Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 6 AL 468/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 2/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsätzlich geht in das Bemessungsentgelt nur das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt ein. Fließt geschuldetes Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer nicht zu, kann das Arbeitsentgelt regelmäßig nur dann berücksichtigt werden, wenn es nicht bereits vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit fällig war und die Zahlung im Fälligkeitszeitraum nur wegen der Zahlungsunfähigkeit, nicht aus anderen Gründen verweigert worden ist. Das Insolvenzgeld ist der Ermittlung des Bemessungsentgelts immer zugrunde zu legen.
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. Oktober 2001 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin.
Die am 1945 geborene Klägerin meldete sich am 31. März 1999 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab 1. April 1999. Sie gab an, sie sei vom 1. September 1959 bis zum 31. März 1999 zuletzt als Montage-arbeiterin bei der D. G. GmbH in D. beschäftigt gewesen. Nach der Arbeitsbescheinigung vom 16. April 1999 bezog sie von April 1998 bis Dezember 1998 folgende Bruttomonatsentgelte: April: 2.713,44 DM, Mai: 2.717,67 DM, Juni 2.686,07 DM, Juli 2.653,58 DM, August: 2.619,20 DM, September: 2.572,76 DM, Oktober: 2.698,54 DM, November: 2.670,36 DM und im Dezember 2.698,25 DM. Für die Zeit von Januar bis zum 29. März 1999 erhielt sie Insolvenzgeld, das im Januar 3.087,76 DM, im Februar 3.055,90 DM und im März 3.109,15 DM betrug. Ihr Arbeitsverhältnis wurde am 31. März 1999 zum 30. Juni 1999 gekündigt und die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Das Amtsgericht Dessau eröffnete mit Beschluss vom 30. März 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. G. GmbH.
Die Beklagte gab dem Antrag statt und bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1. April 1999 an unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von 640,00 DM in wöchentlicher Höhe von 256,34 DM in der Leistungsgruppe A/0 (Bescheid vom 26. April 1999). Mit Bescheid vom 7. Januar 2000 erhöhte sie das Leistungsentgelt nach der Leistungsentgeltverordnung 2000 auf 262,29 DM.
Mit Schreiben vom 21. März 2000 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Höhe ihres Arbeitslosengeldes. Sie habe für die Zeit von April bis Dezember 1998 noch Anspruch auf Tarifnachzahlungen in Höhe von 1.947,76 DM, welche unstreitig seien. Insoweit müsse sich das Arbeitslosengeld erhöhen, unabhängig davon, ob die genannte Bruttosumme noch gezahlt werde oder nicht. Als Beleg fügte sie ihre Forderungsanmeldung für die vorgenannte Summe beim Insolvenzverwalter an. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. April 2000 ab, weil die vorgebrachten Tatsachen nicht entscheidungserheblich seien. Die Klägerin erhob Widerspruch und hielt daran fest, dass der offene Tariflohnanspruch bei dem Bemessungsentgelt berücksichtigt werden müsse. Die Vergütung fließe nur deshalb nicht, weil der Arbeitgeber zahlungsunfähig sei. Mit Bescheid vom 25. April 2000 passte die Beklagte das Bemessungsentgelt an.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2000 zurück und führte aus, Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber noch nicht erhalten habe, könne nur im Rahmen nachträglicher Vertragserfüllung berücksichtigt werden. Bei der Klägerin sei eine Tariferhöhung zum 1. April 1998 durch den ehemaligen Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden. Der Bemessung des Arbeitslosengeldes sei somit nicht das tarifliche Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden. Nach den Angaben des Insolvenzverwalters lägen Entscheidungen des Arbeitsgerichts Dessau vor, die den Rechtsanspruch auf diese Tariferhöhungen bestätigten. Der Arbeitgeber habe die Differenzbeträge zum bisherigen Arbeitsentgelt nicht gezahlt. Zwischenzeitlich befinde sich das Unternehmen im Insolvenzverfahren. Daher könnten die Tariflohnerhöhungen nicht gezahlt werden. Zum Zeitpunkt der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen sei das Unternehmen jedoch nicht insolvent gewesen. Eine Abrechnung des tariflichen Arbeitsentgelts für die Zeit von April bis Dezember 1998 liege ebenso nicht vor. Da das Arbeitsentgelt weder aufgerechnet noch zugeflossen sei, könne es bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen richtet sich die am 13. Oktober 2000 beim Sozialgericht Dessau eingegangene Klage. Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, dass es ausreiche, wenn die tarifgerechte Vergütung auf Grund der Insolvenz des Arbeitgebers auch nicht im Nachhinein gezahlt werde. Es sei nicht erforderlich, dass parallel mit den jeweiligen Monaten die Vergütung nicht gezahlt werde, weil der Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sei. Da der Verwalter die ursprünglich vom Arbeitgeber verweigerten Ansprüche unstreitig gestellt habe, fließe die Summe nur wegen der Insolvenz nicht zu. Die Berechtigung der Forderung ergebe sich aus dem Tarifvertrag. Sie sei seit 1950 Mitglied der Industriegewerkschaft Metall; der Arbeitgeber sei bis 31. Dezember 1997 ebenfalls Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt gewesen. Der betreffende Lohntarifvertrag habe auch nach dem Austritt des Arbeitgebers nachgegolten. Im übrigen bestehe auch eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel auf die einschlägigen Tarifverträge. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist zur Geltendmachung der Ansprüche habe sie eingehalten; im übrigen gebe es Rechtsprechung, wonach bei drohender Insolvenz die Ausschlussfristen nicht mehr greifen würden.
Die Klägerin hat ihren Arbeitsvertrag eingereicht, worin beim vereinbarten Entgelt aufgeführt ist, dass sich der derzeitige Tariflohn aus Lohn der Tarifgruppe LG 5 und Prämienlohn zusammensetze. Des weiteren hat sie eine Zusatzregelung über eine tarifliche Härtefallregelung vom 22. Juni 1998 beigefügt. Diese steht nach Ziff. 5 unter der Voraussetzung, dass für die Arbeitgeberin eine ungekündigte Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband besteht.
Das Sozialgericht hat die Handakte des DGB-Rechtsschutzes zum Arbeitsgerichtsprozess beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleistung Hannover am 17. März 1997 eine Härtefallregelung nach den Bestimmungen des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer bzw. die Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt geschlossen haben. Danach betrugen die tariflichen Löhne und Gehälter ab dem 1. April 1998 92,5 %, ab dem 1. September 1998 94 % und ab dem 1. November 1998 100 % der tariflichen Löhne und Gehälter.
Die Beklagte hat das der Bewilligung zugrunde liegende Bemessungsentgelt ab dem 22. Juni 2000 wegen der Berücksichtigung von Einmalzahlungen vorläufig um 10 % auf 710 DM erhöht (Bescheid vom 26. Juli 2000).
In einem Teilvergleich hat sich die Beklagte verpflichtet, das Bemessungsentgelt wegen der Einmalzahlungen bereits rückwirkend ab dem 1. April 2000 pauschal um 10 % zu erhöhen.
Das Sozialgericht Dessau hat mit Urteil vom 24. Oktober 2001 den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 26. April 1999 und die hierzu ergangenen Folgebescheide dahingehend abzuändern, dass der Berechnung des Arbeitslosengeldes für die Monate April 1998 bis März 1999 ein Entgelt von insgesamt 35.230,44 DM zugrunde gelegt werde. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, es sei auch der Differenzbetrag zwischen den in der Arbeitsbescheinigung und den im Jahr 2000 anerkannten Entgelten bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes der Klägerin zu berücksichtigen, weil sie beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis einen Anspruch auf diese Beträge gehabt habe und sie ihr nur aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen seien. Die Zahlungsunfähigkeit müsse nicht bereits bei Entstehung des Anspruchs bestanden haben. Schon aus der Formulierung der Vorschrift folge, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens nur der Anspruch auf die Arbeitsentgelte bestanden haben müsse, nicht schon die Zahlungsunfähigkeit. Es genüge, wenn der Arbeitgeber den nachträglich festgestellten Anspruch wegen der Insolvenz tatsächlich nicht erfüllen könne, also ggf. nach Rechtskraft eines arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin habe bereits bei ihrem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis die später vom Insolvenzverwalter anerkannten höheren Entgeltansprüche gehabt. Diese ergäben sich aus § 3 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt und den Lohntabellen für 1998 und 1999 sowie der vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Hannover, für die D. G. GmbH am 17. März 1997 abgeschlossenen Härtefallregelung und § 3 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes. Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit seien die Tarifverträge bis zu deren Beendigung weiter anzuwenden. Nach der weiterhin anzuwendenden Härtefallregelung vom 17. März 1997 habe die Klägerin ab dem 1. April 1998 Anspruch auf 92,5 Prozent des tariflichen Entgelts, ab dem 1. September 1998 einen Anspruch auf 94 Prozent des tariflichen Entgelts sowie ab dem 1. November 1998 einen Anspruch auf 100 Prozent des tariflichen Entgelts gehabt. Die erhöhten Entgelte seien der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen. Die Ansprüche seien auch rechtzeitig geltend gemacht worden.
Gegen das ihr am 29. November 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. Januar 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe das Recht weder unrichtig angewandt, noch sei sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Sie habe das von der Klägerin im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigt. Ein höheres Entgelt als das zugrunde gelegte sei ihr nicht zugeflossen. Arbeitsentgelte gälten auch dann als erzielt, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen seien. Dieser Tatbestand sei nur ab 30. März 1999 erfüllt, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet worden sei. Zuvor habe von Zahlungsunfähigkeit im Sinne der genannten Vorschrift keine Rede sein können. Dass die Arbeitgeberin im Bemessungszeitraum der Klägerin nicht entsprechend dem Tarifvertrag Arbeitsentgelt gezahlt habe, sei nicht in der Zahlungsunfähigkeit begründet. Erst durch das Insolvenzverfahren sei der Tatbestand erfüllt. Ansonsten würden wegen temporärer wirtschaftlicher Probleme beim Arbeitgeber, der dann den tarifvertraglich geschuldeten Lohn nicht in voller Höhe zahle, grundsätzlich beim Eintritt der Arbeitslosigkeit der volle Lohn der Bemessung zugrunde zu legen sein, obwohl er nicht zugeflossen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, das einstmals so strikte Zuflussprinzip werde auch höchstrichterlich nicht mehr angewandt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Dessau, Az: 9 Ca 427/98, verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 14. April 2000 ohne Rechtsverstoß abgelehnt, den Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin ab 1. April 1999 neu zu berechnen.
Rechtsgrundlage ist zunächst § 44 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, wenn deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Sie hat vielmehr das Arbeitslosengeld, das der Klägerin seit 1. April 1999 zustand, zutreffend berechnet.
Nach § 129 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähige Kinder 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 591) die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet worden waren. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma D. G. GmbH vom 16. April 1999 waren beim Ausscheiden der Klägerin die Monate April bis Dezember 1998 und Januar bis März 1999 abgerechnet. Daraus ergibt sich, dass der Bemessungszeitraum die Zeit von April 1998 bis März 1999 umfasst. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig.
Das Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt (§ 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des AFRG). Für die Berechnung des Bemessungsentgelts ist das Entgelt im Bemessungszeitraum durch die Zahl der Wochen zu teilen, für die es gezahlt worden ist. Das Bemessungsentgelt war im Jahre 1999 auf den nächsten durch zehn teilbaren DM-Betrag zu runden (§ 132 Abs. 3 SGB III in der Fassung des AFRG). Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des AFRG ist für Zeiten einer Beschäftigung nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das der Arbeitslose erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.
Für den Bemessungszeitraum ist hier die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. März 1999 maßgeblich, weil das Entgelt für diese Zeit beim Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnet war. Abgerechnet ist ein Entgeltzeitraum nicht erst dann, wenn tatsächlich alle arbeitsrechtlich geschuldeten Leistungen korrekt abgerechnet sind. Es genügt vielmehr, dass das Arbeitsentgelt für eine bestimmte Zeit überhaupt, wenn auch in umstrittener Höhe, abgerechnet ist. Das ergibt sich bereits aus § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III, der die Berücksichtigung nachträglich für den Bemessungszeitraum gezahlten Arbeitsentgelts erlaubt.
