L 2 U 240/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 67/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 240/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1955 geborene Klägerin rutschte am 07.02.2000 auf dem Weg zur Arbeit auf einer Eisplatte aus.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr. F. , diagnostizierte am gleichen Tag eine Innenbandzerrung am rechten Knie. Ein MRT bestätigte eine leichtgradige Zerrung ohne Bandruptur. Am 16.03.2000 bestanden noch Bewegungsschmerzen, die Streckung war noch nicht ganz möglich. Aufgrund der anhaltenden Schmerzen und des Meniskusbefundes hielt Dr. F. die Indikation für eine Arthroskopie für gegeben. Am 17./18.03.2000 erfolgte in arthroskopischer Technik die Innenmeniskus-Teilresektion, die die Diagnose ergab: Innenbandzerrung, Innenmeniskusläsion, Lappenriss des Innenmeniskus. Der Pathologe Dr. H. diagnostizierte am 20.03.2000 nicht ganz frische Einrisse und mäßige reparative/degenerative Veränderungen. Radiologisch ergab die NMR-Untersuchung vom 13.04.2000 eine Re-Ruptur des Hinterhorns des Innenmeniskus. Am 20.04.2000 erfolgte eine Rearthroskopie, da die Klägerin nie beschwerdefrei war und sich ein zunehmendes Streckdefizit zeigte. In Narkoseuntersuchung bestand ein Streckdefizit von 10°. Ein Gelenkerguss war nicht festzustellen. Am 08.05.2000 berichtete Dr. F. , nach zunächst erheblich verbesserter Beweglichkeit zeige sich jetzt eine zunehmende Bewegungseinschränkung.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. erklärte im Bericht vom 16.05.2000, es sei kein fassbarer neuropathologischer Befund zu erheben.

Vom 09.05. bis 26.05.2000 wurde die Klägerin zur konservativen Therapie stationär aufgenommen. Dr. F. erklärte, die Schmerzsymptomatik scheine sich chronifiziert zu haben. Am 30.05.2000 berichtete er, der postoperative Verlauf sei geprägt von einer zunehmenden Bewegungseinschränkung. Auch nach der Rearthroskopie zeige sich ein sehr protrahierter Verlauf mit nur langsam sich bessernder Beweglichkeit.

Vom 29.05.2000 bis 17.07.2000 wurde die Klägerin in der Fachklinik E. behandelt. Die Klägerin habe mit ausgeprägtem Schmerzreiz reagiert, wodurch teilweise eine Trigeminus-Neuralgie getriggert worden sei. Es sei nicht möglich gewesen, die Streckhemmung von 20° zu überwinden. Es solle eine Rearthroskopie bzw. eine Beweglichkeitsprüfung in Narkose in Erwägung gezogen werden.

Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. G. , führte in der Stellungnahme vom 22.08.2000 aus, der Histologiebefund beweise, dass der Innenmeniskus bereits in einer extrem schadensnahen Verfassung gewesen sei, so dass es, offensichtlich erst nach der MRT-Untersuchung vom 07.02.2000, zu einer spontanen Lappendefektentwicklung habe kommen können. Der Ausrutschvorgang vom 07.02.2000 sei typisch für eine Distorsion, keineswegs aber adäquat für eine traumatische Innenmeniskusruptur. Der isolierte Meniskusriss erfordere einen ganz speziellen Unfallmechanismus im Sinne des Drehsturzes. Hier fehle es vor allem an der Fixierung des Unterschenkels oder Fußes, ohne die eine entsprechend gravierende rotierende Gewalt auf das Kniegelenk nicht anzunehmen sei. Die bei der Operation am 18.03.2000 gefundenen Befunde seien typisch für die Entstehung auf degenerativer Basis, ebenso wie der weitere Verlauf. Nach der primären Entfernung sei es zu keiner Besserung bekommen, sondern es habe sich eine Re-Ruptur entwickelt.

