L 3 (13) J 105/94

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 J 229/93
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 (13) J 105/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 BJ 14/97
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. August 1994 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Als Sonderrechtsnachfolgerin des am 06. März 1995 verstorbenen - Versicherter - begehrt die Klägerin von der Beklagten aufgrund der durchgeführten Nachentrichtung von Beiträgen nach § 21 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung - WGSVG -, ihr ab 01. Januar 1986 erhöhtes Altersruhegeld zu gewähren.

Der am ...1916 in W.bei P./Polen geborene Versicherte war Jude und polnischer Staatsbürger. Vom 01. Oktober 1939 bis zum 03. Mai 1945 war er durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen in seiner Freiheit beeinträchtigt. Nach der Befreiung wanderte er im Januar 1948 nach Israel ein, wo er seitdem lebte und dessen Staatsangehöriger er seit 1948 war. Den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung stellte der Versicherte nicht. Er beantragte am 25. August 1981 u.a. bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA - die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 12 der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DV/DISVA) und die Gewährung eines Altersruhegeldes.

Er trug vor, er habe von Juli 1934 bis September 1939 bei der Firma S. in W. als Magazineur und Verkäufer gearbeitet. Für die Tätigkeit seien Rentenversicherungsbeiträge an den zuständigen polnischen Rentenversicherungsträger abgeführt worden.

Die BfA gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 08. Dezember 1986 ab 01. September 1981 ein Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus den nach Art. 12 DV/DISVA nachentrichteten Beiträgen.

Am 31. Dezember 1989 beantragte der Versicherte u.a. die rentensteigernde Berücksichtigung von Beitragszeiten nach § 17 Abs. 1 b letzter Halbsatz Fremdrentengesetz (FRG) in der ab 01. Januar 1990 geltenden Fassung und die Zulassung zur Neugestaltung der Nachentrichtung der gemäß Art. 12 DV/DISVA nachentrichteten Beiträgen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 WGSVG.

Am 11. August 1990 beantragte er außerdem die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG in der ab 01. Januar 1990 geltenden Fassung i.V.m. § 10 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 in Kraft befindlichen Fassung. Die BfA gab am 08. Oktober 1990 das Verfahren an die Beklagte ab. Diese gestattete dem Versicherten mit Bescheid vom 09. Oktober 1991 die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG in der ab 01. Januar 1990 geltenden Fassung i.V.m. § 10 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung und die Neugestaltung der nach Art. 12 DV/DISVA durchgeführten Nachentrichtung von Beiträgen. In dem Bescheid führte sie ferner aus, Beiträge, die bis zum Ablauf der besonderen Zahlungsfrist am 30. April 1992 entrichtet würden, würden rechtlich so behandelt, als seien sie

a) am 01. Januar 1990 (betreffs der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachentrichteten Beiträge),

b) am 25. August 1981 (betreffs der Neugestaltung der nach Art. 12 DV/DISVA nachentrichteten Beiträge gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 WGSVG)

entrichtet worden.

Nachdem der Versicherte die Beiträge hinsichtlich a) und b) am 25. November 1991 eingezahlt hatte, berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 1992 das Altersruhegeld ab 01. Januar 1985 neu. Sie berücksichtigte die von ihm vom 01. Juli 1934 bis 30. September 1939 zurückgelegten Beitragszeiten gemäß § 17 Abs. 1 b letzter Halbsatz FRG in der ab 01. Januar 1990 geltenden Fassung erstmals rentensteigernd. Außerdem trug sie darin der Neugestaltung der Nachentrichtung der nach Art. 12 DV/DISVA nachentrichteten Beiträge Rechnung.

Mit Bescheid vom 26. August 1992 berechnete sie ferner das Altersruhegeld mit Wirkung ab 01. Februar 1990 unter Berücksichtigung der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachentrichteten Beiträge neu.

Gegen diesen Bescheid hat der Versicherte am 14. September 1992 Widerspruch erhoben und vorgetragen, das Altersruhegeld sei wegen der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachentrichteten Beiträge bereits ab 01. Januar 1985 zu erhöhen. Dies ergebe sich aus § 21 Abs. 3 Satz 2 WGSVG.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 30. November 1993 hat der Versicherte am 24. Dezember 1993 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben und ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vorgetragen, der von ihm erhobene Anspruch ergebe sich auch aus § 21 Abs. 2 Buchstabe a Abs. 4 Satz 4 WGSVG. Der Versicherte hat beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. August 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. November 1993 zu verurteilen, ihm ab 01. Januar 1986 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften das durch die gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nachentrichteten Beiträge erhöhtes Altersruhegeld zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid für zutreffend gehalten. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. August 1994 die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 28. Oktober 1994 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Versicherten vom 23. November 1994. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen trägt er vor, die §§ 21 Abs. 3 Satz 1 WGSVG, 21 Abs. 2 a WGSVG und 21 Abs. 4 Satz 4 WGSVG seien gegenüber § 1290 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) Sondervorschriften zum Rentenbeginn aufgrund nachentrichteter Beiträge, so daß die Rente aus den nachentrichteten Beiträgen nach § 21 WGSVG unter Beachtung von § 44 Abs. 4 SGB X mit dem 01. Januar 1986 zu beginnen habe.

Nachdem der Versicherte am 06. März 1995 verstorben war, hat die Klägerin das Verfahren fortgesetzt. Ihr Prozeßbevollmächtigter ist zu dem Verhandlungstermin vom 15. November 1996 ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25. Oktober 1996 vom Termin benachrichtigt worden. Weder er noch die Klägerin sind im Termin erschienen noch vertreten gewesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin und ihres Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden dürfen. Auf diese Möglichkeit, die sich aus den in den §§ 124 Abs. 1, 127 Sozialgerichtsgesetz - SGG - getroffenen Regelungen ergibt, ist der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 26. August 1992 ist wie der Widerspruchsbescheid vom 30. November 1993 rechtmäßig; die Klägerin ist durch diese Verwaltungsentscheidungen nicht beschwert. Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, der Klägerin das durch die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG erhöhte Altersruhegeld für die Zeit vor dem 01. Februar 1990 zu gewähren.

Die durch die Beitragsnachentrichtung bewirkte Erhöhung des Altersruhegeldes konnte nicht vor dem 01. Februar 1990 wirksam werden. Abweichend von der allgemeinen Regelung des § 1290 Abs. 1 der RVO wurden die vom Kläger nachentrichteten Beiträge zu seinen Gunsten aufgrund der von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 09. Oktober 1991 ausgesprochenen Zusicherung rechtlich so behandelt, als seien sie am 01. Januar 1990 wirksam nachentrichtet worden mit der Folge, daß die höhere Rente ab 01. Februar 1990 zu zahlen war. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die grundsätzliche Regelung des § 1290 RVO hin nicht durch andere und speziellere Vorschriften verdrängt. § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG enthält keine spezielle Bestimmung darüber, ab wann die nachentrichteten Beiträge für die Begründung von Rentenansprüchen wirksam werden. § 21 Abs. 4 Satz 4 WGSVG mit der Anordnung einer Rückwirkung der nachentrichteten Beiträge findet im Rahmen des Nachentrichtungsrechts nach § 21 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 10 WGSVG jedenfalls hier keine Anwendung. Denn die in § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 WGSVG genannten Fallgestaltungen, auf die § 21 Abs. 4 Satz 4 WGSVG Bezug nimmt, setzen andere Sachverhalte voraus, nämlich abgeschlossene Verfahren mit bestandskräftigen Bescheiden, in denen entweder ein Anspruch abgelehnt oder eine - im Vergleich zur bestehenden Rechtslage - ungünstige Entscheidung getroffen worden waren (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.1996 - 4 RA 122/94 -).

Eine Rückwirkung der freiwilligen Beitragszahlung, etwa auf die Zeit, für die Beiträge nachentrichtet werden mit der Folge einer Leistungsgewährung auch für einen Zeitraum vor der Beitragsentrichtung, wäre eine Ausnahme der o.g. Grundregel und hätte wie in § 21 Abs. 4 WGSVG geschehen - vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelt werden müssen. Sie würde dem Grundsatz widersprechen, daß die Versicherungsleistung grundsätzlich der Beitragsleistung zu entsprechen hat. Aus alledem folgt, daß grundsätzlich ein auf einer Beitragsnachentrichtung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG beruhender Einzelanspruch auf ein höheres monatliches Altersruhegeld erst nach Entrichtung der Beiträge d.h. nach tatsächlicher Zahlung der Beiträge entstehen und fällig werden kann.

Nach alledem konnte die Bereiterklärung zur Beitragsnachentrichtung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 WGSVG nach der allgemeinen Regel des § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO i.V.m. Art. 4 § 2 Abs. 2 WGSVG Änderungsgesetz frühestens mit Ablauf des Monats Januar 1990, zum 01. Februar 1990 einen fälligen Anspruch auf ein höheres Altersruhegeld begründen.

Die Berufung der Klägerin ist infolgedessen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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