Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 4087/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1745/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. April 2004 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12 November 2003 verurteilt, dem Kläger über den 31. Oktober 2002 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000.
Der am 1953 geborene Kläger bezieht von der Beklagten aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17.07.1991 ab 03.02.1992 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. (Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.12.1998 - S 11 U 2023/97). Folgen des Unfalls vom 17.07.1991 sind unter anderem eine in keilförmiger Fehlstellung von 15 Grad verheilte BWK-6-Fraktur mit belastungsabhängigen Schmerzen und Ausstrahlung in die paravertebrale Muskulatur sowie Verspannungen der Muskulatur im cerviko-thorakalen Übergang durch die Fehlstatik der auch posttraumatisch verstärkten Kyphose sowie eine leichte Deckplattenimpression des 5. BWK ohne wesentliche Fehlstellung, die ebenfalls Anteil an der Muskelverspannung des cerviko-thorakalen Übergangs hat (Gutachten Dr. von St. vom 09.06.1998, Teil-MdE hierfür 15 v.H.).
Am 13.12.2000 stürzte der als Fachmonteur bei der Firma Z. GmbH in Bad S. tätige Kläger von einem Gerüst drei Meter in die Tiefe und zog sich eine Grundplattenimpressionsfraktur von BWK 7 mit Knochenmarködem bzw. Frakturhämatom im Wirbelkörper zu. Arbeitsunfähigkeit bestand bis 15.05.2001.
Für die Beklagte erstattete Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der Abteilung Unfallchirurgie an der Universitätsklinik F. ein Gutachten, in dem er die MdE vom 16.05.2001 bis zum Ablauf des dritten Jahres nach dem Unfall auf 20 v. H., danach voraussichtlich auf 10 v. H. einschätzte. Die Beklagte veranlasste weiter eine Begutachtung des Klägers durch Dr. P. , Ärztlicher Leiter der S. -Orthopädie in Bad K. , der im Gutachten vom 09.01.2003 eine posttraumatische, geringe bis mäßige keilförmige Deformierung des 7. Brustwirbelkörpers (17 Grad) als wesentliche Unfallfolge bezeichnete. Diese neu hinzugekommene Unfallfolge unterhalte die bereits vor dem Unfallereignis vom 13.12.2000 vorbestehenden schmerzhaften muskulären Verspannungen der Brustwirbelsäule (Folgen des Unfalls vom 17.07.1991). Die MdE schätze er seit dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit auf maximal 10 v. H. ein. Die Gewährung eines Stützrententatbestandes scheine allerdings sehr fraglich, da sich die Beschwerden wegen der Folgen aus beiden Arbeitsunfällen in Höhe der Brustwirbelsäule überschnitten. Zudem hätten die unfallunabhängigen krankhaften Störungen der Brustwirbelsäule (skoliotische Fehlhaltung, Morbus-Scheuermann) einen maßgeblich mitwirkenden Anteil an dem heutigen Beschwerdebild.
Mit Bescheid vom 27.03.2003 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 13.12.2000 als Arbeitsunfall und bewilligte eine Rente vom 16.05.2001 bis zum 31.10.2002 nach einer MdE von 10 v. H. Über diesen Zeitraum hinaus lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil keine rentenberechtigende MdE (MdE unter 10 v. H.) mehr vorliege. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Unter leichter Höhenminderung knöchern fest verheilter Bruch des 7. Brustwirbelkörpers mit schmerzhaften Belastungsbeschwerden." Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: "Bruch des 5. Brustwirbelkörpers (Unfall vom 17.07.1991), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule." Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 15.12.2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und vorgebracht, bei ihm liege aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine MdE von 20 v. H. vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen über den ihm zuerkannten Rentenanspruch hinausgehenden Anspruch auf Entschädigung des Ereignisses vom 13.12.2000. Dies stehe insbesondere aufgrund des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Dr. P. fest.
