Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
L 4 KR 1161/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4028/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Befreiung von der Beitragspflicht als Rentenantragsteller in der gesetzlichen Krankenversicherung während der Zeit der Inhaftierung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. August 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht während der Zeit der Inhaftierung des Klägers vom 24. Oktober 2003 bis 19. März 2004 streitig.
Der 1948 geborene Kläger stammt aus der früheren Sowjetunion und ist im Juli 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt, wo er als Vertriebener anerkannt wurde. Am 6. November 2002 stellte er bei der Bundesknappschaft einen Antrag auf Versichertenrente. Mit Bescheid vom 25. November 2004 wurde ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab 1. Juni 2004 bewilligt.
Durch die Rentenantragstellung war der Kläger in der Zeit vom 27. Januar 2003 bis 5. Februar 2003, vom 1. April 2003 bis 10. April 2003 und vom 1. August 2003 bis 19. März 2004 als Rentenantragsteller gesetzlich krankenversichert. In den Zwischenräumen bestand Pflichtversicherung aufgrund des Bezuges von Leistungen der Agentur für Arbeit.
Am 24. Oktober 2003 wurde er aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Heidelberg vom 29. September 2003 festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Wegen fahrlässigen Vollrausches wurde er vom Amtsgericht Heidelberg am 08. Januar 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, die mit Beschluss vom gleichen Datum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Parallel wurde seit dem 1. Januar 2004 eine Ersatzfreiheitsstrafe (Ladendiebstahl) vollzogen, die bis zum 30. Januar 2004 andauerte. Aufgrund eines weiteren Strafbefehles vom 24. November 2003, der ebenfalls sofort als Ersatzhaft vollzogen wurde (erneuter Ladendiebstahl), verblieb er dann bis zum 19. März 2004 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2004 machte die Beklagte eine Beitragsforderung von insgesamt 1.041,98 EUR inklusive 10,- EUR Säumniszuschlag mit der Begründung geltend, der Kläger sei in dem streitigen Zeitraum als Rentenantragsteller versichert gewesen und habe die Beiträge nicht abgeführt.
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, während der Zeit seiner Inhaftierung seien keine Beiträge zu entrichten. Denn die zwingende Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ginge der Versicherung als Rentenantragsteller vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Rentenantragsteller seien als Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zur Tragung der Beiträge verpflichtet. Von dieser Beitragspflicht könne er auch nicht während der Zeiten der Inhaftierung befreit werden. Welche Rentenantragsteller von der Beitragspflicht befreit werden könnten, sei in § 225 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abschließend geregelt. Die mitgliedschaftliche Verpflichtung zur Beitragszahlung werde auch nicht durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgehoben. Die gewählte Formulierung weise auf den Zusammenhang von besonderen Leistungsansprüchen des Versicherten, wie z. B. eine Zahnersatzversorgung, hin, welche bei Verbüßung einer kurzen Freiheitsstrafe vor allem lang anhaltende Wirkungen auf die Zeit nach der Haftentlassung habe. In solchen Fällen könne also der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dann wieder aufleben bzw. zum Tragen kommen. Die Regelung habe an die Änderung einschlägiger Vorschriften des StVollzG vom 16. März 1976 angeknüpft. Dadurch würden die gemeinsamen Systembezüge der gesetzlichen Krankenversicherung und des Strafvollzuges aufeinander abgestimmt und der jeweils vorrangige Leistungsbereich festgelegt. Durch die Ruhenswirkung hätten lediglich Doppelleistungen vermieden werden sollen. Da der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgezählte Personenkreis auch nicht aufgrund der Pflicht, die ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, krankenversichert sei, müsse der ruhende Leistungsanspruch daher aus einer vor dem Freiheitsentzug begründeten, fortbestehenden Versicherung bzw. Leistungspflicht herrühren. Bei dem Kläger basiere dieses Versicherungsverhältnis auf dem Status als Rentenantragsteller. Deswegen müsse die Beitragspflicht während der Haftzeit fortbestehen.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, aufgrund seines vorrangigen vollen Krankenversorgungsanspruchs nach dem StVollzG habe er eine Leistung der Krankenkasse nicht in Anspruch nehmen können. Außerdem bestehe in der Justizvollzugsanstalt nur sehr begrenzt die Möglichkeit Geld zu verdienen, so dass ein regelmäßiger Beitrag an die Krankenkasse wohl in keinem Fall erbracht werden könne. Versicherte müssten deshalb nach der Entlassung zusätzlich zu den sonstigen Wiedereingliederungsproblemen noch Schulden bei der Krankenkasse ableisten. Es hätte ihm auch nicht zugemutet werden können, den Rentenantrag zurückzunehmen.
Mit Urteil vom 30. August 2005, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 2. September 2005, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, für eine Beitragsbefreiung während der Zeit des Strafvollzuges bestehe keine Rechtsgrundlage. Wann eine Beitragsfreiheit eintreten könne, regelten die §§ 224, 225 SGB V, deren Voraussetzungen unstreitig nicht vorlägen, abschließend. Eine analoge Anwendung auf den Personenkreis, dessen Anspruch nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ruhe, könne nicht erfolgen. Dem Kläger hätten zwar für die Zeit des Strafvollzuges Leistungen nach den §§ 56 ff. StVollzG zugestanden. Das dadurch bedingte Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung führe aber nicht zur Beitragsbefreiung. Das BSG habe zu dem Fall eines mehrmonatigen Auslandaufenthaltes eines krankenversicherungspflichtigen Rentners entschieden, dass dieser den vollen Beitrag zu entrichten habe und dies weder gegen die Eigentumsgarantie noch das Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit verstoße. Zur Begründung sei auf die Gesetzesbegründung verwiesen worden, wonach ein Ruhen von Leistungsansprüchen nicht zur Beitragsbefreiung oder Beitragssatzermäßigung führe, da die Ansprüche nach § 10 SGB V (Familienversicherung) weiter bestünden. Diese Grundsätze seien auch im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung bestätigt worden, wonach ein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der Pflegeversicherung bei Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ebenfalls nicht zur Beitragspflichtfreistellung geführt habe. Zwar sei die fortbestehende Beitragspflicht während des Strafvollzuges deshalb problematisch, weil der Versicherte im Regelfall keine Möglichkeit habe, die Beiträge durch Erwerbstätigkeit zu verdienen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Versicherte nach Beendigung der Inhaftierung mit Beitragsrückständen belastet sein könne. Dieser Umstand reiche aber zu einer entsprechenden Anwendung der §§ 224, 225 SGB V nicht aus, erforderlich wäre eine gesetzliche Neuregelung.
Mit seiner dagegen am 29. September 2005 eingelegten Berufung macht der Kläger erstmals geltend, dass die Beiträge auch in angemessener Höhe festgesetzt werden müssten. Die Beitragsbemessung nach § 19 Abs. 3 der Satzung sei insoweit nicht gesetz- und verfassungskonform, als keine Härtefälle geregelt seien. Als Rentenantragsteller könne er sich nicht aus dem Versicherungsverhältnis "abmelden", ohne seinen Rentenantrag zurückzuziehen. Korrespondierend zu dieser Pflicht müsse die Satzung die Möglichkeit eines angemessenen Beitrages vorsehen, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben nur ein niedrigeres Einkommen erzielt werde. Das sei auch bei Studenten so geschehen. Eigentlich müsste er sogar gar keine Beiträge zahlen müssen, da er keine Leistungen erhalten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 30.08.2005 und den Bescheid vom 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 insoweit aufzuheben, als Beiträge für die Zeit der Inhaftierung vom 24.10.2003 bis 19.03.2004 erhoben sind, hilfsweise die Beiträge für die Zeit der Inhaftierung vom 24.10.2003 bis 19.03.2004 in angemessener Höhe festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wie auch das Urteil des SG vom 30. August 2005 entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die Beiträge seien zutreffend berechnet worden.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 151 Abs. 1, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist insbesondere statthaft, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Bei der Mitgliedschaft des Klägers handelt es sich um eine Pflichtversicherung nach § 239 S. 1 SGB V. Der Kläger ist nach § 250 Abs. 2 SGB V als Rentenantragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V auch zur alleinigen Tragung der Beiträge verpflichtet. Von dieser Beitragspflicht kann er während der Zeit seiner Inhaftierung vom 24. Oktober 2003 bis 19. März 2004 nicht befreit werden. Zwar ruht sein Leistungsanspruch nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, um während der Haftzeit Doppelleistungen zu vermeiden, da er als Häftling während des Strafvollzuges Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. StVollzG hat.
Wenn ihm dafür eine Beitragsermäßigung versagt bleibt, so steht das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dennoch mit der erforderlichen Ausgewogenheit zwischen Beitrags- und Leistungsrecht in der Krankenversicherung im Einklang. Das Bestehen der Beitragspflicht verstößt insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) und verletzt auch nicht wegen seiner Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (BSG SozR 3 - 2500 § 243 Nr. 3; BSG 24.09.1996 1 RK 32/94 DOK 1997, 236; BSG SozR 3 - 3300 § 56 Nr. 1).
Auch wenn der Kläger während des Haftvollzugs kein Äquivalent für seine Beiträge erhalten hat, so fehlt es dennoch nicht völlig an einer "Gegenleistung". Es bleiben nämlich trotz Ruhen dennoch die Ansprüche auf Familienversicherung nach § 10 SGB V unberührt (BT-Drucks. 11/2237, S. 225 zu § 252 Abs. 1). Die ruhende Stammversicherung führt auch nur dazu, dass ein Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht besteht, soweit die jeweiligen Leistungen deckungsgleich sind. Der Kläger hätte aber, wenn die freiheitsentziehende Maßnahme während bestehender Arbeitsunfähigkeit vollzogen worden wäre, Anspruch auf Krankengeld gehabt (Wagner, in: Krauskopf, Kommentar zur Sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, § 16 SGB V Rz. 14). Schließlich wird die Gesundheitsfürsorge während der Haft bei der Bonusregelung des § 55 Abs. 1 S. 2 und 5 SGB V berücksichtigt und die reine Haftzeit auch auf die Wartezeiten nach §§ 23 Abs. 5 S. 4, 24 Abs. 2, 40 Abs. 3 S. 4 und 41 Abs. 2 SGB V angerechnet.
Bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in der gesetzlichen Krankenversicherung als Solidarsystem die Beitragshöhe nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten bis zur Beitragsbemessungsgrenze und grundsätzlich nicht nach seinem individuellen Risiko richtet (BSG SozR 3 - 2500 § 243 Nr. 2). Das begünstigt alle Rentner dadurch, dass im Gegensatz zur Privatversicherung weder das Eintrittsalter noch das aktuelle Alter für die Beitragshöhe maßgeblich sind. Weil bei einem versicherungspflichtigen Rentner unterstellt wird, dass er bereits in wesentlichem Umfang zum Solidarausgleich beigetragen hat, hat dieser den Vorteil, dass keine fiktiven Mindesteinnahmen gelten (vgl. demgegenüber § 240 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB V). Deswegen sind die vom Kläger angeforderten Beiträge auch so niedrig ausgefallen. Nach alledem bestehen zur Überzeugung des Senats verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung nicht.
Auch der nunmehr gestellte Hilfsantrag ist unbegründet. Die Beitragsbemessung von Rentenantragstellern durch die Satzung der Beklagten nach § 239 SGB V in Anlehnung an die der freiwilligen Mitglieder ist nicht zu beanstanden. Die Satzung sieht in § 19 Abs. 3 folgende Regelung vor: "Für Rentenantragsteller wird die Beitragsbemessung wie bei freiwilligen Mitgliedern durchgeführt". Nach § 19 Abs. 1 der Satzung gilt für freiwillige Mitglieder als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendermonat mindestens 1/3 der monatlichen Bezugsgröße (2003 = 793,33 EUR, 2004 = 805,00 EUR). Eine weitere Reduzierung der beitragspflichtigen Einnahmen ist für Rentenantragsteller nicht vorgesehen. Auch § 240 Abs. 4 SGB V sieht für freiwillige Mitglieder den gleichen Mindestbeitrag vor.
Die gerichtliche Überprüfung der Satzung geht ohnehin nur dahin, ob die Grenzen der Satzungsautonomie eingehalten sind, d.h. insbesondere die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB V) berücksichtigt ist (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 239 Rz. 3, § 240 Rz. 18 ff.). Dem genügt die vorgelegte Satzung der Beklagten, die angelehnt an die gesetzlichen Vorgaben des § 240 SGB V nur für bestimmte Versichertengruppen eine gesonderte Einkommensermittlung vornimmt, die aber insgesamt an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet ist. Insofern kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es insgesamt gesehen ohnehin zu einer Beitragsangleichung der freiwillig versicherten Rentner mit den übrigen pflichtversicherten Rentnern gekommen ist, weil auch diese seit 2004 den vollen Beitragssatz auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen leisten müssen (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 5 Rz. 121a).
Die Berufung erweist sich damit insgesamt als unbegründet, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht während der Zeit der Inhaftierung des Klägers vom 24. Oktober 2003 bis 19. März 2004 streitig.