Während des Bemessungszeitraums hat die Klägerin für die Monate April bis Dezember 1998 Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 24.029,87 DM erhalten. Für die Monate Januar bis März 1999 ist das Arbeitsentgelt zwar nicht gezahlt worden. Die Klägerin hat aber für diese Zeit Insolvenzgeld bezogen und zwar in Höhe von 9.252,81 DM. Ursächlich für das Ausbleiben des Arbeitsentgelts für die Monate Januar bis März 1999 war die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, so dass die für diese Zeit geschuldeten und durch das Insolvenzgeld "beglichenen" Entgelte bei der Berechnung des Bemessungsentgelts zu berücksichtigen sind. Das hat die Beklagte getan und der Berechnung des Bemessungsentgelts für die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses einen Betrag in Höhe des Insolvenzgelds zugrunde gelegt.
Weitere Arbeitsentgelte waren bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts und der Höhe des Arbeitslosengeldes ab 1. April 1999 nicht zu berücksichtigen. In das Bemessungsentgelt kann für die Monate April bis Dezember 1998 kein weiteres Arbeitsentgelt eingehen, obwohl die Klägerin das beansprucht, weil es ihr nicht zugeflossen ist. Die Zuflussfiktion des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt grundsätzlich dann nicht, wenn das Arbeitsentgelt, das nicht zugeflossen ist, bereits vor der Insolvenz fällig war und die Zahlung im Fälligkeitszeitpunkt nicht wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen verweigert worden ist. Zwischen der Nichtzahlung des zustehenden Arbeitsentgelts und der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers muss Kausalität bestanden haben. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach "nur" das wegen Zahlungsunfähigkeit nicht gezahlte Entgelt als Bemessungsentgelt berücksichtigt werden kann.
§ 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III knüpft an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) an. Danach sollte nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zugeflossenes Arbeitsentgelt in das Bemessungsentgelt eingehen, soweit es sich um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt, weil Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgeltes zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden sind, bei der Leistungsbemessung nicht schlechter dastehen dürfen als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden ist (vgl. Urteil vom 28. Juni 1995 – RAr 102/94 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 22). § 134 SGB III erweitert in Abs. 1 Satz 2 den Bereich der berücksichtigungsfähigen Entgelte um die Entgelte, die zwar geschuldet werden, aber wegen Zahlungsunfähigkeit nicht zugeflossen sind. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass Entgelte, die der Arbeitslose vor seinem Ausscheiden aus dem letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tatsächlich nicht erhalten hat, gleichwohl rückwirkend bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden sollen, wenn sich nachträglich, insbesondere aufgrund gerichtlicher Entscheidung, herausstellt, dass er dieses Entgelt beanspruchen konnte. Mit der Einschränkung, dass das Entgelt nachträglich auch zugeflossen ist bzw. nur wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht mehr zufließen kann, soll verhindert werden, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrages nachträglich rückwirkend auf ein höheres Arbeitsentgelt verständigen, ohne dass der Arbeitgeber den höheren Betrag auch an den Arbeitnehmer auszahlen muss (vgl. BT Drucks. 13/4941 S. 179). Aus der Gesetzesbegründung geht nicht eindeutig hervor, ob auch das Arbeitsentgelt, das zunächst nicht wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen nicht zugeflossen ist, dem Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist, wenn später Zahlungsunfähigkeit eintritt.
Ursache für die Vorenthaltung des Differenzbetrages, der nach der übereinstimmenden Erklärung der Klägerin und des Insolvenzverwalters tarifrechtlich geschuldet war, können hier entweder die Unkenntnis der Arbeitgeberin von der tariflichen Regelung oder Meinungsunterschiede über deren Geltung bzw. der mangelnde Wille sein, diese umzusetzen. Die Zahlung des geringeren Entgelts für die Monate April bis Dezember 1998 ist jedenfalls nicht unmittelbare Folge der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin, die offenbar erst Anfang des Jahres 1999 eingetreten ist. Die Zahlungsunfähigkeit hat bewirkt, dass ab 1. Januar 1999 überhaupt kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt wurde. Für die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses, also von Januar bis März 1999, ist der von der Klägerin und dem Insolvenzverwalter als geschuldetes Arbeitsentgelt genannte Betrag in das Bemessungsentgelt eingegangen.
Das BSG hatte seine Rechtsprechung zu § 112 AFG hauptsächlich darauf gestützt, dass die nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlten Lohnbestandteile in gleichem Umfang der Beitragspflicht unterliegen wie der bis zum Ausscheiden gezahlte Lohn. Bleiben derartige Nachzahlungen im Leistungsrecht unberücksichtigt, werden diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber sich objektiv vertragswidrig verhält, bei gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt, deren Lohnanspruch korrekt abgerechnet und bis zum Ausscheiden ausgezahlt worden ist. Auch unter dem Aspekt der Verwaltungspraktikabilität und dem Gebot einer Leistungsberechnung nach möglichst einfachen Maßstäben lasse sich kein hinreichender sachlicher Grund für eine Differenzierung finden, zumal der Arbeitslose insoweit keinen unmittelbaren Einfluss auf die rechtzeitige und vollständige Auszahlung des geschuldeten Lohns nehmen kann. Auch die vom Gesetz bezweckte beschleunigte Feststellung des zu gewährenden Arbeitslosengeldes biete insoweit keinen hinreichenden sachlichen Grund; denn das Interesse an rascher Leistungsfeststellung bestehe, wie sich aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) ergebe, bei Sozialleistungen allgemein. Ein Korrekturverbot lasse sich weder hieraus noch allgemein aus der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes herleiten (BSG, a.a.O.).
Ist nachträglich Arbeitsentgelt zugeflossen, bleibe zu prüfen, ob es sich bei der Nachzahlung um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt. Diese Prüfung soll nicht zwangsläufig und stets eine volle arbeitsrechtliche Untersuchung verlangen, sondern nur die rechtliche Zuordnung des Realaktes der Zahlung zu einer bestehenden Verpflichtung, zu deren Klärung die Vertragsparteien im Streitfall auch einvernehmliche Regelungen treffen können. Wurde der Arbeitgeber durch kontradiktorisches Urteil des Arbeitsgerichts zur nachträglichen Vertragserfüllung verurteilt, folge schon hieraus der Charakter der Zahlung auf die titulierte Schuld als nachträgliche Vertragserfüllung (BSG, a.a.O.). Das Gericht hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Berücksichtigung nachträglich zugeflossener Entgelte der Beklagten keine unübliche arbeitsrechtliche Prüfung abverlange, die sie als Massenverwaltung nicht leisten könne.
Übertragen auf angeblich geschuldete Entgelte, die nicht zugeflossen sind, muss § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III einschränkend dahin ausgelegt werden, dass ein enger Bezug zwischen dem Ausbleiben des Arbeitsentgelts und der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorliegen muss, damit nicht weiterreichende Prüfungen als beim Insolvenzgeld für die Feststellung des Bemessungsentgelts notwendig werden. Andernfalls würden im Rahmen der Arbeitslosengeldberechnung vielfach umfangreiche Ermittlungen zu arbeitsrechtlichen Fragen notwendig, die die Beklagte nicht leisten kann. Könnte der Arbeitnehmer gegenüber der Beklagten im Sozialverwaltungsverfahren alle nicht verfallenen, nicht verjährten streitigen Forderungen aus dem Bemessungszeitraum geltend machen, z. B. wegen Eingruppierungsfragen, behaupteter Überstunden, unberechtigter Lohnabzügen in der Vergangenheit usw., müssten die Arbeitsverwaltung und die Sozialgerichte eine eventuell komplizierte arbeitsrechtliche Prüfung vornehmen. Während das Erfordernis des späteren Zuflusses des Entgeltes in aller Regel die Gewähr bietet, dass der Arbeitgeber nur die Beträge zahlt, die geschuldet sind, gilt dies für ein Anerkennen von Ansprüchen durch den zahlungsunfähigen Arbeitgeber (insbesondere bei einer juristischen Person) oder den Insolvenzverwalter im Insolvenzfall nicht gleichermaßen. Beide laufen kaum Gefahr, die anerkannten Beträge tatsächlich auszahlen zu müssen. Auch werden unabhängige Erkenntnisquellen zumeist fehlen. Eine einschränkende Auslegung ist auch deshalb zulässig, weil für die Teile des Arbeitsentgelts, deren Berücksichtigung der Arbeitslose verlangt, an die Beklagte keine Beiträge gezahlt worden sind. Ansprüche, die vor der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers fällig waren und nicht zugeflossen sind, sind danach bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen (a. A. Valgolio in Hauck/Noftz SGB III, Lfg./02, § 134 Rdnr. 31; wohl auch Marschner in GK-SGB III, Mai 2005, § 131 Rdnr. 17; Coseriu/Jakob, Juni 2001, § 134 Rnr. 12).
Nur das geschuldete, aber wegen der Insolvenz der Firma D. G. nicht zugeflossene Arbeitsentgelt für die Monate Januar bis März 1999, nicht aber für das von der Klägerin für die Monate April bis Dezember 1998 zusätzlich beanspruchte Arbeitsentgelt geht neben dem zugeflossenen Arbeitsentgelt in das Bemessungsentgelt ein. § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III bewirkt damit, dass das Insolvenzgeld in das Bemessungsentgelt einbezogen wird, während das BSG in seiner früheren Rechtsprechung das Konkursausfallgeld nicht berücksichtigen wollte und das Arbeitentgelt für den Insolvenzzeitraum mit "0" angesetzt hat (vgl. Urteil vom 23. November 1988 – 7 RAr 38/87 – SozR 4100 § 112 AFG § 43).
Insgesamt hat die Klägerin im Bemessungszeitraum einschließlich des Insolvenzgeldes 33.282,68 DM in 52,2 Wochen bezogen. Daraus errechnet sich ein Wochenbetrag von 637,50 DM, der auf 640,00 DM aufzurunden war. Auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin war am 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Steuerlich berücksichtigungsfähige Kinder hat sie nicht. Das Arbeitslosengeld war deshalb nach der Leistungsgruppe A und dem allgemeinen Leistungssatz zu berechnen. Das hat die Beklagte getan.
Das Bemessungsentgelt war nach § 434c SGB III nicht für die Zeit vor dem 1. April 2000 zu erhöhen. Nach dieser Bestimmung ist das Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergibt, ab dem 1. Januar 1997 um zehn Prozent zu erhöhen, soweit sich die Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, der vor dem 1. Januar 2001 entstanden ist, nach § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung oder nach § 134 Abs. 1 SGB III in der vor dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung richtet. Die Erhöhung gilt für Ansprüche, über die am 21. Juni 2000 bereits unanfechtbar entschieden war, vom 22. Juni 2000 an. Der Überprüfungsantrag vom 1. März 2000 hat auf die Unanfechtbarkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides keinen Einfluss (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 25. März 2003 – B 7 AL 106/01 R und B 7 AL 114/01 R). Das BSG hat in den genannten Entscheidungen ausgeführt, dass die Gründe, warum es zu einer endgültigen unanfechtbaren Entscheidung gekommen ist, unerheblich sind.
Für die Zeit ab 1. April 2000 hat die Beklagte das Bemessungsentgelt entsprechend § 434c Abs. 1 SGB III angepasst und den inzwischen auf 650,00 DM angestiegenen Betrag (640,00 DM x 1,0159 = 650,81 DM, abgerundet auf 650,00 DM) um 10 % erhöht. Hierbei ist von dem ungerundeten Betrag auszugehen (637,50 DM + 10 % = 701,25 DM x 1,0159 = 712,51 DM, abgerundet 710 DM).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld. Das Urteil des Sozialgerichtes musste aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil zur Reichweite der Zuflussfiktion nach § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. und § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III n. F. noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin.