Vom 13.09.2000 bis 25.09.2000 wurde die Klägerin in der Universitätsklinik U. stationär behandelt. Die Diagnose lautete: generalisierte Arthrofibrose Grad III bei Zustand nach IM-Resektion.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.2000 eine Entschädigung für den Unfall vom 07.02.2000 über den 28.02.2000 hinaus ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Defekt am Innenmeniskushinterhorn und dem Unfallereignis bestehe nicht. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei bis 28.02.2000 anzunehmen.

Zur Begründung des Widerspruchs vom 11.10.2000 führte die Klägerin aus, der Unfall sei zumindest als wesentliche Teilursache bei der Entstehung des Meniskusschadens anzusehen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 zurück.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. R. hat im Gutachten vom 09.04.2002 zusammenfassend ausgeführt, aus den Unfallberichten, dem Arthroskopiebericht und der NMR-Untersuchung gehe nicht hervor, dass eine signifikante Verletzung des Kapselbandapparates vorgelegen habe. Die isolierte traumatische Schädigung des Innenmeniskus sei nur bei einem so genannten Drehsturz möglich. Dabei sei das Kniegelenk gebeugt und der Unterschenkel fixiert. Aufgrund der Unfallbeschreibung könne ein solches Verletzungsmuster ausgeschlossen werden. Es sei eher zu einem Wegrutschen des gestreckten rechten Beines mit einer kleineren Rotationsbewegung in der Endphase gekommen. Die bei der pathologischen Untersuchung festgestellten unterschiedlich alten Defektbildungen seien typisch für eine degenerative Veränderung des Meniskusgewebes. Der Histologiebefund weise recht deutlich darauf hin, dass der Innenmeniskus bereits in einer schadensnahen Verfassung gewesen sei, so dass es aufgrund dieser Vorschädigung auch zu einer spontanen Lappendefektentwicklung hätte kommen können. Der Unfall habe zu einer Distorsion des Innenbandes ohne Ruptur geführt. Ab der 27. Woche nach dem Unfall hätten keine Unfallfolgen mehr vorgelegen. Eine rentenberechtigende MdE sei nicht gegeben.

Der Orthopäde Dr. K. attestierte am 19.04.2002 einen Zustand nach Morbus Sudeck, Arthrofibrose und ein jetzt im Vordergrund stehendes chronisches Schmerzsyndrom. Die Chirurgen Dr. E. und Dr. P. führten im Gutachten für die I. Versicherung vom 05.06.2002 aus, es bestünden eine posttraumatische Gonarthrose bei posttraumatischer Arthrofibrose nach traumatischer Innenbandläsion und Innenmeniskusläsion mit Lappenriss des Hinterhorns, außerdem glaubhafte Belastungsschmerzen. Die Beschwerden seien ausschließlich Unfallfolgen.

Der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. P. hat im Gutachten vom 27.01.2003 zusammenfassend ausgeführt, es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer relevanten traumatischen Schädigung eines geringgradig degenerativ vorbelasteten Innenmeniskus gekommen. Die Traumatisierung sei als überwiegende Teilursache und die Innenmeniskus-Teilresektion vom 18.03.2000 als überwiegend unfallbedingt indiziert anzusehen. Somit sei die danach eingetretene hochgradige Arthrofibrose Unfallfolge. Die Veränderungen im Bereich der LWS und des linken Hüftgelenks seien Folge der funktionellen Überlastung. Die MdE sei jetzt mit 30 v.H. einzuschätzen.