Der 1948 geborene Kläger stammt aus der früheren Sowjetunion und ist im Juli 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt, wo er als Vertriebener anerkannt wurde. Am 6. November 2002 stellte er bei der Bundesknappschaft einen Antrag auf Versichertenrente. Mit Bescheid vom 25. November 2004 wurde ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab 1. Juni 2004 bewilligt.
Durch die Rentenantragstellung war der Kläger in der Zeit vom 27. Januar 2003 bis 5. Februar 2003, vom 1. April 2003 bis 10. April 2003 und vom 1. August 2003 bis 19. März 2004 als Rentenantragsteller gesetzlich krankenversichert. In den Zwischenräumen bestand Pflichtversicherung aufgrund des Bezuges von Leistungen der Agentur für Arbeit.
Am 24. Oktober 2003 wurde er aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Heidelberg vom 29. September 2003 festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Wegen fahrlässigen Vollrausches wurde er vom Amtsgericht Heidelberg am 08. Januar 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, die mit Beschluss vom gleichen Datum zur Bewährung ausgesetzt wurde. Parallel wurde seit dem 1. Januar 2004 eine Ersatzfreiheitsstrafe (Ladendiebstahl) vollzogen, die bis zum 30. Januar 2004 andauerte. Aufgrund eines weiteren Strafbefehles vom 24. November 2003, der ebenfalls sofort als Ersatzhaft vollzogen wurde (erneuter Ladendiebstahl), verblieb er dann bis zum 19. März 2004 in der Justizvollzugsanstalt Freiburg.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2004 machte die Beklagte eine Beitragsforderung von insgesamt 1.041,98 EUR inklusive 10,- EUR Säumniszuschlag mit der Begründung geltend, der Kläger sei in dem streitigen Zeitraum als Rentenantragsteller versichert gewesen und habe die Beiträge nicht abgeführt.
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, während der Zeit seiner Inhaftierung seien keine Beiträge zu entrichten. Denn die zwingende Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ginge der Versicherung als Rentenantragsteller vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Rentenantragsteller seien als Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zur Tragung der Beiträge verpflichtet. Von dieser Beitragspflicht könne er auch nicht während der Zeiten der Inhaftierung befreit werden. Welche Rentenantragsteller von der Beitragspflicht befreit werden könnten, sei in § 225 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) abschließend geregelt. Die mitgliedschaftliche Verpflichtung zur Beitragszahlung werde auch nicht durch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgehoben. Die gewählte Formulierung weise auf den Zusammenhang von besonderen Leistungsansprüchen des Versicherten, wie z. B. eine Zahnersatzversorgung, hin, welche bei Verbüßung einer kurzen Freiheitsstrafe vor allem lang anhaltende Wirkungen auf die Zeit nach der Haftentlassung habe. In solchen Fällen könne also der Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dann wieder aufleben bzw. zum Tragen kommen. Die Regelung habe an die Änderung einschlägiger Vorschriften des StVollzG vom 16. März 1976 angeknüpft. Dadurch würden die gemeinsamen Systembezüge der gesetzlichen Krankenversicherung und des Strafvollzuges aufeinander abgestimmt und der jeweils vorrangige Leistungsbereich festgelegt. Durch die Ruhenswirkung hätten lediglich Doppelleistungen vermieden werden sollen. Da der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aufgezählte Personenkreis auch nicht aufgrund der Pflicht, die ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, krankenversichert sei, müsse der ruhende Leistungsanspruch daher aus einer vor dem Freiheitsentzug begründeten, fortbestehenden Versicherung bzw. Leistungspflicht herrühren. Bei dem Kläger basiere dieses Versicherungsverhältnis auf dem Status als Rentenantragsteller. Deswegen müsse die Beitragspflicht während der Haftzeit fortbestehen.
Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, aufgrund seines vorrangigen vollen Krankenversorgungsanspruchs nach dem StVollzG habe er eine Leistung der Krankenkasse nicht in Anspruch nehmen können. Außerdem bestehe in der Justizvollzugsanstalt nur sehr begrenzt die Möglichkeit Geld zu verdienen, so dass ein regelmäßiger Beitrag an die Krankenkasse wohl in keinem Fall erbracht werden könne. Versicherte müssten deshalb nach der Entlassung zusätzlich zu den sonstigen Wiedereingliederungsproblemen noch Schulden bei der Krankenkasse ableisten. Es hätte ihm auch nicht zugemutet werden können, den Rentenantrag zurückzunehmen.
