L 19 B 42/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 11612/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 42/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Verfahrenskosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller erhält seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Grundsicherung. Sämtliche die Leistung betreffenden Bescheide sind angefochten, wobei im Wesentlichen um die Berechnung der Kosten der Unterkunft gestritten wird.

Für den laufenden Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 errechnete der Antragsgegner zunächst eine monatliche Leistung in Höhe von 70,57 Euro (Bescheid vom 7. Dezember 2005). Mit einem weiteren Bescheid vom 8. Dezember 2005 lehnte er den Antrag des Antragstellers vom 1. November 2005 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (für denselben Zeitraum) insgesamt ab. Er führte aus, der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig. Kosten der Unterkunft in einer Kleingartenkolonie würden nicht anerkannt. Die Bescheide wurden dem Kläger bei einer persönlichen Vorsprache am 15. Dezember 2005 übergeben. Den Bescheid vom 8. Dezember 2005 ergänzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 5. Januar 2006 dahingehend, dass mit dem belastenden Bescheid vom 8. Dezember 2005 der begünstigende Bescheid vom 8. Dezember 2005 (richtig 7. Dezember 2005) aufgehoben worden sei.

Bereits am 12. Dezember 2005 stellte der Kläger einen "Eilantrag" beim Sozialgericht Berlin und führte aus, er habe weder Bescheid noch Geld für den Dezember 2005 erhalten. Am 19. Dezember teilte er mit, er habe sich die Bescheide persönlich beim Antragsgegner abgeholt. Damit sei seiner überraschend eingetretenen Mittellosigkeit nicht Abhilfe geschaffen worden.

Mit Beschluss vom 5. Januar 2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Es hat ausgeführt, das Begehren des Antragstellers sei sinngemäß dahingehend auszulegen, dass er die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2005 in der Fassung des Bescheides vom 5. Januar 2006 begehre. Denn durch eine solche Anordnung würde die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners aus dem Bewilligungsbescheid wieder aufleben. Darüber hinaus komme auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – in Betracht. Dies gelte für den Fall, dass dem Antrag zu entnehmen sein sollte, dass der Antragsteller mit der Höhe der ihm mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 bewilligten Leistungen nicht einverstanden sei.

Bei der im Eilverfahren allein gebotenen vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestünden an der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung keine Bedenken. Der Antragsteller beziehe nach Aktenlage ein monatliches Einkommen aus einer Unfallrente (richtig zwei Unfallrenten) in Höhe von 504,34 Euro. Damit sei die Regelleistung für Hilfebedürftige von 345,- Euro sichergestellt und es verbleibe ein Überschuss. Dass dem Antragsteller Unterkunftskosten entstünden, sei nicht glaubhaft dargetan. Der Antragsteller mache insoweit geltend, ab 1. Juli 2005 aus der Eigentumswohnung der Frau J B in der K Straße in B, in ein offenbar ebenfalls der Frau B gehörendes Kleingartengrundstück in der Kolonie "H" J in B, gezogen zu sein. Unabhängig davon, dass ein Wohnen in einer Kleingartensparte nach dem Bundeskleingartengesetz nicht zulässig sei und die Kolonie "H" nach Aktenlage nicht im Verzeichnis der Kolonien aufgeführt sei, in denen ein dauerhafter Wohnsitz angemeldet werden könne, sei der Antragsteller nach einer telefonischen Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 4. Januar 2006 auch nach wie vor unter der Anschrift K Straße bei Frau B gemeldet. Dass der Antragsteller sich tatsächlich nicht dort, sondern in der Kleingartenanlage aufhalte, sei nach Aktenlage nicht glaubhaft dargetan, auch wenn er dorthin offenbar Post erhalten könne. Ein Wohnen in einem Gartenhaus, insbesondere unter Berücksichtigung der vorliegenden Winterperiode erscheine auch unwahrscheinlich. Das Objekt müsse beheizbar und mit entsprechenden Sanitäreinrichtungen ausgestattet sein. Gemäß § 3 Bundeskleingartengesetz sei in Kleingärten jedoch lediglich eine Laube in einfacher Ausführung mit höchstens 24 m² Grundfläche einschließlich überdachtem Freisitz zulässig. Sie dürfe nach ihrer Beschaffenheit, insbesondere nach ihrer Ausstattung und Einrichtung, nicht zum dauernden Wohnen geeignet sein. Es erscheine zweifelhaft, ob die im aktenkundigen (unvollständigen) Mietvertrag ausgewiesenen zwei Räume mit Bad und Toilette mit einer Wohnfläche von 43 m² tatsächlich vorhanden seien. Dass ab 1. Juli 2005 tatsächlich Mietkosten gezahlt worden seien, sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Kosten von insgesamt 410,- Euro (200,- Euro für Miete, 100,- Euro Strompauschale, 60,- Euro Zuschlag für Möbel und 50,- Euro für die gemeinsame Unterhaltung eines PKW´s wären in ihrer Gesamtheit ohnehin nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf, dass zwischen dem Antragsteller und Frau B nach Aktenlage jedenfalls ein besonderes Näheverhältnis bestehen dürfte, sei jedenfalls zweifelhaft, dass die geltend gemachten Unterkunftskosten tatsächlich von Frau B in Rechnung gestellt würden.

