L 11 KR 1444/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3103/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1444/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das Arzneimittel Maaloxan zu gewähren ist.

Der 1949 geborene Kläger, der als Kraftfahrer arbeitet, ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einem nervösen Reizmagen.

Mit Schreiben vom 24.02.2004 beantragte der Kläger von der Beklagten eine Bestätigung, dass sie ihm das Medikament Maaloxan, das er von seinem Arzt gegen den nervösen Reizmagen erhalte, bezahle und übernehme. 50 Tüten Maaloxan würden ca. 25,- EUR kosten. Wenn er das Medikament Maaloxan nicht erhalte, müsse auf das Medikament Nexium ausgewichen werden. Hiervon würden 60 Tabletten ca. 100,- EUR kosten. Außerdem könne er das Medikament Nexium während des Autofahrens nur begrenzt einnehmen. Er werde davon benebelt und es habe erhebliche Nebenwirkungen.

Mit Bescheid vom 10.03.2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem Arzneimittel Maaloxan ab. Gemäß § 31 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen seien. In § 34 SGB V sei festgelegt, dass nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen seien. In Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V lege der Gemeinsame Bundesausschuss erstmals bis zum 31.03.2004 fest, welche nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten würden, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Richtlinien könne der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach eigenem Ermessen vertragsärztlich verordnen. Bei Maaloxan handele es sich zwar um ein apothekenpflichtiges, aber nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Insofern bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf die vertragsärztliche Versorgung mit diesem Arzneimittel. Ob der nervöse Reizmagen als schwerwiegende Erkrankung anzusehen sei, könne nur der behandelnde Arzt entscheiden und entsprechend verordnen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2004 zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zur Definition, wann ein Arzt im Ausnahmefall beim Vorliegen schwerwiegender Erkrankungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnen könne, inzwischen in Kraft getreten seien. Die Aufzählung in den Arzneimittelrichtlinien (AMR) unter F.16.4 bis 16.6 sei abschließend. Die Behandlung eines Reizmagens mit Maaloxan sei als Ausnahmefall nicht enthalten.

Deswegen erhob der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Ergänzend trug er vor, sein Fall sei als so genannter Härtefall zu behandeln. Das Medikament Nexium sei viel zu stark. Es benebele ihn und schränke seine Möglichkeit, am Straßenverkehr teilzunehmen, ein. Deshalb könne er es nur abends einnehmen. Er leide jedoch auch tagsüber unter starkem Sodbrennen. Mittlerweile seien sogar schon seine Zähne von der Säure befallen und angefressen. Er legte die Beipackzettel der Medikamente Maaloxan und Nexium vor.

Mit Urteil vom 16.01.2006, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 13.03.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Genehmigung der Versorgung mit Maaloxan bzw. auf Gewährung dieses Arzneimittels im Rahmen der Versorgung über die gesetzliche Krankenkasse. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestehe ein Anspruch auf apothekenpflichtige Arzneimittel, soweit diese nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V seien nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung und damit von der Leistungspflicht der Krankenkasse ausgeschlossen. Eine Ausnahme bestehe allenfalls bei schwerwiegenden Erkrankungen. Hierzu verweise das Gesetz auf die AMR, die in Buchstabe F. Ziffer 16 Ausnahmefälle bestimmen würden. Beim Kläger sei keiner dieser Fälle einschlägig. Daher sei die Versorgung mit dem Medikament Maaloxan ausgeschlossen. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kläger als Kraftfahrer tätig sei. Er sei auf andere Mittel zu verweisen bzw. im Rahmen der gesetzlichen Regelung auf die Selbstversorgung mit Maaloxan. Auch der Hinweis darauf, dass Maaloxan billiger sei als Nexium, sei unerheblich. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V gelte nur innerhalb der zugelassenen Behandlungsalternativen, nicht im Vergleich von nicht zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten mit zugelassenen Behandlungsalternativen.

Hiergegen richtet sich die am 22.03.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er weist insbesondere noch einmal darauf hin, dass es sich bei ihm um einen so genannten Härtefall handele.

Der Kläger beantragt - sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 10. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das Arzneimittel Maaloxan zu erstatten und zukünftig zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Verordnung von Arzneimitteln in der Verantwortung des Vertragsarztes liege. Die Genehmigung von Arzneimittelversorgungen durch die Krankenkasse sei nach § 29 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte unzulässig. Härtefälle wie beispielsweise in den §§ 56 und 62 SGB V verankert, habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Der Kläger hat ergänzend darauf hingewiesen, die Richtlinien des Bundesausschusses würden in seinem Fall gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen, da er einen chronischen Reizmagen habe und es sich bei ihm nicht nur um einen einmaligen Fall handele.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Beklagte ist weder verpflichtet, die seit dem Jahr 2004 aufgewendeten Kosten für das Medikament Maaloxan nach § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten noch den Kläger in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift von zukünftig durch die Therapie entstehenden Kosten freizustellen (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 27 a Nr. 3), denn die Behandlung eines nervösen Reizmagens mit Maaloxan ist seit 2004 keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gemäß § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um unter anderem eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Dabei besteht die Leistungspflicht der Krankenkasse jedoch nicht für jede Art von Behandlung. Diese unterliegt vielmehr den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen muss dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Nach § 34 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Soweit diese für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V Ausnahmen zur Verordnungsfähigkeit in den AMR definiert worden. Maaloxan ist nicht verschreibungspflichtig. Eine Ausnahme in den AMR ist nicht vorgesehen. Die gesetzlichen Regelungen sind abschließend. Härtefälle sind, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, nicht vorgesehen. Dies begegnet insgesamt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der überproportionale Anstieg der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Vorsorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln machte und macht steuernde Maßnahmen in diesem Bereich erforderlich. Da es sich bei Maaloxan um ein Arzneimittel im unteren Preisbereich handelt, war die Herausnahme dieses Arzneimittels für den einzelnen Versicherten auch sozial vertretbar. Dies gilt auch unter Beachtung der Tatsache, dass der Kläger zumindest während seines Berufslebens auf die dauernde Einnahme des Medikaments Maaloxan angewiesen ist. Der Leistungsausschluss verstößt auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip. Das Sozialstaatsprinzip wendet sich zunächst an den Gesetzgeber. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 59, 231 (263); 65, 182 (193)) begründet es eine - nicht einklagbare - Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Hierbei ist dem Gesetzgeber bei Erfüllung dieser Pflicht ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (vgl. BVerfGE 44, 70 (89)). Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Artikel 2 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG). Aus diesen Bestimmungen des GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Auch insoweit hat der Gesetzgeber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich orginäre Leistungsansprüche aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005 - B 1 KR 25/03 R - m. w. N.). In seinem Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - hat das Bundesverfassungsgericht davon nur eine Ausnahme für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht; um einen derartigen Fall handelt es sich beim Kläger nicht.

Ergänzend wird daraufhin gewiesen, dass der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung bzw. -übernahme auch daran scheitert, dass er für das Arzneimittel Maaloxan keine ärztliche Verordnung vorgelegt hat. Ohne ärztliche Verordnung ist die medizinische Notwendigkeit nicht belegt. Die Verordnung von Arzneimitteln liegt in der Verantwortung des Vertragsarztes. Durch die Verordnung übernimmt er die Verantwortung für die medizinische Behandlung. Die §§ 31, 32 SGB V begründen keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf "Versorgung" schlechthin mit irgendwelchen Arznei- oder Heilmitteln. Sie stellen ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte dar. Der Versicherte kann ein bestimmtes Mittel erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird. Dass der Anspruch auf Versorgung mit Arznei- oder Heilmitteln von einer ärztlichen Verordnung abhängig ist, ergibt sich bereits aus dem Gesetz im systematischen Zusammenhang des § 15 Abs. 1, der §§ 31, 32 und des § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V (BSG Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 15/96 - in SozR 3-2500 § 13 Nr. 13). Die Krankenkasse selbst kann und darf Arzneimittel nicht verordnen und sie auf dieser Grundlage dann erstatten bzw. übernehmen.

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved