Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2482/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5832/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen Folgen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Atemwegserkrankung.
Die am 1958 geborene Klägerin war im Anschluss an ihre Ausbildung (1973 bis 1976) - mit einer Unterbrechung wegen Kindererziehung (1979 bis 1985) - bis 30. Dezember 2000 als Friseurin beschäftigt. Danach war sie arbeitslos.
Der erste Antrag der Klägerin auf Anerkennung einer BK blieb nach medizinischen Ermittlungen (u.a. Gutachten Dr. T. vom 24. Mai 1994 und Anhörung des Dr. V. als sachverständiger Zeuge (die Klägerin habe ihn wegen Beschwerden infolge starken Tabakkonsums aufgesucht)) u. a. mangels Aufgabe des Friseurberufes erfolglos (Bescheid vom 23.August 1994, Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1995 und Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 13. März 1996, Az. S 1 U 791/95). Nach Einholung von Gutachten des Dr. St. vom 17. Dezember 1997 und des Dr. K. vom 18. Mai 2001 sowie Aufgabe der Berufstätigkeit hob die Beklagte durch Bescheid vom 21. Juni 2001 den Bescheid vom 23.August 1994 mit Wirkung für die Vergangenheit insoweit auf, als darin die Anerkennung einer BK abgelehnt worden war, und anerkannte (Versicherungsfall 30. Dezember 2000 - Tag der Aufgabe der Friseurtätigkeit) eine Atemwegserkrankung als BK nach "Nr. 4301 bzw. 4302" der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und als BK-Folge "ein mittelgradig hyperreagibles Bronchialsystem". Nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünden Sensibilisierungen gegenüber saisonalen und perennialen Allergenen.
Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Dr. St. vom 12. Oktober 2001, der - anders als Dr. K. - die frühere berufliche Tätigkeit nicht als alleinige Ursache der Atemwegserkrankung sah, sondern diese auch auf einen erheblichen Nikotinabusus und rezidivierende Sinusitiden zurückführte und die durch die insgesamt vorhandene mäßiggradige Atemwegsobstruktion bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit nur 10 v.H. bewertete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 und Widerspruchsbescheid vom 25. April 2002 die Gewährung von Verletztenrente ab.
Deswegen hat die Klägerin am 27. Mai 2002 Klage beim SG erhoben, das ein Sachverständigengutachten des Dr. M. vom 22. Oktober 2001 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 3. Februar 2003 und auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Sachverständigengutachten des Dr. von H. eingeholt hat. Dr. M. , dem gegenüber die Klägerin unter anderem angegeben hat, sie habe von 1976 bis 1990 40 Zigaretten am Tag, von 1990 bis 2000 20 Zigaretten am Tag und ab 2001 fünf Zigaretten am Tag geraucht, hat eine leicht- bis mittelgradige bronchiale Hyperreagibilität diagnostiziert und den Nikotinkonsum als wesentliche Teilursache der Atemwegserkrankung gesehen. Unter Berücksichtigung aller Befundangaben sei die Klägerin seit 1991 relativ beschwerdefrei gewesen. Bronchitische Beschwerden in diesem Zeitraum seien mit dem Nikotinkonsum zu erklären. Auch habe die Klägerin ihm gegenüber deutlichere Beschwerden geschildert, gleichwohl aber angegeben, der Zustand habe sich seit 2000 nicht verändert. Aus allen Gutachten ergäben sich weitgehend normale Lungenfunktionen. Auch ohne Berücksichtigung des Nikotinabusus ist er mit - nach Einwänden der Klägerin - näherer Begründung und Hinweise auf Literatur zum Ergebnis gelangt, die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten. Dr. von H. hat sich dem angeschlossen.
Mit Urteil vom 18. November 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.
Gegen das am 7. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin im selben Monat Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe zu Unrecht den Nikotinkonsum und eine Veranlagung zur Allergie als wesentliche Mitursache der Atemwegserkrankung gesehen. Soweit Dr. von H. und Dr. M. auf ihr Rauchverhalten abstellten, gehe dies fehl, da sie keinerlei Differenzierungen vornähmen, welchen Ursachenanteil beispielsweise das Passivrauchen am Arbeitsplatz darstelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. November 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2002 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Atemwegserkrankung sei zwar als BK anerkannt. Bei der Bewertung der MdE seien ausschließlich die anerkannten Folgen der BK maßgebend. Es liege allenfalls eine mäßiggradige bronchiale Hyperreagibilität vor, die keinesfalls eine MdE in rentenberechtigendem Grade rechtfertige.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Nachdem die Atemwegserkrankung der Klägerin als BK nach Nr. 4301 "bzw." 4302 der Anlage zur BKV und als Folge der Erkrankung "ein mittelgradig hyperreagibles Bronchialsystem" bindend anerkannt sind (Bescheid vom 21. Juni 2001), hat der Senat lediglich noch über die Frage zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin einen Anspruch auf Verletztenrente ab dem ebenfalls bescheidmäßig bindend festgestellten Eintritt des Versicherungsfalls, dem 30. Dezember 2000, hat. Ein solcher Anspruch besteht nicht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), nämlich den aufgrund der Folgen der BK verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente, denn die durch die anerkannte BK bedingte MdE beträgt höchstens 10 v.H. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schlüssig und nachvollziehbar aus den Gutachten von Dr. St. , Dr. M. und Dr. von H. , die insofern übereinstimmend die MdE mit allenfalls 10 v.H. bewertet haben. Es handelt sich bei der hier zu entschädigenden Erkrankung der Klägerin um eine (so die anerkannte BK-Folge) mittelgradige bronchiale Hyperreagibilität. Dr. M. hat ausführlich unter Hinweis auf einschlägige Literatur dargelegt, dass die in den Akten enthaltenden Befunde eine höhere MdE als 10 v.H. nicht rechtfertigen. Von Seiten der Atemwege war die Klägerin ab 1991 unter Berücksichtigung aller Befunde relativ beschwerdefrei. Die bronchitischen Beschwerden, die nicht als Folge der BK anerkannt sind, sind im Wesentlichen mit dem Nikotinabusus der Klägerin zu erklären. Im Übrigen ist in allen Gutachten ein weitgehend normaler Lungenbefund beschrieben und haben sich die Beschwerden den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. M. zufolge einerseits nicht verschlimmert, wurden bei dieser Untersuchung aber wesentlich deutlicher geschildert. Einen entsprechenden Eindruck vermittelte die Klägerin auch bei der Untersuchung für die Begutachtung des Dr. von H ... Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin aufgrund ihres Nikotinabusus mit bis zu 40 Zigaretten täglich bis zum Jahr 1990 und in den Folgejahren 20 Zigaretten täglich unter nicht der BK zuzuordnenden Beschwerden litt, die sie veranlassten, schon in den Jahren 1991 bis 1993 Dr. V. aufzusuchen und andererseits keine wesentlichen Beschwerden von Seiten der mittelgradigen bronchialen Hyperreagibilität, die Folge der BK ist, beschreiben sind, ergibt sich keine durch die BK bedingte MdE von mehr als 10 v.H. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Bewertung von Dr. St. , Dr. M. und Dr. von H. in Zweifel zu ziehen.
Soweit Dr. T. in seinem Gutachten vom 24. Mai 1994 die MdE auf 20 v. H. geschätzt hat, fehlt es zum einen an einer schlüssigen und auf die Literatur zur gesetzlichen Unfallversicherung abstellenden Begründung und ist er - aufgrund der insoweit unzutreffenden Angaben der Klägerin - davon ausgegangen, dass sie nur "Gelegenheitsraucherin" war, obgleich tatsächlich ein erheblicher Nikotinabusus vorlag. Zum anderen handelt es sich um eine Schätzung der MdE von mehr als sechseinhalb Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles. Vorliegend ist indes über die MdE ab 31. Dezember 2000 zu entscheiden, weswegen dem Gutachten von Dr. T. schon deshalb keine wesentliche Aussagekraft zukommt.
