Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 4556/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 284/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. November 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Anerkennung als schwer behinderter Mensch.
Der am 1955 geborene Kläger stellte erstmals im April 1982 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen. Er machte das Vorliegen einer Polyarthritis geltend. Das Versorgungsamt Karlsruhe stellte den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 fest (Bescheid vom 06.08.1982). Auf einen Neufeststellungsantrag vom Juli 1997 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 06.11.1997 den GdB für die Behinderungen "Polyarthrose der Finger, traumatischer Sprunggelenksschaden rechts, Halswirbelsäulensyndrom nach Schleudertrauma, Sehminderung" mit 40 fest. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe des Klägers blieben erfolglos. Das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 SB 2130/00) endete mit dem Vergleich vom 15.03.2001. Darin verpflichtete sich der Beklagte, einen Schriftsatz des Klägers vom 21.06.2000 als Neufeststellungsantrag zu werten und daraufhin den gesamten Gesundheitszustand des Klägers neu zu prüfen und einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.
In Ausführung dieses Vergleichs holte das Versorgungsamt Karlsruhe beim Orthopäden Dr. W. den Befundbericht vom 07.05.2001 ein. Dr. W. teilte darin als Diagnosen eine "Monoarthritis linkes Sprunggelenk" sowie ein "chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom bei Spndylochondrose" mit und verwies auf den beigefügten Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. W. vom 27.04.2001. Darin wird über eine ambulante Untersuchung des Klägers am 27.08.1999 berichtet und ferner ausgeführt, der Kläger sei bis zum 27.08.1999 in ihrer stationären Behandlung gewesen. Zwischenzeitlich seien immer wieder Schmerzen und Schwellungen im Bereich des linken Sprunggelenks aufgetreten, vor allem nach Belastung. Desgleichen bestehe eine Morgensteifigkeit der Gelenke und Schmerzen im Bereich der Zehengrundgelenke. Die Seitneigefähigkeit im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) sei deutlich eingeschränkt. Mit Bescheid vom 11.07.2001 lehnte das Versorgungsamt Karlsruhe eine Neufeststellung des GdB ab. Beim Kläger lägen zwar folgende Funktionseinschränkungen vor: Polyarthrose der Finger, traumatischer Sprunggelenksschadens rechts, Halswirbelsäulen-Syndrom nach Schleudertrauma, Sehminderung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Daraus ergebe sich aber kein höherer GdB.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 27.07.2001 Widerspruch ein. Er verwies auf eine am 12.06.2001 durchgeführte Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine am 29.06.2001 durchgeführte Kernspintomographie der Iliosacralgelenke (Darm- und Kreuzbeingelenke). Die Untersuchung der LWS ergab, dass die Bandscheibe L4/5 deutlich höhengemindert ist. Die übrigen Bandscheiben der Lendenwirbelkörper und des thorakolumbalen Übergangs waren unauffällig. Es fand sich kein Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression. Bei der Untersuchung der Darm- und Kreuzbeingelenke fanden sich keine Hinweise auf eine floride ISG-Arthritis. Eine Ankylose (Gelenksteife) war ebenso wenig nachzuweisen wie knöcherne Auffälligkeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2001 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 20.12.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört, die Akte der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg beigezogen und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein internistisch-rheumatologisches Gutachten bei Dr. D., K., einholt. In seinem Gutachten vom 22.09.2003 hat der Sachverständige folgende Erkrankungen diagnostiziert: HLA-B27-positive Spondarthropathie mit peripherer Gelenkbeteiligung, Cervicobrachial-Syndrom, fehlhaltungsbedingt, mit degenerativen Veränderungen und Kettentendomyopathie obere Extremität, Rhizarthrose beiderseits. Unter Berücksichtigung des bislang anerkannten GdB von 40 hat er aufgrund der entzündlich-rheumatischen Veränderungen, die mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen seien, einen Gesamt-GdB von 50 vorgeschlagen. Dieser Bewertung ist der Beklagte unter Hinweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 17.11.2003 u.a. mit dem Argument entgegen getreten, dass es nicht plausibel sei, einen GdB von 20 zusätzlich festzustellen für eine entzündliche Symptomatik, die zum Untersuchungszeitpunkt überhaupt nicht nachzuweisen gewesen sei. Mit Urteil vom 27.11.2003, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegeben am 18.12.2003, hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 21.01.2004 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, das Urteil des SG sei seinem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2003 zugestellt worden. Entgegen der Auffassung des SG betrage der GdB 50. Dies ergebe sich auch aus dem im früheren Klageverfahren vor dem SG (S 12 SB 1556/98) eingeholten Gutachten des Dr. S. vom 25.01.1999, der den GdB auf 50 eingeschätzt habe. Damit werde die Einschätzung von Dr. D. bestätigt. Es sei allgemeine Erkenntnis, dass eine Rheumaerkrankung schubweise verlaufe. Die Feststellung, dass zu einem gewissen Zeitpunkt ein entzündlicher Prozess nicht festzustellen sei, rechtfertige es nicht, die Bewertung des Sachverständigen, die sich mit einem Zeitraum von sechs Jahren befasse, als nicht nachvollziehbar zu werten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. November 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den GdB auf 50 ab dem 21. Juni 2000 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte sowie das aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 13.01.2006 erstellte Gutachten von Prof. Dr. K., Direktor der I. Medizinischen Klinik des Städtischen Klinikums K., eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesamt-GdB für alle Behinderungen zusammen unverändert mit 40 zu bewerten und eine Erhöhung des GdB auf 50 oder über 50 nicht gerechtfertigt sei. Den von Dr. D. angegebenen GdB von 50 halte er für zu hoch.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Frist zur Einlegung der Berufung ist vom Kläger gewahrt worden. Dabei kann im vorliegenden Fall offen bleiben, wann der Kläger das Urteil des SG tatsächlich erhalten hat. Die einmonatige Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) hat nicht zu laufen begonnen, weil das Urteil vom SG nicht formgerecht zugestellt worden ist. Das SG hat das Urteil nur als Einschreiben (die Bezeichnung Übergabe-Einschreiben ist nach Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post Brief National ( AGB Brief National ) - Stand 01.01.2004 - nicht mehr vorgesehen) zur Post gegeben. Zwar wird auch bei dieser Zustellungsart die Sendung nur gegen schriftliche Empfangsbestätigung abgeliefert (Abschnitt 4 Abs. 3 Satz 2 AGB Brief National). Mit der Versandart "Rückschein" erhält der Absender aber darüber hinaus eine handschriftliche Bestätigung des Empfängers über den Erhalt der Sendung im Original. Dabei handelt es sich um eine private Urkunde, welche die Zustellungsurkunde iS des § 182 ZPO, die eine öffentliche Urkunde darstellt, ersetzt (BSG Beschluss vom 07.10.2004 - B 3 KR 14/04 R - SozR 4-1750 § 175 Nr. 1 = NJW 2005, 1303). Da die über § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG anwendbare Regelung in § 175 ZPO ausdrücklich die Zustellungsart "Rückschein" vorschreibt und nur bei dieser Zustellungsart eine die Zustellungsurkunde ersetzende Urkunde (Rückschein) ausgestellt wird, ist eine Zustellung nur mit Einschreiben oder gar nur mit Einschreiben Einwurf nicht zulässig (Beschluss des Senats vom 21.02.2006 - L 8 AS 416/06 ER-B -; vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers ZPO 64. Aufl. 2005 § 175 Rn 4).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat schließt sich der Auffassung des SG an und weist die Berufung (auch) aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurück. Von einer Darlegung der Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die weiteren Beweiserhebungen des Senats keine andere Entscheidung rechtfertigen. Zwar berichtete der Kläger nach der Mitteilung von Dr. P. vom 14.06.2004 im Dezember 2003 und im April 2004 über Schulter- und Nackenbeschwerden. Diese Beschwerden lagen aber bereits im Jahre 1999 vor. Eine von Dr. P. vermutete Belastungsdyspnoe konnte bei der kardiologischen Untersuchung im Juni 2004 nicht verifiziert werden und auch eine im Mai 2005 durchgeführte pneumologische Untersuchung ergab keinen krankhaften Befund. Das vom Sachverständigen Prof. Dr. K. angefertigte Belastungs-EKG ergab lediglich eine belastungsabhängige Hypertonie (Bluthochdruck), aber keinen Hinweis auf eine Koronarischämie. Zwar ist im Vergleich zu den Befunden, die dem Bescheid vom 06.11.1997 zugrunde lagen, insofern eine Änderung eingetreten, als zwischenzeitlich mehrere Behinderungen neu hinzu gekommen sind. So besteht nunmehr eine schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich des linken Armes, die als Folge des Cervicobrachialsyndroms zu sehen ist. Auch leidet der Kläger jetzt an einem arteriellen Bluthochdruck sowie an der im Jahre 1999 diagnostizierten HLA B27-positive Spondylarthropathie mit peripherer Gelenkbeteiligung.
Doch führen alle diese zusätzlichen Gesundheitsstörungen zu keiner Anhebung des Gesamt-GdB von 40 auf 50. Dies folgt aus dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K ... Der Bluthochdruck erfordert seinen Ausführungen zufolge lediglich eine Optimierung der medikamentösen Therapie, führt aber nicht zu einer wesentlichen Einschränkung im Alltag. Den Einzel-GdB für diese gesundheitliche Beeinträchtigung hat er deshalb mit 0 v.H. angesetzt. Auch die Auswirkungen der HLA B27-positiven Spondylarthropathie, die von der entzündlichen Aktivität dieser Erkrankung abhängen, sind nach Ansicht des Sachverständigen als gering einzustufen. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung bestand nur ein Verdacht auf eine leichte Monoarthritis des linken oberen Sprunggelenks. Der Sachverständige bewertete daher den GdB für diese Erkrankung mit 20. Zu Recht und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Sachverständige zu der Auffassung gelangt, dass diese Behinderungen unter Berücksichtigung des GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden noch keine Anhebung des Gesamt-GdB auf 50 ermöglichen. Selbst wenn im vorliegenden Fall einzelne Gesundheitsstörungen wie die z.B. Hypertonie oder die Einschränkung der Beweglichkeit im linken Arm statt wie vom Sachverständigen vorgeschlagen nicht mit 0 v.H., sondern mit 10 v.H. zu bewerten wären, könnte daraus nicht der Schluss auf eine Zunahme der Gesamt-Behinderung gezogen werden.
Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die Anhaltspunkte führen zur Umsetzung dieser Vorschrift aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Bildung des Geamt-GdB ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der Anhaltspunkte in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Anerkennung als schwer behinderter Mensch.
Der am 1955 geborene Kläger stellte erstmals im April 1982 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen. Er machte das Vorliegen einer Polyarthritis geltend. Das Versorgungsamt Karlsruhe stellte den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 fest (Bescheid vom 06.08.1982). Auf einen Neufeststellungsantrag vom Juli 1997 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe mit Bescheid vom 06.11.1997 den GdB für die Behinderungen "Polyarthrose der Finger, traumatischer Sprunggelenksschaden rechts, Halswirbelsäulensyndrom nach Schleudertrauma, Sehminderung" mit 40 fest. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe des Klägers blieben erfolglos. Das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 11 SB 2130/00) endete mit dem Vergleich vom 15.03.2001. Darin verpflichtete sich der Beklagte, einen Schriftsatz des Klägers vom 21.06.2000 als Neufeststellungsantrag zu werten und daraufhin den gesamten Gesundheitszustand des Klägers neu zu prüfen und einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.
In Ausführung dieses Vergleichs holte das Versorgungsamt Karlsruhe beim Orthopäden Dr. W. den Befundbericht vom 07.05.2001 ein. Dr. W. teilte darin als Diagnosen eine "Monoarthritis linkes Sprunggelenk" sowie ein "chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom bei Spndylochondrose" mit und verwies auf den beigefügten Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. W. vom 27.04.2001. Darin wird über eine ambulante Untersuchung des Klägers am 27.08.1999 berichtet und ferner ausgeführt, der Kläger sei bis zum 27.08.1999 in ihrer stationären Behandlung gewesen. Zwischenzeitlich seien immer wieder Schmerzen und Schwellungen im Bereich des linken Sprunggelenks aufgetreten, vor allem nach Belastung. Desgleichen bestehe eine Morgensteifigkeit der Gelenke und Schmerzen im Bereich der Zehengrundgelenke. Die Seitneigefähigkeit im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) sei deutlich eingeschränkt. Mit Bescheid vom 11.07.2001 lehnte das Versorgungsamt Karlsruhe eine Neufeststellung des GdB ab. Beim Kläger lägen zwar folgende Funktionseinschränkungen vor: Polyarthrose der Finger, traumatischer Sprunggelenksschadens rechts, Halswirbelsäulen-Syndrom nach Schleudertrauma, Sehminderung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Daraus ergebe sich aber kein höherer GdB.