Die am 1945 geborene Klägerin meldete sich am 31. März 1999 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld ab 1. April 1999. Sie gab an, sie sei vom 1. September 1959 bis zum 31. März 1999 zuletzt als Montage-arbeiterin bei der D. G. GmbH in D. beschäftigt gewesen. Nach der Arbeitsbescheinigung vom 16. April 1999 bezog sie von April 1998 bis Dezember 1998 folgende Bruttomonatsentgelte: April: 2.713,44 DM, Mai: 2.717,67 DM, Juni 2.686,07 DM, Juli 2.653,58 DM, August: 2.619,20 DM, September: 2.572,76 DM, Oktober: 2.698,54 DM, November: 2.670,36 DM und im Dezember 2.698,25 DM. Für die Zeit von Januar bis zum 29. März 1999 erhielt sie Insolvenzgeld, das im Januar 3.087,76 DM, im Februar 3.055,90 DM und im März 3.109,15 DM betrug. Ihr Arbeitsverhältnis wurde am 31. März 1999 zum 30. Juni 1999 gekündigt und die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Das Amtsgericht Dessau eröffnete mit Beschluss vom 30. März 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. G. GmbH.
Die Beklagte gab dem Antrag statt und bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1. April 1999 an unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von 640,00 DM in wöchentlicher Höhe von 256,34 DM in der Leistungsgruppe A/0 (Bescheid vom 26. April 1999). Mit Bescheid vom 7. Januar 2000 erhöhte sie das Leistungsentgelt nach der Leistungsentgeltverordnung 2000 auf 262,29 DM.
Mit Schreiben vom 21. März 2000 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Höhe ihres Arbeitslosengeldes. Sie habe für die Zeit von April bis Dezember 1998 noch Anspruch auf Tarifnachzahlungen in Höhe von 1.947,76 DM, welche unstreitig seien. Insoweit müsse sich das Arbeitslosengeld erhöhen, unabhängig davon, ob die genannte Bruttosumme noch gezahlt werde oder nicht. Als Beleg fügte sie ihre Forderungsanmeldung für die vorgenannte Summe beim Insolvenzverwalter an. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. April 2000 ab, weil die vorgebrachten Tatsachen nicht entscheidungserheblich seien. Die Klägerin erhob Widerspruch und hielt daran fest, dass der offene Tariflohnanspruch bei dem Bemessungsentgelt berücksichtigt werden müsse. Die Vergütung fließe nur deshalb nicht, weil der Arbeitgeber zahlungsunfähig sei. Mit Bescheid vom 25. April 2000 passte die Beklagte das Bemessungsentgelt an.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2000 zurück und führte aus, Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber noch nicht erhalten habe, könne nur im Rahmen nachträglicher Vertragserfüllung berücksichtigt werden. Bei der Klägerin sei eine Tariferhöhung zum 1. April 1998 durch den ehemaligen Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden. Der Bemessung des Arbeitslosengeldes sei somit nicht das tarifliche Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden. Nach den Angaben des Insolvenzverwalters lägen Entscheidungen des Arbeitsgerichts Dessau vor, die den Rechtsanspruch auf diese Tariferhöhungen bestätigten. Der Arbeitgeber habe die Differenzbeträge zum bisherigen Arbeitsentgelt nicht gezahlt. Zwischenzeitlich befinde sich das Unternehmen im Insolvenzverfahren. Daher könnten die Tariflohnerhöhungen nicht gezahlt werden. Zum Zeitpunkt der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen sei das Unternehmen jedoch nicht insolvent gewesen. Eine Abrechnung des tariflichen Arbeitsentgelts für die Zeit von April bis Dezember 1998 liege ebenso nicht vor. Da das Arbeitsentgelt weder aufgerechnet noch zugeflossen sei, könne es bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen richtet sich die am 13. Oktober 2000 beim Sozialgericht Dessau eingegangene Klage. Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, dass es ausreiche, wenn die tarifgerechte Vergütung auf Grund der Insolvenz des Arbeitgebers auch nicht im Nachhinein gezahlt werde. Es sei nicht erforderlich, dass parallel mit den jeweiligen Monaten die Vergütung nicht gezahlt werde, weil der Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sei. Da der Verwalter die ursprünglich vom Arbeitgeber verweigerten Ansprüche unstreitig gestellt habe, fließe die Summe nur wegen der Insolvenz nicht zu. Die Berechtigung der Forderung ergebe sich aus dem Tarifvertrag. Sie sei seit 1950 Mitglied der Industriegewerkschaft Metall; der Arbeitgeber sei bis 31. Dezember 1997 ebenfalls Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt gewesen. Der betreffende Lohntarifvertrag habe auch nach dem Austritt des Arbeitgebers nachgegolten. Im übrigen bestehe auch eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel auf die einschlägigen Tarifverträge. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist zur Geltendmachung der Ansprüche habe sie eingehalten; im übrigen gebe es Rechtsprechung, wonach bei drohender Insolvenz die Ausschlussfristen nicht mehr greifen würden.
Die Klägerin hat ihren Arbeitsvertrag eingereicht, worin beim vereinbarten Entgelt aufgeführt ist, dass sich der derzeitige Tariflohn aus Lohn der Tarifgruppe LG 5 und Prämienlohn zusammensetze. Des weiteren hat sie eine Zusatzregelung über eine tarifliche Härtefallregelung vom 22. Juni 1998 beigefügt. Diese steht nach Ziff. 5 unter der Voraussetzung, dass für die Arbeitgeberin eine ungekündigte Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband besteht.
Das Sozialgericht hat die Handakte des DGB-Rechtsschutzes zum Arbeitsgerichtsprozess beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleistung Hannover am 17. März 1997 eine Härtefallregelung nach den Bestimmungen des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer bzw. die Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt geschlossen haben. Danach betrugen die tariflichen Löhne und Gehälter ab dem 1. April 1998 92,5 %, ab dem 1. September 1998 94 % und ab dem 1. November 1998 100 % der tariflichen Löhne und Gehälter.