Dagegen hat der Kläger am 05.05.2004 Berufung eingelegt. Er hält die Ausführungen von Prof. Dr. S. für zutreffend.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. April 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31.10.2002 hinaus eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat ein Gutachten bei Dr. H. , Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin - Orthopädie, eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, durch den Unfall vom 13.12.2000 sei es zu einer erneuten Traumatisierung der Brustwirbelsäule im Bereich BWK 7 und einer Zunahme der Kyphose gekommen. Durch die zuvor bereits verringerte Kompensationsfähigkeit sei es zu einer glaubhaften und wesentlichen Beschwerdeverstärkung in der unteren und mittleren Brustwirbelsäule sowie im rechten Nacken mit Ausstrahlung bis in den seitlichen Kopf und zu einer geringfügigen Behinderung der Atemexkursion gekommen. Die Zeichen der juvenilen Aufbaustörung der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann) seien nur recht gering ausgeprägt, sodass sie in ihrer Bedeutung für die Verformung der Wirbelsäule hinter den Unfallereignissen deutlich zurückträten und keinesfalls gleichrangig seien. Soweit dies rückblickend noch möglich sei, schätze er die MdE aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 ab April 2001 auf 20 v. H. Zum Zeitpunkt der Begutachtung am 11.01.2005 habe eine unfallbedingte MdE von 10 v. H. bestanden. Eine rückwirkende Festlegung, wann die MdE von 20 auf 10 v. H. im Laufe des Zeitraumes von April 2001 bis Januar 2005 gewechselt habe, sei nicht mehr sicher zu treffen. Zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. P. am 24.12.2002 sei aber bereits von einem Endzustand auszugehen.
Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahmen des Unfallchirurgen Dr. Sch. vorgelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass es gegenüber den von Dr. von St. 1998 erhobenen Befunden nicht zu einer nachweisbaren Änderung funktioneller Befunde gekommen sei. Auch habe sich der Kyphosewinkel durch den Unfall vom 13.12.2000 nicht vergrößert. Es könne somit nicht hinreichend belegt werden, dass es durch das Unfallereignis vom 13.12.2000 zu nachweisbaren Unfallfolgen gekommen sei.
Dr. H. hat im Ergebnis eingeräumt, dass eine objektiv messbare Verschlechterung der BWS nicht vorliegt, es aber zu einer Beschwerdezunahme durch den Unfall gekommen sei. Ein ausschließlicher Bezug auf die erhobenen Messwerte bei der Bewegung des Rumpfes führe zu einer ungenügenden Bewertung des Schweregrades der Folgen des Unfalls vom 13.12.2000. Auch sei zu beachten, dass die Kompensationsfähigkeit des Bewegungsapparates beim Kläger in Folge des ersten Unfalles vom 17.07.1991 bereits eingeschränkt gewesen sei. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass die Brustkyphose beim Kläger von Anfang an in einem doch überdurchschnittlichen Bereich liege. Bereits relativ geringfügige Veränderungen der statischen Verhältnisse könnten hier am Rande der Kompensationsfähigkeit zu erheblichen Schmerzen führen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig und teilweise begründet.
Der Kläger hat aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 auch für die Zeit ab 01.11.2002 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v. H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die MdE wegen der Folgen des Unfalls vom 13.12.2000 für die Zeit ab 01.11.2002 auf 10 v. H. einzuschätzen, sodass dem Kläger angesichts der bereits aufgrund des früheren Unfalls zuerkannten Rente nach einer MdE um 30 v. H. eine zusätzliche Rente nach einer MdE um 10 v. H. zusteht.
Aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 besteht beim Kläger eine knöchern ausgeheilte ehemalige BWK 7-Franktur mit geringer bis mäßiger segmental kyphotischer Knickbildung zwischen BWK 6 und BWK 7 ohne angrenzende relevante degenerative Veränderungen, metallfixierte Brustwirbelsäule ohne Schädigung der peripheren Nerven der oberen und unteren Extremitäten. Zu einer nachweisbaren Änderung messbarer Befunde kam es nicht. Zu Recht weist Dr. Sch. darauf hin, dass sich im Vergleich zum Begutachtungszeitpunkt im Juni 1998 (Dr. von St. ) die Beweglichkeit für die Seitneigung und für die Drehbewegung nicht verschlechtert sondern eher verbessert hat. Dies gilt ebenso für die Fähigkeit zur Reklination. Auch die Brustkyphose hat im Verlauf vom 13.12.2000 zum 03.09.2002 nicht zugenommen. So hat am 13.12.2000 ein Kyphosewinkel von 55 Grad und am 03.09.2002 ein Kyphosewinkel von 50 Grad bestanden. Eine gegenüber dem Zustand vor dem Unfall vom 13.12.2000 zusätzliche MdE von 10 v. H. wird allein hierdurch jedoch nicht bedingt (siehe hierzu Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S. 536: die MdE für einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung wird mit unter 10 v. H. angegeben).
Allerdings liegen beim Kläger gegenüber dem Unfall vom 17.07.1991 erhebliche zusätzliche sonstige Folgen, insbesondere Schmerzzustände aufgrund des Unfallereignisses vom 13.12.2000 vor. Der Senat folgt insoweit weitgehend der Bewertung von Dr. H ... Zwar ist dieser Sachverständige durch Dr. Sch. insoweit widerlegt, als er eine Zunahme der Kyphose angenommen hat. Eine solche Zunahme lässt sich in der Tat auf Grund der Röntgenbilder nicht belegen. Dies räumt zwischenzeitlich auch Dr. H. ein.
Dieser Umstand ändert aber an der Überlegung nichts, dass das neuerliche Unfallereignis - so zutreffend Dr. H. - auf eine bereits vorgeschädigte Wirbelsäule mit Kyphose stieß und somit bereits geringfügige Veränderungen, die mit den Röntgenbildern nicht messbar sind, zu einer Zunahme der bisherigen Beschwerden in Form von erheblichen Schmerzen und auch zu der vom Kläger angegebenen Atemnot führen. Immerhin hat auch Dr. P. eine unfallbedingte Knickbildung zwischen BWK 5 und 6 von 17 Grad gemessen.
Soweit Dr. P. ursprünglich auch angeborene Veränderungen als Ursache für die durch die Fehlstatik hervorgerufenen Beschwerden herangezogen hat, hat Dr. H. darauf hingewiesen, dass die vorgefundenen Zeichen einer juvenilen Aufbaustörung (Morbus Scheuermann) nur gering ausgeprägt sind, sodass sie in ihrer Bedeutung für die Verformung der Wirbelsäule deutlich zurücktreten. Hiergegen hat auch Dr. Sch. keine Einwände erhoben.
Soweit Dr. Sch. hinsichtlich der Atemnot zutreffend auf das Fehlen objektiver Befunde hinweist, misst dem der Senat für die MdE-Bewertung keine ausschlaggebende Bedeutung bei. Auch Dr. H. hat die Atemnot nur als geringfügig beschrieben. Gleichwohl ist eine derartige Funktionseinschränkung - wenn auch nicht als besonders schwerwiegend - zu berücksichtigen.
Der Kläger hat über eine erhebliche Zunahme seiner Schmerzen und zusätzlich das Auftreten der Atemnot nach dem Unfall berichtet. Diese Angaben sind angesichts der von Dr. H. diagnostizierten unfallbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule glaubhaft. Auch Dr. P. ging davon aus, dass die neuen Unfallfolgen die vorbestehenden muskulären Verspannungen unterhalten, insoweit also ein ursächlicher Zusammenhang mit den Beschwerden besteht. Angesichts der vorgeschädigten Wirbelsäule, der nachgewiesenen knöchernen Verletzung der Brustwirbelsäule mit erneuter nicht physiologischer Abheilung und den deshalb glaubhaften Angaben des Klägers über eine erhebliche Zunahme seiner Beschwerden, kann Dr. H. darin gefolgt werden, dass die Wertigkeit objektiver Befundveränderungen im vorliegenden Fall nicht zu hoch angesetzt werden darf. Die Bewertung der MdE ist zwar vorrangig, jedoch nicht allein auf Grund der objekiven Funktionseinschränkungen zu beurteilen. Maßgeblich sind auch glaubhafte Angaben über - einer objektiven Beurteilung grundsätzlich entzogene, weil nicht messbare - Schmerzen und vergleichbare Funktionsstörungen. Hinsichtlich der MdE-Bewertung schließt sich der Senat daher der Beurteilung von Dr. H. an, wonach die beim Kläger bestehenden Folgen des Unfalles vom 13.12.2000 mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sind.
