S 6 A 7717/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 A 7717/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach vom Gericht eingeleiteter Vorabentscheidung des EuGH vom 14.10.2004 (Az. C-193/03) hob das Gericht eine aufsichtsrechtliche Beanstandungsverfügung ersatzlos auf, da seitens der (nationalen) Staatsaufsicht nicht hinreichend berücksichtigt wurde, dass europäisches Gemeinschaftsrecht für den Fall notfallmäßig erforderlich gewordener Arztbesuche deutscher Krankenversicherter im EU-Ausland eine flexiblere Kostenerstattung durch die deutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zulässt.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2001 (Az.: IV 4 - 90.40 - 1879/98) in der Fassung, wie in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2005 protokolliert, wird aufgehoben.

2. Ein Ausgleich außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Tatbestand:

Die Klägerin vorliegender Aufsichtsstreitsache ist eine der Trägerinnen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - mit bundesweitem Tätigkeitsbereich. Auch ausgehend von zwei mehrtägigen Gesamtverwaltungsprüfungen der Zweigstelle Bamberg der Klägerin durch den Prüfdienst Krankenversicherung Fulda der Beklagten entwickelte sich zwischen den nachmaligen Streitteilen eine Kontroverse hinsichtlich der Statthaftigkeit einer auch von der Klägerin praktizierten Abrechnungsweise bezüglich nachträglicher Kostenerstattung an deren Versicherte, sofern diese im (vornehmlich EU-)Ausland kleinere ärztliche Behandlungsmaßnahmen zunächst auf eigene Kosten durchführen lassen mussten und hernach bei der Beklagten entsprechenden Kostenersatz geltend machten. Entsprechend den internen Bearbeitungshinweisen der Klägerin Nr. 5.1.1 (Stand: 06.03.1997) wurden hierbei aus Vereinfachungsgründen Rechnungen bis zu einem Betrag von (seinerzeit) DM 200,00 je Behandlungsfall ohne weitere Prüfung und in voller Höhe auch bei Zusammenrechnung von Arzt- und Arzneikosten erstattet. Die Beklagte stellte (und stellt) sich auf den Standpunkt, eine finanzielle Abwicklung von selbst beschafften medizinischen Leistungen im EU-Ausland richte sich ausschließlich nach den einschlägigen Vorschriften wie der durch Art. 34 Abs. 4 der VO/EWG Nr. 574/72 vorgegebenen Regelung. Durch die dort normierte Verweisung auf die für den zuständigen Träger maßgebenden Sätze seien für die Ermittlungen des dem Versicherten zustehenden Erstattungsbetrags die nach deutschem Recht erstattungsfähigen Leistungen und die für vergleichbare Maßnahmen vorgesehenen Erstattungswerte der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen. Die von der Beklagten praktizierte und hiervon abweichende pauschalisierte Abrechnungsweise sei weder von den einschlägigen Regeln des Gemeinschaftsrechts noch denjenigen des innerstaatlichen Rechts vorgesehen. - Die Klägerin teilte (und teilt) diesen Standpunkt nicht und machte u. a. beispielhaft für die von der Beklagten beanstandeten Fälle der Zweigstelle Bamberg eine Gegenrechnung auf, wonach - abgesehen von dem für die jeweiligen Versicherten zwangsläufig hinzunehmenden Zahlungsverzug, bedingt durch Rückfragen, Nacherhebungen und Übersetzungen - unter Berechnung des verwaltungsinternen Mehraufwands sich die "theoretisch" mögliche Ersparnis vor dem Hintergrund einer Ermittlung der Kostenerstattung nach deutschen Vertragssätzen in Höhe von 3.155,07 DM alsdann auf 288,31 DM reduziere und stellte sich schlussfolgernd auf den Standpunkt, ihre bisherige Verfahrensweise sei wirtschaftlich und kundenorientiert. - Im Rahmen des weiteren Schriftwechsels machte die Klägerin gegenüber der Beklagten u. a. auch geltend, auf Länderebene werde die von der Beklagten als zuständiger Bundesbehörde beanstandete Verfahrensweise zumindest teilweise anders beurteilt und dort demzufolge auch nicht beanstandet, weshalb hier der Klägerin ein Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu anderen Krankenversicherungsträgerinnen entstehe; hierbei bezog sich die Klägerin mit ihrem Sitz in Stuttgart insbesondere auf die von dem Bundesland Baden-Württemberg ausgeübte Staatsaufsicht über die AOK Baden-Württemberg, gleichfalls mit Sitz in Stuttgart. Die Beklagte nahm das ihrerseits zum Anlass für eine entsprechende Anfrage bei dem Sozialministerium Baden-Württemberg, das unter dem 17.01.2001 sinngemäß die von der Klägerin berichtete Verwaltungspraxis bestätigte. Inwieweit nachfolgend auf Aufsichtsebene eine Abstimmung der hier zutage getretenen unterschiedlichen Beurteilungsweise erfolgte, ist nicht aktenkundig. Zwischenzeitlich hatte jedenfalls die Beklagte mit Zustellung zum 02.02.2001 unter dem Datum vom 31.01.2001 die vorliegend angefochtene Verpflichtungsverfügung erlassen. Der entsprechende Wortlaut des Verpflichtungssatzes ist: "Die B.BKK (BKK) wird gemäß §§ 89 Abs. 1 S. 2, 90 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) IV verpflichtet, Kostenerstattungen für im Vertragsausland selbst beschaffte Sachleistungen bei Anwendung des Art. 34 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auch bei Rechnungsbeträgen unter 200,00 DM individuell unter Ermittlung der maßgebenden inländischen Erstattungssätze vorzunehmen."

Hiergegen richtet sich die am 28.02.2001 bei dem Sozialgericht Stuttgart eingegangene Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 4 KR 983/01 geführt worden war. Klagbegründend stellt sich die Klägerin auf den Standpunkt, die Beklagte habe sich bei der Ausübung der ihr obliegenden Aufsicht und der hierbei zu beachtenden Opportunitätsgesichtspunkten auch an der (sc. unterschiedlichen) Beurteilungspraxis der anderen Aufsichtsbehörden zu orientieren. Sinngemäß stellte die Klägerin in Aussicht, bei entsprechendem Nachweis einer einheitlichen Beurteilung der Problematik im Bund-Länder-Gefüge ihre beanstandete Verfahrensweise abzuändern.

In einem nachfolgenden Erörterungstermin vom 28.05.2002 des Kammervorsitzenden mit den Streitteilen wurde insbesondere von der Klägerin nochmals auch der Grundsatz von "Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" der öffentlichen Verwaltung betont und ergänzend auf die Gefahr der Fortdauer unterschiedlicher Beurteilungspraktiken im Bund-Länder-Verhältnis auch bei anderen Problemfällen hingewiesen.

Im Ergebnis einer mündlichen Verhandlung vom 19.03.2003 setzte das Gericht mit Beschluss vom gleichen Tag den Rechtsstreit aus und holte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu der Frage ein, ob Gemeinschaftsrecht zwingend zu dem von der Beklagten zugrunde gelegten und entsprechend begründeten Ergebnis führen müsse.

Mit Urteil der Sechsten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14.10.2004 (Rechtssache C-193/03) entschied der Gerichtshof mit folgendem Wortlaut: "Artikel 34 der Verordnung (EWG) Nr. 574/02 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 02. Juni 1983 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1399/1999 des Rates vom 29. April 1999 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass er der nach einer internen Regelung verfolgten Praxis einer Krankenkasse nicht entgegensteht, wonach diese die ihren Versicherten bei einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat entstandenen Krankheitskosten in voller Höhe erstattet, wenn sie einen Betrag von 200 DM nicht übersteigen."

