L 9 EG 98/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 EG 102/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 98/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.08.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1970 geborene Klägerin, eine verheiratete türkische Staatsangehörige, welche seit 1975 in Bayern lebt, ist die Mutter des 1991 in N. geborenen Kindes N ... Sie lebte seither mit diesem und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt in F. , betreute und erzog N. und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der AOK Bayern krankenversichert.

Am 14.02.2002 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Landeserziehungsgeld (LErzG) für ihr Kind N ... Dabei gab sie an, sie habe bereits früher einen Antrag auf LErzg gestellt, der aber abgelehnt worden sei. Der Antrag vom 14.02.2002 wurde durch Bescheid vom 28.06.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 04.05.1999, Az.: C-262/96) zwar auch türkische Staats- angehörige zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehörten, jedoch Ansprüche auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlass dieses Urteils nicht geltend gemacht werden könnten. Der Leistungszeitraum für das 1991 geborene Kind der Klägerin hätte spätestens am 10.06.1993 geendet, so dass LErzG nicht gewährt werden könne.

Am 16.07.2002 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Wider- spruch ein. Sie verwies auf Art. 3 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19.09.1980 und die sich daraus ergebende Gleichstellung der türkischen Staatsangehörigen. Die Rspr. des EuGH im Urteil vom 04.05.1999, wonach aus Art. 3 des ARB keine Rechte für Zeiten vor Erlass des Urteils hergeleitet werden könnten, ändere nichts daran, dass das Recht auf Antragstellung durch mündlichen Verwaltungsaktverhindert worden sei. Es sei die Aushändigung von Antragsformularen bzw die Annahme ausgefüllter Antragsformulare verweigert worden. Dies stelle einen schwerwiegenden Fehler dar. Es liege kein Antrag und kein Bescheid vor, so dass deswegen weder Widerspruch noch Klage möglich gewesen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 29.08.2002 erhob die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid Klage zum Sozialgericht Nürnberg, die sie nicht näher begründete. In der mündlichen Verhandlung gab sie an, sie habe gegen die Ablehnung des Antrags auf LErzg wegen der damit verbundenen Kosten keine Klage erhoben.

Mit Urteil vom 09.08.2004 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, zwar könnten nach dem Urteil des EuGH vom 04.05.1999 und der anschließenden Rechtsprechung des BSG neben Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den EWR auch türkische Staatsangehörige LErzG erhalten. Jedoch könne die Klägerin daraus keine Rechte herleiten. Denn der EuGH habe im Rahmen seiner Kompetenzen Ansprüche auf Leistungen für die Zeit nach dem Erlass seiner Entscheidung vom 04.05.1999 beschränkt und eine Ausnahme hierfür nur zugelassen, wenn vor diesem Zeitpunkt bereits eine Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Zudem stehe dem Anspruch § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) entgegen, wonach Leistungen aufgrund von Überprüfungsanträgen rückwirkend längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren erbracht werden können.

Am 13.10.2004 legte die Klägerin beim SG Berufung ein, die nicht begründet wurde.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 09.08.2004 und des Bescheides vom 28.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2002 zu verpflichten, Landeserziehungsgeld für das 1991 geborene Kind N. für die Zeit vom 11.12.1992 bis 10.06.1993 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 SGG einverstanden erklärt.

Der Senat hat neben der Erziehungsgeldakte des Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen, auf welche zur Ergänzung des Sachverhalts verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Sie erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet. Zutreffend hat das SG die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage abgewiesen.

Der Beklagte hat zurecht einen Anspruch der Klägerin auf Landeserziehungsgeld für ihr 1991 geborenes Kind N. abgelehnt.

Ein Anspruch der Klägerin scheitert an den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes zur Gewährung eines LErzg und zur Ausführung des BErzGG (BayLErzGG) in der Ausprägung, die sie durch die sog. Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999, Az.: C-262/96, erlangt haben.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von LErzG ist vorliegend das BayLErzGG vom 12.06.1989 (GVBl.1989 S.206), da das Kind der Klägerin vor dem 01.07.1993 geboren wurde. Anspruch auf LErzG hatte gemäß Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG, wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hatte (Nr. 1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) und schließlich die deutsche Staatsangehörigkeit oder diejenige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besaß (Nr. 5).

In der vorliegenden Streitsache erfüllte die Klägerin im Bewilligungszeitraum unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 mit 4 BayLErzGG, denn sie lebte mit Aufenthaltsberechtigung im Anspruchszeitraum in Bayern, zusammen mit ihrer Tochter, für die ihr die Personensorge zustand, und mit ihrem Mann in einem Haushalt, betreute ihre Tochter selbst und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Nicht erfüllt wurde aber die Voraussetzung in Nr. 5 der Vorschrift, da die Klägerin im streitigen Zeitraum weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch die eines Mitgliedstaates der EU besaß. Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen übergeordnetes europäisches Gemeinschaftsrecht. Nach der genannten Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 (SozR 3-6935 Allg Nr. 4) verbietet es Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 einem Mitgliedstaat, den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen u.a. auf Familienleistungen nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als für Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 10.07.1997 das Bundeserziehungsgeld in Anwendung des Urteils des EuGH vom 10.10.1996 (Az.: C-245/94 und C-312/94) zur Familienleistung erklärt. Diese Auffassung hat das BSG mit Urteil vom 29.01.2002 (Az.: B 10 EG 2/01 R) auch hinsichtlich des Bayer. Landeserziehungsgeld vertreten.

Damit hat die Klägerin zwar grundsätzlich unter denselben Vor- aussetzungen wie Deutsche oder Angehörige der EU oder des EWR Anspruch auf LErzg. Jedoch kann sie sich auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs.1 des ARB Nr. 3/80 für den Anspruchszeitraum nicht berufen. Nach Ansicht des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 04.05.1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Wie das Bundessozialgericht (u.a. Urteil vom 27.05.2004, Az.: B 10 EG 11/03 R) darlegt, bezieht sich die im Urteil vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es, wie auch beim Landeserziehungsgeld, um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB gestützt werden. Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung, wie das Bundessozialgericht darlegt, verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser "Neben"-Entscheidung bestehen laut BSG (a.a.O.) keine Zweifel. Voraussetzung für eine wie vom EuGH angenommene zeitliche Beschränkung ist es laut BSG (a.a.O.), dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen. Es ist laut BSG nicht ersichtlich, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat. Der EuGH hat dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10.09.1996, Az.: C-277/94, Ungewissheit über eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB ergeben konnte, unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpassung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 04.05.1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies war zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Europarechts ist, erst durch das Urteil des EuGH vom 10.10.1996 geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.

Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, ihre Ansprüche auf Landeserziehungsgeld für Zeiten vor dem Erlass des Urteils geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute. Nach der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH angesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 04.05.1999 noch rechtshängig, also offen waren. Denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als Rechtsbehelf sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der Geltendmachung von Rechten und unterbrechen z.B. die Verjährung von Ansprüchen (§ 45 Abs. 3 SGB I). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht ge- stellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiterver- folgt worden sind.

Zur Begründung eines Anspruchs kann sich die Klägerin damit auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor Erlass des Sürül-Urteils am 04.05.1999 einen auf LErzG gerichteten Rechtsbehelf eingelegt hätte. Zwar hat die Klägerin nach ihren Angaben einen Antrag auf LErzG gestellt, dieser Antrag ist jedoch nicht anspruchs- auslösend, da er nicht zu einem offenen Verfahren im Sinn des EuGH-Urteils geführt hat. Denn das Verfahren war am 04.05.1999 bereits abgeschlossen. Ausgehend von einem Leistungszeitraum vom 11.12.1992 bis 10.06.1993 steht fest, dass ein Antrag der Klägerin auf LErzg aus dem Jahr 1992/93 am 04.05.1999 bereits bestandskräftig zurückgewiesen war, zumal die Klägerin den Rechtsweg nicht bestritten hat.

Daran ändert auch der erneute Antrag vom 13.02.2002 nichts. Dieser Antrag ist als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auszulegen. Ein solcher nach dem 04.05.1999 gestellter Antrag kann mit der alleinigen Rüge der assoziationsrechtlichen Diskriminierung auch rückwirkend nicht zu einem offenen Rechtsbehelfsverfahren führen. Zwar war der frühere Ablehnungsbescheid im Licht der Entscheidung des BSG vom 29.01.2002 (BSGE 89, 129) objektiv falsch gewesen, auch wenn er der damaligen Rechtsprechung entsprochen hatte. Denn eine unrichtige Entscheidung liegt auch dann vor, wenn der Leistungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte. Entscheidend ist insoweit die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Das BSG weist aber für Leistungszeiträume vor dem 04.05.1999 ausdrücklich auf Folgendes hin (BSG vom 27.05.2004, a.a.O.; bestätigt durch Urteile vom 02.02.2006, Az.: B 10 EG 9/05 R u.a.): Zur Begründung der Fehlerhaftigkeit des behördlichen Handelns bedarf es gerade der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift insoweit ebenfalls die vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung. Nach dem BSG ist weiter zu berücksichtigen, dass der Ausspruch des EuGH, wonach die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB grundsätzlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor dem Erlass des Urteils vom 04.05.1999 geltend gemacht werden kann, sich nicht nur auf die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des LErzg (Art. 1 Abs. 1 Nr. 5 BayLErzGG) auswirkt. Vielmehr gilt er umfassend, mithin auch bei der (verfahrensrechtlichen) Frage nach der Rechtzeitigkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs vor dem 04.05.1999 (Urteil vom 27.05.2004, a.a.O.).

Das BSG hat zudem in anderem Zusammenhang bereits mehrfach festgestellt, dass ein sog. "Zugunstenverfahren" nach § 44 SGB X im Hinblick auf die Frage der Bestandskraft einer Ent- scheidung einem förmlichen Rechtsbehelf nicht gleichgestellt werden kann. So hat das BSG z.B. im Zusammenhang mit der Ent- scheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen im Bereich des Leistungs- rechts klargestellt, dass Unanfechtbarkeit (insbes. i.S. des mit der hier gegebenen Rechtslage vergleichbaren § 79 Abs. 2 BverfGG) dann vorliegt, wenn gegen die ursprünglichen Bewil- ligungsbescheide keine Rechtsbehelfe eingelegt worden sind bzw. über eingelegte Rechtsbehelfe bereits abschließend entschieden war (§ 77 SGG). Es ist grundsätzlich keine Auslegung dahingehend zulässig, dass Ansprüche auf Zugunstenentscheidung gemäß § 44 SGB X, wegen des darin liegenden "Protests" gegen die Rechtmäßigkeit der früheren Leistungsbewilligungen, so zu behandeln seien, als ob über die früheren Leistungsansprüche selbst noch nicht unanfechtbar entschieden wäre (u.a. BSG vom 25.03.2003, Az.: B 7 AL 106/01 R). Da danach am 04.05.1999 unter keinem Gesichtspunkt ein offenes Verfahren über die Gewährung des LErzG bestand, kann die Klägerin die objektive Unrichtigkeit der Ablehnung vorliegend nicht geltend machen.

Auch aufgrund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein Landeserziehungsgeld für ihr Kind zu. Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs sind vorliegend nicht erfüllt.

Dessen Tatbestand fordert zunächst das Vorliegen einer Pflicht- verletzung. Das Bundessozialgericht (Urteile vom 27.05.2004 und 02.02.2006 a.a.O.) hält wegen des Ausspruchs der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entscheidung für Leistungszeiträume vor dem 04.05.1999 einen auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten gestützten Herstellungsanspruch für nicht gegeben. Dies muss erst recht für den vorliegenden Fall einer rechtskräftigen Ablehnung vor diesem Zeitpunkt gelten. Soweit der Beklagte - mit aus seiner Sicht zutreffender Begründung - den Anspruch der Klägerin objektiv zu unrecht abgelehnt hat, ist der Herstellungsanspruch naturgemäß subsidiär zum Wider- spruch bzw. Antrag nach § 44 SGB X. Ebensowenig ist vorliegend die Verletzung einer Pflicht des Beklagte anzunehmen, die Klägerin nach der Ablehnung auf einen sich abzeichnenden Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. entsprechende anhängige Verfahren hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht könnte allenfalls dann entstehen, wenn es aufgrund gravierender Umstände wahrscheinlich erscheint, dass ein Wandel in der Rechtsprechung eintreten wird. Vor dem 04.05.1999 kann eine solche Hinweispflicht sicher nicht bejaht werden (BSG vom 27.05.2004 a.a.O.).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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