L 4 KR 192/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 33/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 192/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 16/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 8. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Beigeladene zu 3) trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 3) und Berufungskläger für den Kläger in der Zeit vom 01.01.1988 bis 31.08.1992 den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung nachzuentrichten hat.

Am 29.11.1987 schloss der 1961 geborene Kläger mit dem Beigeladenen zu 3) einen Arbeitsvertrag (BAT-Schulleiter). Die Vergütung sollte nach Vc BAT erfolgen, ein Nettogehalt ab 01.01.1988 von 2.400,00 DM war vereinbart. Als Schulleiter sollte er selbst 30 Unterrichtsstunden à 30 Minuten wöchentlich erteilen. Beiträge wurden lediglich bis 31.12.1987 an die Barmer Ersatzkasse abgeführt. Weshalb eine weitere Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nicht erfolgte, begründete der Kläger damit, der Beigeladene zu 3) habe ihn seit 01.01.1988 als Geringverdiener angemeldet. Es seien aber 2.400,00 DM bezahlt worden. Der frühere Steuerberater des Beigeladenen zu 3) gab dagegen an, der Kläger selbst habe gewünscht, als versicherungsfreier Beschäftigter geführt zu werden. Er hätte für seine Rentenversicherung selbst Vorsorge getroffen. Es bestand ab 01.01.1988 privater Krankenversicherungsschutz.

Kläger und Beigeladener zu 3) führten mehrere Verfahren in der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Der Beigeladene zu 3) wurde verurteilt, an den Kläger 300,00 DM brutto Urlaubsgeld für das Jahr 1991 zu bezahlen und für den Kläger Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung für die Dauer der Beschäftigung vom 01.01.1988 bis einschließlich 30.08.1992 nachzuentrichten.

Nachdem der Beigeladene zu 3) aufgrund dieses Urteils Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 17.996,00 DM an die BfA bezahlt hatte, bat diese die Beklagte um Klärung der Versicherungspflicht für den Kläger.

Nachdem die Beklagte dem Beigeladenen zu 3) mit Schreiben vom 17.05.1995 mitgeteilt hatte, die Überprüfung der vorliegenden Unterlagen habe ergeben, Sozialversicherungspflicht bestehe auch in der Rentenversicherung, gab die erste Vorsitzende des Trägervereins des Beigeladenen zu 3) am 19.05.1995 ihre Auffassung bekannt, der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht weisungsgebunden gewesen, er sei die einzige Fachkraft gewesen, die über Branchenkenntnisse verfügt habe. Er habe seine Leitertätigkeit in vollkommener Unabhängigkeit ausüben können und sei außerdem als Mitglied im Trägerverein nicht gleichzeitig dessen Arbeitnehmer gewesen.

Mit Bescheid vom 20.11.1995 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei vom 01.01.1988 bis 31.08.1992 als Leiter der G. e.V. E. nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er sei nicht in das Unternehmen eingegliedert gewesen, habe seine Tätigkeit unabhängig ausgeübt, sei an keinen bestimmten Unterrichtsort gebunden gewesen, sei zeitlich unabhängig und an keinerlei Weisungen gebunden gewesen.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 29.12.1995 Widerspruch ein. Die BfA erstattete den vom Beigeladenen zu 3) bezahlten Betrag von 17.996,00 DM und informierte darüber den Kläger.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.1997 als unbegründet zurückgewiesen. Sie bezog sich zur Begründung auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Honorarkräften an Schulen.

Gegen diese Bescheide richtete sich die am 21.04.1997 beim Sozialgericht Regensburg eingegangene Klage, mit der beantragt wurde, die Beitragspflicht des Klägers zu Renten- und Arbeitslosenversicherung anzuerkennen. Nach Beiladungen und Beiziehung der Akten des Arbeitsgerichts W. und Vorlage einer Gehaltsabrechnung des Klägers vom 01.07.1991 bis 31.07.1991 sowie Schreiben des Beigeladenen zu 3) an den Kläger wegen Meldung von Nebentätigkeiten und einem Hinweisschreiben auf arbeitsrechtliche Konsequenzen fand am 20.03.2003 ein Erörterungstermin statt, in dem Kläger und Beigeladener zu 3) einen widerruflichen Vergleich dahingehend schlossen, dass die beiden Beteiligten sich darüber einig seien, der Beigeladene zu 3) habe den Arbeitgeberanteil und der Kläger den Arbeitnehmeranteil aus seinen Rentenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.01.1988 bis 31.08.1992 an die Beklagte abzuführen. Im Fall des Widerrufs wurde auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen.

Die Beklagte hat für die streitgegenständliche Zeit den jeweiligen Arbeitnehmer- und Arbeitgebereanteil zur Rentenversicherung mit 10.665,36 EUR errechnet. Die früheren Bevollmächtigten widerriefen den Vergleich mit Schreiben vom 11.04.2003.

Das Sozialgericht hob mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2003 den Bescheid der Beklagten vom 20.11.1995 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18.03.1997 auf. Der Beigeladene zu 3) wurde verurteilt, an die Beklagte Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung des Klägers für die Zeit vom 01.01.1988 bis 31.08.1992 in Höhe von insgesamt 10.665,36 DM nachzuentrichten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig, weil der Kläger nicht nur bis 31.12.1987, sondern auch noch bis 31.08.1992 beim Beigeladenen zu 3) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Rechtskraft der Urteile der Arbeitsgerichtsbarkeit, sofern dort in eigener Zuständigkeit die Arbeitnehmereigenschaft des Klägeres festgestellt worden sei, erstrecke sich auch auf den Sachverhalt, soweit über ihn die Beklagte zu befinden gehabt habe. Es sei außerdem zur Überzeugung des Gerichts nicht im Geringsten zu bezweifeln, dass der Kläger Arbeitnehmer des Beigeladenen zu 3) gewesen sei. Das Verhältnis des Klägers zum Beigeladenen zu 3) habe sich versicherungsrechtlich ab 01.01.1988 nicht deshalb gewandelt, weil - aus welchem Grund auch immer - beide Seiten es für vorteilhaft erachtet hätten, keine Sozialversicherungsbeiträge mehr abzuführen. Dies sei nur durch wahrheitswidrige Behauptungen möglich gewesen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Weiden treffe den Kläger ein Mitverschulden an der Nichtabführung von Beiträgen. Aus dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ergebe sich die Verpflichtung des Beigeladenen zu 3), Beiträge an die Beklagte abzuführen (§ 174 SGB VI i.V.m. § 28e SGB IV). Grundsätzlich hätte der Beigeladene zu 3) damit auch den Arbeitnehmeranteil des Klägers an die Beklagte abführen müssen. Weil sich der Kläger in eklatanter Weise rechtsmissbräuchlich verhalten habe, könne er nicht verlangen, dass der Beigeladene zu 3) nunmehr auch noch den Arbeitnehmeranteil für ihn abführe. Wenn er erreichen wolle, dass sich dieser Anteil rentensteigernd auswirke, könne er ihn selbst nachentrichten. Aus all diesen Gründen konnte die Klage nur teilweise Erfolg haben. Es seien deshalb keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Beigeladenen zu 3). Die Berufung wird damit begründet, der Kläger als Leiter der Musikschule habe nicht vom Beigeladenen zu 3) beeinflusst werden könnten. Eine Weisungsbefugnis habe nicht vorgelegen, ebenso wenig eine Eingliederung in den Betrieb der Musikschule. Die teilweise abgeschlossenen Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen könnten nur ein Indiz für eine Arbeitnehmereigenschaft darstellen. Es sei auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Der frühere Mitarbeiter des Beigeladenen und der Kläger hätten zusammengewirkt, um ein freies Mitarbeiterverhältnis darzustellen. Der Kläger habe sich selbst zum 01.01.1988 bei der Barmer Ersatzkasse als geringfügig beschäftigt gemeldet. Dieses eigene, gegebenenfalls rechtswidrige Verhalten könne nicht dazu führen, dass der Beigeladene zu 3) auch weiterhin für den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung hafte.

Der Beigeladene zu 3) und Berufungskläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 08.07.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1997 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er habe sich nie als geringfügig Beschäftigter angemeldet.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie geht in ihrer Stellungnahme davon aus, bei der Tätigkeit des Klägers bei dem Beigeladenen zu 3) habe es sich um eine abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nunmehr bestritten werde, dass ein Arbeitsverhältnis habe bestanden. Auch wenn das Urteil des Sozialgerichts nicht recht verständlich sei, könne man mit dem Ergebnis leben.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Kläger hat in der streitgegenständlichen Zeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs.1 SGB IV gestanden. Grundsätzlich schließt die Vereinsmitgliedschaft nicht aus, dass zwischen dem Mitglied und seinem Verein zusätzlich auch ein Beschäftigungsverhältnis besteht (Seewald, KassKomm, Rz.85 zu § 7 SGB IV). Die frühere Rechtsauffassung der Beklagten und die immer noch vertretene Auffassung des Beigeladenen zu 3), ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor, wird nicht durch Tatsachen erhärtet. Kläger und Beigeladene zu 3) haben einen Arbeitsvertrag geschlossen, der die typischen Einzelheiten einer abhängigen Beschäftigung regelt. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass es sich entgegen der von der Beklagten zur Stützung ihrer Auffassung zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beim Kläger nicht um einen auf Honorarbasis beschäftigten Lehrer handelt. Der Kläger war primär Leiter der Musikschule und zusätzlich verpflichtet, als Lehrer tätig zu sein. Die Zahl der Unterrichtsstunden ist vertraglich festgelegt. Die Vergütung sollte sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag richten, der nur für abhängig Beschäftigte gilt. Es ist außerdem eine Urlaubsregelung getroffen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sowohl Kläger wie Beigeladener zu 3) sämtliche, das Beschäftigungsverhältnis betreffende Streitigkeiten während dessen Bestand vor dem Arbeitsgericht geführt haben. Wenn von freier Mitarbeit ausgegangen worden wäre, wäre die Zivilgerichtsbarkeit zuständig gewesen.

Soweit das Erstgericht also davon ausgeht, dass keinerlei Zweifel an einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bestehen, stimmt der Senat dem zu. Dazu ist der Berufungskläger bereits durch die vorangegangenen, je einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Verfahren (so L 4 KR 185-189/03) aufgeklärt worden. Der Senat stimmt auch der Auffassung der Beklagten zu, dass aus dem Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung folgt. Dies ergibt sich für die allein noch streitige Versicherungspflicht zur Rentenversicherung aus § 1 Abs.1 Nr.1 SGB VI. Den Beitrag zur Rentenversicherung hat gemäß § 174 Abs.1 SGB VI i.V.m. § 28e Abs.1 Satz 1 SGB IV der Arbeitgeber zu tragen, hier also der Beigeladene zu 3). Die Rechtsauffassung des Erstgerichts, der Beigeladene zu 3) habe lediglich den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen, findet zwar keine Stütze im Gesetz, worüber hier aber mangels Berufung des Klägers nicht zu entscheiden ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Beigeladenen zu 3) auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved