L 9 AL 1/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 276/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 1/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.11.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1947 geborene Kläger war zuletzt bis 31.12.1991 bei der Firma A., M. , als Labor-Ingenieur versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 01.01.1992 bezog er Leistungen der Beklagten, zuletzt seit 21.07.1995 Arbeitslosenhilfe. Der hier streitgegenständliche Bewilligungsabschnitt wurde mit Fortzahlungsantrag vom 16.11.1998 eingeleitet.

Mit Schreiben vom 29.04.1999 wurde dem Kläger seitens der Beklagten eine Arbeitsstelle bei der Firma R.-Elektrotechnik GmbH in P. als Elektrotechniker im Bereich maschi- nelle Steuerungen angeboten. Die angegebenen Anforderungen lau- teten auf "Planung und Programmierung von Industrieanlagen Roboterprogr., Inbetriebnahme im In- und Ausland, SPS-Programmierung (Siemens, Allen-Bradley) CAD-Planung (Eplan), mit Berufserfahrung". Bezüglich des Gehaltes für die sofort zu besetzende Vollzeitstelle war angegeben "nach Vereinbarung". Das Schreiben enthielt die Aufforderung zur umgehenden Vereinbarung eines Bewerbungsgesprächs. Ihm lag eine Rechtsfolgenbelehrung bei, in der auf den Eintritt einer Sperrzeit für den Fall hingewiesen wurde, dass die angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten wird oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch das Verhalten des Klägers verhindert wird. Das gleiche Angebot wurde mit Schreiben vom 30.04.1999 nochmals unterbreitet.

Mit Schreiben vom 30.04. und 03.05.1999 nahm der Kläger jeweils Kontakt mit der Firma R. GmbH (Herr F.) auf. Unter dem Betreff "vorgeschlagene Arbeitsstelle: Elektrotechniker (Masch. Steuerungen)" lautete der Text wie folgt:

"Sehr geehrter Herr F.,

auf (nochmalige) Anweisung des Herrn S. vom Arbeitsamt L. (Tel ...) übersende ich Ihnen in der Anlage mein Berufsprofil, aus dem sie meine Qualifikation ersehen", bzw. im Schreiben vom 03.05.1999: " ...aus dem meine bisherigen Tätigkeiten hervorgehen".

Den Schreiben lag jeweils ein einseitiges "Profil" mit folgenden Angaben bei:

"Beruf

Labor-Ingenieur: Lay-out-Erstellung für Leiterplatten manuell und rechnergestützt mit Archivierung für Fertigung

Verkabelungen der Komponenten und Geräte von Filmbearbeitungs- maschinen (Aufnahme, Entwicklung, Wiedergabe) und begleitende Dokumentation für Produktion und Service

Fertigungsbetreuung bei Zulieferern

Assistent der Entwicklungsleitung (Potentiometer) in Versuch und Dokumentation

Labor-Ingenieur in Entwicklung, Musterbau, Applikation, Fertigungsunterlagen von Spulen und Ferriten

Studium

Elektrotechnik an Fachhochschule R. mit Abschluss Dipl. Ing. (FH)

Ausbildung

Organisations-Manager-Lehrgang Computerpass Fachlehrgang Halbleiter-Elektronik mit Abschluss Praktikum Netzbau Vorsemester am Polytechnikum R. mit Abschluss Praktikum Elektromechanik"

Mit Schreiben vom 04.05.1999 teilte die Firma R. der Beklagten mit, dass weiterhin dringend zwei qualifizierte Mitarbeiter gesucht werden, und dass der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse unter Umständen geeignet erscheint, allerdings die gesamte Bewerbung so wenig aussagekräftig und offensichtlich unfreundlich, unlustig abgefasst sei, dass eine weitere Kontaktaufnahme nicht in Frage komme.

Am 18.05.1999 sprach der Kläger persönlich bei der Beklagten vor, gab aber zu der streitigen Bewerbung noch keine Stellung nahme ab. Die angeforderte Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses übermittelte der Kläger mit Datum vom 21.05.1999 schriftlich. Der Kläger gab hierbei an, andere, frühere Bewerbungsaktivitäten mit ähnlichen Anschreiben und Berufsprofil an Firmen, etc. ergänzt durch telefonische Kontaktaufnahme, seien meist nach einmonatiger firmeninterner Bearbeitung und Rücksendung der Unterlagen an ihn mit einer Absage abgeschlossen worden.

Mit Bescheid vom 02.06.1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 04.05. bis 26.07.1999 fest. Die Beklagte habe dem Kläger ein zumutbares Arbeitsverhältnis vorgeschlagen. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältisses durch sein Verhalten vereitelt, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliege. Gleichzeitig wurde die Bewilligung von Arbeits- losenhilfe für die Zeit vom 04.05. bis 26.07.1999 aufgehoben.

Am 07.06.1999 legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch ein. Nach Akteneinsicht wurde der Widerspruch damit begründet, dass sich der Kläger auf den zweimal unterbreiteten Vermittlungsvorschlag jeweils unmittelbar beworben habe. Dass die Bewerbung von Seiten des Arbeitgebers als nicht hinreichend motiviert angesehen wurde, könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Dieser habe sich vielmehr bereits im Jahr 1996 mit nahezu identischen Bewerbungsunterlagen erfolglos bei der Firma R. beworben. Damals sei ihm mitgeteilt worden, er komme für die Stelle aufgrund seiner Vorbildung nicht in Frage. Ab 01.07.1999 nahm der Kläger eine anderweitige versicherungspflichtige Beschäftigung auf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.1999 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger habe durch Form und Inhalt seiner Bewerbungsunterlagen kundgetan, dass an der angebotenen Arbeit kein Interesse bestehe. Obwohl er für die angebotene Arbeit nach Auskunft der Firma R. grundsätzlich geeignet gewesen wäre, habe diese daher von weiteren Kontakten mit dem Kläger abgesehen. Der Kläger habe gewusst, dass er durch sein Verhalten den Abschluss eines möglichen Arbeitsverhältnisses stark in Frage stellen würde.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 05.08.1999 Klage zum Sozialgericht Landshut. Mit Urteil vom 15.11.2001 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sei zu Recht erfolgt, da der Anspruch des Klägers aufgrund einer eingetretenen Sperrzeit zum Ruhen gekommen sei. Die Formulierungen des Klägers in den Bewerbungsschreiben an die Firma R. hätten für Außenstehende deutlich gemacht, dass an der angebotenen Arbeitsstelle kein Interesse besteht. Es sei objektiv der Eindruck erweckt worden, dass der Kläger alleine auf Veranlassung des Arbeitsamtes tätig wird. Bedenken des Klägers hinsichtlich seiner Geeignetheit für die angebotene Stelle seien angesichts der Stellungnahme der Firma R. , wonach der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse u.U. geeignet gewesen wäre, nicht nach- vollziehbar. Eine genaue Abklärung der Geeignetheit sei gar nicht möglich gewesen, da der Kläger entgegen den Vorgaben der Beklagten im Stellenangebotsschreiben keinen Vorstellungstermin vereinbart habe.

Gegen das am 06.12.2001 zugestellte Urteil legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 18.12.2001 Berufung ein. Zur Begründung wird vorgetragen, dass es unzutreffend sei, soweit die Beklagte dem Kläger unterstelle, er habe bewusst versucht eine Anstellung zu vereiteln. Der Kläger habe sich bereits im Jahr 1996 mit fast identischen Unterlagen bei der Firma R. beworben. Damals sei dem Kläger mitgeteilt worden, er komme für die Stelle aufgrund seiner Vorbildung und Erfahrungswerte nicht in Frage. Der Kläger sei der Auffassung gewesen, dass die damalige Aussage auch für die streitgegenständlichen Vermittlungsvorschläge weiterhin Gültigkeit habe. Gleichwohl habe er sich unter Übersendung seiner üblicherweise vorbereiteten Bewerbungsunterlagen in der Erwartung, zu einem Gesprächstermin vorgeladen zu werden, beworben. Eine Rückmeldung habe er von der Firma R. nicht erhalten. Im Übrigen stehe der Beklagten kein Wertungsspielraum bezüglich der Qualität und Güte einer Bewerbung zu. Auch sei nicht erwiesen, dass ein anderes Verhalten des Klägers tatsächlich zu einer Arbeitsaufnahme geführt hätte. Die entsprechende Stelle bei der Firma R. sei noch im Jahr 2001 offen gewesen. Der Kläger sei i.ü. angehalten worden, eine Bewerbung abzugeben und dies habe er auch getan. Damit liege weder die Ablehnung einer angebotenen Arbeit noch die Vereitelung einer Arbeitsaufnahme vor. Es sei insoweit unbeachtlich, wenn nicht bereits im Bewerbungsschreiben auf die Bereitschaft zu einem persönlichen Vorstellungsgespräche hingewiesen werde.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt:

1. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.11.2001 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.06.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1999 verurteilt, dem Kläger Leistungen in Form von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum von 04.05.1999 bis 30.06.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass auch die Vereitelung des Zustandeskommens eines Beschäftigungsverhältnisses durch eine nicht ausreichende Bewerbung eine Sperrzeit auslöst. Das Bundessozialgericht verlange in ständiger Rechtsprechung, dass sich Arbeitslose derart vernünftig bewerben, wie es auch jemand tun würde, dem die Zeit seiner Arbeitslosigkeit nicht durch die Gewährung von Leistungen erleichtert wird. Die vom Kläger an die Firma R. übersandten Schreiben würden nicht erkennen las- sen, dass sich der Kläger auf die vorgeschlagene Arbeitsstelle bewerben wollte. Soweit der Kläger auf eine frühere, erfolglose Bewerbung im Jahre 1996 verweise, sei dies unbeachtlich. Auf- grund der inzwischen vergangenen Zeit habe der Kläger nicht wissen können, ob sich die Eignungsvoraussetzungen für den gebotenen Arbeitsplatz verändert haben. An Bewerbungen auf einen Arbeitsplatz, der eine Fachausbildung oder ein Studium voraussetzt, seien höhere Anforderungen zu stellen, als an Bewerbungen für eine Hilfs- oder Anlerntätigkeit. Im Übrigen sei dem Kläger mit dem Stellenangebot aufgegeben worden, einen Vorstel- lungstermin zu vereinbaren. Auch dem sei der Kläger nicht nachgekommen. Die zweimalige Versendung des gleichen Stellenangebots an den Kläger beruhe auf einem Versehen, sei aber für den Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich.

In einem Beweisaufnahmetermin am 14.02.2006 wurde der damalige Geschäftsführer der Firma R. , Herr R. F. , als Zeuge vernommen. Dieser sagte aus, dass er sich an die Bewerbung des Klägers zwar nicht mehr im Einzelnen erinnern könne, dass aber das von ihm unterzeichnete Schreiben vom 04.05.1999 nach seinem heutigen Wissen der damaligen Sachlage entsprach. Der Kläger wäre als Dipl.-Ing. FH für die ausgeschriebene Tätigkeit grundsätzlich in Frage gekommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts Landshut sowie die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie erweist sich jedoch in der Sache als nicht begründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 02.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1999 aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit von zwölf Wochen die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 04.05. bis 26.07.1999 aufgehoben. Nach § 48 Abs.1 Satz 1 und 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 Abs.3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer we- sentlichen Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Eine derartige, zur Aufhebung der Bewilligung berechtigende Änderung ist infolge des Ruhens wegen Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 198 Abs. 1 Satz 2 SGB III erfolgt.

Maßgeblich ist hierbei § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Danach tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung eines Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung) ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Durch das JOB-AQTIV- Gesetz vom 10.12.2001 (BGBl.I S.3443) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 01.01.2002 in den Sperrzeittatbestand des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III ausdrücklich aufgenommen, dass der Ablehnung eines Arbeitsangebots ein Verhalten des Arbeitslosen gleichzusetzen ist, welches die Anbahnung eines Beschäftigungs- verhältnisses bzw. das Führen eines Vorstellungsgespräches verhindert. Eine wesentliche materielle Änderung ist dadurch aber nicht eingetreten, da bereits seit der Geltung des Arbeitsförderungsgesetzes die Vereitelung des Zustandeskommens eines Beschäftigungsverhältnisses durch zielgerichtetes Verhalten des Arbeitslosen als besonderer Unterfall der stillschweigenden Arbeitsablehnung angesehen wurde (so Hauck/Noftz, Kommentar z. SGB III, § 144 Rdnr.111 m.w.N.). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Neurege- lung des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III (BT-Drs. 14/6944, S.36), wonach durch die Änderung lediglich klar gestellt werden sollte, dass auch bereits das Verhalten des Arbeitslosen im Vorfeld einer möglichen Arbeitsaufnahme bei einem potentiellen Arbeitgeber einen Sperrzeittatbestand auslösen kann (vgl. Niesel, SGB III, 2.Auflage 2002, Rdnr.59a zu § 144). Ob ein Verhalten des Arbeitslosen den Eintritt einer Sperrzeit zur Folge haben kann, ist danach zu beurteilen, ob dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr.12 m.w.N.).