Soweit Dr. H. für die Vergangenheit eine MdE von 20 v. H. annimmt, kann ihm jedoch nicht gefolgt werden. Dr. H. hat nicht überzeugend dargelegt, weshalb er ab April 2001 eine MdE von 20 v. H. und später von 10 v. H. annimmt. Insoweit beruft sich Dr. H. ausschließlich auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... Die dortige MdE-Bewertung (20 v. H. bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Unfallereignis) ist jedoch nicht nachvollziehbar und wurde von Prof. Dr. S. auch nicht begründet. Veränderungen in der Beschwerdesymptomatik, die eine derartige unterschiedliche MdE-Beurteilung rechtfertigen würden, liegen nicht vor.
Der Senat sieht sich damit in einer weitgehenden Übereinstimmung auch mit der Bewertung von Dr. P. , der die MdE ebenfalls auf - wenn auch "maximal" - 10 v. H. einschätzte. Er sah eine Stützrente lediglich deshalb als fraglich an, weil sich die Beschwerden aus beiden Unfällen überschneiden würden und auch die angeborenen Wirbelsäulenveränderungen Anteil hätten. Letzteres ist durch die dargestellte Bewertung von Dr. H. deutlich relativiert und für die MdE-Bewertung von untergeordneter Bedeutung, zumal Dr. H. darauf hinweist, dass das Vorerkrankungsverzeichnis vor dem ersten Unfall keine Wirbelsäulenbeschwerden ausweist, die angeborenen Wirbelsäulenveränderungen also keine nachweisbaren Beschwerden verursachten.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Berufung des Klägers teilweise, nämlich hinsichtlich einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v. H. stattzugeben. Im Übrigen (Rente nach einer MdE um 20 v. H.) ist die Berufung des Klägers unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000.
Der am 1953 geborene Kläger bezieht von der Beklagten aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17.07.1991 ab 03.02.1992 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. (Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.12.1998 - S 11 U 2023/97). Folgen des Unfalls vom 17.07.1991 sind unter anderem eine in keilförmiger Fehlstellung von 15 Grad verheilte BWK-6-Fraktur mit belastungsabhängigen Schmerzen und Ausstrahlung in die paravertebrale Muskulatur sowie Verspannungen der Muskulatur im cerviko-thorakalen Übergang durch die Fehlstatik der auch posttraumatisch verstärkten Kyphose sowie eine leichte Deckplattenimpression des 5. BWK ohne wesentliche Fehlstellung, die ebenfalls Anteil an der Muskelverspannung des cerviko-thorakalen Übergangs hat (Gutachten Dr. von St. vom 09.06.1998, Teil-MdE hierfür 15 v.H.).
Am 13.12.2000 stürzte der als Fachmonteur bei der Firma Z. GmbH in Bad S. tätige Kläger von einem Gerüst drei Meter in die Tiefe und zog sich eine Grundplattenimpressionsfraktur von BWK 7 mit Knochenmarködem bzw. Frakturhämatom im Wirbelkörper zu. Arbeitsunfähigkeit bestand bis 15.05.2001.
Für die Beklagte erstattete Prof. Dr. S. , Ärztlicher Direktor der Abteilung Unfallchirurgie an der Universitätsklinik F. ein Gutachten, in dem er die MdE vom 16.05.2001 bis zum Ablauf des dritten Jahres nach dem Unfall auf 20 v. H., danach voraussichtlich auf 10 v. H. einschätzte. Die Beklagte veranlasste weiter eine Begutachtung des Klägers durch Dr. P. , Ärztlicher Leiter der S. -Orthopädie in Bad K. , der im Gutachten vom 09.01.2003 eine posttraumatische, geringe bis mäßige keilförmige Deformierung des 7. Brustwirbelkörpers (17 Grad) als wesentliche Unfallfolge bezeichnete. Diese neu hinzugekommene Unfallfolge unterhalte die bereits vor dem Unfallereignis vom 13.12.2000 vorbestehenden schmerzhaften muskulären Verspannungen der Brustwirbelsäule (Folgen des Unfalls vom 17.07.1991). Die MdE schätze er seit dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit auf maximal 10 v. H. ein. Die Gewährung eines Stützrententatbestandes scheine allerdings sehr fraglich, da sich die Beschwerden wegen der Folgen aus beiden Arbeitsunfällen in Höhe der Brustwirbelsäule überschnitten. Zudem hätten die unfallunabhängigen krankhaften Störungen der Brustwirbelsäule (skoliotische Fehlhaltung, Morbus-Scheuermann) einen maßgeblich mitwirkenden Anteil an dem heutigen Beschwerdebild.
Mit Bescheid vom 27.03.2003 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 13.12.2000 als Arbeitsunfall und bewilligte eine Rente vom 16.05.2001 bis zum 31.10.2002 nach einer MdE von 10 v. H. Über diesen Zeitraum hinaus lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil keine rentenberechtigende MdE (MdE unter 10 v. H.) mehr vorliege. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Unter leichter Höhenminderung knöchern fest verheilter Bruch des 7. Brustwirbelkörpers mit schmerzhaften Belastungsbeschwerden." Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: "Bruch des 5. Brustwirbelkörpers (Unfall vom 17.07.1991), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule." Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 15.12.2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben und vorgebracht, bei ihm liege aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 ab Eintritt der Arbeitsfähigkeit eine MdE von 20 v. H. vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen über den ihm zuerkannten Rentenanspruch hinausgehenden Anspruch auf Entschädigung des Ereignisses vom 13.12.2000. Dies stehe insbesondere aufgrund des von der Beklagten eingeholten Gutachtens des Dr. P. fest.
Dagegen hat der Kläger am 05.05.2004 Berufung eingelegt. Er hält die Ausführungen von Prof. Dr. S. für zutreffend.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. April 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31.10.2002 hinaus eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat ein Gutachten bei Dr. H. , Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin - Orthopädie, eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, durch den Unfall vom 13.12.2000 sei es zu einer erneuten Traumatisierung der Brustwirbelsäule im Bereich BWK 7 und einer Zunahme der Kyphose gekommen. Durch die zuvor bereits verringerte Kompensationsfähigkeit sei es zu einer glaubhaften und wesentlichen Beschwerdeverstärkung in der unteren und mittleren Brustwirbelsäule sowie im rechten Nacken mit Ausstrahlung bis in den seitlichen Kopf und zu einer geringfügigen Behinderung der Atemexkursion gekommen. Die Zeichen der juvenilen Aufbaustörung der Wirbelsäule (Morbus Scheuermann) seien nur recht gering ausgeprägt, sodass sie in ihrer Bedeutung für die Verformung der Wirbelsäule hinter den Unfallereignissen deutlich zurückträten und keinesfalls gleichrangig seien. Soweit dies rückblickend noch möglich sei, schätze er die MdE aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 ab April 2001 auf 20 v. H. Zum Zeitpunkt der Begutachtung am 11.01.2005 habe eine unfallbedingte MdE von 10 v. H. bestanden. Eine rückwirkende Festlegung, wann die MdE von 20 auf 10 v. H. im Laufe des Zeitraumes von April 2001 bis Januar 2005 gewechselt habe, sei nicht mehr sicher zu treffen. Zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. P. am 24.12.2002 sei aber bereits von einem Endzustand auszugehen.
Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahmen des Unfallchirurgen Dr. Sch. vorgelegt. Er hat darauf hingewiesen, dass es gegenüber den von Dr. von St. 1998 erhobenen Befunden nicht zu einer nachweisbaren Änderung funktioneller Befunde gekommen sei. Auch habe sich der Kyphosewinkel durch den Unfall vom 13.12.2000 nicht vergrößert. Es könne somit nicht hinreichend belegt werden, dass es durch das Unfallereignis vom 13.12.2000 zu nachweisbaren Unfallfolgen gekommen sei.
Dr. H. hat im Ergebnis eingeräumt, dass eine objektiv messbare Verschlechterung der BWS nicht vorliegt, es aber zu einer Beschwerdezunahme durch den Unfall gekommen sei. Ein ausschließlicher Bezug auf die erhobenen Messwerte bei der Bewegung des Rumpfes führe zu einer ungenügenden Bewertung des Schweregrades der Folgen des Unfalls vom 13.12.2000. Auch sei zu beachten, dass die Kompensationsfähigkeit des Bewegungsapparates beim Kläger in Folge des ersten Unfalles vom 17.07.1991 bereits eingeschränkt gewesen sei. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass die Brustkyphose beim Kläger von Anfang an in einem doch überdurchschnittlichen Bereich liege. Bereits relativ geringfügige Veränderungen der statischen Verhältnisse könnten hier am Rande der Kompensationsfähigkeit zu erheblichen Schmerzen führen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig und teilweise begründet.
Der Kläger hat aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 auch für die Zeit ab 01.11.2002 Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v. H.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die MdE wegen der Folgen des Unfalls vom 13.12.2000 für die Zeit ab 01.11.2002 auf 10 v. H. einzuschätzen, sodass dem Kläger angesichts der bereits aufgrund des früheren Unfalls zuerkannten Rente nach einer MdE um 30 v. H. eine zusätzliche Rente nach einer MdE um 10 v. H. zusteht.
Aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13.12.2000 besteht beim Kläger eine knöchern ausgeheilte ehemalige BWK 7-Franktur mit geringer bis mäßiger segmental kyphotischer Knickbildung zwischen BWK 6 und BWK 7 ohne angrenzende relevante degenerative Veränderungen, metallfixierte Brustwirbelsäule ohne Schädigung der peripheren Nerven der oberen und unteren Extremitäten. Zu einer nachweisbaren Änderung messbarer Befunde kam es nicht. Zu Recht weist Dr. Sch. darauf hin, dass sich im Vergleich zum Begutachtungszeitpunkt im Juni 1998 (Dr. von St. ) die Beweglichkeit für die Seitneigung und für die Drehbewegung nicht verschlechtert sondern eher verbessert hat. Dies gilt ebenso für die Fähigkeit zur Reklination. Auch die Brustkyphose hat im Verlauf vom 13.12.2000 zum 03.09.2002 nicht zugenommen. So hat am 13.12.2000 ein Kyphosewinkel von 55 Grad und am 03.09.2002 ein Kyphosewinkel von 50 Grad bestanden. Eine gegenüber dem Zustand vor dem Unfall vom 13.12.2000 zusätzliche MdE von 10 v. H. wird allein hierdurch jedoch nicht bedingt (siehe hierzu Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S. 536: die MdE für einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung wird mit unter 10 v. H. angegeben).
Allerdings liegen beim Kläger gegenüber dem Unfall vom 17.07.1991 erhebliche zusätzliche sonstige Folgen, insbesondere Schmerzzustände aufgrund des Unfallereignisses vom 13.12.2000 vor. Der Senat folgt insoweit weitgehend der Bewertung von Dr. H ... Zwar ist dieser Sachverständige durch Dr. Sch. insoweit widerlegt, als er eine Zunahme der Kyphose angenommen hat. Eine solche Zunahme lässt sich in der Tat auf Grund der Röntgenbilder nicht belegen. Dies räumt zwischenzeitlich auch Dr. H. ein.
Dieser Umstand ändert aber an der Überlegung nichts, dass das neuerliche Unfallereignis - so zutreffend Dr. H. - auf eine bereits vorgeschädigte Wirbelsäule mit Kyphose stieß und somit bereits geringfügige Veränderungen, die mit den Röntgenbildern nicht messbar sind, zu einer Zunahme der bisherigen Beschwerden in Form von erheblichen Schmerzen und auch zu der vom Kläger angegebenen Atemnot führen. Immerhin hat auch Dr. P. eine unfallbedingte Knickbildung zwischen BWK 5 und 6 von 17 Grad gemessen.
