Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 3 KR 614/00
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 959/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beinhaltet ein Handelsvertretervertrag wesentliche Einschränkungen der Arbeitszeitautonomie (Arbeitsumfang, in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigendes Mindestsoll) sowie Verbote Untervertreter einzustellen und jegliche anderweitige Vertretungen oder Tätigkeiten zu übernehmen, spricht dies gegen die Qualifizierung als eine im Wesentlichen frei bestimmte Tätigkeit. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit liegt dann ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. April 1993 bis 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war. Er war damals als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger bei der Beklagten nach § 22 Abs. 4 der Satzung freiwillig versichert.
Die Beigeladene zu 3) vertreibt und erstellt ein so genanntes Landesfirmenverzeichnis, die Beigeladene zu 4) ein so genanntes Regionenregister. Diese Firmenverzeichnisse enthalten kostenlose redaktionell aufbereitete Grundeinträge, die dem Verwender des jeweiligen Nachschlagewerkes die Möglichkeit geben, sich über örtliche Unternehmungen je nach Branche und Ortsansässigkeit zu informieren und zu diesem Unternehmen gegebenenfalls Kontakt aufzunehmen. Innerhalb dieser Firmenverzeichnisse wird Interessenten die Möglichkeit geboten, kostenpflichtige Inserate zu platzieren, um den Aufmerksamkeitswert zu erhöhen.
Am 4. April 1993 schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 3) und 4) eine als Handelsvertretervertrag (im Folgenden: HV-Vertrag) bezeichnete Vereinbarung ab. Nach den Angaben des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) handelte es sich um einen Vertragstext aus der Gründerzeit seiner Gesellschaften. Er enthält u.a. folgende Regelungen:
"A. ALLGEMEINES 1. Die Art der Anschriftenbücher erfordert es, dass alle Firmen, für die dem Handelsvertreter (= der Kläger) Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, von diesem aufgesucht werden müssen.
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B. WERBUNG 1. Die Vergabe der Arbeitsbezirke wird durch die Verkaufsleitung der Verlage bestimmt. Die dem Handelsvertreter übertragenen Bezirke sind von ihm sorgfältig zu bearbeiten und hierbei die Richtlinien zu beachten, die mündlich oder schriftlich durch die Verlage oder ihre Beauftragten erteilt werden. Es gehört zu den Aufgaben des Handelsvertreters, alle ihm bekannt gegebenen Firmen zu besuchen und den Kundenkreis zu erneuern und zu erweitern.
Der Handelsvertreter hat die ihm übertragenen Bezirke in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten, sodass die termingemäße Herausgabe des Werkes sichergestellt ist.
2. Um dem Handelsvertreter in seiner Arbeit bestmöglichst zu unterstützen, werden ihm verlagseigene Ausschnittkarten überlassen, wobei der Handelsvertreter verpflichtet ist, alle Angaben auf diesen Karten durch die betreffende Firma auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen und sich ergebende Textänderungen sorgfältig zu notieren und den Verlagen mitzuteilen. Die bearbeiteten Karteikarten (nicht Ausschnittkarten) sind einschließlich der erzielten Aufträge wöchentlich an die Verlage abzusenden.
3. Das dem Handelsvertreter übergebene Arbeitsmaterial: Ausweise, Auftragsbücher, Abrechnungslisten, Karten, Mappen usw. bleibt Eigentum der Verlage und ist diesen jederzeit auf Verlangen am selben Tag zurückzugeben bzw. per Einschreiben zurückzusenden. Das übergebene Anschriftenmaterial ist ausschließlich für diese Werbung zu verwenden und mit größter Sorgfalt zu behandeln. Bei Zuwiderhandlung haftet der Handelsvertreter für den gesamten Schaden.
4. Es ist nicht zulässig, in einem anderen als dem zugeteilten Bezirk zu arbeiten. Falls eine Firma verzogen ist, sind die Unterlagen zurückzugeben. Als "Verlagskunde" bezeichnete oder benannte Betriebe oder Geschäfte dürfen nicht besucht werden. Entgegen diesen Richtlinien hereingeholte Aufträge werden nicht vergütet.
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C. Provisionen
1. Für die vom Handelsvertreter abgeschlossenen Aufträge erhält dieser eine Provision. Der Provisionsanspruch ist verdient bei Zahlung durch den Auftraggeber. Der Handelsvertreter erhält die im Abschnitt "D Provisionssätze" genannten Provisionssätze als Vorschuss auf die Provision. Die Provisionssätze werden aus den Eintragungskosten abzüglich eines eventuell gewährten Rabattes für die Mehr-Jahresaufträge ohne Mehrwertsteuer berechnet. Voraussetzung für die pünktliche wöchentliche Zahlung ist das Eintreffen der getätigten Aufträge bis spätestens am 1. Werktag der Folgewoche.
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4. Alle Fahrtkosten, sonstige Auslagen und Leistungen, insbesondere die Ermittlung der redaktionellen Angaben bei den Firmen sind mit den vorgenannten Provisionssätzen abgegolten und werden nicht gesondert vergütet.
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E. Nebenbeschäftigung und Kündigung
1. Der Handelsvertreter verpflichtet sich, während der Dauer dieser Vereinbarung für keinen Mitbewerberverlag tätig zu sein. Die Übernahme einer anderen Vertretung oder Tätigkeit ist nicht statthaft. Er ist nicht berechtigt, ohne schriftliche Einwilligung der Verlage Untervertreter einzustellen."
Als Anlage zu dem Handelsvertretervertrag schloss die G. Verlag GmbH am 23. April 1993 mit dem Kläger eine "Vereinbarung über die geschäftliche und private Nutzung eines Firmen-PKW". Inhalt war die Überlassung eines PKW an den Kläger gegen die Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 750,- DM zuzüglich des jeweils gültigen Mehrwertsteuersatzes (§ 1 Abs. 1). Beim Erreichen eines Abschlussumsatzes von 15.000,- DM pro Monat verpflichtete sich der Verlag diesen Betrag in Form einer KFZ-Sonderprovision zu übernehmen (§ 3 Abs. 1). Bei Nichterreichen dieser Umsatzvorgabe bis zu 75 v.H. hatte der Handelsvertreter den monatlichen Gesamtbetrag zu übernehmen (§ 3 Abs. 1). Für den Fall der Krankheit behielt sich "die Firma" das Recht zur Rücknahme des Fahrzeuges vor (§ 1 Nr. 2). Mitarbeiter, die drei Monate nur 75 v.H. ihrer jeweiligen Umsatzvorgabe erreichten, d.h. drei Monate die Autokosten zu 100 v.H. trugen, hatten keinen Anspruch mehr auf das Firmenfahrzeug (§ 1 Abs. 3). Im Übrigen waren alle Kosten durch den Handelsvertreter zu tragen (§ 3 Abs. 2 und 3).
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 kündigten die Beigeladenen zu 3) und 4) die Vereinbarung mit dem Kläger. In dem nachfolgend vor dem Arbeitsgericht Erfurt geführten Rechtsstreit (Az.: 7 CA 600/95), in dem sich der Kläger sowohl gegen die fristlose Kündigung als auch die Nichtabrechnung von Provisionen wandte, einigten sich die Parteien am 23. April 1997 dahingehend, dass das Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung zum 17. Oktober 1995 sein Ende gefunden habe und die Beigeladenen zu 3) und 4) an den Kläger 6.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer zahlten. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Erfurt mit Beschluss vom 23. Mai 1996 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.
1997 wandte sich der Kläger mit einer Eingabe an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit dem Anliegen, dass er während des streitigen Zeitraums versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Dieses leitete das Schreiben an das Bundesversicherungsamt weiter, das die Beklagte zu einer Stellungnahme aufforderte. Diese legte die Unterlagen der Beigeladenen zu 1) zur Prüfung vor. Über deren Einschätzung, dass der Kläger im Rahmen seines Vertrages mit den Beigeladenen zu 3) und 4) nicht versicherungspflichtig beschäftigt war, informierte das Bundesversicherungsamt den Kläger.
Im Dezember 1999 beantragte er bei der Beklagten einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2000 räumte die Beklagte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein und lehnte mit Bescheid vom 26. Januar 2000 die Feststellung einer versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 (Ende der Mitgliedschaft) ab. Aufgrund seiner Tätigkeit als Handelsvertreter sei er in dem streitigen Zeitraum zutreffend als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger freiwillig versichert gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000).
Im Klageverfahren hat der Kläger u.a. vorgetragen, Kunden hätten nur mit den vom Verlag angelegten Karten aufgesucht werden dürfen. Die Kundenkarte sei nach Abschluss eines Vertrages an das Vertragsformular geheftet und an den Verlag übergeben worden. Er sei beim Gewerbeamt angemeldet und im Gewerberegister eingetragen gewesen und habe Umsatz- und Gewerbesteuer bezahlt. Steuer und Versicherung für das Fahrzeug habe der Verlag getragen. Jede Woche habe ein so genanntes Meeting stattgefunden. Die Handelsvertreter seien zur Teilnahme verpflichtet gewesen. Dort sei besprochen worden, welcher Umsatz erreicht worden sei bzw. welcher erreicht werden sollte. Die Tourenpläne für das Gebiet habe er selbst erstellt. Seine Arbeitszeit sei mit der eines fest Angestellten vergleichbar gewesen. Nach Abarbeitung des Gebietes und Erreichen des Umsatzes sei der Urlaub offiziell mit dem Verkaufsleiter abgesprochen worden.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben vorgetragen, die Karteikarten, die sämtliche redaktionell eingetragenen Firmen der Firmenverzeichnisse enthielten, seien jedem vertraglich verbundenen Handelsvertreter als Hilfestellung ausgehändigt worden. Bei der Kontaktaufnahme sollte die Aktualität der Eintragung überprüft werden. Der Handelsvertreter sei in seiner Entscheidung frei gewesen, ob und welche der in den Karteikarten gelisteten Firmen er anspreche. Er habe auch nicht gelistete Firmen ansprechen können um entsprechende Insertionsverträge zu vermitteln. Viele der vermittelten Verträge hätten sich auf neue Kunden bezogen, die sich nicht aus den Karteikarten ergeben hätten. Der Handelsvertreter habe selbst über seine Arbeitszeit, seinen Einsatz vor Ort, die Häufigkeit von Firmenkundenbesuchen sowie die Nutzung der Karteikarten entscheiden können. Die räumliche Beschränkung auf ein Gebiet sei aus Marketinggründen und vertriebstechnisch notwendig gewesen, weil bundesweit Handelsvertreter unter Vertrag stünden, die jeweils ihren Gebietsschutz für sich reklamierten. Der Kläger habe die Kosten des Autos alleine getragen und sei lediglich Mieter gewesen. Aus unternehmerischer Sicht sei selbstverständlich eine Umsatzvorgabe in den Raum gestellt worden. Der Einsatz der Handelsvertreter sei durch den für das Gebiet zuständigen "Haupthandelsvertreter" organisiert worden. In welcher Form dies konkret erfolgt sei, könne durch die heutige Geschäftsführung nicht mehr beurteilt werden. Nur zweimal im Jahr seien vom Management ein Treffen organisiert und die jeweils tätigen Handelsvertreter eingeladen worden. Eine Teilnahmepflicht habe nicht bestanden. Aus rein vertriebstechnischen Gründen sei der Handelsvertreter angehalten gewesen, den jeweiligen Vertriebsleiter bzw. das Vertriebsmanagement über eine urlaubs- oder auch krankheitsbedingte Abwesenheit zu informieren.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2002 hat das Sozialgericht die Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin H. durch das Sozialgericht Stuttgart angeordnet. Bezüglich der Aussage wird auf die Niederschrift (Bl. 148 ff der Gerichtsakte) vom 13. Mai 2002 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 27. August 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem vorliegenden Vertrag sei von einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszugehen. Der Kläger habe grundsätzlich Ort, Zeit und Art seiner Tätigkeit frei bestimmen und darüber entscheiden können, mit welchen Kunden er in Kontakt trete. Dies bestätige auch die Zeugin H. in ihrer Aussage. Wichtigstes Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sei das Vorliegen eines betrieblichen Unternehmerrisikos, weil der Kläger keine Garantiezahlungen von den Beigeladenen zu 3) und 4) erhalten habe.
Im Berufungsverfahren trägt der Kläger vor, seine Weisungsgebundenheit ergebe sich aus dem HV-Vertrag, dem ihm überlassenen Verkaufshandbuch der G. Verlag GmbH sowie deren Auftragsrichtlinien. Die aufzusuchenden Kunden seien ihm mittels Karteikarten in den regelmäßig stattfindenden Meetings durch den jeweiligen Verkaufsleiter der Beigeladenen zu 3) und 4) zugewiesen worden. Voraussetzung für die Kontaktaufnahme mit einer Firma sei gewesen, dass diese auf einer übergebenen Karteikarte benannt war. Jeder Kunde sei vorgegeben gewesen. Insoweit habe keine Handlungsfreiheit bestanden. Er sei davon ausgegangen, dass er entsprechend seinem Vertrag alle gelisteten Unternehmen aufsuchen musste.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 aufzuheben und festzustellen, dass er in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu Begründung schließt sie sich dem Vortrag der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, zusätzlich die Kosten der Beigeladenen zu 3) und 4) dem Kläger aufzuerlegen.
Sie weisen u.a. darauf hin, dass der Kläger sehr viele Aufträge bei Unternehmen erhalten habe, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihrer Kundenkartei eingetragen waren. Hierfür seien auch Provisionen ausgezahlt worden. Die im Vertrag auferlegte Verpflichtung, alle in den Ausschnittkarten und/oder Karteikarten genannten Firmen aufzusuchen, sei in der Praxis so nicht umgesetzt worden. Vorrangiges Ziel der Handelsvertreter sei die Vermittlung von Aufträgen gewesen. Aus den Karteikarten sei ersichtlich gewesen, wann der Kunde zuletzt einen Auftrag erteilt habe. Der Handelsvertreter habe diese Kunden aufsuchen und die vorhandenen Daten überprüfen sollen. Gerade diese Tätigkeit sei für sie sehr wichtig gewesen, weil sie zeitnäher erfolgen konnte als eine Abgleichung der Daten über den Bundesanzeiger. Zwischen den Gebietesleitern und den Handelsvertretern hätten regelmäßige Treffen stattgefunden, anlässlich deren dem Handelsvertreter neue Karteikarten übergeben worden sein.
Die Beigeladene zu 5) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen der Beklagten.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben Aufschlüsselungen bezüglich der vom Kläger erreichten Abschlussumsätze sowie Firmenanschriften, die zu dieser Zeit nicht in der Kundenkartei vermerkt waren, eingereicht.
Der Kläger hat ihm vorliegende Auszüge aus dem Verkaufshandbuch, Berichte der von den Beigeladenen zu 3) und 4) monatlich herausgegebenen Reporte - u.a. Mitteilungen über Verkaufszahlen einzelner Mitarbeiter, Auszeichnungen aufgrund der Umsatzzahlen, Verfehlungen von Mitarbeitern), Kopien getätigter Vertragsabschlüsse, eine Auszeichnung als Mitarbeiter des Monats September 1993, die Ernennung zum Repräsentanten, die Auszeichnung mit der Ehrennadel in Bronze, Schriftverkehr zwischen ihm und Mitarbeitern der Beigeladenen zu 3) und 4) - und die Teilnahmebestätigung an einer Verkaufsschulung im November 1993 eingereicht.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben mit Schriftsätzen vom 4. Oktober 2004 bzw. vom 18. Oktober 2004 bestätigt, dass die nachträgliche Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Auswirkungen bei der Rentenversicherung bzw. den Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht der in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 ausgeübten Beschäftigung, weil sie Auswirkungen für die Zukunft bzw. für die Vergangenheit haben kann. Dies haben die Beigeladenen zu 1) und 2) in ihren Schriftsätzen vom 4. Oktober 2004 und vom 18. Oktober 2004 ausdrücklich bestätigt.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er unterlag während seiner Tätigkeit in dem streitigen Zeitraum bei den Beigeladenen zu 3) und 4) der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und (ab dem 1. Januar 1995) Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes). Er war in dem streitigen Zeitraum nicht als selbstständiger Handelsvertreter, sondern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig.
Nach dem HGB ist Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder Geschäfte in dessen Namen abzuschließen; selbstständig ist dabei, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 HGB). Liegen die zuletzt genannten Voraussetzungen nicht vor, ist der mit dem Abschluss von Geschäften im Namen eines anderen Unternehmers Betraute dessen Handlungsgehilfe (§ 59 HGB) und zwar auch dann, wenn ein entsprechender Anstellungsvertrag fehlt (§ 84 Abs. 2 HGB). Im Handelsrecht ist eine Person also entweder selbstständiger Handelsvertreter oder angestellter Handlungsgehilfe. Beide Vertragstypen unterscheiden sich nicht nach der Art der zu leistenden Dienste, sondern allein nach dem Maß an persönlicher Freiheit, das dem Pflichtigen bei seiner Tätigkeit eingeräumt ist. Kann er seine Vermittlungstätigkeit im Wesentlichen frei gestalten, ist er Handelsvertreter, andernfalls Handlungsgehilfe.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 29. Januar 1981 (Az.: 12 RK 63/79, nach juris) u.a. ausgeführt: " Dabei ist zu beachten, dass der Handelsvertreter bei der Gestaltung seiner Tätigkeit nur "im Wesentlichen" frei zu sein braucht. Auch seine Freiheit kann also eingeschränkt sein, solange die Einschränkungen seine Selbstständigkeit "nicht im Kerngehalt beeinträchtigen" (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13. Januar 1996, Betriebsberater 1996, 265). Solche Einschränkungen können sich schon aus dem Vertrage, aber auch aus einseitigen Weisungen des Dienstberechtigten ergeben. Dass auch dem Handelsvertreter Weisungen erteilt werden können, folgt schon daraus, dass er – obwohl selbst Kaufmann und Unternehmer (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 HGB) - in einer ständigen Vertragsbeziehung zu einem anderen Unternehmer steht, für den er tätig ist und dessen Interessen er wahrzunehmen hat (§ 86 Abs. 1 HGB; Palandt, BGB, 38. Aufl., § 665 Anm. 1). Als Geschäftsbesorgung i. S. des § 675 BGB unterliegt seine Tätigkeit bestimmten Vorschriften des Auftragsrechts, u.a. dem § 665 BGB; dieser regelt das Recht des Beauftragten, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, setzt damit grundsätzlich eine Bindung an dessen Weisungen voraus (Palandt, a.a.O.). Dies gilt auch für Weisungen, die sich auf die Art der Kundenwerbung und -betreuung durch den Handelsvertreter beziehen (BGH, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Dass auch der Handelsvertreter an Weisungen des Unternehmens gebunden ist, hebt seine rechtliche Selbstständigkeit nicht auf. Erst wenn das Weisungsrecht des Unternehmers vertraglich so stark ausgestaltet ist, dass der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbstständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden (Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 84 HGB, RdZiff. 6). Im Übrigen dürfen dem Handelsvertreter durch Weisungen des Unternehmers nicht neue, über den Vertrag hinausgehende Pflichten auferlegt werden; zulässig sind lediglich Weisungen, welche die aufgrund des Gesetzes oder des Vertrages bereits bestehenden Pflichten des Handelsvertreters näher konkretisieren (Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 86 Anm. 4, Schröder, a.a.O, § 86 RdZiff. 31a). Insofern unterscheidet sich die Weisungsgebundenheit des Handelsvertreters wesentlich von der des Handlungsgehilfen, über dessen Arbeitskraft der Unternehmer durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann. Demgegenüber steht der Handelsvertreter seinem Auftraggeber - trotz Bindung an dessen Weisungen - in einem Verhältnis persönlicher Selbstständigkeit und Gleichordnung gegenüber.
Seine persönliche Selbstständigkeit (die allerdings eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt) kommt dabei vornehmlich in den vom Gesetz in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck. Außer ihnen können indessen noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbstständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört namentlich das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist (vgl. Brüggemann, a.a.O., § 84 Anm. 9; Schröder, a.a.O., § 84 RdZiff. 3 ff; enger Baumbach/Duden, a.a.O., § 84 Anm. 5 D, die nur die ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbstständigkeit für maßgebend halten). Nach diesen Grundsätzen, die Rechtsprechung und –lehre entwickelt haben, ist Handelsvertreter, wer von einem Unternehmer ständig mit dem Abschluss von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbstständig ist, insbesondere im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzung nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
Von den gleichen Grundsätzen ist auch im Recht der Sozialversicherung auszugehen und danach die versicherungsfreie Tätigkeit eines selbstständigen Handelsvertreters von der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines abhängigen Handlungsgehilfen abzugrenzen."