Vorliegend wurde dem Kläger die Stelle bei der Firma R.-Elek- trotechnik mit Schreiben vom 29. sowie vom 30.04.1999 angeboten. Beide Vermittlungsvorschläge benennen den Arbeitgeber, beschreiben die Art der Tätigkeit und die Anforderungen und belehren über die Rechtsfolgen des Eintritts einer Sperrzeit mit Ruhen des Leistungsanspruches für deren Dauer, wenn u.a. das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ein Verhalten des Arbeitslosen verhindert wird. Diese Rechtsfolgenbelehrung entspricht den Anforderungen, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16.03.1983 (7 Rar 49/82) aufgestellt hat. Dass der Vermittlungsvorschlag hierbei versehentlich zweimal innerhalb von zwei Tagen versendet wurde, ist für den Eintritt der genannten Rechtsfolgen ohne Bedeutung.

Der langzeitarbeitslose Kläger hat sich auf die unterbreiteten Vermittlungsvorschläge für eine Tätigkeit als Elektrotechniker zwar mit seinen Bewerbungsschreiben vom 30.04. und 03.05.1999 beworben. Seine Bewerbungsschreiben sind aber nach den vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätzen zu den Anforderungen an ein Bewerbungsschreiben (vgl. Urteil vom 09.12.2003, B 7 AL 106/02 R, bestätigt durch Beschluss vom 27.04.2004, B 11 AL 43/04 B) einer Nichtbewerbung gleichzustellen. Die Ablehnung, eine ordnungsgemäß angebotene Beschäftigung anzunehmen, kann danach gegenüber der Arbeitsverwaltung ebenso wie gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber sowohl ausdrücklich als auch konkludent geäußert werden (vgl. hierzu auch BayLSG Urteil vom 11.03.2004, Az.: L 9 AL 321/01, nicht rechtskräftig).

