S 12 KA 599/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 599/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 27/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es besteht kein Verbot zur Erteilung von Abmahnungen wegen Verfehlungen während der Ausübung des Notdientes. Als milderes Mittel zur Suspendierung vom Notdienst oder disziplinarischen Maßnahmen sind sie grundsätzlich zulässig. Als Erklärung über die Missbilligung des Verhaltens des Klägers sind sie ohne Regelungsinhalt und damit kein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X.
2. Bei fehlender objektiver Eignung des Arztes für den Notfalldienst kann unbeschadet des Fortbestehens der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ein Ausschluss statthaft sein und in schweren Fällen die sofortige Suspendierung angeordnet werden (vgl. BSG v. 24.01.1974 - 6 RKa 18/73 - SozR 2200 § 368n Nr. 1, S. 2 f.; s. a. BSG v. 19.10.1971 – 6 Rka 24/70 – BSGE 33, 165, 166 = SozR Nr. 3 zu BMV-Ärzte Allg. v. 1.10.1959). Eine Satzungsbestimmung der KV kann eine Suspendierung vom Notdienst vorsehen.
Bemerkung
verbunden mit S 12 KA 665/05
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Abmahnung und Nichteinteilung zu Notdiensten in dem Notdienstbezirk M ...

Der Kläger ist als Frauenarzt mit Praxissitz in Z. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 30.06.2003 fand eine Sitzung des Geschäftsausschusses der Bezirksstelle A. mit dem Kläger wegen Beschwerden von Patientinnen und Patienten statt mit dem Ergebnis, der Kläger solle abgemahnt werden.

Unter Datum vom 17.07.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, im Gespräch am 30.06.2003 seien die Beschwerde von Herrn Dr. P. bzgl. der Behandlung des Patienten R. S. und der Fall D., in der der Sohn T. eine Beschwerde gegen die Behandlung seines Vaters am 22.12.2002 vorgetragen habe, verhandelt worden. Trotz der Zusage, eine derartige Beanstandung für die Zukunft durch ordnungsgemäße Behandlung zu verhindern, müsse eine Abmahnung erteilt werden. Im Wiederholungsfalle habe dies zur Folge, dass er aus den Notdiensten der Bezirksstelle F. ausgeschlossen werden müsse. Die Beschwerde von Herrn Dr. P. bzgl. der Behandlung der Patientin Frau M. B. falle nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers.

Unter Datum vom 16.09.2004 teilte der Obmann des Bezirks M. mit, es liege eine Beschwerde der Frau K. gegen den Kläger vor. Wer letztendlich Recht habe, sei nicht zweifelsfrei zu klären. Unabhängig von dem aktuellen Fall habe man sich aber entschlossen, den Kollegen ab Januar nicht mehr in der Zentrale in B. einzusetzen.

Unter Datum vom 20.09.2004 teilte die Bezirksstelle F. der Beklagten dem Kläger unter Bezugnahme auf die Abmahnung mit, wegen neuer Patientenbeschwerden werde der Kläger von weiteren Diensten in der Notdienstzentrale M. sowie in der Dependance L. ab Januar 2005 entbunden.

Mit Schreiben vom 16.10.2004 nahm der Kläger Stellung zu den Beschwerden D., S., K., C., H., Fe., Fi., v. d. K. und sah seine Behandlung in jedem Fall als ordnungsgemäß an.

Unter Datum vom 16.12.2004 teilte die Bezirksstelle F. der Beklagten dem Kläger mit, dass der Geschäftsausschuss am 06.11.2004 aufgrund der abermaligen Beanstandungen seiner Behandlungsweise eine weitere Abmahnung erteilt habe. Ferner sei dem Antrag des Obmanns entsprochen worden, ihn zu keinen weiteren Diensten in der Notdienstzentrale M. sowie in der Dependance L. ab Januar 2005 einzuteilen. Bei weiteren Beanstandungen werde er auch von Diensten im Bereich F. suspendiert.

Hiergegen legte der Kläger am 04.01.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Beanstandungen seitens der Patienten seien nicht berechtigt. Im Einzelnen nahm er erneut unter weitgehender Wiederholung seiner bisherigen Ausführungen Stellung zu den Beschwerden D., S., K., H., Fe., Fi., C. und v. d. K ... Er bitte um Annullierung beider Abmahnungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005, zugestellt am 19.07., wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Abmahnung als unzulässig zurück, weil hiergegen nur eine Feststellungsklage in Betracht komme. Im Übrigen sei der Widerspruch unbegründet, da der Kläger nicht der Notdienstgemeinschaft angehöre und damit keinen Anspruch darauf habe, dort eingeteilt zu werden.

Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2005 die Klage zum Az.: S 12 KA 599/05 erhoben.

Der Kläger hat ferner am 19.08.2005 Feststellungsklage wegen der beiden Abmahnungen zum Az.: S 12 KA 665/05 erhoben.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 29.03.2006 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Zur Begründung seiner Klagen trägt der Kläger vor, auch die übrigen Ärzte in der Notdienstzentrale M. seien dort niedergelassen. Trotzdem würden sie dort eingeteilt werden. Der Grund der Nichtberücksichtigung seien die zehn Patientenbeschwerden gegen ihn innerhalb von 2 Jahren und 9 Monaten. Die acht von der Beklagten vorgelegten Patientenbeschwerden seien unberechtigt. Er habe im Notdienst ca. 4.000 Patienten erfolgreich behandelt. Es handele sich um eine Beschwerde auf 500 bzw. 370 Patienten. Im Notdienst sei dies normal. Andere Ärzte würden deshalb nicht ausgeschlossen werden. Die Beklagte habe ihre Vorwürfe gegen ihn nicht konkretisiert. Ein Antrag des Obmanns auf Ausschluss sei ihm unbekannt. Er hat einen Beschwerdebrief des Dr. P. zur Gerichtsakte gereicht. Ferner wende er sich gegen die Abmahnungen vom 16.07.2003 und 06.11.2004. Im Einzelnen führt er unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren zu den Behandlungsfällen D., S., K., H., Fe., Fi., C. und v. d. K. aus. Hinsichtlich der ersten Abmahnung vom 16.07.2003 habe ihn die Beklagte fehlerhaft bezüglich der Rechtsbehelfe belehrt. Er habe sich auch von Anfang an gegen die Vorwürfe gewehrt und einen Brief an alle Beteiligten des kollegialen Gesprächs vom 20.08.2003 geschickt. Verwirkung liege deshalb nicht vor. Die Vorwürfe würden nicht konkretisiert.

Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 16.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn zu Notdiensten in der Notdienstzentrale M. einzuteilen,
hilfsweise
ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
2. festzustellen, dass die Abmahnungen vom 16.07.2003 und 06.11.2004 rechtswidrig sind.

Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, Vertragsärzte hätten nur einen Anspruch darauf, in dem Notdienstbezirk ihrer Niederlassung eingeteilt zu werden. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 ihrer Notdienstordnung. Für andere Notdienstbezirke bestehe lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung. Die Beklagte habe ihn wegen Ungeeignetheit nach § 6 Abs. 3 Notdienstordnung entbunden. Die Nichteinteilung beruhe nicht auf der Tatsache eines anderen Niederlassungsortes. Trotz Abmahnung seien weitere Patientenbeschwerden erfolgt. Eine Anhörung der Notdienstgemeinschaft sei entbehrlich gewesen, da der Ausschluss auf Antrag des Obmannes erfolgt sei. Der Kläger habe durch sein ungebührliches Verhalten gegenüber den Patienten gezeigt, dass er persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes biete. Es handele sich um eine Vielzahl von Vorgängen. Die Beschwerden seien alle vergleichbaren Inhalts. Dem Kläger werde u. a. seine Wortwahl und der Umgang mit den jeweiligen Patienten vorgeworfen. Vielfach komme zum Ausdruck, dass der Kläger auf die Patienten und deren Leiden nicht ausreichend eingehe. Beschwerden im Notdienst seien keineswegs üblich. Trotz Abmahnung habe der Kläger sein Verhalten nicht geändert. Der Ausschluss sei daher verhältnismäßig. Ermessenserwägungen könnten bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Ferner ist sie der Auffassung, die Abmahnungen seinen als Missbilligung des Verhaltens noch kein Verwaltungsakt. Die Klage hinsichtlich der ersten Abmahnung vom 16.07.2003 sei unzulässig, da er sie zunächst ohne Einwände hingenommen habe. Sein Klageanspruch sei verwirkt. Das im Gerichtsverfahren vorgelegte Schreiben vom 20.08.2003 sei kein Rechtsbehelf gegen die erste Abmahnung gewesen. Die Abmahnung vom 06.11.2004 sei rechtmäßig. Vor Ausschluss vom Notdienst wegen Ungeeignetheit nach § 6 Abs. 3 Notdienstordnung sei eine Abmahnung als das weniger einschneidendere Mittel zulässig ...

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klagen sind zulässig.

Der Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 hinsichtlich der Zulässigkeit des Widerspruchs gegen die Abmahnung ist nicht Gegenstand des Verfahrens, da der Kläger diesen insoweit nicht angefochten hat. Er ist vielmehr der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat Feststellungsklage erhoben. Diese ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.

Der Kläger hat das Recht auf Erhebung einer Feststellungsklage gegen die 1. Abmahnung vom 17.07.2003 nicht verwirkt.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialrecht. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom. 10.08.1999, Az.: B 2 U 30/98 R - SozR 3-2400 § 4 Nr. 5, juris Rdnr. 31; BSG, Urteil vom v. 23.05.1989, Az.: 12 RK 23/88, USK 8964, juris Rdnr. 26, jeweils m. w. N.).

Allein durch Zeitablauf tritt eine Verwirkung nicht ein. Im Übrigen hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 20.08.2003 sich gegen die in der 1. Abmahnung erhobenen Vorwürfe gewandt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er damit nicht einverstanden sei.

Die Klagen sind aber unbegründet.

Die Beklagte konnte die beiden Abmahnungen vornehmen.

Es besteht kein Verbot zur Erteilung von Abmahnungen. Als milderes Mittel zur Suspendierung vom Notdienst oder disziplinarischen Maßnahmen sind sie grundsätzlich zulässig. Als Erklärung über die Missbilligung des Verhaltens des Klägers sind sie ohne Regelungsinhalt und damit kein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X.

Die Beklagte hat die 1. Abmahnung zu Recht vorgenommen.

Grundlage der ersten Abmahnung sind die Behandlungsfälle S. und D ... Hinsichtlich des Behandlungsfalls S. hat Dr. P. in seinem Schreiben vom 01.10.2002 darauf hingewiesen, der Kläger habe einen Hausbesuch wegen Aggressivität des Patienten, der 79 Jahre alt, beinamputiert, bettlägerig und an M. Parkinson erkrankt sei, abgelehnt. Nach Rücksprache mit dem Kläger, der erklärt habe, er begebe sich nicht in Gefahr, sei er selbst hingefahren. Der Kläger hat in seiner Einlassung unter Datum vom 27.12.2004, die er im Verfahren dann wiederholt hat, diesen Vorgang nicht bestritten. Er ist lediglich der Auffassung, er sei nicht verpflichtet, einen Polizeidienst einzuschalten. Der Kläger war aber als eingeteilter Arzt zum Notdienst verpflichtet, sich vor Ort über die angeblich vom Patienten ausgehende Gefahr zu orientieren. Nur bei unmittelbarer Gefährdung durch den Patienten entfällt die Pflicht zur Notdienstleistung. Selbst wenn die anrufenden Familienangehörigen auf eine Aggressivität des Patienten hingewiesen haben sollten, entbindet dies den Kläger nicht von der Pflicht, den Patienten zunächst aufzusuchen. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf Alter, Schwerbehinderung und Gesundheitszustand des Klägers kaum von einer ernstzunehmenden Gefahr ausgegangen werden konnte.

Hinsichtlich des Behandlungsfalls D. hat der Sohn T. D. in seiner Beschwerde im Einzelnen ausgeführt, er habe mit seinem Vater, der wegen einer Magen-Darm-Infektion an Übelkeit, Fieber, Schwindel, Kopfschmerzen und Albträumen gelitten habe, am Abend des 23. Dezembers 2002 die Notdienstzentrale aufgesucht. Dieser habe er bereits telefonisch mitgeteilt gehabt, nach drei Herzinfarkten handele es sich um einen Risikopatienten. Der Kläger habe zunächst auf der Abgabe der Versicherungskarte und der Aufnahme der Personalien bestanden. Erst danach habe er mit der Behandlung begonnen und Tabletten wegen Durchfalls verordnet. Nach erneutem Hinweis, sein Vater habe bereits am Morgen Tabletten verordnet bekommen und sei ein Risikopatient, habe der Kläger ihn ignoriert. Erst beim Hinausgehen habe eine hinzukommende weitere Ärztin eine Behandlung mit Blutdruckmessung (100/40) und zwei sofortigen Infusionen und weiteren Medikamenten durchgeführt. Der Kläger hat in seiner Einlassung unter Datum vom 27.12.2004, die er im Verfahren dann wiederholt hat, diesen Vorgang ebenfalls nicht bestritten. Er ist lediglich der Auffassung, er sei nicht verpflichtet, bei nicht vorgelegtem Versicherungsausweis und gestörtem Vertrauensverhältnis die Behandlung zu verweigern. Der Kläger verkennt hierbei, dass er als Arzt im Notdienst tätig war. In diesen Fällen ist in der Regel die Hilfeleistung vorrangig. Aufgrund des Gesundheitszustandes des Patienten war dies hier der Fall. Auch ein gestörtes Vertrauensverhältnis berechtigt nicht zur Verweigerung der notwendigen Hilfeleistungen. Im Übrigen geht die Kammer nach der Schilderung des Sohnes und der Einlassung des Klägers davon aus, dass der Kläger selbst durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis belastet hat.

Die Beklagte hat die 2. Abmahnung auch zu Recht vorgenommen.

Grundlage der 2. Abmahnung waren die weiteren Beschwerden. Soweit diese in der Abmahnung nicht im Einzelnen genannt werden, hat die Beklagte auf die Beschwerde des ärztlichen Rettungsdienstes im M-Kreis vom 13.01.2004 hingewiesen. Darin wird geschildert, dass der Kläger am 13.12.2003 gegen 8:37 Uhr einen Transport (ohne Sondersignal) bestellt habe. Die um 8:59 Uhr eingetroffene RTW-Besatzung habe einen komatösen, nur bedingt auf Schmerzreize reagierenden, erheblich atem- und kreislaufgestörten Patienten vorgefunden. Nach Angaben der Ehefrau sei der Patient in diesem Zustand am Morgen aufgefunden worden. Der Kläger habe ca. 10 Minuten vor Eintreffen des Rettungswagens den Notfallort verlassen. Der Einweisung sei die Diagnose "bewusstlos/Atemnot zu entnehmen. Der Patient sei von der unmittelbar nachgeforderten Notärztin des NEF H. erstversorgt und auf die Intensivstation eines H. Krankenhauses transportiert worden. Bei Rücksprache der Notärztin habe der Kläger sie angebrüllt und das Gespräch durch Auflegen beendet. Der Kläger hat in seiner Einlassung unter Datum vom 27.12.2004, die er im Verfahren dann wiederholt hat, diesen Vorgang ebenfalls nicht bestritten. Er ist lediglich der Auffassung, ein Rettungswagen sei entbehrlich gewesen, ebenso ein Notarzt. Er selbst habe nichts mehr unternehmen können und habe einen weiteren Notfall zu versorgen gehabt. Die Notärztin habe er nicht angebrüllt, er habe lediglich den Vorwurf der "unterlassenen Hilfeleistung" zurückgewiesen. Nach der insoweit fachkundig mit einem Arzt besetzten Kammer hat ein Arzt, unabhängig davon, wie lange die Bewusstlosigkeit andauert, bis zum Eintreffen des Notdienstes bei dem Patienten zu verweilen. Allenfalls dann, wenn ein noch dringlicher Notfall eintritt, ist der notdiensttuende Arzt berechtigt, den Patienten zu verlassen. Diesbezüglich fehlt es aber an einem substantiierten Vortrag des Klägers. Ferner ist er verpflichtet, den die Notfallbehandlung weiterführenden Ärzten Auskünfte bzgl. seiner Behandlung und Beobachtungen zu geben.

Die Beklagte hat weiter auf die Beschwerde des Herrn Fe. hingewiesen. Dieser gibt an, ein seit sechs Monaten bestehendes erbsengroßes Geschwulst unter dem Haaransatz an der linken Schläfe habe einen Blutstropfen gezeigt, weshalb er am Samstag, den 08.11.2003 den Notdienst aufgesucht habe. Er sei von dem Kläger zuerst nach seiner Versicherungskarte gefragt worden, um nach flüchtigem Blick auf das Geschwulst mitzuteilen, er wäre hingefallen oder hätte sich gestoßen. Eine Überweisung zum Dermatologen habe er ihm verweigert. Fachärztlich sei am Montag darauf ein Fibrom festgestellt und ein baldiger OP-Termin vereinbart worden. Es kann dahinstehen, ob die Behauptung des Klägers in seiner Einlassung unter Datum vom 27.12.2004, die er im Verfahren dann wiederholt hat, zutrifft, er habe dem Patienten empfohlen, einen Dermatologen aufzusuchen. Er hat sich jedenfalls zum Vorwurf der ungenügenden Untersuchung nicht geäußert, so dass die Kammer davon ausgeht, dass er jedenfalls nur ungenügend dem Patienten das Krankheitsgeschehen erläutert hat.

Im Behandlungsfall v. d. K. schildert dessen Ehefrau, dass ihr Ehemann am 03.05.2004 nachts um 2:30 den Kläger als Notdienst angerufen habe, weil er, der seit einem Jahr einen Dauerkatheter im Oberbauch habe, seit 7 – 8 Stunden kein Wasser mehr habe lassen können. Nach Eintreffen habe der Kläger nach Wahrnehmung des Dauerkatheters lediglich mitgeteilt, dass er überhaupt nichts machen könne. Ohne weitere Behandlung habe er dann den Patienten verlassen. Wegen anhaltender Schmerzen habe sie den Rettungswagen angerufen und sei ihr Mann in die Klinik eingeliefert worden. Dor sei eine schwere Bauchfellentzündung festgestellt worden und sei ihr Mann sofort operiert worden. Der Kläger hat in seiner Einlassung unter Datum vom 27.12.2004, die er im Verfahren dann wiederholt hat, diesen Vorgang ebenfalls im Wesentlichen nicht bestritten. Er trägt lediglich vor, von starken Schmerzen sei ihm nicht berichtet worden, einzige Beschwerde sei gewesen, dass der suprapubische Katheter nicht laufe. Dem vermochte die Kammer im Hinblick auf die Schilderung der Ehefrau und des weiteren Krankheitsverlaufs nicht zu folgen. Im Übrigen ist es Aufgabe des Arztes, weitere Beschwerden abzufragen. Die Kammer ist auch der Auffassung, bei der geschilderten Lage wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, den Katheter zu untersuchen und ggf. zu reinigen bzw. zu erneuern. Über eine eventuell notwendige Krankenhauseinweisung hat der Arzt zu befinden und kann er eine Anforderung durch den Patienten nicht abwarten.

Dem Kläger waren diese Beschwerden, auch soweit sie in den Abmahnungen nicht oder nicht im Einzelnen benannt wurden, bekannt. Er hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Abmahnungen erfolgten deshalb im Ergebnis zu Recht, und der Feststellungsantrag war abzuweisen.

Der angefochtene Bescheid vom 16.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2005 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klage war auch insoweit abzuweisen.

Nach § 6 Abs. 3 der hier maßgeblichen und ab 01.10.2002 gültigen Notdienstordnung, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I), zuletzt geändert durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 24.11.2004, bekannt gegeben durch die Anlage 1 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 15.12.2004 (im Folgenden: NDO), die Satzungsqualität hat, gilt Folgendes:

Der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium (zuvor: der Geschäftsausschuss der Bezirksstelle) hat auf Antrag der Notdienstgemeinschaft oder ihres Notdienst-Obmannes des Weiteren eine Entscheidung zum Ausschluss eines Notdienstarztes von der Teilnahme am organisierten Notdienst zu treffen, wenn dieser ungeeignet ist. Dieser Sachverhalt ist dann anzunehmen, wenn der Notdienstarzt fachlich oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des Notdienstes bietet. Falls der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium von sich aus ein Ausschlussverfahren einleitet, ist vor einer Entscheidung die Notdienstgemeinschaft zu hören.

Die Satzungsvorschrift ist nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann bei fehlender objektiver Eignung des Arztes für den Notfalldienst unbeschadet des Fortbestehens der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ein Ausschluss statthaft sein und in schweren Fällen die sofortige Suspendierung angeordnet werden (vgl. BSG v. 24.01.1974 - 6 RKa 18/73 - SozR 2200 § 368n Nr. 1, S. 2 f.; s. a. BSG v. 19.10.1971 – 6 Rka 24/70 – BSGE 33, 165, 166 = SozR Nr. 3 zu BMV-Ärzte Allg. v. 1.10.1959). Von daher hält die Kammer eine entsprechende Satzungsbestimmung grundsätzlich für zulässig.

Die Beklagte hat das satzungsmäßige Verfahren eingehalten. Die Suspendierung erfolgte auf Antrag der Notdienstgemeinschaft, so dass diese nicht weiter anzuhören war. Soweit die Beklagte den Kläger nicht nochmals zuvor angehört hat, ist die Anhörung jedenfalls mit dem Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.

Ungeeignetheit liegt nach § 3 Abs. 3 Satz 2 NDO vor, wenn der Notdienstarzt fachlich oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des Notdienstes bietet. Die mit den Abmahnungen erfassten Behandlungsfälle belegen nachhaltig, wie bereits ausgeführt, dass der Kläger nicht die geforderte Gewähr bietet. Soweit der Kläger in F. und in weiteren Notdienstbezirken weiterhin Notdienste verrichten durfte, so verhält sich die Beklagte zwar äußerst widersprüchlich. Die Widersprüchlichkeit sieht die Kammer aber in der Beschränkung auf die hier streitige Suspendierung, die insofern nicht nachvollziehbar ist. Daraus folgt aber kein Anspruch auf Aufhebung der Suspendierung.

Ein Ermessen wird durch § 3 Abs. 3 Satz 2 NDO den Entscheidungsgremien nicht eingeräumt. Bei festgestellter Ungeeignetheit hat ein Ausschluss zu erfolgen. Von daher ist auch unerheblich, dass die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid zunächst auf eine andere Bestimmung der Satzung abgestellt hat. Insoweit handelt es sich um einen Begründungsmangel, der unerheblich ist (vgl. § 42 Satz 1 SGB X).

Von daher war auch der Klageantrag zu 1. einschließlich des Hilfsantrages abzuweisen.

Nach allem waren die Klagen insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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