezialisten entleihen werden und gerade keinen Ingenieur, der für diese Arbeiten auch gar nicht ausgebildet ist.
Die logisch-systematische Interpretation berücksichtigt den Bedeutungszusammenhang, in dem ein Begriff verwendet wird, also den gesetzlichen (hier: satzungsmäßigen) Kontext. Es ist davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch innerhalb einer Satzung (hier: der Gefahrtarife) einheitlich ist, d.h. dasselbe Wort dieselbe Bedeutung hat. Betrachtet man die Gefahrtarife, so fällt auf, dass der Satzungsgeber das Wort "Büro" mehrfach verwendet, etwa im Zusammenhang mit dem "Börsenbüro", dem "Architekturbüro", dem "Wettbüro" und dem "Ingenieurbüro". Da er die Unternehmensarten der Gefahrtarifstellen 23 und 48 aber nicht mit "büromäßigen" Arbeiten, sondern mit "kaufmännischen und verwaltenden Tätigkeiten" umschreibt, ist davon auszugehen, dass er damit etwas anderes meint. Deshalb kann der Interpretation der Klägerin, kaufmännisch-verwaltend sei mit dem Begriff "büromäßig" gleichzusetzen und erfasse vor allem "Schreibtischtätigkeiten", nicht gefolgt werden.
Jede Rechtsnorm hat einen (Sinn und) Zweck, der sich aus der zugrunde liegenden Interessenlage und ihrer Bewertung durch den Normgeber ergibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Normen in der Regel gegenläufige Interessen zum Ausgleich bringen (sollen). Der (Haupt-)Zweck des Gefahrtarifs, seiner Tarifstellen und Klassen besteht (schlicht) darin, der Klägerin die Einnahmen zu verschaffen, die sie benötigt, um ihre Aufgaben als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen (vgl. die Überschrift des Sechsten Kapitels: "Aufbringung der Mittel"). Selbstverständlich sollen die Beiträge möglichst differenziert nach Gefährdungsrisiken erhoben werden (Nebenzweck). Denn große Risiken müssen - schon aus Gründen der Gerechtigkeit und Prävention - mit höheren Beiträgen versichert werden als kleine Risiken. Die Klägerin übersieht jedoch, dass diesem Nebenzweck andere Gesichtspunkte gegenüberstehen, die bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind: Die Beitragserhebung muss praktikabel und effektiv sein; großer personeller und sachlicher Verwaltungsaufwand, der mit Einzelfallentscheidungen immer verbunden ist, muss vermieden werden, um den Hauptzweck (schnelle und effiziente Einnahmen zur Aufgabenbewältigung) durch bürokratischen Mehraufwand nicht zu gefährden. Gerade bei der Beitragserhebung ist Rechtsunsicherheit durch ausgiebige Beurteilungsspielräume und Einzelfallentscheidungen, die Missbräuche geradezu herausfordern, gänzlich unerwünscht. Deshalb muss die Klägerin - gerade unter teleologischen Gesichtspunkten - hinnehmen, dass Ingenieure undifferenziert und pauschal den Gefahrtarifstellen 23 und 48 zugeordnet werden, zumal Wortlaut, systematische und teleologische Interpretation für diese Auslegung sprechen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 29. Oktober 2003, Az: L 17 U 209/00).