Eine solche konkludente Arbeitsablehnung ist vorliegend gegeben. Nach Überzeugung des Senats folgt aus dem Inhalt der Bewerbungsschreiben nebst Anlage, dass der Kläger nicht ernsthaft an der Erlangung des angebotenen Arbeitsplatzes interessiert war, sondern offensichtlich nur die mit einer Nichtbe- werbung verbundenen Rechtsfolgen vermeiden wollte. Dies erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang folgender Einzelumstände: Die jeweils nur aus einem Satz bestehenden Bewerbungsschreiben schildern weder berufliche oder persönliche Fähigkeiten des Klägers noch wird auch nur andeutungsweise ein Interesse an der angebotenen Arbeit bekundet. Ebenso fehlt die abschließende Bitte um ein persönliches Vorstellungsgespräch. Mit der Formulierung "auf Anweisung des Herrn S. vom Ar- beitsamt L." bzw. "auf nochmalige Anweisung" bringt der Kläger objektiv zum Ausdruck, dass sein Tätigwerden nicht auf eigener Initiative beruht, sondern alleine auf Aufforderung der Beklagten. Bezeichnenderweise wird in beiden Schreiben weder das Wort "Bewerbung" erwähnt noch mit einer entsprechenden Formulierung (z.B. "Ich bewerbe mich" oder "Ich interessiere mich für die angebotene Stelle") der Wille zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis bekundet. Mit der vom Kläger gewählten Formulierung "auf Anweisung ... übersende ich Ihnen in der Anlage mein Berufsprofil, aus dem sie meine Qualifikation ersehen" ohne weitere erläuternde Zusätze bestand auch für einen geneigten Arbeitgeber aufgrund des offensichtlich bestehenden Widerwil- lens des Urhebers keine Veranlassung, weitere Schritte zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zu unternehmen. Dies wird durch das Schreiben der Firma R. an die Beklagte vom 04.05.1999 klar ersichtlich, wonach zwar weiterhin dringend zwei qualifizierte Mitarbeiter gesucht wurden, der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse u.U. auch geeignet gewesen wäre, aufgrund der geringen Aussagekraft und der offensichtlichen Unfreundlichkeit bzw. Unlust der Bewerbung jedoch eine weitere Kontaktaufnahme nicht in Frage kam. Im Übrigen entspricht das vom Kläger seinen Bewerbungen jeweils angefügte "Profil" auch nicht den üblicherweise Bewerbungen beizulegenden Lebensläufen. Dieses Profil erweist sich für einen interessierten Arbeitgeber wenig aussagekräftig. Neben einer stichpunktartigen Beschreibung der bisherigen Tätigkeiten sowie dem Hinweis auf das Studium Elektrotechnik an der FH R. mit Abschluss Dipl.-Ing. nebst zusätzlichen Lehrgängen lässt der Lebenslauf weitergehende Angaben über Schulabschlüsse, Dauer des Studiums, Abschlussnoten, bisherige Arbeitgeber, Dauer der jeweiligen Arbeitsverhältnisse etc. vermissen.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger aufgrund seiner Bildung (FH-Absolvent) durchaus in der Lage war, potentiellen Arbeitgebern ansprechende Bewerbungen nebst Unterlagen zu übermitteln. Insbesondere im Hinblick auf die bestehende Langzeitarbeitslosigkeit hätte hierbei ein gesteigertes eigenes Interesse des Klägers bestehen müssen, alle Möglichkeiten zur Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses auszuschöpfen. Auch die Tatsache, dass sich der Kläger bereits im Jahr 1996 erfolg- los auf eine Stelle bei der Firma R. beworben hatte, entbindet den Kläger nicht von der Obliegenheit, bei einer weiteren Bewerbung drei Jahre später jede zumutbare Maßnahme zu ergreifen, insbesondere sorgfältige Bewerbungen abzuschicken, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden. Jedenfalls durfte der Kläger nicht ohne jeden Anhaltspunkt davon ausgehen, dass der Tätigkeit ein unverändertes Stellenprofil zugrunde liegt. Auch kann die Dringlichkeit, mit der ein Arbeitgeber eine Stelle zu besetzen sucht, die Anforderungen an die möglichen Bewerber vermindern. Letztlich hätte der Kläger aber in jedem Fall, wie von der Beklagten gefordert, mit der Firma R. aus eigener Initiative in nähere Verhandlungen zur Abklärung seiner Qualifikation und den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle treten müssen. Insbesondere hätte der Kläger alles daran setzen müssen, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Ein solches Interesse hat der Kläger mit seinen Schreiben jedoch gerade nicht bekundet. Vielmehr hat er durch die in Form und Inhalt für den Arbeitgeber abschreckende Gestaltung seiner Bewerbung weitere Kontakte von vorneherein unterbunden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2000, Az.: L 9 AL 4331/03).

Insoweit liegt dem vorliegenden Fall ein anderer Sachverhalt zugrunde als der Entscheidung des BSG vom 09.12.2003 (a.a.O.), in welcher das BSG die dort zu beurteilende Bewerbung als ausreichend betrachtet hatte. In dem dortigen Fall hat sich der Kläger ausdrücklich auf den Vermittlungsvorschlag "beworben", sein ausdrückliches Interesse an der Stelle bekundet, sowie seine sofortige Verfügbarkeit und seinen sonstigen Vorteile (Flexibilität, Belastbarkeit, Leistungs- und Lernfähigkeit, gepflegtes Äußeres etc.) hervorgehoben. Allein die Tatsache, dass der dortige Kläger daneben auch auf seine fehlenden Branchenkenntnisse, seine Langzeitarbeitslosigkeit sowie sein Alter von 55 Jahren hingewiesen hatte, hat das BSG auch deswegen nicht zu Lasten des Klägers gewertet, weil dieser ausdrücklich klargestellt hatte, dass er sich sehr freuen würde, wenn diese Umstände nicht als negativ angesehen werden. Die dem Fall des Bundessozialgerichts zugrunde liegende Bewerbung ist damit nicht mit der Bewerbung des Klägers im hier streitigen Fall vergleichbar.

Auch der notwendige kausale Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Klägers und der Dauer der Arbeitslosigkeit ist gegeben, wobei der - hypothetische - Nachweis einer tatsächlichen Einstellung im Falle ordnungsgemäßen Verhaltens nicht geführt werden muss (Niesel Rnr. 60/61 zu § 144 SGB III). Wie sich aus dem Schreiben der Firma R. vom 04.05.1999, welches inhaltlich vom Zeugen F. im Beweisaufnahmetermin vom 14.02.2006 bestätigt wurde, ergibt, war die Stelle im Zeitpunkt der Bewerbungen des Klägers noch nicht besetzt. Ob die Stelle auch zwei Jahre später noch (bzw. wieder) unbesetzt war, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es handelte sich auch um eine dem Kläger zumutbare Beschäftigung, insbesondere erschien der Kläger aufgrund seiner Vorkenntnisse auch nach Auffassung des potentiellen Arbeitgebers unter Umständen als geeignet. Ein Verstoß gegen die Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung im Sinne der § 35 ff. SGB III kann den Vermittlungsvorschlägen nicht entnommen werden, zumal sich die angebotene Tätigkeit als Elektrotechniker mit Zusatzqualifikationen im Rahmen der Ausbildung des Klägers (Dipl.-Ing. Elektrotechnik FH) hält und der Kläger ausweislich der sporadischen Angaben in dem den Bewerbungen beigelegten "Profil" bereits rechnergestützt tätig war und Fortbildungen im Bereich EDV absolviert hat. Auch wenn im Vermittlungsvorschlag unter dem Punkt Kenntnisse/Fertigkeiten u.a. rechnergestützte Tätigkeiten sowie Erfahrungen im Bereich der Software-Programmierung gefordert wurden, wäre eine Einstellung des Klägers, wie vom Zeugen F. nochmals bestätigt, grundsätzlich in Frage gekommen. Gerade aber zur Abklärung dieser Fragen hätte der Kläger sein unbedingtes Interesse an weiteren Kontakten mit der Firma R. bekunden müssen.

Der Kläger kann sich bezüglich seines Verhaltens nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Wie bereits dargelegt, handelte es sich bei der angebotenen Stelle um eine zumutbare Tätigkeit. Auch die Tatsache einer erfolglosen Bewerbung bei dem gleichen Arbeitgeber im Jahr 1996 berechtigte den Kläger nicht, durch unzureichende Form und Inhalt seiner Bewerbungen die angebotene Stelle konkludent abzulehnen. Ein wichtiger Grund lag damit objektiv nicht vor. Angesichts der Bildung des Klägers, seiner beruflichen Qualifikation sowie seiner dokumentierten mündlichen wie schriftlichen Ausdrucksfähigkeit ist auch nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger diesbezüglich in einem unver- schuldeten Irrtum befand. Eine Herabsetzung der Dauer der Sperrzeit auf sechs Wochen gemäß § 144 Abs.3 Satz 1 aufgrund einer besonderen Härte ist damit ebenfalls nicht veranlasst. Infolgedessen ruht der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe gem. § 144 Abs.3 Satz 2 i.V.m. § 198 Abs.1 S. 2 Nr.6 SGB III für die Dauer von zwölf Wochen. Die Sperrzeit beginnt hierbei mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, § 144 Abs.2 Satz 1 SGB III. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte als das die Sperrzeit auslösende Ereignis das zweite Bewerbungsschreiben vom 03.05.1999 heranzieht und den Beginn der Sperrzeit auf den 04.05.1999 datiert. Aufgrund des von der Beklagten versehentlich mit Datum vom 30.04.1999 nochmals versendeten Vermittlungsvorschlags hatte der Kläger nochmals die Möglichkeit, sich auf die angebotene Stelle - seiner Obliegenheit entsprechend - aussagekräftig zu bewerben. Diese Möglichkeit wurde vom Kläger letztlich mit Schreiben vom 03.05.1999 nicht genutzt.

Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe erfolgte aufgrund des eingetretenen Ruhens des Leistungsanspruches zu Recht, insbesondere befand sich der Kläger zumindest in grob fahrlässiger Unkenntnis über den Wegfall des Anspruchs in Fol- ge der Sperrzeit (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X). Grob fahrläs- sige Unkenntnis liegt in aller Regel dann vor, wenn dem Ar- beitslosen aufgrund der mit dem Vermittlungsvorschlag verbun- denen Rechtsfolgenbelehrung das Ruhen bekannt sein musste. Zudem ist ein "Kennenmüssen" bereits auf Grund der Belehrung durch das entsprechende Merkblatt anlässlich der letzten An- tragstellung anzunehmen.

Die Bescheide der Beklagten, mit welchen die zugrunde liegende Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Dauer der Sperrzeit aufgehoben wurde, sind damit rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Erstattung wurde von der Beklagten nicht geltend gemacht. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist somit zu bestätigen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Ent- scheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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