Soweit das Begehren des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gehe, so mangele es für die Zeit vor Antragseingang bei Gericht am 12. Dezember 2005 bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung komme grundsätzlich nur zur Abwendung einer gegenwärtigen existenziellen Notlage und nicht für einen vergangenen Zeitraum vor Antragseingang bei Gericht in Betracht. Insoweit sei davon auszugehen, dass sich der Antragsteller für die Zeit vom 1. bis 11. Dezember 2005 bereits selbst anderweitig geholfen habe.

Für die Zeit ab Antragseingang bei Gericht am 12. Dezember 2005 habe der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft dargetan. Dies ergebe sich ebenfalls aus den vorgenannten Erwägungen. Ein tatsächlicher Bedarf an Unterkunftskosten in der begehrten Höhe sei nicht dargetan. Überdies spreche auch nichts für eine existenzielle Notlage bzw. einen drohenden Unterkunftsverlust.

Gegen den dem Antragsteller am 10. Januar 2006 in der Wohnung K Straße zugestellten Beschluss richtet sich seine am 12. Januar 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung reicht er ein von seinem Rechtsanwalt gefertigtes Schreiben aus dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2005 ein. In diesem wird ausgeführt, der Antragsgegner erkenne die Kosten der Unterkunft in der Kolonie "H" zu Unrecht nicht an. Eine Unterkunft im Sinne des § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II - sei jede bauliche Anlage oder Teile hiervon, die geeignet seien, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und ein Mindestmaß an Privatheit zu sichern. Selbst ein Wohnwagen erfülle den Begriff einer Unterkunft. Bei der Unterkunft des Antragstellers handele es sich um ein zweistöckiges Gartenhäuschen, so dass die Voraussetzungen einer Unterkunft jedenfalls erfüllt seien. Diese Unterkunft werde auch tatsächlich genutzt. Der Antragsteller müsse für sie und die Heizung 215,57 Euro monatlich aufwenden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2006 aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatliche Leistungen in Höhe von 86,14 Euro zu gewähren.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes zu Recht abgelehnt.

Abweichend von der Auffassung des Sozialgerichts ist nicht § 86b Abs. 1 SGG, sondern ausschließlich § 86 b Abs. 2 SGG die Rechtsgrundlage für die vorläufige Entscheidung. Es ist nicht erforderlich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den bewilligenden Bescheid vom 7. Dezember 2005 anzuordnen. Denn dieser Bescheid ist nicht wirksam geworden. Dem Antragsteller ist gleichzeitig mit der Bewilligung der ablehnende Bescheid zugegangen, der besagt, dass dem Antragsteller gar keine Leistungen zustehen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – wird eine Willenserklärung bei gleichzeitigem Empfang einer widerrufenden Willenserklärung nicht wirksam. Der zugrundeliegende Gedanke gilt auch im öffentlichen Recht. Das hat zur Folge, dass ein bewilligender Bescheid nicht wirksam wird, wenn gleichzeitig ein ablehnender Bescheid zugeht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eins vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei dürfen sich die Gerichte auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache stützen, wenn keine schweren und unzumutbaren anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, drohen. Solche Nachteile drohen hier nicht. Der Kläger bezieht ein Einkommen von über 500,- Euro und seine Unterkunft ist nach Aktenlage gesichert.

Nach der danach zulässigen summarischen Prüfung, ist einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren, weil die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gering sind.

Nach Aktenlage besteht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, weil der Antragsteller nicht hilfebedürftig ist. Der Antragsgegner hat insbesondere keine Unterkunftskosten zu leisten. Er weist zwar zu Recht darauf hin, dass auch eine zum Wohnen geeignete Gartenlaube eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II sein kann. Es bestehen aber hier erhebliche Zweifel daran, dass die Nutzung des Gartenhauses, das sich in einer Kleingartenkolonie befindet, gesetzlich zulässig ist. Kosten einer Unterkunft, die auf einem gesetzwidrigen Mietvertrag beruhen, sind vom Antragsgegner im Regelfall nicht zu tragen, weil der entsprechende Mietvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB).

Im Übrigen wird auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG analog).

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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