Die Beklagte hat das der Bewilligung zugrunde liegende Bemessungsentgelt ab dem 22. Juni 2000 wegen der Berücksichtigung von Einmalzahlungen vorläufig um 10 % auf 710 DM erhöht (Bescheid vom 26. Juli 2000).
In einem Teilvergleich hat sich die Beklagte verpflichtet, das Bemessungsentgelt wegen der Einmalzahlungen bereits rückwirkend ab dem 1. April 2000 pauschal um 10 % zu erhöhen.
Das Sozialgericht Dessau hat mit Urteil vom 24. Oktober 2001 den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 26. April 1999 und die hierzu ergangenen Folgebescheide dahingehend abzuändern, dass der Berechnung des Arbeitslosengeldes für die Monate April 1998 bis März 1999 ein Entgelt von insgesamt 35.230,44 DM zugrunde gelegt werde. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, es sei auch der Differenzbetrag zwischen den in der Arbeitsbescheinigung und den im Jahr 2000 anerkannten Entgelten bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes der Klägerin zu berücksichtigen, weil sie beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis einen Anspruch auf diese Beträge gehabt habe und sie ihr nur aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen seien. Die Zahlungsunfähigkeit müsse nicht bereits bei Entstehung des Anspruchs bestanden haben. Schon aus der Formulierung der Vorschrift folge, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens nur der Anspruch auf die Arbeitsentgelte bestanden haben müsse, nicht schon die Zahlungsunfähigkeit. Es genüge, wenn der Arbeitgeber den nachträglich festgestellten Anspruch wegen der Insolvenz tatsächlich nicht erfüllen könne, also ggf. nach Rechtskraft eines arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin habe bereits bei ihrem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis die später vom Insolvenzverwalter anerkannten höheren Entgeltansprüche gehabt. Diese ergäben sich aus § 3 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt und den Lohntabellen für 1998 und 1999 sowie der vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt e. V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Hannover, für die D. G. GmbH am 17. März 1997 abgeschlossenen Härtefallregelung und § 3 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes. Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit seien die Tarifverträge bis zu deren Beendigung weiter anzuwenden. Nach der weiterhin anzuwendenden Härtefallregelung vom 17. März 1997 habe die Klägerin ab dem 1. April 1998 Anspruch auf 92,5 Prozent des tariflichen Entgelts, ab dem 1. September 1998 einen Anspruch auf 94 Prozent des tariflichen Entgelts sowie ab dem 1. November 1998 einen Anspruch auf 100 Prozent des tariflichen Entgelts gehabt. Die erhöhten Entgelte seien der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde zu legen. Die Ansprüche seien auch rechtzeitig geltend gemacht worden.
Gegen das ihr am 29. November 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. Januar 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe das Recht weder unrichtig angewandt, noch sei sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Sie habe das von der Klägerin im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigt. Ein höheres Entgelt als das zugrunde gelegte sei ihr nicht zugeflossen. Arbeitsentgelte gälten auch dann als erzielt, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen seien. Dieser Tatbestand sei nur ab 30. März 1999 erfüllt, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet worden sei. Zuvor habe von Zahlungsunfähigkeit im Sinne der genannten Vorschrift keine Rede sein können. Dass die Arbeitgeberin im Bemessungszeitraum der Klägerin nicht entsprechend dem Tarifvertrag Arbeitsentgelt gezahlt habe, sei nicht in der Zahlungsunfähigkeit begründet. Erst durch das Insolvenzverfahren sei der Tatbestand erfüllt. Ansonsten würden wegen temporärer wirtschaftlicher Probleme beim Arbeitgeber, der dann den tarifvertraglich geschuldeten Lohn nicht in voller Höhe zahle, grundsätzlich beim Eintritt der Arbeitslosigkeit der volle Lohn der Bemessung zugrunde zu legen sein, obwohl er nicht zugeflossen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, das einstmals so strikte Zuflussprinzip werde auch höchstrichterlich nicht mehr angewandt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Dessau, Az: 9 Ca 427/98, verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, da der Streitwert die Beschwerdegrenze von 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil ist rechtswidrig. Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 14. April 2000 ohne Rechtsverstoß abgelehnt, den Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin ab 1. April 1999 neu zu berechnen.
Rechtsgrundlage ist zunächst § 44 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, wenn deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Sie hat vielmehr das Arbeitslosengeld, das der Klägerin seit 1. April 1999 zustand, zutreffend berechnet.
Nach § 129 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähige Kinder 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 591) die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet worden waren. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma D. G. GmbH vom 16. April 1999 waren beim Ausscheiden der Klägerin die Monate April bis Dezember 1998 und Januar bis März 1999 abgerechnet. Daraus ergibt sich, dass der Bemessungszeitraum die Zeit von April 1998 bis März 1999 umfasst. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig.
Das Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt (§ 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des AFRG). Für die Berechnung des Bemessungsentgelts ist das Entgelt im Bemessungszeitraum durch die Zahl der Wochen zu teilen, für die es gezahlt worden ist. Das Bemessungsentgelt war im Jahre 1999 auf den nächsten durch zehn teilbaren DM-Betrag zu runden (§ 132 Abs. 3 SGB III in der Fassung des AFRG). Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des AFRG ist für Zeiten einer Beschäftigung nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das der Arbeitslose erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.
Für den Bemessungszeitraum ist hier die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. März 1999 maßgeblich, weil das Entgelt für diese Zeit beim Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnet war. Abgerechnet ist ein Entgeltzeitraum nicht erst dann, wenn tatsächlich alle arbeitsrechtlich geschuldeten Leistungen korrekt abgerechnet sind. Es genügt vielmehr, dass das Arbeitsentgelt für eine bestimmte Zeit überhaupt, wenn auch in umstrittener Höhe, abgerechnet ist. Das ergibt sich bereits aus § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III, der die Berücksichtigung nachträglich für den Bemessungszeitraum gezahlten Arbeitsentgelts erlaubt.