Entgegen der Ansicht der Klägerin verstoßen die Beitragsnacherhebungsbescheide auch nicht gegen den Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wonach alle Menschen (und alle inländischen juristischen Personen, Art. 19 Abs. 3 GG) vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind. Das Grundrecht ist nämlich nur verletzt, wenn ein Sachverhalt im Vergleich zu einem anderen Sachverhalt anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st. Rspr., zuletzt BVerfG, Urteil vom 06. März 2002, Az.: 2 BvL 17/99, SozR 3-1100 Art. 3 Nr. 176; BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 22/01 R). Geht es - wie hier - um die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Sachverhalten, ist die Prüfung auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt (Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 20, 26). Die Beklagte behandelt die Ingenieure, die im Stammhaus der Klägerin arbeiteten (Ausgangsgruppe), beitragsmäßig anders als diejenigen Ingenieure, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an andere Unternehmen "verliehen" wurden (Vergleichsgruppe). Denn die Beiträge für die Ingenieure der Ausgangsgruppe berechnete sie nach der Gefahrklasse 2,20 (bzw. ab 1998: 0,67), die Ingenieure der Vergleichsgruppe nach den Gefahrklassen 12,8 (1995), 15,8 (1996) 18,8 (1997) und 10,66 (1998), was zu einer Schlechterstellung der Vergleichsgruppe führt. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie durch einen "hinreichend gewichtigen Grund" (Urteil vom 28. April 1999, Az: 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, 138, 174; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 3 Rn. 14) gerechtfertigt ist. Als Differenzierungsgrund kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht; es genügt, wenn sich "irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen lässt" (BVerfG, Beschlüsse vom 15. Oktober 1985, Az.: 2 BvL 4/83, BVerfGE 71, 39, 58 und vom 08. April 1987, Az.: 2 BvR 908/92 u.a., BVerfGE 75, 108, 157). Auf keinen Fall verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Februar 1991, Az.: 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395, 401 und vom 08. Oktober 1991, Az.: 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348, 359; BSG, Urteile vom 12. Dezember 1985, Az: 2 RU 40/85, SozR 2200 § 731 Nr. 2, vom 21. August 1991, Az: 2 RU 54/90, NZA 1992, 335, 336 und vom 18. Oktober 1994, Az: 2 RU 6/94, SGb 1995, 253, 254ff.; Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 3 Rn. 15). Die Beklagte durfte zwischen den Ingenieuren der Ausgangs- und der Vergleichsgruppe differenzieren und für beide verschiedene Beiträge erheben. Denn die Ingenieure der Vergleichsgruppe sind im Unterschied zu den Ingenieuren der Ausgangsgruppe anderen Gefahren ausgesetzt. Sie wechseln den Arbeitsplatz öfter, müssen sich häufiger an eine neue Arbeitsumwelt sowie an neue Wege zu und von der Arbeit gewöhnen. Dies bedeutet nicht, dass die Gefahren - verglichen mit den Ingenieuren im Stammhaus - höher sein müssen. Sie sind aber auf jeden Fall anders. Und schon dies lässt eine Differenzierung zwischen beiden Ingenieurgruppen zu (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 24. Juni 2003, Az.: B 2 U 21/02 R, SozR 4-2700 § 157 Nr. 1).
Ob die Unrichtigkeit der Lohnnachweise auf einem Verschulden der Klägerin beruht, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist allein, ob der Lohnnachweis objektiv unrichtig war (LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1969, 1027; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 169 Rn. 4). Denn es geht nicht um eine Sanktion, sondern um Richtigstellung im Interesse der Beitragsgerechtigkeit für alle Unternehmer, die wegen des Umlagesystems (§ 152 SGB VII) durch zu niedrige Beitragsfestsetzungen doppelt belastet werden: Einerseits zahlen sie höhere Beiträge und andererseits entstehen ihnen gegenüber dem begünstigten Konkurrenten Wettbewerbsnachteile.
Die §§ 749 Nr. 3 RVO, 168 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII räumen der Beklagten einen Ermessensspielraum ein (Senatsurteil vom 26. April 1989, Az.: L 17 U 229/87, Breithaupt 1990, 39, 42; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. Februar 2004, Az.: L 2 ER 59/03 U, NZS 2004, 602, 603; Achterrath, Die Aufhebung von Beitragsbescheiden und Veranlagungsbescheiden zu den Gefahrklassen in der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung, 1996, 107ff.; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, § 168 Rn. 11; a.A.: LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. Juli 1997, Az.: L 3 U 223/97, Breithaupt 1997, 939, 942f.). Einen Ermessensfehler hat der Senat nicht festgestellt.
Schließlich waren die Beitragsnachforderungen auch noch nicht verjährt, als die Beklagte die angefochtenen Bescheide erließ (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB IV]).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in seiner bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes; vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 05. Mai 2003, Az: B 13 SF 5/02 S, SozR 4-1500 § 183 Nr. 1; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Aufl. 2005, Vor § 183 Rn. 12).
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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