Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AL 436/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 436/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.10.2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der 1949 geborene Kläger bezog von der Beklagten bis 22.08.2002 (Erschöpfung des Anspruchs) Arbeitslosengeld (Alg) und ab 23.08.2002 Alhi. Am 30.11.2002 wurden ihm 26.409,36 EUR aus einer gekündigten Lebensversicherung ausgezahlt. Dies teilte er der Beklagten nicht mit. Vom 12.12.2002 bis 31.01.2003 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Bis 22.01.2003 gewährte die Beklagte Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall, anschließend bezog der Kläger bis 31.03.2003 von der Krankenkasse Krankengeld. Im Bescheid der Beklagten vom 23.01.2003 über die Aufhebung der Leistungsbewilligung wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass eine erneute Zahlung der Alhi nur nach erneuter persönlicher Arbeitslosmeldung möglich sei.
Am 29.01.2004 meldete sich der Kläger durch persönliche Vorsprache wieder arbeitslos und beantragte Alhi. Mit Bescheid vom 05.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Alg bezogen noch einen Vorfrist-Verlängerungstatbestand erfüllt.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf den Verlängerungstatbestand des § 192 Satz 2 Nr 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er sei wegen der ausgezahlten Lebensversicherung für rund ein Jahr nicht bedürftig gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 zurück. Der Kläger habe in der Vorfrist vom 29.01.2003 bis 28.01.2004 kein Alg bezogen. Ein Verlängerungstatbestand könne bereits deshalb nicht anerkannt werden, weil der Kläger wegen fehlender Meldung nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Auch sei der Anspruch auf Alhi erloschen, da seit dem letzten Tag des Alhi-Bezugs (22.01.2003) mehr als ein Jahr vergangen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Beklagte stelle fehlerhaft darauf ab, dass die Arbeitslosmeldung materiell-rechtliche Voraussetzung für den Verlängerungstatbestand sei.
Mit Urteil vom 17.10.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 verurteilt, dem Kläger ab 29.01.2004 Alhi zu zahlen. Wegen der ausgezahlten Lebensversicherung sei der Kläger nicht bedürftig gewesen, so dass der Verlängerungstatbestand des § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III erfüllt sei. Die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung sei dem Kläger angesichts der unterbliebenen Belehrung durch die Beklagte nicht vorzuwerfen. Er sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er sich nach dem 01.02.2003 persönlich arbeitsuchend gemeldet.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Wirkung der Meldung vom 16.07.2002 sei nach Ablauf von Leistungsfortzahlung und Krankengeldzahlung (31.01.2003) gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III erloschen, so dass eine erneute Meldung erforderlich gewesen sei. Diese sei aber erst am 29.01.2004 erfolgt. Über die Notwendigkeit einer erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung sei der Kläger zuletzt mit Aufhebungsbescheid vom 23.01.2003 aufgeklärt worden. Die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung vor dem 29.01.2004 könne nach der Rechtsprechung auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Eine Vorfristverlängerung gemäß § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III komme nicht in Betracht, da der Kläger den Vermögenszuwachs aus der Lebensversicherung zum 30.11.2002 nicht mitgeteilt habe und daher die Leistungsbewilligung deswegen nicht aufgehoben worden sei. Außerdem hätte das zugeflossene Vermögen (26.409,36 EUR) im Hinblick auf den anzusetzenden Freibetrag von 28.080,00 EUR (54 Jahre x 520,00 EUR) die Bedürftigkeit ohnehin nicht berührt. Im übrigen fordere § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III, dass ein Anspruch auf Alhi nur deshalb nicht bestanden hat, weil der Arbeitslose nicht bedürftig war. Dem Wortlaut nach komme somit eine Vorfrist-Verlängerung nur bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen in Betracht. Vorliegend mangele es jedoch bereits an der erneuten Arbeitslosmeldung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Würzburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die erstmalige Arbeitslosmeldung sei nicht erloschen, denn die Voraussetzungen der §§ 122 Abs 2, 198 Satz 2 Nr 2 SGB III hätten nicht vorgelegen. Er habe geglaubt, dass er mit der Auszahlung der Lebensversicherung bis zum Verbrauch des Betrages nicht bedürftig sei. Über den Freibetrag sei er nie aufgeklärt worden. Aufgrund der Fiktion des § 323 Abs 1 SGB III sei es Aufgabe der Beklagten gewesen, seine Arbeitslosigkeit zu überprüfen. Dies sei jedoch unterblieben. Er habe der Arbeitsvermittlung immer zur Verfügung stehen wollen. Deshalb sei von fehlender Bedürftigkeit auszugehen und diese als anspruchswahrend zu berücksichtigen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von Alhi ab 29.01.2004 an den Kläger verurteilt.
