Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 109/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 8/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Anspruchsüberleitung nach § 93 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – (SGB XII) streitig.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.05.1989 erwarb der Kläger die im Grundbuch von W. Blatt verzeichneten Parzellen Gemarkung W., Flur , Flurstücke und mit aufstehenden Gebäulichkeiten. In § 4a dieses Vertrages heißt es:
"Der Käufer räumt Frau B.L. geb. L1, geb. 1909, ein lebenslängliches Wohnungsrecht in dem mitgekauften Wohnhaus in der bisherigen Weise ein. Das Wohnungsrecht ist unentgeltlich zu gewähren, wobei jedoch Licht, Heizung und Wasser von Frau B.L. zu tragen sind ...”
Frau L. war vom 01.10.2002 bis zu ihrem Tode 2005 in einer stationären Einrichtung untergebracht. Der Beklagte übernahm die durch Einkommen und Leistungen der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der Heimpflege seit dem 01.07.2004 im Rahmen der Hilfe zur Pflege.
Mit Bescheid vom 11.05.2005 leitete der Beklagte sämtliche mögliche Ansprüche aus dem Wohnrecht gem. § 4a des notariellen Kaufvertrages auf sich über.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es handele sich um ein privatrechtliches – nicht dinglich eingetragenes – Wohnrecht, dessen Überleitung strittig sei. Selbst wenn eine Überleitung möglich wäre, könnten keine Zahlungen festgesetzt werden, da der Wert des Wohnrechts wegen des Zustandes des Gebäudes gegen Null gehe.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2005 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, eine Überleitung von Ansprüchen sei nur dann ausgeschlossen, wenn nach objektivem Recht evident kein Anspruch bestehe. Dies sei hier nicht der Fall, denn es kämen Ansprüche dem Altenteilsrecht (Artikel 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) i. V. m. Artikel 15 § 9 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum BGB) in Betracht. Danach habe der Verpflichtete dem Berechtigten eine Geldrente zu gewähren, die nach billigem Ermessen dem Wert der Vorteile entspreche, welche der Verpflichtete durch die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung erlange, wenn der Berechtigte genötigt sei, das Grundstück dauernd zu verlassen. Soweit der Verpflichtete selbst bzw. andere Personen die dem Wohnrecht unterliegenden Räume nutzen würden, kämen Ansprüche der Leistungsberechtigten gegen den Verpflichteten auf Unterlassung und Beseitigung in Betracht. Bei einer Fremdvermietung stehe der eingenommene Mietzins der Leistungsberechtigten zu, daneben kämen bei Eingriffen in das Wohnrecht durch den Verpflichteten Schadensersatz-, Herausgabe-, Nutzungs- sowie Wertersatzansprüche in Betracht.
Der Kläger hat am 23.06.2005 Klage erhoben und führt zur Begründung aus, ein überleitungsfähiger Anspruch liege nicht vor, denn das schuldrechtlich vereinbarte Wohnungsrecht sei ein höchstpersönliches Recht der Frau L.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 08.06.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist zur Begründung auf seinen Bescheid vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2005.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2005 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bescheide sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht den Übergang möglicher Ansprüche der Hilfeempfängerin L. gegen den Kläger auf sich bewirkt.
Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige bewirken, dass ein Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht, sofern eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht wurden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, hat.
Der Beklagte hat für Frau L. die durch Einkommen und Leistungen der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der Heimpflege seit dem 01.07.2004 im Rahmen der Hilfe zur Pflege übernommen, so dass eine tatsächliche Hilfegewährung vorgelegen hat (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, §93 Rn. 6).
Nach Auffassung der Kammer besteht auch ein überleitungsfähiger Anspruch. Eine Überleitung von Ansprüchen nach § 93 Abs. 1 SGB XII ist nur dann ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht (sog. Negativevidenz, BVerwGWE 34, 219; 34, 260); Denn wäre das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, müßte das Sozialgericht auch über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen entscheiden. Eine derartige Überprüfung ist aber mit dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem nicht zu vereinbaren. Es soll verhindert werden, dass das Gericht letztverantwortlich beispielsweise zivilrechtlich umstrittene Fragen entscheidet (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, §93 Rn. 10). Der Hilfeempfängerin L. ist in §4a des notariellen Kaufvertrages vom 19.05.1989 ein lebenslängliches Wohnungsrecht in dem von dem Kläger mitgekauften Wohnhaus eingeräumt worden. Aus diesem Wohnrecht können, wie der Beklagte zu Recht ausführt, verschiedene Ansprüche resultieren. So kommen z.B. Nutzungs- und Wertersatzansprüche in Betracht, aber auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Herausgabe. Dabei steht es dem Grundsatz der Negativevidenz nicht entgegen, ob es sich um ein dingliches oder, wie der Kläger vorträgt, um ein schuldrechtliches Wohnrecht handelt (vgl. OVG Münster, FEVS 52, 128). Dass grundsätzlich jeder Anspruch überleitungsfähig ist, kommt im übrigen auch in §93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII zu Ausdruck. Danach ist ein Übergang nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.
Ob und in welcher Höhe der Beklagte letztlich Zahlungsforderungen gegen den Kläger stellen kann, auch im Hinblick auf den Wert des Wohnrechts, bleibt einem zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Anspruchsüberleitung nach § 93 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – (SGB XII) streitig.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19.05.1989 erwarb der Kläger die im Grundbuch von W. Blatt verzeichneten Parzellen Gemarkung W., Flur , Flurstücke und mit aufstehenden Gebäulichkeiten. In § 4a dieses Vertrages heißt es:
"Der Käufer räumt Frau B.L. geb. L1, geb. 1909, ein lebenslängliches Wohnungsrecht in dem mitgekauften Wohnhaus in der bisherigen Weise ein. Das Wohnungsrecht ist unentgeltlich zu gewähren, wobei jedoch Licht, Heizung und Wasser von Frau B.L. zu tragen sind ...”
Frau L. war vom 01.10.2002 bis zu ihrem Tode 2005 in einer stationären Einrichtung untergebracht. Der Beklagte übernahm die durch Einkommen und Leistungen der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der Heimpflege seit dem 01.07.2004 im Rahmen der Hilfe zur Pflege.
Mit Bescheid vom 11.05.2005 leitete der Beklagte sämtliche mögliche Ansprüche aus dem Wohnrecht gem. § 4a des notariellen Kaufvertrages auf sich über.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es handele sich um ein privatrechtliches – nicht dinglich eingetragenes – Wohnrecht, dessen Überleitung strittig sei. Selbst wenn eine Überleitung möglich wäre, könnten keine Zahlungen festgesetzt werden, da der Wert des Wohnrechts wegen des Zustandes des Gebäudes gegen Null gehe.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2005 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, eine Überleitung von Ansprüchen sei nur dann ausgeschlossen, wenn nach objektivem Recht evident kein Anspruch bestehe. Dies sei hier nicht der Fall, denn es kämen Ansprüche dem Altenteilsrecht (Artikel 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) i. V. m. Artikel 15 § 9 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum BGB) in Betracht. Danach habe der Verpflichtete dem Berechtigten eine Geldrente zu gewähren, die nach billigem Ermessen dem Wert der Vorteile entspreche, welche der Verpflichtete durch die Befreiung von der Pflicht zur Gewährung der Wohnung erlange, wenn der Berechtigte genötigt sei, das Grundstück dauernd zu verlassen. Soweit der Verpflichtete selbst bzw. andere Personen die dem Wohnrecht unterliegenden Räume nutzen würden, kämen Ansprüche der Leistungsberechtigten gegen den Verpflichteten auf Unterlassung und Beseitigung in Betracht. Bei einer Fremdvermietung stehe der eingenommene Mietzins der Leistungsberechtigten zu, daneben kämen bei Eingriffen in das Wohnrecht durch den Verpflichteten Schadensersatz-, Herausgabe-, Nutzungs- sowie Wertersatzansprüche in Betracht.
Der Kläger hat am 23.06.2005 Klage erhoben und führt zur Begründung aus, ein überleitungsfähiger Anspruch liege nicht vor, denn das schuldrechtlich vereinbarte Wohnungsrecht sei ein höchstpersönliches Recht der Frau L.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 08.06.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist zur Begründung auf seinen Bescheid vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2005.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 11.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2005 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bescheide sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht den Übergang möglicher Ansprüche der Hilfeempfängerin L. gegen den Kläger auf sich bewirkt.
Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige bewirken, dass ein Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht, sofern eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht wurden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, hat.
Der Beklagte hat für Frau L. die durch Einkommen und Leistungen der Pflegekasse nicht gedeckten Kosten der Heimpflege seit dem 01.07.2004 im Rahmen der Hilfe zur Pflege übernommen, so dass eine tatsächliche Hilfegewährung vorgelegen hat (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, §93 Rn. 6).
Nach Auffassung der Kammer besteht auch ein überleitungsfähiger Anspruch. Eine Überleitung von Ansprüchen nach § 93 Abs. 1 SGB XII ist nur dann ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht (sog. Negativevidenz, BVerwGWE 34, 219; 34, 260); Denn wäre das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, müßte das Sozialgericht auch über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen entscheiden. Eine derartige Überprüfung ist aber mit dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem nicht zu vereinbaren. Es soll verhindert werden, dass das Gericht letztverantwortlich beispielsweise zivilrechtlich umstrittene Fragen entscheidet (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, §93 Rn. 10). Der Hilfeempfängerin L. ist in §4a des notariellen Kaufvertrages vom 19.05.1989 ein lebenslängliches Wohnungsrecht in dem von dem Kläger mitgekauften Wohnhaus eingeräumt worden. Aus diesem Wohnrecht können, wie der Beklagte zu Recht ausführt, verschiedene Ansprüche resultieren. So kommen z.B. Nutzungs- und Wertersatzansprüche in Betracht, aber auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Herausgabe. Dabei steht es dem Grundsatz der Negativevidenz nicht entgegen, ob es sich um ein dingliches oder, wie der Kläger vorträgt, um ein schuldrechtliches Wohnrecht handelt (vgl. OVG Münster, FEVS 52, 128). Dass grundsätzlich jeder Anspruch überleitungsfähig ist, kommt im übrigen auch in §93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII zu Ausdruck. Danach ist ein Übergang nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.
Ob und in welcher Höhe der Beklagte letztlich Zahlungsforderungen gegen den Kläger stellen kann, auch im Hinblick auf den Wert des Wohnrechts, bleibt einem zivilgerichtlichen Verfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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