Hiernach erfolgte eine Weiterführung des erstinstanzlichen Streitverfahrens (neues Aktenzeichen: S 6 A 7717/04) vornehmlich unter Gesichtspunkten des nationalen Rechts. Neben sinngemäß teilweiser Wiederholung ihrer Stellungnahme vom 02.09.2003 gegenüber dem EuGH stellt die Beklagte auch die von der Klägerin seinerzeit angestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Frage, bezweifelt auch das von der Klägerin ansatzweise vorgetragene "Systemversagen" mit dem Argument, von einem solchen könne nur dann angesprochen werden, wenn Ärzte im (sc. ausländischen) Aufenthaltsstaat sich zu einer notwendig gewordenen Notfallbehandlung nur im Rahmen einer privatärztlichen Behandlung bereit erklärt hätten; in allen anderen Fällen gälten indessen die Grundsätze einer regulären Leistungserbringung vor dem Hintergrund des Sachleistungsprinzips, wobei § 13 Abs. 3 SGB V die von der Klägerin durchgeführte pauschalierende Erstattung oder Erstattung in voller Höhe nicht vorsehe. - In der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2005 änderte die Beklagte den Verfügungssatz des angefochtenen Verpflichtungsbescheids in dem Sinne, dass dort das Textelement " ... bei Anwendung des Art. 34 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 ..." herausgenommen wurde.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Verpflichtungsanordnung vom 31.01.2001 (Az.: IV 4 - 90.40 - 1879/98) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Klagabweisung.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Streitakten ebenso verwiesen wie auf denjenigen der auszugsweise vorgelegten Verwaltungsakten der Beteiligten. Diese waren auch Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung und der Urteilsberatung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zu dem zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist im Kern zuletzt noch, ob die Beklagte in der erforderlichen Übereinstimmung zu der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ermessensfehlerfrei die Klägerin verpflichten konnte, Kostenerstattungen für im Vertragsausland selbst beschaffte Sachleistungen auch bei Rechnungsbeträgen unter 200,00 DM individuell unter Ermittlung der maßgebenden inländischen Erstattungssätze vorzunehmen, also nicht mehr - wie zuvor - eine Erstattung derartiger unterhalb des genannten Betrags liegenden Rechnungen oder weitere Prüfung (sc. u. U. durch entsprechende Nachfragen im Vertragsausland) und in voller Höhe vorzunehmen.

Maßgebliche Rechtsgrundlage sind vorliegend die in §§ 87 ff. des Vierten Buchs (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - enthaltenen Regelungen des für alle Sozialversicherungsträger geltenden Aufsichtsrechts. Nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hat die Beklagte als die gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die bundesunmittelbare Klägerin die Befugnis, nach vorheriger und erfolglos verlaufener Beratung die Klägerin zu verpflichten, eine festgestellte Rechtsverletzung zu beheben. Hierbei ergibt sich aus der Verwendung des Rechtsbegriffs "kann" in § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, dass es sich hier um eine Ermächtigungsgrundlage im Sinne der Ausübung verwaltungsseitigen Ermessens handelt, wobei sich dieses Ermessen unterteilt in Beurteilungsermessen und Ausführungsermessen. Hierbei erstreckt und begrenzt sich zugleich die der Beklagten eingeräumte Befugnis zum Einschreiten auf eine Rechtsaufsicht in dem Sinne, dass der Beklagten eine Prüfungs- und gegebenenfalls Eingriffskompetenz in denjenigen Fällen zusteht, wenn ein Versicherungsträger - vorliegend: also die Klägerin - sich nicht an Gesetz und sonstiges Recht hält (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IV; die weiter ergehende Befugnis entsprechend § 87 Abs. 2 SGB IV betrifft einen anderen Versicherungszweig und ist deshalb vorliegend unbeachtlich).

Diese Beschränkung der Beklagten auf eine Rechtsaufsicht bedeutet zugleich, dass es ihr nicht befugt ist, Umfang und Zweckmäßigkeit von Maßnahmen zum Gegenstand ihrer staatlichen Überwachungstätigkeit zu machen, da es sich insoweit nicht um Rechtsaufsicht, sondern um Fachaufsicht handelt. Allgemein gilt insbesondere dann, wie vorliegend, eine einschlägige gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorliegt, dass die Aufsichtstätigkeit auch dem Selbstverwaltungsrecht der Klägerin als Trägerin mittelbarer Staatsverwaltung Rechnung zu tragen hat. Insbesondere ist in diesem Kontext zu beachten, dass der eigenverantwortliche Vollzug eines bis ins Einzelne gehenden Sozialgesetzbuchs in den originären Verantwortungsbereich der Selbstverwaltung gehört. Hieraus folgt ein von der Beklagten zu beachtendes Verbot ihre Rechtsaufsicht an die Stelle derjenigen der beaufsichtigten Körperschaft zu setzen, sofern Rechtsfragen zum Anlass einer Beanstandung genommen werden, die bislang noch nicht eindeutig geklärt worden sind. Ein rechtmäßiges aufsichtsrechtliches Einschreiten erfordert daher, dass die Beklagte zurecht davon ausgehen konnte, dass die Klägerin mit ihrem Handeln Rechtsverstöße begangen hat.

Auf der anderen Seite ist es gerade in Rechtsdingen eine nicht selten zu beobachtende Erscheinung, dass Rechtsfragen sich nicht immer von vornhinein eindeutig beantworten lassen. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist ferner zu beachten, dass auch im Bereich der Rechtsaufsicht der Grundsatz einer maßvollen Ausübung gilt (so schon BSG, Urteil vom 11.08.1962 [Az.: 1 RR 7/91] = E 71, 108, 110 = SozR 3-2400 § 69 Nr. 1 S. 3). Hieraus folgt eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ihrerseits auch in diesem Zusammenhang einen gewissen Bewertungsspielraum zu belassen.

Vor diesem Hintergrund einer auch seitens der Beklagten zu würdigenden Einschätzungsprärogative der Klägerin bedarf ein aufsichtsrechtliches Einschreiten regelmäßig dann einer besonderen Rechtfertigung, wenn bei der rechtlichen Würdigung eines Lebenssachverhalts verschiedene Möglichkeiten als vertretbar erscheinen. Dieser Einschätzungsspielraum der von der Beklagten beaufsichtigten Klägerin endet allerdings dann, wenn diese gegen allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen hat, die diesen Spielraum einengen oder ausschließen. Erst eine entsprechende Grenzüberschreitung stellt eine Rechtsverletzung im Sinne von § 89 SGB IV dar. Bewegt sich indessen - wie vorliegend - das Handeln der Klägerin noch im Bereich des rechtlich Vertretbaren, sind förmliche Aufsichtsmaßnahmen, die dieses beanstanden, rechtswidrig (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23.03.2005 [Az.: B 1 A 1/03 R], dort insbes. Rn. 33 a. E. - m. w. N.).

Soweit die ursprüngliche Begründung der Beklagten zu dem angefochtenen Verpflichtungsbescheid sich schon im Verfügungssatz und dann insbesondere auch im Begründungsteil auf Vorschriften des EU-Gemeinschaftsrechts stützte, wäre schon für sich der Bescheid ersatzlos aufzuheben, da die entsprechende rechtliche Begründung nicht hinreichend tragfähig war. Unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten hat hierzu der EuGH in der in dem vorliegenden Streitverfahren ergangenen Vorabentscheidung vom 14.10.2004 schon alles Wesentliche gesagt, wobei im Übrigen der EuGH auch dem in noch pointierterer Form formulierten Schriftsatz des Juristischen Diensts der Europäischen Kommission vom 08.09.2003 sich im Ergebnis angeschlossen hat.

Das nationale erkennende Gericht hat dem nichts hinzuzufügen, sondern hatte sich auf einer Auslegung nationalen Rechts zu konzentrieren. Entsprechende Ausführungen hierzu hat - gemessen an dem weiteren Verfahrensgang: folgerichtig - dann auch erst die Beklagte mit ihrem späteren Schriftsatz vom 17.11.2004 angestellt. Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten bedeutet dieser Schriftsatz ein "Nachschieben von Gründen" zu einem bereits angefochtenen Verwaltungsakt aus dem Bereich der Ermessenstätigung, was noch als statthaft angesehen werden mag, wie gleichfalls zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2005 die Beklagte den Verfügungssatz des Verpflichtungsbescheids durch Herausnahme des dortigen Bezugs auf Gemeinschaftsrecht in gewisser Hinsicht inhaltlich abgeändert hat. Geblieben ist gleichwohl eine der Substanz nach unveränderte Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung eines eindeutig definierten Verwaltungsverfahrens für selbstbeschaffte Sachleistungen "im Vertragsausland. Ausdrücklich keine Aussage trifft die Beklagte hinsichtlich des Nicht-Vertragsauslands, wobei offen bleiben müsste, ob dort nur die Nicht-Gemeinschaftsstaaten generell gemeint wären oder allgemein alle Staaten, mit denen keine vergleichbaren bilateralen Abkommen bestünden; für das vorliegende Streitverfahren wäre das ohnedies ohne Belang. Die Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Verwaltungshandelns der Beklagten ergibt sich aber auch in Würdigung des nachgereichten Schriftsatzes aus dem Umstand, dass der Sache nach nach wie vor die Beklagte auf einem schematischen Vollzug von § 13 Abs. 3 SGB V besteht, wobei diese Norm ihrerseits allerdings nicht nach Inland bzw. Ausland unterscheidet. Indessen trägt auch nunmehr die Beklagte keine überzeugenden Argumente dafür vor, weshalb die Klägerin mit ihren Bearbeitungshinweisen Nr. 5.1.1 (Stand: 06.03.1997) mit den dortigen und von der Beklagten beanstandeten spezifischen Bearbeitungsregeln von Versicherungsfällen im (Vertrags-)Ausland mit einem vergleichsweise geringen Rechnungsvolumen in Höhe von bis zu 200 DM auch dann keine abweichende Bearbeitungsweise hätte anwenden können, wenn sich das aus Sachgründen nahelegen durfte. Insbesondere lässt die Beklagte auch kein Eingehen auf das sinngemäß von der Klägerin vorgetragene Argument entsprechender Übernahme von Kleinbetragsregelungen durch pauschalisierende Bearbeitungsweise erkennen. Derartige Kleinbetragsregelungen finden sich indessen auch im Bereich des nationalen Rechts an verschiedenster Stelle. Auch hätte es zur Überzeugung des erkennenden Gerichts naheliegen müssen, sich wenigstens ansatzweise mit dem Grundgedanken der - im Übrigen betragsmäßig deutlich weitergehenden - Kleinbetragsregelung des Gemeinschaftsrechts auseinanderzusetzen (siehe auch die Ausführungen des Juristischen Dienst der Europäischen Kommission vom 08.09.2003, dort insbes. Rn. 42). Aber auch im nationalen Bereich findet sich bereits in § 12 Abs. 1 SGB V als Ausprägung eines allgemeinen Verwaltungsrechtsgedankens der sinngemäße Hinweis auf die zu beachtenden allgemeinen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel, wie dieser im Übrigen auch in § 6 Abs. 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) vom 19.08.1969 (BGBl. I S. 1273) allgemein seinen Niederschlag gefunden hat. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bedeutet hierbei notwendigerweise auch, dass die Kosten des jeweiligen Verwaltungsaufwands und -vollzugs angemessen zu berücksichtigen sind. Im vorliegenden Fall hat schon die Beklagte beispielhaft für ihre Geschäftsstelle Bamberg dargelegt, dass bei vernünftiger Betrachtungsweise und unter Würdigung der schutzwürdigen Belange ihrer erkrankten und vorgeleistet habenden Versicherten eine schematische Abrechnungsweise bei den vergleichsweise niedrigen Forderungsbeträgen als unwirtschaftlich erscheinen muss. Wenn nun - wie geschehen - die Beklagte im größeren Rahmen in ihrem nachgeschobenen Schriftsatz die Berechnungen der Klägerin in Frage stellt, so hat sie das indessen ... mangels Vorlage eines im gegenteiligen Sinne zu bewertenden Zahlenmaterials ... in keiner für Außenstehende zugänglichen prüffähigen Weise getan. Wenigstens das wäre jedoch Voraussetzung dafür, von einem ordnungsgemäßen Ermessensgebrauch auch bei bei der Beurteilung entsprechender Leistungsfälle mit Auslandsbezug ausgehen zu können. Schon hieraus folgt die Rechtswidrigkeit der Verpflichtungsverfügung.

Soweit im Übrigen die Klägerin erklärtermaßen mit ihrer Klage eine Gleichbehandlung aller Trägerinnen der gesetzlichen Krankenversicherung unbeschadet deren jeweiliger aufsichtsrechtlicher Zuordnung im Bund-Länder-Gefüge anstrebt und das mit ansonsten bestehender Wettbewerbsverzerrung begründet, so mangelte es ihr jedoch der hierfür erforderlichen Legitimation. Der Sache nach handelte es sich insoweit nämlich um eine Sonderform der sog. "Konkurrentenklage". Eine derartige Rechtskonstruktion, wie sich diese aus dem Bereich des zivilrechtlich geprägten Wirtschaftsrechts heraus entwickelt hat, ist bislang unbeschadet aller zwischenzeitlichen Modifikationen im Zugangsbereich der Mitgliedschaft zur Versicherungsträger nach dem SGB V, die zudem im Lauf der Zeit gesetzgeberischerseits auch nicht durchgängig einheitlich ausgestaltet würden, in dem Gesetz der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V wesensfremd und ist jedenfalls bislang nicht allgemein anerkannt, sondern könnte derzeit allenfalls als sozialpolitisches Desiderium angesehen werden. Letztlich gilt auch bei der Beurteilung des Ausgangssachverhalts der verfassungsrechtlich allgemein anerkannte Grundsatz, dass es unter Gleichheitsgesichtspunkten keinen verbrieften Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht" gibt.

Nach allem war vorliegend zu entscheiden wie geschehen und der angefochtene Verpflichtungsbescheid der Beklagten ersatzlos aufzuheben.

Da der Rechtsstreit bereits im Jahr 2001 seinen Beginn genommen hat, findet ein Ausgleich außergerichtlicher Kosten und Auslagen nicht statt.
Rechtskraft
Aus
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