Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 144/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 526/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13.483,04 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für die Ausbildung des Beigeladenen zum Schreiner in der Zeit vom 01.09. bis 31.12.2002 in Höhe von 13.483,04 EUR streitig.
Der 1983 geborene Beigeladene ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Er befindet sich mit seinen Eltern seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland. Erstmals am 15.06.2000 wurden dem Kläger und seinen Eltern auf Grund einer Altfallhärteregelung auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse erteilt, die am 20.06.2002 für den Kläger und seinen Vater und am 20.09.2002 für die Mutter um zwei Jahre verlängert wurden.
Der Beigeladene ist gehörlos; ein GdB von 100 v.H. ist anerkannt. Er besuchte zehn Jahre lang die Sonderschule für Gehörlose in D. und erwarb den Hauptschulabschluss. Am 18.12.2001 wurden Leistungen zur beruflichen Rehabilitation beantragt. Am 01.09.2002 begann der Beigeladene die Ausbildung zum Schreiner im Berufsbildungswerk für Hör- und Sprachgeschädigte in M ...
Der Kläger übernahm mit Bescheid vom 08.05.2002 die Internatskosten in dem Berufsbildungswerk; die Hilfegewährung erfolge im Rahmen der Vorleistung nach § 44 BSHG, eine Erstattungsanspruch nach §§ 102 f. SGB X werde bei der Beklagten geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 08.05.2002 forderte der Kläger dann bei der Beklagten die Erstattung der Ausbildungskosten und führte aus, die Maßnahme sei nach § 63 SGB III von der Beklagten zu fördern. Die Beklagte bezog sich mit Schreiben vom 21.06.2002 auf ein früheres Schreiben vom 11.02.2002, in dem ein Anspruch auf Förderungsleistungen gegen die Beklagte mit der Begründung verneint worden war, der Beigeladene verfüge nur über eine Aufenthaltsbefugnis und habe somit noch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.
Das Berufsbildungswerk M. für Hör- und Sprachgeschädigte, Träger Bezirk Oberbayern, übersandte dem Kläger die Rechnung vom 18.12.2002 über die Ausbildungskosten für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2003 in Höhe von insgesamt 13.483,04 EUR.
Am 20.03.2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage auf Zahlung von 13.483,04 EUR erhoben. Die Voraussetzungen des § 63 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB III seien erfüllt, da die Eltern des Beigeladenen seit 01.09.1992 bzw. seit 1996 im Inland rechtmäßig erwerbstätig seien und sich der Beigeladene nach Abschluss der Ausbildung bereits über 13 Jahren im Bundesgebiet aufhalten werde und die Möglichkeit einer Arbeitsgenehmigung in Form einer Arbeitsberechtigung nach § 286 Abs.1 Satz 1 SGB III bestehe. Die einschränkende Auslegung der Beklagten, eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit nach § 63 SGB III könne nur erfolgen, wenn der inländische Aufenthalt auf Dauer gesichert sei, was bei einer bloßen Aufenthaltsbefugnis nicht der Fall sei, finde im Gesetz keine Grundlage.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2004 den Leiter der Ausländerbehörde beim Landratsamt A. , Sch., als Zeugen vernommen; bezüglich der Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Mit Urteil vom 16.11.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger 13.483,04 EUR zu erstatten. Dass die Voraussetzungen für ein Anspruch nach § 63 Abs.2 Satz 1 SGB III bei Beginn der Ausbildung erfüllt gewesen seien, ergebe sich aus der klaren und eindeutigen Aussage des Zeugen Sch. Für den Beigeladenen habe mit der Entscheidung der zuständigen Regierung von Schwaben ab Ende Februar 2000 festgestanden, dass er unter der Härtfallregelung falle, eine Rückführung nicht mehr in Betracht komme, sondern er rechtmäßig in Deutschland verbleiben werde. Zum Zeitpunkt des Antritts der Berufsausbildung sei es somit eindeutig klar gewesen, dass sich an die Ausbildung voraussichtlich eine dauerhafte Erwerbstätigkeit im Inland anschließen werde. Dem Beigeladenen sei durchgehend eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Sein Vater sei unstreitig seit 1992 im Wesentlichen durchgehend rechtmäßig erwerbstätig. Nach § 2 Abs.3 Arbeitsgenehmigungsverordnung sei dem Beigeladenen nach Abschluss der Ausbildung sogar eine Arbeitberechtigung zu erteilen.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die schrittweise Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bedeute nicht, dass der Aufenthaltsstatus als gesicherter anzusehen sei. Da nach Aussage des Zeugen die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltsbefugnis erst im Januar 2006 erfüllt sein werde, sei nach der Ausbildung eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit nicht ohne weiteres möglich. Die Ausbildung des Beigeladenen habe nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden müssen, weil die Tätigkeit nicht weiter vertretbar gewesen sei. Er habe ab 01.09.2003 eine voraussichtlich bis 31.08.2006 laufende Ausbildung als Buchbinder begonnen. Ungeachtet des Gesichtspunktes des § 63 Abs.2 SGB III habe der Kläger eine eigenständige Verpflichtung gehabt, über den rechtmäßigen Einsatz seiner Mittel, konkret über die Eignung des Beigeladenen für die Ausbildung zum Schreiner, zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.11.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beteiligten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, die für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2002 angefallenen Ausbildungskosten in Höhe von 13.483,04 EUR zu erstatten. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 104 Abs.1 Satz 1 SGB III, wonach der Leistungsträger erstattungspflichtig ist, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen nach § 103 Abs.1 vorliegen. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte verpflichtet, die Ausbildungskosten zu tragen. Von ihr wird nicht bestritten, dass es sich bei dem Beigeladenen um einen behinderten Menschen im Sinne des § 97 Abs.1 SGB III handelt, dem Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden können, die wegen Art oder Schwere seiner Behinderung erforderlich sind, um seine Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Auf Grund seiner Behinderung, nämlich der Gehörlosigkeit, bedarf der Beigeladene solcher Hilfen.
Bei der gewählten Ausbildung zum Schreiner sind im Sinne von § 97 Abs.2 Satz 1 Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen berücksichtigt worden. Die Beklagte kann nicht einwenden, der Beigeladene sei für die Ausbildung zum Schreiner von vornherein nicht geeignet gewesen, da die Ausbildung nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden musste. Denn bei der Beurteilung der Eignung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, deren Richtigkeit sich nach den vor Beginn der Ausbildung bekannten Tatsachen richtet. Damals war nicht mit der nötigen Sicherheit erkennbar, dass der Beigeladene für die Ausbildung zum Schreiner nicht geeignet sein würde. Der Sachverständige L. hatte das ärztliche Gutachten vom 28.03.2002 erstellt, wonach sich bei potentiell hautbelastenden Berufen und Tätigkeiten, was für den Beruf des Tischlers in gewisser Weise zutreffe, eine "gewisse Risikoerhöhung" ergebe; andererseits werde bei zu umfangreichen Ausschlüssen das Berufsspektrum so erheblich eingeengt, dass fast nur der Büro- oder IT-Bereich übrig bleibe. Deshalb sei der vorbestehende Berufswunsch "nicht kategorisch abzulehnen". Hieraus ergibt sich, dass der arbeitsamtsärztliche Gutachter jedenfalls nicht klar gegen die beabsichtigte Ausbildung zum Schreiner Stellung bezogen hat. Wesentlich ist, dass nach Erstellung des Gutachtens der Sachbearbeiter der Beklagten nach einem Telefonvermerk (Bl.277 der Klägerakte) die Ausbildung zum Schreiner für die richtige Maßnahme gehalten und den Kläger um Vorleistung gebeten hat. Somit waren vor Beginn der Ausbildung Kläger und Beklagte übereinstimmend der Meinung, dass der Beigeladene für die Ausbildung zum Schreiner geeignet ist. Diese Auffassung war aufgrund der damals bekannten medizinischen Daten, insbesondere nach Auswertung des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens, berechtigt.
Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Bewilligung der Leistungen in das Ermessen der Beklagten gestellt ist, da der erstattungspflichtige Träger grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Ermessenentscheidung des vorleistenden Leistungsträgers zu beanstanden, außer im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne einer Leistungsablehnung (vgl. Broos in von-Wulffen, SGB X, 5. Auflage, Rdnr.7 zu § 104 m.w.N.).
Gemäß § 100 Nr.5 SGB III umfassen die allgemeinen Leistungen im Sinne des § 98 Abs.1 Nr.1, die sich gemäß § 99 SGB III nach den Vorschriften des 1. bis 6. Abschnittes richten, die Förderung der Berufsausbildung. Bei der Ausbildung zum Schreiner handelt es sich um eine berufliche Ausbildung, die nach § 60 Abs.1 förderungsfähig ist, weil sie in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf außerbetrieblich durchgeführt wird.