Soweit Dr. P. ursprünglich auch angeborene Veränderungen als Ursache für die durch die Fehlstatik hervorgerufenen Beschwerden herangezogen hat, hat Dr. H. darauf hingewiesen, dass die vorgefundenen Zeichen einer juvenilen Aufbaustörung (Morbus Scheuermann) nur gering ausgeprägt sind, sodass sie in ihrer Bedeutung für die Verformung der Wirbelsäule deutlich zurücktreten. Hiergegen hat auch Dr. Sch. keine Einwände erhoben.
Soweit Dr. Sch. hinsichtlich der Atemnot zutreffend auf das Fehlen objektiver Befunde hinweist, misst dem der Senat für die MdE-Bewertung keine ausschlaggebende Bedeutung bei. Auch Dr. H. hat die Atemnot nur als geringfügig beschrieben. Gleichwohl ist eine derartige Funktionseinschränkung - wenn auch nicht als besonders schwerwiegend - zu berücksichtigen.
Der Kläger hat über eine erhebliche Zunahme seiner Schmerzen und zusätzlich das Auftreten der Atemnot nach dem Unfall berichtet. Diese Angaben sind angesichts der von Dr. H. diagnostizierten unfallbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule glaubhaft. Auch Dr. P. ging davon aus, dass die neuen Unfallfolgen die vorbestehenden muskulären Verspannungen unterhalten, insoweit also ein ursächlicher Zusammenhang mit den Beschwerden besteht. Angesichts der vorgeschädigten Wirbelsäule, der nachgewiesenen knöchernen Verletzung der Brustwirbelsäule mit erneuter nicht physiologischer Abheilung und den deshalb glaubhaften Angaben des Klägers über eine erhebliche Zunahme seiner Beschwerden, kann Dr. H. darin gefolgt werden, dass die Wertigkeit objektiver Befundveränderungen im vorliegenden Fall nicht zu hoch angesetzt werden darf. Die Bewertung der MdE ist zwar vorrangig, jedoch nicht allein auf Grund der objekiven Funktionseinschränkungen zu beurteilen. Maßgeblich sind auch glaubhafte Angaben über - einer objektiven Beurteilung grundsätzlich entzogene, weil nicht messbare - Schmerzen und vergleichbare Funktionsstörungen. Hinsichtlich der MdE-Bewertung schließt sich der Senat daher der Beurteilung von Dr. H. an, wonach die beim Kläger bestehenden Folgen des Unfalles vom 13.12.2000 mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten sind.
Soweit Dr. H. für die Vergangenheit eine MdE von 20 v. H. annimmt, kann ihm jedoch nicht gefolgt werden. Dr. H. hat nicht überzeugend dargelegt, weshalb er ab April 2001 eine MdE von 20 v. H. und später von 10 v. H. annimmt. Insoweit beruft sich Dr. H. ausschließlich auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... Die dortige MdE-Bewertung (20 v. H. bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Unfallereignis) ist jedoch nicht nachvollziehbar und wurde von Prof. Dr. S. auch nicht begründet. Veränderungen in der Beschwerdesymptomatik, die eine derartige unterschiedliche MdE-Beurteilung rechtfertigen würden, liegen nicht vor.
Der Senat sieht sich damit in einer weitgehenden Übereinstimmung auch mit der Bewertung von Dr. P. , der die MdE ebenfalls auf - wenn auch "maximal" - 10 v. H. einschätzte. Er sah eine Stützrente lediglich deshalb als fraglich an, weil sich die Beschwerden aus beiden Unfällen überschneiden würden und auch die angeborenen Wirbelsäulenveränderungen Anteil hätten. Letzteres ist durch die dargestellte Bewertung von Dr. H. deutlich relativiert und für die MdE-Bewertung von untergeordneter Bedeutung, zumal Dr. H. darauf hinweist, dass das Vorerkrankungsverzeichnis vor dem ersten Unfall keine Wirbelsäulenbeschwerden ausweist, die angeborenen Wirbelsäulenveränderungen also keine nachweisbaren Beschwerden verursachten.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Berufung des Klägers teilweise, nämlich hinsichtlich einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 v. H. stattzugeben. Im Übrigen (Rente nach einer MdE um 20 v. H.) ist die Berufung des Klägers unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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