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 27.07.2001 Widerspruch ein. Er verwies auf eine am 12.06.2001 durchgeführte Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule (LWS) sowie eine am 29.06.2001 durchgeführte Kernspintomographie der Iliosacralgelenke (Darm- und Kreuzbeingelenke). Die Untersuchung der LWS ergab, dass die Bandscheibe L4/5 deutlich höhengemindert ist. Die übrigen Bandscheiben der Lendenwirbelkörper und des thorakolumbalen Übergangs waren unauffällig. Es fand sich kein Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression. Bei der Untersuchung der Darm- und Kreuzbeingelenke fanden sich keine Hinweise auf eine floride ISG-Arthritis. Eine Ankylose (Gelenksteife) war ebenso wenig nachzuweisen wie knöcherne Auffälligkeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2001 wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 20.12.2001 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört, die Akte der Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg beigezogen und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein internistisch-rheumatologisches Gutachten bei Dr. D., K., einholt. In seinem Gutachten vom 22.09.2003 hat der Sachverständige folgende Erkrankungen diagnostiziert: HLA-B27-positive Spondarthropathie mit peripherer Gelenkbeteiligung, Cervicobrachial-Syndrom, fehlhaltungsbedingt, mit degenerativen Veränderungen und Kettentendomyopathie obere Extremität, Rhizarthrose beiderseits. Unter Berücksichtigung des bislang anerkannten GdB von 40 hat er aufgrund der entzündlich-rheumatischen Veränderungen, die mit einem Einzel-GdB von 20 anzusetzen seien, einen Gesamt-GdB von 50 vorgeschlagen. Dieser Bewertung ist der Beklagte unter Hinweis auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 17.11.2003 u.a. mit dem Argument entgegen getreten, dass es nicht plausibel sei, einen GdB von 20 zusätzlich festzustellen für eine entzündliche Symptomatik, die zum Untersuchungszeitpunkt überhaupt nicht nachzuweisen gewesen sei. Mit Urteil vom 27.11.2003, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegeben am 18.12.2003, hat das SG die Klage abgewiesen.
Am 21.01.2004 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, das Urteil des SG sei seinem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2003 zugestellt worden. Entgegen der Auffassung des SG betrage der GdB 50. Dies ergebe sich auch aus dem im früheren Klageverfahren vor dem SG (S 12 SB 1556/98) eingeholten Gutachten des Dr. S. vom 25.01.1999, der den GdB auf 50 eingeschätzt habe. Damit werde die Einschätzung von Dr. D. bestätigt. Es sei allgemeine Erkenntnis, dass eine Rheumaerkrankung schubweise verlaufe. Die Feststellung, dass zu einem gewissen Zeitpunkt ein entzündlicher Prozess nicht festzustellen sei, rechtfertige es nicht, die Bewertung des Sachverständigen, die sich mit einem Zeitraum von sechs Jahren befasse, als nicht nachvollziehbar zu werten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. November 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den GdB auf 50 ab dem 21. Juni 2000 festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte sowie das aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 13.01.2006 erstellte Gutachten von Prof. Dr. K., Direktor der I. Medizinischen Klinik des Städtischen Klinikums K., eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesamt-GdB für alle Behinderungen zusammen unverändert mit 40 zu bewerten und eine Erhöhung des GdB auf 50 oder über 50 nicht gerechtfertigt sei. Den von Dr. D. angegebenen GdB von 50 halte er für zu hoch.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig.