Dr. G. erklärte in der Stellungnahme vom 09.04.2003, es hätten letztlich nur degenerative Schäden vorgelegen. Gerade Korbhenkeldefekte seien in weitaus überwiegender Zahl Folge einer degenerativen Erkrankung. Bei der MRT-Untersuchung vom 07.02.2000 sei lediglich eine Zerrung ohne Ruptur festgestellt worden. Damit sei ein frischer traumatischer Meniskusschaden ausgeschlossen. Wenn Dr. P. von einem Drehsturz ausgehe, so entspreche das nicht der Schilderung der Klägerin. Da ein adäquates Unfallereignis fehle, könne schon aus diesem Grund der Unfallzusammenhang nicht angenommen werden. Auffällig sei auch, dass ein hämorraghischer Erguss, wie er bei einer Zerreißung des Zwischenknorpels zu erwarten gewesen wäre, nicht festgestellt worden sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.07.2003 abgewiesen. Dr. R. habe sich mit dem Unfallhergang, den kernspintomografischen und den histologischen Befunden eingehend auseinandergesetzt und komme in seinem schlüssigen und überzeugenden Gutachten zum Ergebnis, dass der Ausrutschvorgang keineswegs adäquat für eine traumatische Innenmeniskusruptur sei. Das Gutachten von Dr. P. könne dagegen nicht überzeugen.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Berufung wendete die Klägerin ein, ihr stehe mindestens eine MdE von 20 v.H. zu. Dr. R. habe nicht bis ins kleinste Detail nachgefragt, wie sich der Unfall tatsächlich ereignet habe. Der Unfall sei zu mindestens als wesentliche Teilursache bei der Entstehung des Meniskusschadens anzusehen. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten des Dr. P ...

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 01.07.2004 aus, der komplett fehlende Erguss im Kniegelenk, die sehr blande Erstsymptomatik am Unfalltag, die morphologischen und letztlich auch histologischen Veränderungen in Übereinstimmung mit dem ungeeigneten Unfallhergang sprächen gegen eine traumatische Veränderung des Innenmeniskus. Der Unfall habe nur zu einer leichten Zerrung des Innenbandes geführt. Ein Sturz auf dem Eis ohne jegliche Fixiermöglichkeit erfülle das Kriterium des Drehsturzes in keinem Falle. Dr. P. berücksichtige nicht, dass auch drei Tage nach dem Unfall im Kernspin kein Erguss festgestellt worden sei. Dies spreche deutlich gegen eine verletzungsbedingte Meniskusläsion. Selbst wenn ein traumatischer Meniskusschaden bestünde, so seien mittelbare Unfallfolgen an der linken Hüfte und an der Lendenwirbelsäule nicht gegeben. Die Lendenwirbelsäule könne sekundär bei Verletzungen der unteren Extremitäten durch einen erheblichen, nicht ausgleichbaren Beckenschiefstand oder durch Hüftkontrakturen geschädigt werden, wobei es bis zum Eintritt einer fixierten Skoliose eines jahre- bis jahrzehntelangen Verlaufs bedürfe. Überlastungsschäden an der unversehrten paarigen Extremität könnten nicht einmal bei Beinamputierten anerkannt werden.

Die Klägerin übersandte einen ärztlichen Bericht des Dr. W. , Zentrums für muskuloskeletale Chirurgie, B. , vom 10.06.2004. Darin wird ausgeführt, durch die Athroskopie, bei der ein zufälliger Lappenriss des Innenmeniskus gefunden worden sei, sei das entzündliche Geschehen im Sinne einer beginnenden Arthrofibrose weiter angestoßen worden. Die Athroskopie sei aufgrund der persistierenden medialen Schmerzen nach Innenbandverletzung durchgeführt worden. Somit sei auch die Athroskopie als Konsequenz des Unfalls vom 07.02.2000 zu werten. Problematisch sei, dass persistierende mediale Schmerzzustände klinisch häufig schwer abzugrenzen seien und dass ein positiver MRT-Befund ab einem gewissen Alter sehr häufig zu finden sei. Hierdurch sei Dr. F. fehlgeleitet worden, habe in ein entzündlich verändertes Kniegelenk hinein operiert und dadurch zusätzlich zu dem Trauma eine massive Arthrofibrose getriggert.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. B. vom 07.09.2004: der Eingriff vom 18.03.2000 habe der Behandlung des Innenmeniskusschadens gedient, also den unfallunabhängigen Veränderungen des Kniegelenks. Ohne den arthroskopischen Eingriff vom 18.03.2000 wäre die Zerrung des Innenbandes weiter abgeheilt und hätte eine Arthrofibrose mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht hinterlassen.

Dr. F. führte in der Stellungnahme vom 02.10.2004 aus, Tatsache sei, dass die Klägerin am 07.02.2000 ein geringes Trauma erlitten habe. Das von der Klägerin vorgetragene Schmerzbild und die demonstrierten Funktionsstörungen seien Ausdruck einer Somatisierungsstörung. Dass intraoperativ eine Entzündung der Gelenkinnenhaut gefunden worden sei, erkläre sich zwanglos durch einen früheren Lappenriss des Innenmeniskus. Die Athroskopie sei durch das Unfallgeschehen nicht indiziert gewesen. Die vorangegangenen klinischen und kernspintomografischen Untersuchungen hätten eine wesentliche Traumatisierung des Kniegelenks bereits ausgeschlossen. Dies habe sich ja dann intraoperativ auch bestätigt. Dr. F. stimmte in der Stellungnahme vom 17.12.2004 Dr. B. (Stellungnahme vom 07.09.2004) zu, dass ohne den arthroskopischen Eingriff die Arthrofibrose mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Die Athroskopie habe die Arthrofibrose getriggert im Sinne einer durch den Eingriff verursachten Traumatisierung des synovitisch gereizten Kniegelenkes.

Dr. W. erklärte in der Stellungnahme von 20.11.04, eine eindeutige Kausalitätskette könne nicht geschlossen werden, da der Anteil von Innenbandverletzung und Arthroskopie an der Entwicklung des Krankheitsbildes nicht differenziert werden könne. Es sei eher unwahrscheinlich, dass die Innenbanddistension ursächlich für die Entwicklung der Arthrofibrose sei. Es sei wissenschaftlich klar belegt, dass operative Interventionen am Kniegelenk durchaus schwerste Arthrofibrosezustände verursachen könnten. Also sei eher die athroskopischen Operation ursächlich für das Krankheitsbild, wobei die vorher eingetretene Innenbanddistension die Prädisposition erheblich erhöht habe. Es sei Dr. B. zuzustimmen, dass ohne den arthroskopischen Eingriff die Zerrung des Innenbandes weiter abgeheilt wäre und eine Arthrofibrose mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Problematisch sei jedoch, dass die Indikation für den operativen Eingriff aufgrund der Schmerzhaftigkeit auf der Innenseite des Kniegelenks gestellt worden sei und diese Schmerzhaftigkeit durch eine Innenbanddistension verursacht worden sei, die eindeutig ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sei.

Auf Anfrage des Senats erklärte der Chirurg Dr. F. im Schreiben vom 19.09.2005, bei der Untersuchung am 16.03.2000 hätten sich noch Bewegungsschmerz, eine fehlende Streckung sowie Meniskuszeichen gezeigt. Aufgrund des klinischen Bildes sei am 18.03.2000 die Gelenkspiegelung erfolgt, die eine eindeutige Innenmeniskusläsion bestätigt habe. Die bewegungs- und belastungsabhängigen Schmerzen sowie die Schmerzlokalisation während der klinischen Untersuchung hätten den Hinweis auf den Meniskusbefund ergeben; dies sei der Grund für die erste und die zweite Arthroskopie gewesen. Der zweite Eingriff sei wegen der noch bestehenden Schmerzen, der Bewegungseinschränkung und der auch im Kernspin beschriebenen Läsion erfolgt.

In den Stellungnahmen vom 26.09. und 21.10.2005 führte Dr. F. aus, die Indikation zum Eingriff vom 18.03.2000 sei praktisch ausschließlich aufgrund subjektiver Äußerungen der Klägerin erfolgt. Bewegungsschmerzen, die angeblich unvollständige Streckung und die positiven Meniskuszeichen hätten zum Eingriff geführt. In der Narkoseuntersuchung sei ein Bewegungsverlust nicht festgestellt worden. Die behauptete Instabilität des medialen Gelenkspaltes sei mit dem Operationsbefund in keinen Einklang zu bringen, da eine Mitbeteiligung des Innenbandes nicht beschrieben sei und auch die Operationsdiagnose lediglich von einer Innenbandzerrung ausgehe. Der vollständig fehlende Erguss sei mit einer einigermaßen frischen Meniskusverletzung auch nicht zu vereinbaren. Nachdem zuvor schon kernspintomographisch weitere Unfallfolgen ausgeschlossen worden seien, habe die Handlungstendenz der Ärzte bei der Arthroskopie nicht darauf gerichtet sein können, Unfallfolgen zu behandeln. Die Diagnose sei insoweit fehlerhaft gewesen, als der Reizzustand der Gelenkinnenhaut nicht vor dem operativen Eingriff festgestellt worden sei. Durch die zusätzliche Traumatisierung sei infolge des operativen Eingriffs eine Arthrofibrose entstanden, die ohne den Eingriff mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Ausbruch gekommen wäre.

Die Klägerin übersandte einen Bericht der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der Klinik O. über die stationären Behandlungen vom 12.09. bis 25.09., 26.09. bis 30.09. und 03.10. bis 07.10.2005. Im Psychologischen Konsil vom 16.09.2005 kamen die Ärzte zu der Auffassung, es handle sich hier um eine chronische Schmerzkrankheit nach Bagatellverletzung. Der funktionelle Beckenschiefstand sei auszugleichen. Als Hauptschmerz gebe die Klägerin Schmerzen im Bereich des Hinterhauptes sowie der linken Hüfte mit Ausstrahlung ins Kniegelenk, im Bereich der Ileosakralgelenke beidseits, Kribbeln der Hände und Füße mit rezidivierenden Gelenkschwellungen, Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, Tinnitus an. Der Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. B. führte im Schreiben vom 14.09.2005 aus, es bestehe eine myofasziale Genese der Cervikocephalgien, Dorsalgien und pseudoradikulären Lumbalgien bei fehlender Kraft und Ausdauer der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur. Beschwerdeverstärkend wirke sich die muskuläre Fehlbelastung bei Wirbelsäulenfehlstatik infolge der rechtsseitigen Kniegelenkskontraktur sowie der dadurch bedingten Gangstörung aus.

Die Klägerin stellt den Antrag

aus dem Schriftsatz vom 15.01.2004.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden geführt hat (vgl. BSGE 23, 139). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, das heißt sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR 1993, 81, 114).

Bei der Klägerin ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die eine MdE von wenigstens 20 v.H. der Vollrente bedingen würde, gekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten und den ergänzenden Stellungnahmen des ärztlichen Sachverständigen Dr. F. , der nach ambulanter Untersuchung der Klägerin und Auswertung der ärztlichen Unterlagen überzeugend dargelegt hat, dass es durch den Unfall lediglich zu einer Innenbandzerrung des Kniegelenks gekommen ist, nicht jedoch zu weiteren Gesundheitsschäden.

Im Hinblick auf den auch noch drei Tage nach dem Unfall fehlenden Erguss, die wenig ausgeprägte Erstsymptomatik, die festgestellten histologischen Veränderungen und insbesondere im Hinblick auf den für eine Meniskusläsion ungeeigneten Unfallhergang ist, wie Dr. F. überzeugend dargelegt hat, nur von einer leichtgradigen Innenbandzerrung als Unfallfolge auszugehen.

Was diesen Punkt betrifft, geht auch Dr. W. davon aus, dass es beim Unfall lediglich zu einer geringgradigen Innenbanddistension gekommen ist. Er ist der Auffassung, die Arthroskopie sei nicht wegen des vorbestehenden (unfallfremden) Meniskusschadens durchgeführt worden, sondern aufgrund der persistierenden medialen Schmerzen nach Innenbandverletzung, so dass die als Folge der Arthroskopie entstandenen Gesundheitsstörungen, insbesondere die Arthrofibrose, mittelbare Unfallfolge seien.

Die behandelnden Ärzte haben aber in der Stellungnahme vom 19.09.2005 ausgeführt, die von der Klägerin angegebenen Schmerzen und die Schmerzlokalisation hätten sie zu der Arthroskopie vom 18.03.2000 veranlasst. Die Handlungstendenz der behandelnden Ärzte war, worauf Dr. F. zu Recht hinweist, nicht darauf gerichtet, Unfallfolgen zu behandeln, denn bereits durch die Kernspintomographie vom 07.02.2000 waren über eine Innenbandzerrung hinausgehende Unfallfolgen ausgeschlossen.

Wie das Bundessozialgericht hierzu ausgeführt hat, kann die rechtlich wesentliche sachliche oder kausale Verknüpfung zwischen dem Arbeitsunfall und dem Zweck des zur Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriffs bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht schon deshalb außerhalb des in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Risikos liegen, weil Behandlungspersonen als Dritte beteiligt sind. Der Zweck der Behandlung ergibt sich aus der Handlungstendenz des Arztes und den sie bestätigenden objektiven Umständen des Falles. Erst dann kann wertend entschieden werden, ob ein durch einen Kunstfehler hervorgerufener Gesundheitsschaden als mittelbare Unfallfolge vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst wird. Wird anlässlich einer zur Erkennung von Unfallfolgen durchgeführten Operation ein eindeutig abgrenzbarer zusätzlicher ärztlicher Eingriff zur Behebung eines unfallunabhängigen Leidens vorgenommen, so können die aus diesem Eingriff resultierenden Gesundheitsstörungen dem Arbeitsunfall nicht zugeordnet werden. Ist die ärztliche Handlungstentenz jedoch durchgängig darauf gerichtet, Unfallfolgen zu behandeln, und sind die Diagnose oder die Behandlung fehlerhaft, so sind auftretende Komplikationen oder Gesundheitsschäden in der Regel vom Risikobereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst und als mittelbare Unfallfolgen zu entschädigen. (vgl. BSG vom 05.08.1993, 2 RU 34/92)

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Handlungstendenz der behandelnden Ärzte darauf gerichtet war, einen Meniskusschaden zu behandeln. Ohne den Eingriff wäre der Lappenriss nicht operativ entfernt worden. Dies reicht jedoch nicht aus, um die durch die Arthroskopie unzweifelhaft getriggerte Arthrofibrose als Folge des Arbeitsunfalls anzusehen. Dem Arbeitsunfall können nur solche Komplikationen ärztlicher Eingriffe zugeordnet werden, die bei der Erkennung oder Behandlung von Unfallfolgen aufgetreten sind. Die behandelnden Ärzte der Klägerin haben aber die Absicht gehabt, unfallfremde Gesundheitsstörungen zu behandeln. Denn im Hinblick auf die am 07.02.2000 festgestellten Befunde konnten sie nicht davon ausgehen, dass über die festgestellte Innenbandzerrung hinaus wesentliche Unfallschäden eingetreten und zu behandeln wären. Dr.F. hat in den Befunden vom 07.02.2000 ausdrücklich angeführt, dass keine Meniskuszeichen und kein Gelenkerguss festzustellen waren. Das MRT vom gleichen Tag bestätigte diesen Befund, nämlich das Vorliegen lediglich einer leichtgradigen Zerrung. Sonstige pathomorphologische Veränderungen waren nicht nachzuweisen. Zerrungen heilen in der Regel komplikationslos aus, so Dr.F ... Insofern erfolgte die Arthroskopie vom 18.03.2000 wegen der erst jetzt festzustellenden Meniskuszeichen. Dr.F. erläutert, dass die Schmerzen auf den Meniskusbefund hinwiesen und dies die erste Arthroskopie veranlasst hat. Der Meniskusschaden, wie er dann auch bei der Operation gefunden wurde, war eindeutig keine Unfallfolge. Es handelte sich bei der Arthroskopie nicht um eine Heilbehandlung im Sinne des § 11 Abs.1 SGB VII, so dass die Folgen nicht dem Arbeitsunfall zugeordnet werden können.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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