Der Beigeladene gehört auch zu dem förderungsfähigen Personenkreis im Sinne des § 63 SGB III. Gemäß § 63 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB III können Ausländer gefördert werden, wenn ein Elternteil sich insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten hat und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist, und sie voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sein werden. Dies ist bei dem Beigeladenen der Fall.
Die Beklagte lehnt dies unter Bezugnahme auf die DA 63.2.2 ab; in Absatz 8 heißt es, dass Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht gefördert werden können. Ausländer mit einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltsbefugnis gehörten auf Grund dieser nicht auf Dauer angelegten Aufenthalte nicht zum Personenkreis der Ausländer im Sinne des § 63 Abs.2. Diese Weisung, z.B. im Falle einer Aufenthaltsbefugnis generell ein Anspruch nach § 63 Abs.2 SGB III zu verneinen, widerspricht, dem Gesetz. Danach ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der antragstellende Ausländer voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sei wird. Dies ist bei dem Beigeladenen der Fall.
Hiergegen spricht nicht der Umstand, dass ihm zunächst jeweils auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse erteilt wurden, und erst ab Januar 2006 mit einer unbefristeten Aufenthaltsbefugnis gerechnet werden kann. Denn wie der Leiter der Ausländerbehörde vor dem SG als Zeuge dargelegt hat, bestand bezüglich des Beigeladenen und seinen Eltern trotz Ablehnung des Asylantrages ein Abschiebehindernis, da das Herkunftsland Vietnam kein Interesse an einer Aufnahme zeigte. Für Fälle dieser Art wurde von der Innenministerkonferenz eine Härtefallregelung beschlossen, unter die der Beigeladene und seine Eltern nach Ansicht der Regierung von Schwaben fielen, weshalb eine Aufenthaltsbefugnis, zunächst auf zwei Jahre befristet, erteilt wurde. Das Ziel der Härtefallregelung war die Anerkennung der zwischenzeitlich tatsächlich erfolgten Integration, zwar auch die rechtliche Integration auf Dauer. Aus diesem Grunde wurde auf den Antrag vom 20.06.2002 hin die Aufenthaltsbefugnis um weitere zwei Jahre verlängert. Wesentlich ist, dass nach Aussage des Zeugen bereits mit der Entscheidung der Regierung von Schwaben im Frühjahr 2000, den Beigeladenen unter die Härtefallregelung fallen zu lassen, von einem rechtlich gesicherten Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden konnte. Dies wird verstärkt durch die durchgehende Erwerbstätigkeit der Eltern, was erkennen läßt, dass auch diese sich auf einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt haben.
Damit sprach bei Beginn der Ausbildung alles dafür, dass der Beigeladene auch nach Beendigung der Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig sein wird. Die bisher mit der Aufenthaltsbefugnis verbundene Auflage, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit und eine dem gleichgestellte unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei, steht dem nicht entgegen. Denn eindeutig war eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit schon damals erlaubt. Ab Beendigung der Ausbildung erfüllt der Beigeladene jedenfalls die Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis bzw. Arbeitsberechtigung. Denn schon bisher war die Ausübung einer Beschäftigung nicht gemäß § 294 Abs.5 SGB III durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen. Nach Abschluss der Ausbildung hat der Beigeladene sodann Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung nach § 286 Abs.1 Satz 1 Nr.1 b, da er sich seit sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält. Die Arbeitsberechtigung wird, im Gegensatz zur Arbeitserlaubnis nach § 285 SGB III, ohne Berücksichtigung des Arbeitsmarktes und ohne betriebliche, berufliche und regionale Beschränkungen erteilt, so dass es entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht darauf ankommt, ob für die konkrete Beschäftigung, für die eine Arbeitsgenehmigung beantragt wird, deutsche Arbeitnehmer sowie diesen rechtlich gleichgestellte Ausländer nicht zur Verfügung stehen und sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige ergeben (§ 285 Abs.1 Satz Nrn.1 und 2 SGB III).
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht Augsburg vom 16.11.2004 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13.483,04 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für die Ausbildung des Beigeladenen zum Schreiner in der Zeit vom 01.09. bis 31.12.2002 in Höhe von 13.483,04 EUR streitig.