Die Frist zur Einlegung der Berufung ist vom Kläger gewahrt worden. Dabei kann im vorliegenden Fall offen bleiben, wann der Kläger das Urteil des SG tatsächlich erhalten hat. Die einmonatige Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) hat nicht zu laufen begonnen, weil das Urteil vom SG nicht formgerecht zugestellt worden ist. Das SG hat das Urteil nur als Einschreiben (die Bezeichnung Übergabe-Einschreiben ist nach Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post Brief National ( AGB Brief National ) - Stand 01.01.2004 - nicht mehr vorgesehen) zur Post gegeben. Zwar wird auch bei dieser Zustellungsart die Sendung nur gegen schriftliche Empfangsbestätigung abgeliefert (Abschnitt 4 Abs. 3 Satz 2 AGB Brief National). Mit der Versandart "Rückschein" erhält der Absender aber darüber hinaus eine handschriftliche Bestätigung des Empfängers über den Erhalt der Sendung im Original. Dabei handelt es sich um eine private Urkunde, welche die Zustellungsurkunde iS des § 182 ZPO, die eine öffentliche Urkunde darstellt, ersetzt (BSG Beschluss vom 07.10.2004 - B 3 KR 14/04 R - SozR 4-1750 § 175 Nr. 1 = NJW 2005, 1303). Da die über § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG anwendbare Regelung in § 175 ZPO ausdrücklich die Zustellungsart "Rückschein" vorschreibt und nur bei dieser Zustellungsart eine die Zustellungsurkunde ersetzende Urkunde (Rückschein) ausgestellt wird, ist eine Zustellung nur mit Einschreiben oder gar nur mit Einschreiben Einwurf nicht zulässig (Beschluss des Senats vom 21.02.2006 - L 8 AS 416/06 ER-B -; vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers ZPO 64. Aufl. 2005 § 175 Rn 4).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat schließt sich der Auffassung des SG an und weist die Berufung (auch) aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurück. Von einer Darlegung der Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die weiteren Beweiserhebungen des Senats keine andere Entscheidung rechtfertigen. Zwar berichtete der Kläger nach der Mitteilung von Dr. P. vom 14.06.2004 im Dezember 2003 und im April 2004 über Schulter- und Nackenbeschwerden. Diese Beschwerden lagen aber bereits im Jahre 1999 vor. Eine von Dr. P. vermutete Belastungsdyspnoe konnte bei der kardiologischen Untersuchung im Juni 2004 nicht verifiziert werden und auch eine im Mai 2005 durchgeführte pneumologische Untersuchung ergab keinen krankhaften Befund. Das vom Sachverständigen Prof. Dr. K. angefertigte Belastungs-EKG ergab lediglich eine belastungsabhängige Hypertonie (Bluthochdruck), aber keinen Hinweis auf eine Koronarischämie. Zwar ist im Vergleich zu den Befunden, die dem Bescheid vom 06.11.1997 zugrunde lagen, insofern eine Änderung eingetreten, als zwischenzeitlich mehrere Behinderungen neu hinzu gekommen sind. So besteht nunmehr eine schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich des linken Armes, die als Folge des Cervicobrachialsyndroms zu sehen ist. Auch leidet der Kläger jetzt an einem arteriellen Bluthochdruck sowie an der im Jahre 1999 diagnostizierten HLA B27-positive Spondylarthropathie mit peripherer Gelenkbeteiligung.
Doch führen alle diese zusätzlichen Gesundheitsstörungen zu keiner Anhebung des Gesamt-GdB von 40 auf 50. Dies folgt aus dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. K ... Der Bluthochdruck erfordert seinen Ausführungen zufolge lediglich eine Optimierung der medikamentösen Therapie, führt aber nicht zu einer wesentlichen Einschränkung im Alltag. Den Einzel-GdB für diese gesundheitliche Beeinträchtigung hat er deshalb mit 0 v.H. angesetzt. Auch die Auswirkungen der HLA B27-positiven Spondylarthropathie, die von der entzündlichen Aktivität dieser Erkrankung abhängen, sind nach Ansicht des Sachverständigen als gering einzustufen. Zum Zeitpunkt seiner Untersuchung bestand nur ein Verdacht auf eine leichte Monoarthritis des linken oberen Sprunggelenks. Der Sachverständige bewertete daher den GdB für diese Erkrankung mit 20. Zu Recht und in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Sachverständige zu der Auffassung gelangt, dass diese Behinderungen unter Berücksichtigung des GdB von 30 für die Wirbelsäulenbeschwerden noch keine Anhebung des Gesamt-GdB auf 50 ermöglichen. Selbst wenn im vorliegenden Fall einzelne Gesundheitsstörungen wie die z.B. Hypertonie oder die Einschränkung der Beweglichkeit im linken Arm statt wie vom Sachverständigen vorgeschlagen nicht mit 0 v.H., sondern mit 10 v.H. zu bewerten wären, könnte daraus nicht der Schluss auf eine Zunahme der Gesamt-Behinderung gezogen werden.
Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Die Anhaltspunkte führen zur Umsetzung dieser Vorschrift aus, dass eine Addition von Einzel GdB Werten grundsätzlich unzulässig ist und auch andere Rechenmethoden für die Bildung des Geamt-GdB ungeeignet sind. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird; ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP Nr. 19 Abs. 3). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der Anhaltspunkte in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG, SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved