L 17 U 138/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 335/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 138/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beitrags- und Umlagebescheid der Beklagten für das Kalenderjahr 2002 rechtmäßig, insbesondere mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar ist.

Die Klägerin betreibt in C ein Theater und ist Mitglied der Beklagten. Ab dem 01. Januar 2001 veranlagte die Beklagte die Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juni 2001 zur Gefahrtarifstelle 38 (Unternehmensart: Theater), und zwar gestaffelt nach den Gefahrklassen 1,62 für das Kalenderjahr 2001 und 1,82 für das Kalenderjahr 2002. Mit Bescheid vom 23. April 2003 setzte sie den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung für das Beitragsjahr 2002 auf 5.001,89 EUR und den Anteil an der Insolvenzgeldumlage auf 2.944,07 EUR fest. Die Berechnung der Insolvenzgeldumlage erläuterte sie in der Anlage des Bescheids.

Dagegen erhob die Klägerin am 09. Mai 2003 Widerspruch, weil sich die Gefahrklasse erhöht und die Insolvenzgeldumlage innerhalb eines Jahres verdoppelt habe. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob das Versicherungsmonopol der gesetzlichen Unfallversicherungsträger mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar sei. Die Verdoppelung der Insolvenzgeldumlage verstoße gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Offenkundig seien die Insolvenzrisiken in der Vergangenheit fehlerhaft eingeschätzt worden. Dies habe zur Folge, dass zahlungskräftige Unternehmen die Insolvenzrisiken zahlungsunfähiger Konkurrenzunternehmen tragen müssten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Berufsgenossenschaften (BGen) seien keine Unternehmen im Sinne des Europäischen Wettbewerbsrechts. Dies habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits für das italienische Unfallversicherungssystem entschieden, das mit der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland vergleichbar sei. Die Insolvenzgeldumlage verstoße nicht gegen Art. 14 GG, weil sie die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung im Interesse aller erhalte und verbessere. Soweit die Klägerin die Erhöhung der Gefahrklasse angreife, sei der Widerspruch unzulässig, weil der Veranlagungsbescheid bestandskräftig geworden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 31. Dezember 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben und vorgetragen, die Monopolstellung der Beklagten verstoße gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags. Die Beklagte sei als Unternehmerin auf dem Markt für Versicherungsleistungen wirtschaftlich tätig. Denn sie biete ihren Mitgliedern an, sich bei ihr freiwillig zu versichern. Zudem sei die Beitragsbemessung risikoabhängig und orientiere sich weitgehend an den Kriterien der privaten Versicherungswirtschaft; ein sozialer Ausgleich finde kaum statt. Überdies bestehe keine Gewährträgerhaftung des Staates; Aufsichtsbehörde sei das Bundesversicherungsamt und kein Ministerium. Folglich könne der Gesetzgeber die Arbeitgeber auch verpflichten, ihre Mitarbeiter bei Privatunternehmen zu versichern. Dies belege die Unternehmereigenschaft der Beklagten, die als Monopolunternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgrund der Versicherungspflicht marktbeherrschend sei, was sich mit der europarechtlichen Wettbewerbs- und Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbaren lasse. Die Insolvenzgeldumlage greife verfassungswidrig in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) ein. Die Umlage steige mit der Zahl der Insolvenzen, womit ein Teufelkreis beginne, der auch gesunde Unternehmen finanziell gefährde. Es widerspreche dem Versicherungsprinzip, dass gerade die insolventen Unternehmen, die für die Erhöhung der Umlage verantwortlich seien, hierzu aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht mehr herangezogen würden. Die Insolvenzgeldumlage sei daher kein Versicherungsbeitrag, sondern eine besondere sozialrechtliche Abgabe, die den hohen Rechtfertigungsansprüchen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht genüge. Zudem sei der Beitragsbescheid völlig intransparent und mangels ausreichender Begründung rechtswidrig.

Mit Urteil vom 25. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Beklagte sei kein Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts, wie der EuGH für das italienische Unfallversicherungssystem bereits entschieden habe. Ebenso wie der italienische Versicherungsträger INAIL (Istituto nazionale per l´assicurazione contro gli infortuni sul lavoro) entschädige die Beklagte Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. In beiden Systemen hänge der Leistungsanspruch nicht davon ab, ob der Geschädigte oder sein Arbeitgeber Pflichten verletzt und Versicherungsbeiträge gezahlt habe. Die italienische und deutsche Unfallversicherung seien sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsseite durch Elemente eines Solidarausgleichs geprägt. In Deutschland sei die Proportionalität von Beitrag und Leistung dadurch eingeschränkt, dass für die Beitragserhebung das gesamte Arbeitsentgelt bis zur Grenze des Höchstjahresarbeitsverdienstes herangezogen werde (§ 153 Abs. 1 und 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB VII]), während für die Bemessung der Geldleistungen eine Entgeltuntergrenze in Gestalt des Mindestjahresarbeitsverdienstes festgelegt sei (§ 85 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 18 SGB IV). Hierdurch komme es zu einer Umverteilung zwischen Beziehern hoher und niedriger Einkommen und so zu einem Solidarausgleich, der für Geringverdiener von erheblicher Bedeutung sei, weil sie einen vergleichbaren Versicherungsschutz von einem privaten Versicherungsunternehmen nur mit Unterstützung des Staates erlangen könnten. Zudem gebe es zwischen den gewerblichen BGen einen solidarischen Lastenausgleich, der sich in einem marktwirtschaftlich organisierten System nicht verwirklichen ließe. Hinzu komme, dass die Beklagte als öffentlich-rechtliche Körperschaft keinen Gewinn erziele, an gesetzliche Vorgaben gebunden sei und einer staatlichen Aufsicht unterliege. Hierdurch blieben Beiträge und Leistungen weitgehend unter der Kontrolle des Staates. Dass Unternehmer der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig beitreten könnten, ändere hieran nichts. Die Berechnung der Insolvenzgeldumlage habe die Beklagte im Widerspruchsbescheid hinreichend erläutert. Die Erhebung der Umlage sei mit Art. 3, 12 und 14 GG vereinbar, wie das BVerfG und das Bundessozialgericht (BSG) zum Konkursausfallgeld bereits entschieden hätten.

Nach Zustellung am 06. Juni 2005 hat die Klägerin gegen diese Entscheidung am 30. Juni 2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, das deutsche System der gesetzlichen Unfallversicherung enthalte "sehr wenige solidarische Elemente", weil die Beitragshöhe grundsätzlich risikoabhängig sei. Der Lastenausgleich zwischen den BGen diene dem "versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip" und nicht dem Solidarausgleich. Der Staat kontrolliere Beiträge und Leistungen nur eingeschränkt; den Gefahrtarif setzte die Beklagte als autonomes Recht fest. Deshalb könnten im Prinzip auch private Unternehmen die Unfallversicherung erbringen. Dass die Beklagte wirtschaftlich tätig sei, zeige sich vor allem bei der freiwilligen Versicherung. Die Insolvenzgeldumlage verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil nicht alle Unternehmen zu einer angemessenen Risikobeteiligung herangezogen würden. Vom Insolvenzgeld profitierten "ausschließlich solche Unternehmen, die rechtzeitig vor der Erhöhung der Insolvenzabgaben insolvent" würden. Sie müssten "sich nicht in dem Maße an dem von ihnen selbst gesetzten Risiko beteiligen", erhöhten aber den Finanzbedarf zu Lasten der solventen Unternehmen. Dadurch würden risikobewusste Unternehmen besonders belastet, was nicht sachgerecht sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. Februar 2005 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2003 aufzuheben.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auch der ersten Instanz einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Beklagten gem. §§ 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO aufzuerlegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Aktenzeichen: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Beitragsbescheid der Beklagten vom 23. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2003 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) rechtmäßig ist und die Klägerin deshalb nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn die Beklagte hat sowohl die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung (I.) als auch die Insolvenzgeldumlage (II.) korrekt auf Basis der gesetzlichen Vorschriften festgesetzt, die ihrerseits nicht gegen höherrangiges Verfassung- oder Europarecht verstoßen.

I.
Die Beklagte hat die gesetzlichen Vorschriften über die Beitragspflicht zur Unfallversicherung (§ 150 SGB VII) und über die Beitragshöhe (§§ 152 ff. SGB VII) sachlich und rechnerisch fehlerfrei umgesetzt. Dies bezweifelt auch die Klägerin nicht. Ihre Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung und die damit einhergehende Mitgliedschaft bei der Beklagten ist mit Gemeinschafts- und Verfassungsrecht vereinbar.

1.
Ein Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht (Art. 81 und 82 EGV) liegt nicht vor. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbietet wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Art. 81 EGV) sowie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 82 EGV). Diese Verbote gelten, wie sich aus der Überschrift des 1. Abschnitts in Kapitel 1, Titel VI des EGV ergibt, nur für "Unternehmen". Das ist jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, indem sie Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbietet (EuGH, Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, EuGHE 1991, I-1979 Rn, 21 und vom 12. September 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98, Pavlov u.a., EuGHE 2000, I-6451 Rn. 74, 75). Keine Unternehmen im Sinne dieses funktionalen Unternehmensbegriffs und damit von den Wettbewerbsregeln ausgenommen sind dagegen Träger staatlich organisierter und beaufsichtigter Sozialversicherungssysteme, die keinen Marktgesetzen folgen, sondern einem sozialen Zweck dienen und wesentlich auf dem Grundsatz der Solidarität aufgebaut sind (EuGH, Urteil vom 17. Februar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, EuGHE 1993, I-637 Rn. 18 f; zur Abgrenzung vgl. Urteil vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-244/94, Federation Francaise de Societes d Assurance u.a., EuGHE 1995, I-4013 Rn. 17 ff und Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, EuGHE 1999, I-5751 Rn. 81 ff). Als Elemente der Solidarität nennt der EuGH die Einkommensumverteilung von Wohlhabenden zu weniger gut situierten Versicherten, das Umlageverfahren, die mangelnde Proportionalität von Beiträgen und Leistungen und den Solidarausgleich zwischen einzelnen Sozialversicherungssystemen (vgl. hierzu Fuchs, SGb 2005, 65, 66).

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-218/00, INAIL (EuGHE 2002, I-691) die Unternehmereigenschaft für den staatlichen italienischen Unfallversicherungsträger INAIL verneint. Das BSG hat diese Entscheidung auf die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland übertragen und die deutschen BGen ebenfalls nicht als Unternehmen i.S.d. Art. 81 f. EGV qualifiziert (Urteil vom 11. November 2003, Az: B 2 U 16/03 R, SozR 4-2700 § 150 Nr.1). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Hierfür sind im Wesentlichen die folgenden vier Gesichtspunkte maßgebend:

Gegen die Unternehmereigenschaft der Beklagten spricht erstens, dass sie sich - anders als private Versicherungsunternehmen - nicht nach dem Kapitaldeckungsprinzip, sondern nach dem Umlageverfahren finanziert. Im Umlageverfahren kann aber kein privates Versicherungsunternehmen auf dem Markt Produkte anbieten, weil seine Finanzierungsquellen ohne Versicherungsmonopol nicht gesichert sind.

Zweitens ist die Beklagte nicht als Unternehmerin zu qualifizieren, weil ihre Leistungen und Beiträge gesetzlich fixiert sind. Sie hat als öffentlich-rechtliche Körperschaft keine Gewinnerzielungsabsicht, unterliegt einer staatlichen Aufsicht und ist streng an gesetzliche Vorgaben gebunden. Dies spricht klar gegen eine wirtschaftliche Tätigkeit der Beklagten. Denn ein Unternehmen muss sich mit seiner Dienstleistung am Markt behaupten. Deshalb ist es unabdingbar, dass der Unternehmer den Inhalt und Umfang seiner Dienstleistung und die Höhe der Gegenleistung frei bestimmen kann. Denn nur dadurch kann er sich im Wettbewerb auf dem Markt gegenüber anderen Marktteilnehmern positionieren und differenzieren. Diese wirtschaftliche Bewegungsfreiheit entfällt, wenn der Gesetzgeber die angebotenen Dienstleistungen und die Höhe der Beiträge gesetzlich fixiert. In den §§ 152 ff. SGB VII hat er die genauen Berechnungsgrundlagen für die Beitragserhebung festgeschrieben; den Gefahrtarif muss die Aufsichtsbehörde genehmigen. Stellt der Unfallversicherungsträger keinen rechtmäßigen Gefahrtarif auf, ist sogar eine Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde möglich. Eine freie Tarifgestaltung, wie sie für ein marktwirtschaftlich handelndes Versicherungsunternehmen typisch wäre, ist damit unmöglich.

Darüber hinaus ist - drittens - die Proportionalität von Beitrag und Leistung eingeschränkt. Denn für die Beitragserhebung wird das gesamte Arbeitsentgelt bis zur Grenze des Höchstjahresarbeitsverdienstes herangezogen (§ 153 Abs. 1 und 2 SGB VII), während für die Bemessung der Geldleistungen eine Entgeltuntergrenze in Gestalt des Mindestjahresarbeitsverdienstes festgelegt ist (§ 85 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 18 SGB IV). Hierdurch kommt es zu einer Umverteilung zwischen Beziehern hoher und niedriger Einkommen und so zu einem Solidarausgleich, der für Geringverdiener von erheblicher Bedeutung ist, weil sie einen vergleichbaren Versicherungsschutz von einem privaten Versicherungsunternehmen nur mit Unterstützung des Staates erlangen könnten. Der Leistungsanspruch des Versicherten hängt zudem nicht davon ab, ob das Mitgliedsunternehmen für ihn die fälligen Beiträge entrichtet hat. Weitere Solidarelemente enthalten die Fremdrentenleistungen, die Wegeunfallversicherung und die Versicherungspflicht ohne vorherige Gesundheitsprüfung. Zudem kommt es wegen der Lehre von der wesentlichen Bedingung bei Verletztenrenten häufig zur Überkompensation, wenn zu einem versicherten Gesundheitsschaden auch nichtversicherte Faktoren beigetragen haben.

Schließlich spricht - viertens - der gesetzlich vorgesehene Lastenausgleich (§§ 176 ff SGB VII) zwischen den BGen gegen die Unternehmereigenschaft der Beklagten. Dieser Lastenausgleich ließe sich in einem marktwirtschaftlich organisierten System nämlich nicht verwirklichen. Zudem subventioniert der Staat einige Branchen (Landwirtschaft, See, Bergbau) durch staatliche Zuschüsse, was in der privaten Versicherungswirtschaft zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die Unternehmereigenschaft der Beklagten ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil § 6 SGB VII bestimmten Unternehmern, ihren im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten sowie Personen, die in Kapital- und Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind, die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung einräumt. Für diesen Personenkreis hat die gesetzliche Unfallversicherung die Funktion einer Eigenvorsorge und tritt an die Stelle einer ansonsten (freiwillig) abgeschlossenen privaten Unfallversicherung des Unternehmers. Der Gesetzgeber zielt hiermit aber nicht auf die Gewinnmaximierung der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern will den Unternehmern einen Anreiz geben, sich selbst in dem für ihre Arbeitnehmer geschaffenen Versicherungssystem (freiwillig) zu versichern, um damit gerade das Eigeninteresse der Unternehmer an diesem Versicherungszweig zu wecken. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 6 SGB VII als eng begrenzte Ausnahmevorschrift der gesetzlichen Unfallversicherung keinesfalls das Gepräge gibt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das europäische Gemeinschaftsrecht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit nicht berührt (EuGH, Urteil vom 22. Januar 2002, Rs.: C-218/00, Breithaupt 2002, 354). Auch der Schutz gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, wie ihn die deutsche gesetzliche Unfallversicherung bietet, gehört zu diesen sozialen Sicherungssystemen, den die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihrer gesamten Bevölkerung oder einem Teil ihrer Bevölkerung gewähren können. Daher ist der nationale Gesetzgeber berechtigt, in eigener Zuständigkeit die Unfallversicherung (und damit auch die freiwillige Unternehmerversicherung) als Teil dieses Systems der sozialen Sicherheit auszugestalten (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2003, Az: L 1 U 3237/01, BG 2003, 391, 392f.).

2.
Die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten ist auch mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49, 50 EGV) vereinbar. Durfte der deutsche Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis zur Ausgestaltung des nationalen Systems der sozialen Sicherheit ohne Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht eine solidarisch finanzierte staatliche Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten einrichten, so liegt auf der Hand, dass jedenfalls die Zwangsmitgliedschaft bei dem Träger dieser Versicherung und die daraus folgende Unmöglichkeit, sich den Versicherungsschutz gegebenenfalls bei einem konkurrierenden Versicherungsunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft zu beschaffen, nicht gleichzeitig gegen den Grundsatz der (passiven) Dienstleistungsfreiheit verstoßen kann. Angesichts dessen kann auf sich beruhen, dass die Klägerin mit dem Einwand, Versicherungsunternehmen aus anderen Staaten seien wegen des gesetzlichen Monopols gehindert, in Deutschland entsprechende Versicherungsleistungen anzubieten (Einschränkung der aktiven Dienstleistungsfreiheit), schon deshalb nicht gehört werden kann, weil sie selbst nicht als Anbieterin auf dem deutschen Markt tätig werden will und die Beklagte ihr dieses Recht mit den angefochtenen Bescheiden nicht bestritten hat.

3.
Die Bestimmungen des SGB VII über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung, die damit verbundene Beitragspflicht und die Beitragshöhe verletzen keine Grundrechte der Klägerin. Die Vorschriften sind insbesondere mit den Regelungen in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Eigentumsgarantie), Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) vereinbar, wie das BVerfG für vergleichbare Systeme in anderen Zweigen der Sozialversicherung wiederholt entschieden und ausführlich begründet hat (BVerfG, Entscheidungen vom 25. Februar 1960, Az: 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354, 371 ff. und vom 2. Mai 1961, Az: 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319, 323 ff.; Kammerbeschluss vom 4. April 1989, Az: 1 BvR 685/88, NJW 1990, 1653, jeweils für berufsständische Versorgungswerke; Beschluss vom 9. Februar 1977, Az: 1 BvL 11/74 u.a., BVerfGE 44, 70, 89 ff. für die gesetzliche Krankenversicherung der Landwirte).

a)
Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG liegt nicht vor. Legt der Staat Bürgern oder inländischen juristischen Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) Geldleistungspflichten auf, so greift er damit grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Denn die Eigentumsgarantie schützt nicht das Vermögen als solches (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer vom 25. September 1990, Az: 1 BvR 907/87, NJW 1991, 746 f.). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn eine Abgabe den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt, die Abgabe also "erdrosselnde Wirkung" hat (BSG, Urteil vom 21. Oktober 1999, Az: B 11/10 AL 8/98 R, SozR 3-4100 § 186 b Nr. 1; Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 7. Aufl. 2004, Art. 14 Rn. 15). Dies ist angesichts eines jährlichen Unfallversicherungsbeitrags von 5.001,89 EUR bei einer betrieblichen Lohnsumme von 617.539,00 EUR ersichtlich nicht der Fall.

b)
Indem der Gesetzgeber die Klägerin verpflichtet, Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen, berührt er den Schutzbereich des Art 12 Abs. 1 GG nicht. Denn die Erhebung der Unfallversicherungsbeiträge, die letztlich jeder Unternehmer zahlen muss, lässt keine berufsregelnde Tendenz erkennen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989, Az: 1 BvR 1402/87 u.a., BVerfGE 81, 108, 121 f.). Die Beitragserhebung ist im Hinblick auf Berufswahl und Berufsausübung neutral und zielt keinesfalls auf Art oder Inhalt der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von Unternehmen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1999, Az: B 11/10 AL 8/98 R, SozR 3-4100 § 186 b Nr. 1). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 GG auf inländische juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 12 Rn. 10).

c)
Ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit liegt ebenfalls nicht vor. Art. 2 Abs. 1 GG schützt die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin (Beschluss vom 18. Dezember 1974, Az: 1 BvR 430/65 u.a., BVerfGE 38, 281, 298). Diese Betätigungsfreiheit ist jedoch nur gewährleistet, soweit sie nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, zu der jedes nach der Verfassung zustande gekommene Gesetz gehört, oder das Sittengesetz verstößt. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung werden aufgrund eines formell und materiell rechtmäßigen Bundesgesetzes erhoben. Sie sind auch nicht unverhältnismäßig hoch. Vergleicht man nämlich die Beitragshöhe (5.001,89 EUR) mit der betrieblichen Lohnsumme (617.593,00 EUR), so kann von einer Unverhältnismäßigkeit keine Rede sein. Aufgrund der verhältnismäßig geringen Umlage ist zudem nicht erkennbar, dass der Klägerin ihretwegen kein angemessener Spielraum mehr verbleibt, um sich als Unternehmerin wirtschaftlich frei zu entfalten.

II.

Auch der Verwaltungsakt (VA) über die Insolvenzgeldumlage ist formell sowie materiell rechtmäßig und verstößt insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht.

Der VA über die Insolvenzgeldumlage ist formell nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte vor seinem Erlass von einer Anhörung gem. § 24 Abs. 2 Nr. 4, 2. Fall des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) absehen, weil sie derartige Verwaltungsakte "in größerer Zahl" schematisch erlassen musste. Der VA war auch hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X) und ausreichend begründet (§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X). Die Beklagte hat der Klägerin die Berechnung der Insolvenzgeldumlage in der Anlage des Bescheids erläutert. Diese Erklärungen hat sie im Widerspruchsbescheid nochmals vertieft und damit etwaige Begründungsmängel geheilt (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB X).

Der Verwaltungsakt über die Umlage des Insolvenzgeldes ist auch materiell rechtmäßig und mit dem Grundgesetz vereinbar. Das BVerfG und das BSG haben die Umlage zur Finanzierung des Konkursausfallgeldes, das früher anstelle des Insolvenzgeldes gezahlt wurde, bereits am Maßstab der Art. 14 und 3 Abs. 1 GG geprüft und nicht als verfassungswidrig angesehen (BVerfG SozR 4100 § 186b Nr. 2; BSG SozR 4100 § 186b Nr. 1). Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie, die Berufsfreiheit oder die allgemeine Handlungsfreiheit liegt nicht vor. Zur Begründung wird auf Abschnitt 3 dieses Urteils (lit. a bis c) Bezug genommen.

Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) ist nicht ersichtlich. Die Klägerin bemängelt, dass die Insolvenzgeldumlage nur von solventen und nicht von insolventen Unternehmen erhoben wird und sieht hierin eine Ungleichbehandlung. Es liegt jedoch schon in der Natur der Sache, dass Insolvenzgeldumlagen (wie alle Geldleistungsforderungen) nur von zahlungsfähigen Schuldnern erhoben werden können. Ungeachtet dessen ist die Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Inanspruchnahme der Arbeitgeber bei der Finanzierung der Umlage ist schon deshalb sachgerecht, weil das Insolvenzgeld die Verletzung von Lohnzahlungspflichten der Arbeitgeber ausgleicht. Denn Arbeitnehmer sind typischerweise vorleistungspflichtig und gehen damit ein hohes Risiko ein, mit ihrem Anspruch auf Arbeitsentgelt auszufallen (BSG SozR 4100 § 186b Nr. 1). Es erscheint daher angemessen, die Kosten für die fehlende Sicherung von der Gesamtheit der Arbeitgeber tragen zu lassen. Die gleichmäßige Verteilung der Lasten auf alle solventen Unternehmer nach dem Verhältnis der Lohnsumme ist sachgerecht. Sie entspricht auch dem Solidaritätsprinzip, das die gesamte Sozialversicherung beherrscht. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber gerade auf dem Gebiet des Sozialrechts eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. Oktober 1987, Az: 1 BvR 1086/82 u.a., BVerfGE 77, 84, 106 und Urteil vom 23. Januar 1990, Az: 1 BvL 44/86 und 48/87, BVerfGE 81, 156, 205 f.). Ein Verfassungsverstoß kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Gesetzgeber unter mehreren möglichen Lösungen nicht die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste gewählt hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Dezember 1962, Az: BvL 2/60 u.a., BVerfGE 15, 167, 201, vom 10. Oktober 1978, Az: 2 BvL 3/78, BVerfGE 49, 280, 285 und vom 10. Dezember 1985, Az: 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255, 271).

Dass die Regelungen über die Insolvenzgeldumlage gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, hat die Klägerin nicht geltend gemacht und ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die EG-Richtlinie 80/987 von den Mitgliedsstaaten gerade eine Konkursausfallgeldregelung verlangt und ihnen die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung überlässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1, 3. HS SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das SG hat in seiner Kostenentscheidung übersehen, dass an dem Rechtsstreit zwei Nichtprivilegierte im Sinne der §§ 183 Satz 1, 197a Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGG beteiligt und deshalb Kosten nach dem GKG zu erheben sind. Diesen Irrtum des SG hat der Senat in seiner Kostenentscheidung korrigiert, weil das Verbot, den Rechtsmittelführer im Berufungsverfahren zu belasten (Verböserungsverbot; reformatio in peius), bei der Kostenentscheidung nicht gilt (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Vor § 154 Rn. 5; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rn. 16).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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