Mit Urteil vom 30. August 2005, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 2. September 2005, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, für eine Beitragsbefreiung während der Zeit des Strafvollzuges bestehe keine Rechtsgrundlage. Wann eine Beitragsfreiheit eintreten könne, regelten die §§ 224, 225 SGB V, deren Voraussetzungen unstreitig nicht vorlägen, abschließend. Eine analoge Anwendung auf den Personenkreis, dessen Anspruch nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ruhe, könne nicht erfolgen. Dem Kläger hätten zwar für die Zeit des Strafvollzuges Leistungen nach den §§ 56 ff. StVollzG zugestanden. Das dadurch bedingte Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung führe aber nicht zur Beitragsbefreiung. Das BSG habe zu dem Fall eines mehrmonatigen Auslandaufenthaltes eines krankenversicherungspflichtigen Rentners entschieden, dass dieser den vollen Beitrag zu entrichten habe und dies weder gegen die Eigentumsgarantie noch das Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit verstoße. Zur Begründung sei auf die Gesetzesbegründung verwiesen worden, wonach ein Ruhen von Leistungsansprüchen nicht zur Beitragsbefreiung oder Beitragssatzermäßigung führe, da die Ansprüche nach § 10 SGB V (Familienversicherung) weiter bestünden. Diese Grundsätze seien auch im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung bestätigt worden, wonach ein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen der Pflegeversicherung bei Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz ebenfalls nicht zur Beitragspflichtfreistellung geführt habe. Zwar sei die fortbestehende Beitragspflicht während des Strafvollzuges deshalb problematisch, weil der Versicherte im Regelfall keine Möglichkeit habe, die Beiträge durch Erwerbstätigkeit zu verdienen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Versicherte nach Beendigung der Inhaftierung mit Beitragsrückständen belastet sein könne. Dieser Umstand reiche aber zu einer entsprechenden Anwendung der §§ 224, 225 SGB V nicht aus, erforderlich wäre eine gesetzliche Neuregelung.
Mit seiner dagegen am 29. September 2005 eingelegten Berufung macht der Kläger erstmals geltend, dass die Beiträge auch in angemessener Höhe festgesetzt werden müssten. Die Beitragsbemessung nach § 19 Abs. 3 der Satzung sei insoweit nicht gesetz- und verfassungskonform, als keine Härtefälle geregelt seien. Als Rentenantragsteller könne er sich nicht aus dem Versicherungsverhältnis "abmelden", ohne seinen Rentenantrag zurückzuziehen. Korrespondierend zu dieser Pflicht müsse die Satzung die Möglichkeit eines angemessenen Beitrages vorsehen, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben nur ein niedrigeres Einkommen erzielt werde. Das sei auch bei Studenten so geschehen. Eigentlich müsste er sogar gar keine Beiträge zahlen müssen, da er keine Leistungen erhalten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 30.08.2005 und den Bescheid vom 29.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2005 insoweit aufzuheben, als Beiträge für die Zeit der Inhaftierung vom 24.10.2003 bis 19.03.2004 erhoben sind, hilfsweise die Beiträge für die Zeit der Inhaftierung vom 24.10.2003 bis 19.03.2004 in angemessener Höhe festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wie auch das Urteil des SG vom 30. August 2005 entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die Beiträge seien zutreffend berechnet worden.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 151 Abs. 1, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist insbesondere statthaft, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Bei der Mitgliedschaft des Klägers handelt es sich um eine Pflichtversicherung nach § 239 S. 1 SGB V. Der Kläger ist nach § 250 Abs. 2 SGB V als Rentenantragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V auch zur alleinigen Tragung der Beiträge verpflichtet. Von dieser Beitragspflicht kann er während der Zeit seiner Inhaftierung vom 24. Oktober 2003 bis 19. März 2004 nicht befreit werden. Zwar ruht sein Leistungsanspruch nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, um während der Haftzeit Doppelleistungen zu vermeiden, da er als Häftling während des Strafvollzuges Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach den §§ 56 ff. StVollzG hat.
Wenn ihm dafür eine Beitragsermäßigung versagt bleibt, so steht das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dennoch mit der erforderlichen Ausgewogenheit zwischen Beitrags- und Leistungsrecht in der Krankenversicherung im Einklang. Das Bestehen der Beitragspflicht verstößt insbesondere nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 1 GG) und verletzt auch nicht wegen seiner Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (BSG SozR 3 - 2500 § 243 Nr. 3; BSG 24.09.1996 1 RK 32/94 DOK 1997, 236; BSG SozR 3 - 3300 § 56 Nr. 1).
Auch wenn der Kläger während des Haftvollzugs kein Äquivalent für seine Beiträge erhalten hat, so fehlt es dennoch nicht völlig an einer "Gegenleistung". Es bleiben nämlich trotz Ruhen dennoch die Ansprüche auf Familienversicherung nach § 10 SGB V unberührt (BT-Drucks. 11/2237, S. 225 zu § 252 Abs. 1). Die ruhende Stammversicherung führt auch nur dazu, dass ein Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht besteht, soweit die jeweiligen Leistungen deckungsgleich sind. Der Kläger hätte aber, wenn die freiheitsentziehende Maßnahme während bestehender Arbeitsunfähigkeit vollzogen worden wäre, Anspruch auf Krankengeld gehabt (Wagner, in: Krauskopf, Kommentar zur Sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, § 16 SGB V Rz. 14). Schließlich wird die Gesundheitsfürsorge während der Haft bei der Bonusregelung des § 55 Abs. 1 S. 2 und 5 SGB V berücksichtigt und die reine Haftzeit auch auf die Wartezeiten nach §§ 23 Abs. 5 S. 4, 24 Abs. 2, 40 Abs. 3 S. 4 und 41 Abs. 2 SGB V angerechnet.
Bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Regelung kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich in der gesetzlichen Krankenversicherung als Solidarsystem die Beitragshöhe nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten bis zur Beitragsbemessungsgrenze und grundsätzlich nicht nach seinem individuellen Risiko richtet (BSG SozR 3 - 2500 § 243 Nr. 2). Das begünstigt alle Rentner dadurch, dass im Gegensatz zur Privatversicherung weder das Eintrittsalter noch das aktuelle Alter für die Beitragshöhe maßgeblich sind. Weil bei einem versicherungspflichtigen Rentner unterstellt wird, dass er bereits in wesentlichem Umfang zum Solidarausgleich beigetragen hat, hat dieser den Vorteil, dass keine fiktiven Mindesteinnahmen gelten (vgl. demgegenüber § 240 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB V). Deswegen sind die vom Kläger angeforderten Beiträge auch so niedrig ausgefallen. Nach alledem bestehen zur Überzeugung des Senats verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung nicht.
Auch der nunmehr gestellte Hilfsantrag ist unbegründet. Die Beitragsbemessung von Rentenantragstellern durch die Satzung der Beklagten nach § 239 SGB V in Anlehnung an die der freiwilligen Mitglieder ist nicht zu beanstanden. Die Satzung sieht in § 19 Abs. 3 folgende Regelung vor: "Für Rentenantragsteller wird die Beitragsbemessung wie bei freiwilligen Mitgliedern durchgeführt". Nach § 19 Abs. 1 der Satzung gilt für freiwillige Mitglieder als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendermonat mindestens 1/3 der monatlichen Bezugsgröße (2003 = 793,33 EUR, 2004 = 805,00 EUR). Eine weitere Reduzierung der beitragspflichtigen Einnahmen ist für Rentenantragsteller nicht vorgesehen. Auch § 240 Abs. 4 SGB V sieht für freiwillige Mitglieder den gleichen Mindestbeitrag vor.
Die gerichtliche Überprüfung der Satzung geht ohnehin nur dahin, ob die Grenzen der Satzungsautonomie eingehalten sind, d.h. insbesondere die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 240 Abs. 2 SGB V) berücksichtigt ist (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 239 Rz. 3, § 240 Rz. 18 ff.). Dem genügt die vorgelegte Satzung der Beklagten, die angelehnt an die gesetzlichen Vorgaben des § 240 SGB V nur für bestimmte Versichertengruppen eine gesonderte Einkommensermittlung vornimmt, die aber insgesamt an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet ist. Insofern kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es insgesamt gesehen ohnehin zu einer Beitragsangleichung der freiwillig versicherten Rentner mit den übrigen pflichtversicherten Rentnern gekommen ist, weil auch diese seit 2004 den vollen Beitragssatz auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen leisten müssen (Peters, in: Kasseler Kommentar, § 5 Rz. 121a).
Die Berufung erweist sich damit insgesamt als unbegründet, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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