Im Übrigen vermag der Senat auch der Einschätzung des Dr. K. , der gleichfalls von einer MdE um 20 v.H. ausgeht, nicht zu folgen, der für diese Bewertung keinerlei überzeugende Begründung gegen hat, und der durch die gutachterlichen Äußerungen von Dr. St. , Dr. M. sowie Dr. von H. widerlegt ist.
Soweit die Klägerin gegen die Gutachten von Dr. von H. und Dr. M. einwendet, diese hätten keine Differenzierung danach vorgenommen, welchen Ursachenanteil beispielsweise das Passivrauchen am Arbeitsplatz und das Rauchen im privaten Bereich darstelle, greift dies schon deshalb nicht durch, weil die Gutachter ausdrücklich auch ohne Berücksichtigung des Nikotinabusus die MdE auf 10 v.H. geschätzt haben. Soweit die Klägerin meint, es sei insofern noch zwischen "zulässigem Rauchen" während der versicherten Tätigkeit und einem "unzulässigen Rauchen" zu differenzieren, stellt dies kein Argument gegen die den Senat überzeugenden gutachterlichen Einschätzung dar. Es ist weder substantiiert dargetan, noch ersichtlich, dass Friseurinnen im allgemeinen bei der Arbeit Passivrauch ausgesetzt sind und dies insbesondere auch am Arbeitsplatz der Klägerin der Fall war. Bezüglich des Einwandes, die Sachverständigengutachten von Dr. von H. und Dr. M. stellten keine Relation zwischen der Medikamenteneinnahme und dem Nikotinkonsum her, ist bereits zweifelhaft, inwiefern der Medikamentenkonsum angesichts des Ausmaßes der objektiv dokumentierten Befunde und Funktionseinschränkungen überhaupt angezeigt war. Jedenfalls ergeben sich hieraus keine begründeten Zweifel gegen die Bewertung der Sachverständigen.
Da somit feststeht, dass die durch die anerkannte BK bedingte MdE nicht mehr als 10 v.H. beträgt und auch kein Stützrententatbestand vorliegt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Die Berufung gegen das angefochtene Urteil ist deswegen zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtlich Kosten sind auch im Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen Folgen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Atemwegserkrankung.
Die am 1958 geborene Klägerin war im Anschluss an ihre Ausbildung (1973 bis 1976) - mit einer Unterbrechung wegen Kindererziehung (1979 bis 1985) - bis 30. Dezember 2000 als Friseurin beschäftigt. Danach war sie arbeitslos.
Der erste Antrag der Klägerin auf Anerkennung einer BK blieb nach medizinischen Ermittlungen (u.a. Gutachten Dr. T. vom 24. Mai 1994 und Anhörung des Dr. V. als sachverständiger Zeuge (die Klägerin habe ihn wegen Beschwerden infolge starken Tabakkonsums aufgesucht)) u. a. mangels Aufgabe des Friseurberufes erfolglos (Bescheid vom 23.August 1994, Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1995 und Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 13. März 1996, Az. S 1 U 791/95). Nach Einholung von Gutachten des Dr. St. vom 17. Dezember 1997 und des Dr. K. vom 18. Mai 2001 sowie Aufgabe der Berufstätigkeit hob die Beklagte durch Bescheid vom 21. Juni 2001 den Bescheid vom 23.August 1994 mit Wirkung für die Vergangenheit insoweit auf, als darin die Anerkennung einer BK abgelehnt worden war, und anerkannte (Versicherungsfall 30. Dezember 2000 - Tag der Aufgabe der Friseurtätigkeit) eine Atemwegserkrankung als BK nach "Nr. 4301 bzw. 4302" der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und als BK-Folge "ein mittelgradig hyperreagibles Bronchialsystem". Nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünden Sensibilisierungen gegenüber saisonalen und perennialen Allergenen.
Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Dr. St. vom 12. Oktober 2001, der - anders als Dr. K. - die frühere berufliche Tätigkeit nicht als alleinige Ursache der Atemwegserkrankung sah, sondern diese auch auf einen erheblichen Nikotinabusus und rezidivierende Sinusitiden zurückführte und die durch die insgesamt vorhandene mäßiggradige Atemwegsobstruktion bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit nur 10 v.H. bewertete, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 und Widerspruchsbescheid vom 25. April 2002 die Gewährung von Verletztenrente ab.