Der 1983 geborene Beigeladene ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Er befindet sich mit seinen Eltern seit 1992 in der Bundesrepublik Deutschland. Erstmals am 15.06.2000 wurden dem Kläger und seinen Eltern auf Grund einer Altfallhärteregelung auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse erteilt, die am 20.06.2002 für den Kläger und seinen Vater und am 20.09.2002 für die Mutter um zwei Jahre verlängert wurden.
Der Beigeladene ist gehörlos; ein GdB von 100 v.H. ist anerkannt. Er besuchte zehn Jahre lang die Sonderschule für Gehörlose in D. und erwarb den Hauptschulabschluss. Am 18.12.2001 wurden Leistungen zur beruflichen Rehabilitation beantragt. Am 01.09.2002 begann der Beigeladene die Ausbildung zum Schreiner im Berufsbildungswerk für Hör- und Sprachgeschädigte in M ...
Der Kläger übernahm mit Bescheid vom 08.05.2002 die Internatskosten in dem Berufsbildungswerk; die Hilfegewährung erfolge im Rahmen der Vorleistung nach § 44 BSHG, eine Erstattungsanspruch nach §§ 102 f. SGB X werde bei der Beklagten geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 08.05.2002 forderte der Kläger dann bei der Beklagten die Erstattung der Ausbildungskosten und führte aus, die Maßnahme sei nach § 63 SGB III von der Beklagten zu fördern. Die Beklagte bezog sich mit Schreiben vom 21.06.2002 auf ein früheres Schreiben vom 11.02.2002, in dem ein Anspruch auf Förderungsleistungen gegen die Beklagte mit der Begründung verneint worden war, der Beigeladene verfüge nur über eine Aufenthaltsbefugnis und habe somit noch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht.
Das Berufsbildungswerk M. für Hör- und Sprachgeschädigte, Träger Bezirk Oberbayern, übersandte dem Kläger die Rechnung vom 18.12.2002 über die Ausbildungskosten für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2003 in Höhe von insgesamt 13.483,04 EUR.
Am 20.03.2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage auf Zahlung von 13.483,04 EUR erhoben. Die Voraussetzungen des § 63 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB III seien erfüllt, da die Eltern des Beigeladenen seit 01.09.1992 bzw. seit 1996 im Inland rechtmäßig erwerbstätig seien und sich der Beigeladene nach Abschluss der Ausbildung bereits über 13 Jahren im Bundesgebiet aufhalten werde und die Möglichkeit einer Arbeitsgenehmigung in Form einer Arbeitsberechtigung nach § 286 Abs.1 Satz 1 SGB III bestehe. Die einschränkende Auslegung der Beklagten, eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit nach § 63 SGB III könne nur erfolgen, wenn der inländische Aufenthalt auf Dauer gesichert sei, was bei einer bloßen Aufenthaltsbefugnis nicht der Fall sei, finde im Gesetz keine Grundlage.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2004 den Leiter der Ausländerbehörde beim Landratsamt A. , Sch., als Zeugen vernommen; bezüglich der Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Mit Urteil vom 16.11.2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger 13.483,04 EUR zu erstatten. Dass die Voraussetzungen für ein Anspruch nach § 63 Abs.2 Satz 1 SGB III bei Beginn der Ausbildung erfüllt gewesen seien, ergebe sich aus der klaren und eindeutigen Aussage des Zeugen Sch. Für den Beigeladenen habe mit der Entscheidung der zuständigen Regierung von Schwaben ab Ende Februar 2000 festgestanden, dass er unter der Härtfallregelung falle, eine Rückführung nicht mehr in Betracht komme, sondern er rechtmäßig in Deutschland verbleiben werde. Zum Zeitpunkt des Antritts der Berufsausbildung sei es somit eindeutig klar gewesen, dass sich an die Ausbildung voraussichtlich eine dauerhafte Erwerbstätigkeit im Inland anschließen werde. Dem Beigeladenen sei durchgehend eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Sein Vater sei unstreitig seit 1992 im Wesentlichen durchgehend rechtmäßig erwerbstätig. Nach § 2 Abs.3 Arbeitsgenehmigungsverordnung sei dem Beigeladenen nach Abschluss der Ausbildung sogar eine Arbeitberechtigung zu erteilen.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die schrittweise Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bedeute nicht, dass der Aufenthaltsstatus als gesicherter anzusehen sei. Da nach Aussage des Zeugen die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltsbefugnis erst im Januar 2006 erfüllt sein werde, sei nach der Ausbildung eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit nicht ohne weiteres möglich. Die Ausbildung des Beigeladenen habe nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen werden müssen, weil die Tätigkeit nicht weiter vertretbar gewesen sei. Er habe ab 01.09.2003 eine voraussichtlich bis 31.08.2006 laufende Ausbildung als Buchbinder begonnen. Ungeachtet des Gesichtspunktes des § 63 Abs.2 SGB III habe der Kläger eine eigenständige Verpflichtung gehabt, über den rechtmäßigen Einsatz seiner Mittel, konkret über die Eignung des Beigeladenen für die Ausbildung zum Schreiner, zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.11.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beteiligten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, die für die Zeit vom 01.09. bis 31.12.2002 angefallenen Ausbildungskosten in Höhe von 13.483,04 EUR zu erstatten. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 104 Abs.1 Satz 1 SGB III, wonach der Leistungsträger erstattungspflichtig ist, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen nach § 103 Abs.1 vorliegen. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte verpflichtet, die Ausbildungskosten zu tragen. Von ihr wird nicht bestritten, dass es sich bei dem Beigeladenen um einen behinderten Menschen im Sinne des § 97 Abs.1 SGB III handelt, dem Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden können, die wegen Art oder Schwere seiner Behinderung erforderlich sind, um seine Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Auf Grund seiner Behinderung, nämlich der Gehörlosigkeit, bedarf der Beigeladene solcher Hilfen.
Bei der gewählten Ausbildung zum Schreiner sind im Sinne von § 97 Abs.2 Satz 1 Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen berücksichtigt worden. Die Beklagte kann nicht einwenden, der Beigeladene sei für die Ausbildung zum Schreiner von vornherein nicht geeignet gewesen, da die Ausbildung nach wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen werden musste. Denn bei der Beurteilung der Eignung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, deren Richtigkeit sich nach den vor Beginn der Ausbildung bekannten Tatsachen richtet. Damals war nicht mit der nötigen Sicherheit erkennbar, dass der Beigeladene für die Ausbildung zum Schreiner nicht geeignet sein würde. Der Sachverständige L. hatte das ärztliche Gutachten vom 28.03.2002 erstellt, wonach sich bei potentiell hautbelastenden Berufen und Tätigkeiten, was für den Beruf des Tischlers in gewisser Weise zutreffe, eine "gewisse Risikoerhöhung" ergebe; andererseits werde bei zu umfangreichen Ausschlüssen das Berufsspektrum so erheblich eingeengt, dass fast nur der Büro- oder IT-Bereich übrig bleibe. Deshalb sei der vorbestehende Berufswunsch "nicht kategorisch abzulehnen". Hieraus ergibt sich, dass der arbeitsamtsärztliche Gutachter jedenfalls nicht klar gegen die beabsichtigte Ausbildung zum Schreiner Stellung bezogen hat. Wesentlich ist, dass nach Erstellung des Gutachtens der Sachbearbeiter der Beklagten nach einem Telefonvermerk (Bl.277 der Klägerakte) die Ausbildung zum Schreiner für die richtige Maßnahme gehalten und den Kläger um Vorleistung gebeten hat. Somit waren vor Beginn der Ausbildung Kläger und Beklagte übereinstimmend der Meinung, dass der Beigeladene für die Ausbildung zum Schreiner geeignet ist. Diese Auffassung war aufgrund der damals bekannten medizinischen Daten, insbesondere nach Auswertung des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens, berechtigt.
Dem Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Bewilligung der Leistungen in das Ermessen der Beklagten gestellt ist, da der erstattungspflichtige Träger grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Ermessenentscheidung des vorleistenden Leistungsträgers zu beanstanden, außer im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne einer Leistungsablehnung (vgl. Broos in von-Wulffen, SGB X, 5. Auflage, Rdnr.7 zu § 104 m.w.N.).
Gemäß § 100 Nr.5 SGB III umfassen die allgemeinen Leistungen im Sinne des § 98 Abs.1 Nr.1, die sich gemäß § 99 SGB III nach den Vorschriften des 1. bis 6. Abschnittes richten, die Förderung der Berufsausbildung. Bei der Ausbildung zum Schreiner handelt es sich um eine berufliche Ausbildung, die nach § 60 Abs.1 förderungsfähig ist, weil sie in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf außerbetrieblich durchgeführt wird.
Der Beigeladene gehört auch zu dem förderungsfähigen Personenkreis im Sinne des § 63 SGB III. Gemäß § 63 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB III können Ausländer gefördert werden, wenn ein Elternteil sich insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten hat und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist, und sie voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sein werden. Dies ist bei dem Beigeladenen der Fall.
Die Beklagte lehnt dies unter Bezugnahme auf die DA 63.2.2 ab; in Absatz 8 heißt es, dass Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht gefördert werden können. Ausländer mit einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltsbefugnis gehörten auf Grund dieser nicht auf Dauer angelegten Aufenthalte nicht zum Personenkreis der Ausländer im Sinne des § 63 Abs.2. Diese Weisung, z.B. im Falle einer Aufenthaltsbefugnis generell ein Anspruch nach § 63 Abs.2 SGB III zu verneinen, widerspricht, dem Gesetz. Danach ist vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der antragstellende Ausländer voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sei wird. Dies ist bei dem Beigeladenen der Fall.
Hiergegen spricht nicht der Umstand, dass ihm zunächst jeweils auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnisse erteilt wurden, und erst ab Januar 2006 mit einer unbefristeten Aufenthaltsbefugnis gerechnet werden kann. Denn wie der Leiter der Ausländerbehörde vor dem SG als Zeuge dargelegt hat, bestand bezüglich des Beigeladenen und seinen Eltern trotz Ablehnung des Asylantrages ein Abschiebehindernis, da das Herkunftsland Vietnam kein Interesse an einer Aufnahme zeigte. Für Fälle dieser Art wurde von der Innenministerkonferenz eine Härtefallregelung beschlossen, unter die der Beigeladene und seine Eltern nach Ansicht der Regierung von Schwaben fielen, weshalb eine Aufenthaltsbefugnis, zunächst auf zwei Jahre befristet, erteilt wurde. Das Ziel der Härtefallregelung war die Anerkennung der zwischenzeitlich tatsächlich erfolgten Integration, zwar auch die rechtliche Integration auf Dauer. Aus diesem Grunde wurde auf den Antrag vom 20.06.2002 hin die Aufenthaltsbefugnis um weitere zwei Jahre verlängert. Wesentlich ist, dass nach Aussage des Zeugen bereits mit der Entscheidung der Regierung von Schwaben im Frühjahr 2000, den Beigeladenen unter die Härtefallregelung fallen zu lassen, von einem rechtlich gesicherten Aufenthalt in Deutschland ausgegangen werden konnte. Dies wird verstärkt durch die durchgehende Erwerbstätigkeit der Eltern, was erkennen läßt, dass auch diese sich auf einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt haben.
Damit sprach bei Beginn der Ausbildung alles dafür, dass der Beigeladene auch nach Beendigung der Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland erwerbstätig sein wird. Die bisher mit der Aufenthaltsbefugnis verbundene Auflage, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit und eine dem gleichgestellte unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei, steht dem nicht entgegen. Denn eindeutig war eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit schon damals erlaubt. Ab Beendigung der Ausbildung erfüllt der Beigeladene jedenfalls die Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis bzw. Arbeitsberechtigung. Denn schon bisher war die Ausübung einer Beschäftigung nicht gemäß § 294 Abs.5 SGB III durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen. Nach Abschluss der Ausbildung hat der Beigeladene sodann Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung nach § 286 Abs.1 Satz 1 Nr.1 b, da er sich seit sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält. Die Arbeitsberechtigung wird, im Gegensatz zur Arbeitserlaubnis nach § 285 SGB III, ohne Berücksichtigung des Arbeitsmarktes und ohne betriebliche, berufliche und regionale Beschränkungen erteilt, so dass es entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht darauf ankommt, ob für die konkrete Beschäftigung, für die eine Arbeitsgenehmigung beantragt wird, deutsche Arbeitnehmer sowie diesen rechtlich gleichgestellte Ausländer nicht zur Verfügung stehen und sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige ergeben (§ 285 Abs.1 Satz Nrn.1 und 2 SGB III).
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgericht Augsburg vom 16.11.2004 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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