Während des Bemessungszeitraums hat die Klägerin für die Monate April bis Dezember 1998 Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 24.029,87 DM erhalten. Für die Monate Januar bis März 1999 ist das Arbeitsentgelt zwar nicht gezahlt worden. Die Klägerin hat aber für diese Zeit Insolvenzgeld bezogen und zwar in Höhe von 9.252,81 DM. Ursächlich für das Ausbleiben des Arbeitsentgelts für die Monate Januar bis März 1999 war die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, so dass die für diese Zeit geschuldeten und durch das Insolvenzgeld "beglichenen" Entgelte bei der Berechnung des Bemessungsentgelts zu berücksichtigen sind. Das hat die Beklagte getan und der Berechnung des Bemessungsentgelts für die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses einen Betrag in Höhe des Insolvenzgelds zugrunde gelegt.
Weitere Arbeitsentgelte waren bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts und der Höhe des Arbeitslosengeldes ab 1. April 1999 nicht zu berücksichtigen. In das Bemessungsentgelt kann für die Monate April bis Dezember 1998 kein weiteres Arbeitsentgelt eingehen, obwohl die Klägerin das beansprucht, weil es ihr nicht zugeflossen ist. Die Zuflussfiktion des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt grundsätzlich dann nicht, wenn das Arbeitsentgelt, das nicht zugeflossen ist, bereits vor der Insolvenz fällig war und die Zahlung im Fälligkeitszeitpunkt nicht wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen verweigert worden ist. Zwischen der Nichtzahlung des zustehenden Arbeitsentgelts und der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers muss Kausalität bestanden haben. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach "nur" das wegen Zahlungsunfähigkeit nicht gezahlte Entgelt als Bemessungsentgelt berücksichtigt werden kann.
§ 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III knüpft an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) an. Danach sollte nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zugeflossenes Arbeitsentgelt in das Bemessungsentgelt eingehen, soweit es sich um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt, weil Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgeltes zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden sind, bei der Leistungsbemessung nicht schlechter dastehen dürfen als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden ist (vgl. Urteil vom 28. Juni 1995 – RAr 102/94 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 22). § 134 SGB III erweitert in Abs. 1 Satz 2 den Bereich der berücksichtigungsfähigen Entgelte um die Entgelte, die zwar geschuldet werden, aber wegen Zahlungsunfähigkeit nicht zugeflossen sind. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass Entgelte, die der Arbeitslose vor seinem Ausscheiden aus dem letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tatsächlich nicht erhalten hat, gleichwohl rückwirkend bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden sollen, wenn sich nachträglich, insbesondere aufgrund gerichtlicher Entscheidung, herausstellt, dass er dieses Entgelt beanspruchen konnte. Mit der Einschränkung, dass das Entgelt nachträglich auch zugeflossen ist bzw. nur wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht mehr zufließen kann, soll verhindert werden, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrages nachträglich rückwirkend auf ein höheres Arbeitsentgelt verständigen, ohne dass der Arbeitgeber den höheren Betrag auch an den Arbeitnehmer auszahlen muss (vgl. BT Drucks. 13/4941 S. 179). Aus der Gesetzesbegründung geht nicht eindeutig hervor, ob auch das Arbeitsentgelt, das zunächst nicht wegen Zahlungsunfähigkeit, sondern aus anderen Gründen nicht zugeflossen ist, dem Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist, wenn später Zahlungsunfähigkeit eintritt.
Ursache für die Vorenthaltung des Differenzbetrages, der nach der übereinstimmenden Erklärung der Klägerin und des Insolvenzverwalters tarifrechtlich geschuldet war, können hier entweder die Unkenntnis der Arbeitgeberin von der tariflichen Regelung oder Meinungsunterschiede über deren Geltung bzw. der mangelnde Wille sein, diese umzusetzen. Die Zahlung des geringeren Entgelts für die Monate April bis Dezember 1998 ist jedenfalls nicht unmittelbare Folge der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin, die offenbar erst Anfang des Jahres 1999 eingetreten ist. Die Zahlungsunfähigkeit hat bewirkt, dass ab 1. Januar 1999 überhaupt kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt wurde. Für die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses, also von Januar bis März 1999, ist der von der Klägerin und dem Insolvenzverwalter als geschuldetes Arbeitsentgelt genannte Betrag in das Bemessungsentgelt eingegangen.
Das BSG hatte seine Rechtsprechung zu § 112 AFG hauptsächlich darauf gestützt, dass die nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlten Lohnbestandteile in gleichem Umfang der Beitragspflicht unterliegen wie der bis zum Ausscheiden gezahlte Lohn. Bleiben derartige Nachzahlungen im Leistungsrecht unberücksichtigt, werden diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber sich objektiv vertragswidrig verhält, bei gleicher Beitragsleistung leistungsrechtlich gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt, deren Lohnanspruch korrekt abgerechnet und bis zum Ausscheiden ausgezahlt worden ist. Auch unter dem Aspekt der Verwaltungspraktikabilität und dem Gebot einer Leistungsberechnung nach möglichst einfachen Maßstäben lasse sich kein hinreichender sachlicher Grund für eine Differenzierung finden, zumal der Arbeitslose insoweit keinen unmittelbaren Einfluss auf die rechtzeitige und vollständige Auszahlung des geschuldeten Lohns nehmen kann. Auch die vom Gesetz bezweckte beschleunigte Feststellung des zu gewährenden Arbeitslosengeldes biete insoweit keinen hinreichenden sachlichen Grund; denn das Interesse an rascher Leistungsfeststellung bestehe, wie sich aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) ergebe, bei Sozialleistungen allgemein. Ein Korrekturverbot lasse sich weder hieraus noch allgemein aus der Lohnersatzfunktion des Arbeitslosengeldes herleiten (BSG, a.a.O.).
Ist nachträglich Arbeitsentgelt zugeflossen, bleibe zu prüfen, ob es sich bei der Nachzahlung um eine nachträgliche Vertragserfüllung handelt. Diese Prüfung soll nicht zwangsläufig und stets eine volle arbeitsrechtliche Untersuchung verlangen, sondern nur die rechtliche Zuordnung des Realaktes der Zahlung zu einer bestehenden Verpflichtung, zu deren Klärung die Vertragsparteien im Streitfall auch einvernehmliche Regelungen treffen können. Wurde der Arbeitgeber durch kontradiktorisches Urteil des Arbeitsgerichts zur nachträglichen Vertragserfüllung verurteilt, folge schon hieraus der Charakter der Zahlung auf die titulierte Schuld als nachträgliche Vertragserfüllung (BSG, a.a.O.). Das Gericht hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Berücksichtigung nachträglich zugeflossener Entgelte der Beklagten keine unübliche arbeitsrechtliche Prüfung abverlange, die sie als Massenverwaltung nicht leisten könne.
Übertragen auf angeblich geschuldete Entgelte, die nicht zugeflossen sind, muss § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III einschränkend dahin ausgelegt werden, dass ein enger Bezug zwischen dem Ausbleiben des Arbeitsentgelts und der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorliegen muss, damit nicht weiterreichende Prüfungen als beim Insolvenzgeld für die Feststellung des Bemessungsentgelts notwendig werden. Andernfalls würden im Rahmen der Arbeitslosengeldberechnung vielfach umfangreiche Ermittlungen zu arbeitsrechtlichen Fragen notwendig, die die Beklagte nicht leisten kann. Könnte der Arbeitnehmer gegenüber der Beklagten im Sozialverwaltungsverfahren alle nicht verfallenen, nicht verjährten streitigen Forderungen aus dem Bemessungszeitraum geltend machen, z. B. wegen Eingruppierungsfragen, behaupteter Überstunden, unberechtigter Lohnabzügen in der Vergangenheit usw., müssten die Arbeitsverwaltung und die Sozialgerichte eine eventuell komplizierte arbeitsrechtliche Prüfung vornehmen. Während das Erfordernis des späteren Zuflusses des Entgeltes in aller Regel die Gewähr bietet, dass der Arbeitgeber nur die Beträge zahlt, die geschuldet sind, gilt dies für ein Anerkennen von Ansprüchen durch den zahlungsunfähigen Arbeitgeber (insbesondere bei einer juristischen Person) oder den Insolvenzverwalter im Insolvenzfall nicht gleichermaßen. Beide laufen kaum Gefahr, die anerkannten Beträge tatsächlich auszahlen zu müssen. Auch werden unabhängige Erkenntnisquellen zumeist fehlen. Eine einschränkende Auslegung ist auch deshalb zulässig, weil für die Teile des Arbeitsentgelts, deren Berücksichtigung der Arbeitslose verlangt, an die Beklagte keine Beiträge gezahlt worden sind. Ansprüche, die vor der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers fällig waren und nicht zugeflossen sind, sind danach bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen (a. A. Valgolio in Hauck/Noftz SGB III, Lfg./02, § 134 Rdnr. 31; wohl auch Marschner in GK-SGB III, Mai 2005, § 131 Rdnr. 17; Coseriu/Jakob, Juni 2001, § 134 Rnr. 12).
Nur das geschuldete, aber wegen der Insolvenz der Firma D. G. nicht zugeflossene Arbeitsentgelt für die Monate Januar bis März 1999, nicht aber für das von der Klägerin für die Monate April bis Dezember 1998 zusätzlich beanspruchte Arbeitsentgelt geht neben dem zugeflossenen Arbeitsentgelt in das Bemessungsentgelt ein. § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III bewirkt damit, dass das Insolvenzgeld in das Bemessungsentgelt einbezogen wird, während das BSG in seiner früheren Rechtsprechung das Konkursausfallgeld nicht berücksichtigen wollte und das Arbeitentgelt für den Insolvenzzeitraum mit "0" angesetzt hat (vgl. Urteil vom 23. November 1988 – 7 RAr 38/87 – SozR 4100 § 112 AFG § 43).
Insgesamt hat die Klägerin im Bemessungszeitraum einschließlich des Insolvenzgeldes 33.282,68 DM in 52,2 Wochen bezogen. Daraus errechnet sich ein Wochenbetrag von 637,50 DM, der auf 640,00 DM aufzurunden war. Auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin war am 1. Januar 1999 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Steuerlich berücksichtigungsfähige Kinder hat sie nicht. Das Arbeitslosengeld war deshalb nach der Leistungsgruppe A und dem allgemeinen Leistungssatz zu berechnen. Das hat die Beklagte getan.
Das Bemessungsentgelt war nach § 434c SGB III nicht für die Zeit vor dem 1. April 2000 zu erhöhen. Nach dieser Bestimmung ist das Bemessungsentgelt, das sich vor der Rundung ergibt, ab dem 1. Januar 1997 um zehn Prozent zu erhöhen, soweit sich die Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, der vor dem 1. Januar 2001 entstanden ist, nach § 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung oder nach § 134 Abs. 1 SGB III in der vor dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung richtet. Die Erhöhung gilt für Ansprüche, über die am 21. Juni 2000 bereits unanfechtbar entschieden war, vom 22. Juni 2000 an. Der Überprüfungsantrag vom 1. März 2000 hat auf die Unanfechtbarkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides keinen Einfluss (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 25. März 2003 – B 7 AL 106/01 R und B 7 AL 114/01 R). Das BSG hat in den genannten Entscheidungen ausgeführt, dass die Gründe, warum es zu einer endgültigen unanfechtbaren Entscheidung gekommen ist, unerheblich sind.
Für die Zeit ab 1. April 2000 hat die Beklagte das Bemessungsentgelt entsprechend § 434c Abs. 1 SGB III angepasst und den inzwischen auf 650,00 DM angestiegenen Betrag (640,00 DM x 1,0159 = 650,81 DM, abgerundet auf 650,00 DM) um 10 % erhöht. Hierbei ist von dem ungerundeten Betrag auszugehen (637,50 DM + 10 % = 701,25 DM x 1,0159 = 712,51 DM, abgerundet 710 DM).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld. Das Urteil des Sozialgerichtes musste aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil zur Reichweite der Zuflussfiktion nach § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III a. F. und § 131 Abs. 1 Satz 2 SGB III n. F. noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.
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