Deswegen hat die Klägerin am 27. Mai 2002 Klage beim SG erhoben, das ein Sachverständigengutachten des Dr. M. vom 22. Oktober 2001 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 3. Februar 2003 und auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Sachverständigengutachten des Dr. von H. eingeholt hat. Dr. M. , dem gegenüber die Klägerin unter anderem angegeben hat, sie habe von 1976 bis 1990 40 Zigaretten am Tag, von 1990 bis 2000 20 Zigaretten am Tag und ab 2001 fünf Zigaretten am Tag geraucht, hat eine leicht- bis mittelgradige bronchiale Hyperreagibilität diagnostiziert und den Nikotinkonsum als wesentliche Teilursache der Atemwegserkrankung gesehen. Unter Berücksichtigung aller Befundangaben sei die Klägerin seit 1991 relativ beschwerdefrei gewesen. Bronchitische Beschwerden in diesem Zeitraum seien mit dem Nikotinkonsum zu erklären. Auch habe die Klägerin ihm gegenüber deutlichere Beschwerden geschildert, gleichwohl aber angegeben, der Zustand habe sich seit 2000 nicht verändert. Aus allen Gutachten ergäben sich weitgehend normale Lungenfunktionen. Auch ohne Berücksichtigung des Nikotinabusus ist er mit - nach Einwänden der Klägerin - näherer Begründung und Hinweise auf Literatur zum Ergebnis gelangt, die MdE sei mit 10 v.H. zu bewerten. Dr. von H. hat sich dem angeschlossen.
Mit Urteil vom 18. November 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.
Gegen das am 7. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin im selben Monat Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe zu Unrecht den Nikotinkonsum und eine Veranlagung zur Allergie als wesentliche Mitursache der Atemwegserkrankung gesehen. Soweit Dr. von H. und Dr. M. auf ihr Rauchverhalten abstellten, gehe dies fehl, da sie keinerlei Differenzierungen vornähmen, welchen Ursachenanteil beispielsweise das Passivrauchen am Arbeitsplatz darstelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. November 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2002 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Atemwegserkrankung sei zwar als BK anerkannt. Bei der Bewertung der MdE seien ausschließlich die anerkannten Folgen der BK maßgebend. Es liege allenfalls eine mäßiggradige bronchiale Hyperreagibilität vor, die keinesfalls eine MdE in rentenberechtigendem Grade rechtfertige.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Nachdem die Atemwegserkrankung der Klägerin als BK nach Nr. 4301 "bzw." 4302 der Anlage zur BKV und als Folge der Erkrankung "ein mittelgradig hyperreagibles Bronchialsystem" bindend anerkannt sind (Bescheid vom 21. Juni 2001), hat der Senat lediglich noch über die Frage zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin einen Anspruch auf Verletztenrente ab dem ebenfalls bescheidmäßig bindend festgestellten Eintritt des Versicherungsfalls, dem 30. Dezember 2000, hat. Ein solcher Anspruch besteht nicht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), nämlich den aufgrund der Folgen der BK verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente, denn die durch die anerkannte BK bedingte MdE beträgt höchstens 10 v.H. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schlüssig und nachvollziehbar aus den Gutachten von Dr. St. , Dr. M. und Dr. von H. , die insofern übereinstimmend die MdE mit allenfalls 10 v.H. bewertet haben. Es handelt sich bei der hier zu entschädigenden Erkrankung der Klägerin um eine (so die anerkannte BK-Folge) mittelgradige bronchiale Hyperreagibilität. Dr. M. hat ausführlich unter Hinweis auf einschlägige Literatur dargelegt, dass die in den Akten enthaltenden Befunde eine höhere MdE als 10 v.H. nicht rechtfertigen. Von Seiten der Atemwege war die Klägerin ab 1991 unter Berücksichtigung aller Befunde relativ beschwerdefrei. Die bronchitischen Beschwerden, die nicht als Folge der BK anerkannt sind, sind im Wesentlichen mit dem Nikotinabusus der Klägerin zu erklären. Im Übrigen ist in allen Gutachten ein weitgehend normaler Lungenbefund beschrieben und haben sich die Beschwerden den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. M. zufolge einerseits nicht verschlimmert, wurden bei dieser Untersuchung aber wesentlich deutlicher geschildert. Einen entsprechenden Eindruck vermittelte die Klägerin auch bei der Untersuchung für die Begutachtung des Dr. von H ... Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin aufgrund ihres Nikotinabusus mit bis zu 40 Zigaretten täglich bis zum Jahr 1990 und in den Folgejahren 20 Zigaretten täglich unter nicht der BK zuzuordnenden Beschwerden litt, die sie veranlassten, schon in den Jahren 1991 bis 1993 Dr. V. aufzusuchen und andererseits keine wesentlichen Beschwerden von Seiten der mittelgradigen bronchialen Hyperreagibilität, die Folge der BK ist, beschreiben sind, ergibt sich keine durch die BK bedingte MdE von mehr als 10 v.H. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Bewertung von Dr. St. , Dr. M. und Dr. von H. in Zweifel zu ziehen.
Soweit Dr. T. in seinem Gutachten vom 24. Mai 1994 die MdE auf 20 v. H. geschätzt hat, fehlt es zum einen an einer schlüssigen und auf die Literatur zur gesetzlichen Unfallversicherung abstellenden Begründung und ist er - aufgrund der insoweit unzutreffenden Angaben der Klägerin - davon ausgegangen, dass sie nur "Gelegenheitsraucherin" war, obgleich tatsächlich ein erheblicher Nikotinabusus vorlag. Zum anderen handelt es sich um eine Schätzung der MdE von mehr als sechseinhalb Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles. Vorliegend ist indes über die MdE ab 31. Dezember 2000 zu entscheiden, weswegen dem Gutachten von Dr. T. schon deshalb keine wesentliche Aussagekraft zukommt.
Im Übrigen vermag der Senat auch der Einschätzung des Dr. K. , der gleichfalls von einer MdE um 20 v.H. ausgeht, nicht zu folgen, der für diese Bewertung keinerlei überzeugende Begründung gegen hat, und der durch die gutachterlichen Äußerungen von Dr. St. , Dr. M. sowie Dr. von H. widerlegt ist.
Soweit die Klägerin gegen die Gutachten von Dr. von H. und Dr. M. einwendet, diese hätten keine Differenzierung danach vorgenommen, welchen Ursachenanteil beispielsweise das Passivrauchen am Arbeitsplatz und das Rauchen im privaten Bereich darstelle, greift dies schon deshalb nicht durch, weil die Gutachter ausdrücklich auch ohne Berücksichtigung des Nikotinabusus die MdE auf 10 v.H. geschätzt haben. Soweit die Klägerin meint, es sei insofern noch zwischen "zulässigem Rauchen" während der versicherten Tätigkeit und einem "unzulässigen Rauchen" zu differenzieren, stellt dies kein Argument gegen die den Senat überzeugenden gutachterlichen Einschätzung dar. Es ist weder substantiiert dargetan, noch ersichtlich, dass Friseurinnen im allgemeinen bei der Arbeit Passivrauch ausgesetzt sind und dies insbesondere auch am Arbeitsplatz der Klägerin der Fall war. Bezüglich des Einwandes, die Sachverständigengutachten von Dr. von H. und Dr. M. stellten keine Relation zwischen der Medikamenteneinnahme und dem Nikotinkonsum her, ist bereits zweifelhaft, inwiefern der Medikamentenkonsum angesichts des Ausmaßes der objektiv dokumentierten Befunde und Funktionseinschränkungen überhaupt angezeigt war. Jedenfalls ergeben sich hieraus keine begründeten Zweifel gegen die Bewertung der Sachverständigen.
Da somit feststeht, dass die durch die anerkannte BK bedingte MdE nicht mehr als 10 v.H. beträgt und auch kein Stützrententatbestand vorliegt, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Die Berufung gegen das angefochtene Urteil ist deswegen zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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