Nach § 190 Abs 1 SGB III haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (3), in der Vorfrist (§ 192) Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (4) und bedürftig sind (5). Die Vorfrist beträgt ein Jahr und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi. Sie verlängert sich u.a. um Zeiten, in denen der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind, nur deshalb einen Anspruch auf Alhi nicht hatte, weil er nicht bedürftig war (§ 192 Satz 1, 2 Nr 1 SGB III in der Fassung vom 23.12.2002, gültig ab 01. Jan. 2003 bis 31. Dez. 2004).
Zwar dürfte der Kläger am 29.01.2004 - dem Tag seiner erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung - arbeitslos gewesen sein. Auch kann zu diesem Zeitpunkt vom Vorliegen von Bedürftigkeit ausgegangen werden. Allerdings hatte der Kläger in der einjährigen Vorfrist des § 192 Satz 1 SGB III (29.01.2003 bis 28.01.2004) kein Alg, sondern im Anschluss an Alhi vom 23.01.2003 bis 31.03.2003 Krankengeld bezogen.
Auch liegen die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Vorfrist nach § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III nicht vor. Zwar ging der Kläger wohl davon aus, dass durch die Auszahlung der Lebensversicherungssumme am 30.11.2002 Bedürftigkeit als Voraussetzung für den Alhi-Bezug nicht mehr gegeben war. Diese Auffassung war jedoch unzutreffend, denn der in Betracht kommende Freibetrag von 28.080,00 EUR überstieg die ausgezahlte Lebensversicherungssumme (26.409,36 EUR). Außerdem fehlte es an der Entscheidung der Beklagten, mit der die Alhi-Bewilligung vom 23.08.2002 wegen fehlender Bedürftigkeit aufgehoben wurde. Über die Freibetragsregelung war der Kläger durch das ihm ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose informiert.
Der ursprüngliche Anspruch auf Alhi, beruhend auf der Arbeitslosmeldung vom 16.07.2002, war am 29.01.2004 erloschen, weil seit dem letzten Tag des Alhi-Bezugs ein Jahr vergangen war (§ 196 Satz 1 Nr 2 SGB III). Zwar war nach § 196 Satz 2 Nr 1 SGB III eine Verlängerung dieser Frist grundsätzlich ebenfalls möglich um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Alhi-Bezugs nur deshalb einen Anspruch auf Alhi nicht hatte, weil er nicht bedürftig war.
Diese Voraussetzungen liegen jedoch - wie oben ausgeführt - nicht vor, so dass eine Verlängerung der Erlöschensfrist nicht in Betracht kommt.
Selbst wenn man vom Vorliegen eines Verlängerungstatbestandes ausgehen könnte, hätte der Kläger nicht nur mangels Bedürftigkeit keinen Alhi-Anspruch gehabt. Er war vielmehr auch nicht arbeitslos, denn er hatte sich nach dem Bezug von Krankengeld bei der Arbeitsagentur bis 29.01.2004 nicht mehr gemeldet (vgl. zu den Anforderungen an die Arbeitslosigkeit §§ 118, 199 SGB III).
Die Wirkung der früheren Arbeitslosmeldung vom 16.07.2002 war gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III (Fassung vom 23.12.2003, gültig ab 1. Jan. 2004 bis 30. Apr. 2004) wegen der über sieben Wochen dauernden Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch arbeitsunfähige Erkrankung (22.12.2002 bis 31.01.2003) erloschen.
Zwar macht nach § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III nicht mehr jede Unterbrechung des Leistungsbezugs eine erneute Arbeitslosmeldung erforderlich. Die materiell-rechtliche Wirkung der Arbeitslosmeldung wird aber dann beseitigt, wenn die Unterbrechung über sechs Wochen (42 Kalendertage) andauert. Der Grund für die Unterbrechung ist unerheblich (BSG Urteil vom 25.05.2005 Az: B 11a/11 AL 61/04 R = SozR 4-4300 § 147 Nr 4). Eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers ist vor dem 29.01.2004 nicht erfolgt, obwohl der Kläger über dieses Erfordernis mit Aufhebungsbescheid vom 23.01.2003 aufgeklärt wurde.
Durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht ersetzt werden, da diese eine Tatsachen- und keine Willenserklärung ist. Im Übrigen würde in einem solchen Fall die Arbeitsagentur zu einer rechtswidrigen Amtshandlung verpflichtet, da die Anspruchsvoraussetzungen für Alhi mangels Arbeitslosmeldung nicht vorlagen (BSG SozR 4100 § 105 Nr 2, SozR 1300 § 28 Nr 1, LSG Sachsen Urteil vom 11.03.2004 - L 3 AL 245/03; Brand in Niesel, SGB III 3.Aufl § 122 Rdnr 5).
Das SG hat daher die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Zahlung von Alhi an den Kläger ab 29.01.2004 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des SG Würzburg vom 17.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der 1949 geborene Kläger bezog von der Beklagten bis 22.08.2002 (Erschöpfung des Anspruchs) Arbeitslosengeld (Alg) und ab 23.08.2002 Alhi. Am 30.11.2002 wurden ihm 26.409,36 EUR aus einer gekündigten Lebensversicherung ausgezahlt. Dies teilte er der Beklagten nicht mit. Vom 12.12.2002 bis 31.01.2003 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Bis 22.01.2003 gewährte die Beklagte Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall, anschließend bezog der Kläger bis 31.03.2003 von der Krankenkasse Krankengeld. Im Bescheid der Beklagten vom 23.01.2003 über die Aufhebung der Leistungsbewilligung wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass eine erneute Zahlung der Alhi nur nach erneuter persönlicher Arbeitslosmeldung möglich sei.
Am 29.01.2004 meldete sich der Kläger durch persönliche Vorsprache wieder arbeitslos und beantragte Alhi. Mit Bescheid vom 05.02.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Alg bezogen noch einen Vorfrist-Verlängerungstatbestand erfüllt.
Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf den Verlängerungstatbestand des § 192 Satz 2 Nr 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er sei wegen der ausgezahlten Lebensversicherung für rund ein Jahr nicht bedürftig gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.05.2004 zurück. Der Kläger habe in der Vorfrist vom 29.01.2003 bis 28.01.2004 kein Alg bezogen. Ein Verlängerungstatbestand könne bereits deshalb nicht anerkannt werden, weil der Kläger wegen fehlender Meldung nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Auch sei der Anspruch auf Alhi erloschen, da seit dem letzten Tag des Alhi-Bezugs (22.01.2003) mehr als ein Jahr vergangen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Beklagte stelle fehlerhaft darauf ab, dass die Arbeitslosmeldung materiell-rechtliche Voraussetzung für den Verlängerungstatbestand sei.
Mit Urteil vom 17.10.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 verurteilt, dem Kläger ab 29.01.2004 Alhi zu zahlen. Wegen der ausgezahlten Lebensversicherung sei der Kläger nicht bedürftig gewesen, so dass der Verlängerungstatbestand des § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III erfüllt sei. Die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung sei dem Kläger angesichts der unterbliebenen Belehrung durch die Beklagte nicht vorzuwerfen. Er sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er sich nach dem 01.02.2003 persönlich arbeitsuchend gemeldet.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Wirkung der Meldung vom 16.07.2002 sei nach Ablauf von Leistungsfortzahlung und Krankengeldzahlung (31.01.2003) gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III erloschen, so dass eine erneute Meldung erforderlich gewesen sei. Diese sei aber erst am 29.01.2004 erfolgt. Über die Notwendigkeit einer erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung sei der Kläger zuletzt mit Aufhebungsbescheid vom 23.01.2003 aufgeklärt worden. Die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung vor dem 29.01.2004 könne nach der Rechtsprechung auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzt werden. Eine Vorfristverlängerung gemäß § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III komme nicht in Betracht, da der Kläger den Vermögenszuwachs aus der Lebensversicherung zum 30.11.2002 nicht mitgeteilt habe und daher die Leistungsbewilligung deswegen nicht aufgehoben worden sei. Außerdem hätte das zugeflossene Vermögen (26.409,36 EUR) im Hinblick auf den anzusetzenden Freibetrag von 28.080,00 EUR (54 Jahre x 520,00 EUR) die Bedürftigkeit ohnehin nicht berührt. Im übrigen fordere § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III, dass ein Anspruch auf Alhi nur deshalb nicht bestanden hat, weil der Arbeitslose nicht bedürftig war. Dem Wortlaut nach komme somit eine Vorfrist-Verlängerung nur bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen in Betracht. Vorliegend mangele es jedoch bereits an der erneuten Arbeitslosmeldung.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Würzburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die erstmalige Arbeitslosmeldung sei nicht erloschen, denn die Voraussetzungen der §§ 122 Abs 2, 198 Satz 2 Nr 2 SGB III hätten nicht vorgelegen. Er habe geglaubt, dass er mit der Auszahlung der Lebensversicherung bis zum Verbrauch des Betrages nicht bedürftig sei. Über den Freibetrag sei er nie aufgeklärt worden. Aufgrund der Fiktion des § 323 Abs 1 SGB III sei es Aufgabe der Beklagten gewesen, seine Arbeitslosigkeit zu überprüfen. Dies sei jedoch unterblieben. Er habe der Arbeitsvermittlung immer zur Verfügung stehen wollen. Deshalb sei von fehlender Bedürftigkeit auszugehen und diese als anspruchswahrend zu berücksichtigen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung von Alhi ab 29.01.2004 an den Kläger verurteilt.
Nach § 190 Abs 1 SGB III haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (2), einen Anspruch auf Alg nicht haben, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt haben (3), in der Vorfrist (§ 192) Alg bezogen haben, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist (4) und bedürftig sind (5). Die Vorfrist beträgt ein Jahr und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi. Sie verlängert sich u.a. um Zeiten, in denen der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind, nur deshalb einen Anspruch auf Alhi nicht hatte, weil er nicht bedürftig war (§ 192 Satz 1, 2 Nr 1 SGB III in der Fassung vom 23.12.2002, gültig ab 01. Jan. 2003 bis 31. Dez. 2004).
Zwar dürfte der Kläger am 29.01.2004 - dem Tag seiner erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung - arbeitslos gewesen sein. Auch kann zu diesem Zeitpunkt vom Vorliegen von Bedürftigkeit ausgegangen werden. Allerdings hatte der Kläger in der einjährigen Vorfrist des § 192 Satz 1 SGB III (29.01.2003 bis 28.01.2004) kein Alg, sondern im Anschluss an Alhi vom 23.01.2003 bis 31.03.2003 Krankengeld bezogen.
Auch liegen die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Vorfrist nach § 192 Satz 2 Nr 1 SGB III nicht vor. Zwar ging der Kläger wohl davon aus, dass durch die Auszahlung der Lebensversicherungssumme am 30.11.2002 Bedürftigkeit als Voraussetzung für den Alhi-Bezug nicht mehr gegeben war. Diese Auffassung war jedoch unzutreffend, denn der in Betracht kommende Freibetrag von 28.080,00 EUR überstieg die ausgezahlte Lebensversicherungssumme (26.409,36 EUR). Außerdem fehlte es an der Entscheidung der Beklagten, mit der die Alhi-Bewilligung vom 23.08.2002 wegen fehlender Bedürftigkeit aufgehoben wurde. Über die Freibetragsregelung war der Kläger durch das ihm ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose informiert.
Der ursprüngliche Anspruch auf Alhi, beruhend auf der Arbeitslosmeldung vom 16.07.2002, war am 29.01.2004 erloschen, weil seit dem letzten Tag des Alhi-Bezugs ein Jahr vergangen war (§ 196 Satz 1 Nr 2 SGB III). Zwar war nach § 196 Satz 2 Nr 1 SGB III eine Verlängerung dieser Frist grundsätzlich ebenfalls möglich um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Alhi-Bezugs nur deshalb einen Anspruch auf Alhi nicht hatte, weil er nicht bedürftig war.
Diese Voraussetzungen liegen jedoch - wie oben ausgeführt - nicht vor, so dass eine Verlängerung der Erlöschensfrist nicht in Betracht kommt.
Selbst wenn man vom Vorliegen eines Verlängerungstatbestandes ausgehen könnte, hätte der Kläger nicht nur mangels Bedürftigkeit keinen Alhi-Anspruch gehabt. Er war vielmehr auch nicht arbeitslos, denn er hatte sich nach dem Bezug von Krankengeld bei der Arbeitsagentur bis 29.01.2004 nicht mehr gemeldet (vgl. zu den Anforderungen an die Arbeitslosigkeit §§ 118, 199 SGB III).
Die Wirkung der früheren Arbeitslosmeldung vom 16.07.2002 war gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III (Fassung vom 23.12.2003, gültig ab 1. Jan. 2004 bis 30. Apr. 2004) wegen der über sieben Wochen dauernden Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch arbeitsunfähige Erkrankung (22.12.2002 bis 31.01.2003) erloschen.
Zwar macht nach § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III nicht mehr jede Unterbrechung des Leistungsbezugs eine erneute Arbeitslosmeldung erforderlich. Die materiell-rechtliche Wirkung der Arbeitslosmeldung wird aber dann beseitigt, wenn die Unterbrechung über sechs Wochen (42 Kalendertage) andauert. Der Grund für die Unterbrechung ist unerheblich (BSG Urteil vom 25.05.2005 Az: B 11a/11 AL 61/04 R = SozR 4-4300 § 147 Nr 4). Eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers ist vor dem 29.01.2004 nicht erfolgt, obwohl der Kläger über dieses Erfordernis mit Aufhebungsbescheid vom 23.01.2003 aufgeklärt wurde.
Durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht ersetzt werden, da diese eine Tatsachen- und keine Willenserklärung ist. Im Übrigen würde in einem solchen Fall die Arbeitsagentur zu einer rechtswidrigen Amtshandlung verpflichtet, da die Anspruchsvoraussetzungen für Alhi mangels Arbeitslosmeldung nicht vorlagen (BSG SozR 4100 § 105 Nr 2, SozR 1300 § 28 Nr 1, LSG Sachsen Urteil vom 11.03.2004 - L 3 AL 245/03; Brand in Niesel, SGB III 3.Aufl § 122 Rdnr 5).
Das SG hat daher die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Zahlung von Alhi an den Kläger ab 29.01.2004 verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des SG Würzburg vom 17.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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