Nach diesen Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, ist auch im Sozialversicherungsrecht die selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Bei der Entscheidung ist das Gesamtbild der Tätigkeit wesentlich.
Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als Einrichtung des öffentlichen Rechts verbieten es, über die rechtliche Einordnung als versicherungsfreier Handelsvertreter oder als versicherungspflichtiger Handlungsgehilfe allein auf die Vereinbarungen der Vertragsschließenden abzustellen. Deren Wille, eine mit dem Abschluss von Geschäften beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen, ist nur dann für die Frage der Versicherungspflicht maßgebend, wenn die rechtliche Einordnung den sonstigen Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung entspricht (vgl. BSG, a.a.O.).
Hier stehen bereits die vertraglich getroffenen Vereinbarungen der Qualifizierung der Tätigkeit als einer im Wesentlichen frei bestimmten Tätigkeit entgegen. Der Kläger unterlag danach umfassenden Weisungen der Beigeladenen zu 3) und 4):
Bereits unter A. Allgemeines Nr. 1 des HV-Vertrages ist ausdrücklich geregelt, die Art der Anschriftenbücher erfordere es, dass alle Firmen, für die dem Handelsvertreter Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, aufgesucht werden müssen. Dies wird unter B. Werbung Nr. 1 nochmals wiederholt. Danach war der Kläger verpflichtet, die ihm überlassenen Karteikarten "abzuarbeiten". Dieser Eingriff in die Arbeitszeitautonomie, die bei einem Selbstständigen nicht nur die Festlegung von Anfang und Ende eines Arbeitsabschnitts, sondern auch die Festlegung des gesamten Arbeitsumfangs, also die Arbeitsdauer umfasst, wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass dem Betroffenen die Reihenfolge oder in gewissem Rahmen der Zeitraum der Abarbeitung überlassen wird, weil jede Verpflichtung zum Besuch eines Kunden zumindest die freie Bestimmung der Arbeitsdauer des Betroffenen beschränkt. Die Überlassung der Karteikarten an den Kläger stellte sich insoweit nicht nur als Hilfsmittel für seine Tätigkeit dar. Seine vertragliche Verpflichtung, die Karteikarten "abzuarbeiten", wird auch nicht dadurch relativiert, dass er – was wohl zulässig war - unabhängig von den Karteikarten Kunden werben konnte. Seine Verpflichtung gegenüber den Beigeladenen zu 3) und 4) wird durch die unter B. Werbung Nr. 2 auferlegte Pflicht die bearbeiteten Karteikarten einschließlich der erzielten Aufträge wöchentlich an die Verlage abzusenden, noch erweitert. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die neuen Karteikarten in wöchentlichen Meetings, an denen der Kläger – wie er vorträgt - teilnehmen musste oder vom örtlichen Gebietsleiter aus- und abgegeben wurden (was ebenfalls als Indiz gegen die selbständige Tätigkeit zu werten wäre) oder ob diese an die Verlage entsprechend der Vereinbarung gesandt wurden. Der Kläger unterlag damit einer Berichtspflicht gegenüber den Beigeladenen 3) und 4) und für diese bestand die Möglichkeit einer umfassenden Kontrolle der Tätigkeit. Dies ist mit dem Status eines Selbstständigen nicht vereinbar.
Eine weitere Einschränkung der Arbeitszeitautonomie besteht dann, wenn dem Betroffenen ein bestimmtes Mindestsoll auferlegt wird, das innerhalb einer gewissen Zeitspanne erreicht werden muss. Letztendlich muss auch dies hier bejaht werden. Im HV-Vertrag wurde es jedenfalls indirekt dadurch vereinbart, als dem Kläger durch B Nr. 1 Satz 4 auferlegt wurde, die ihm übertragenen Bezirke in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten, "sodass die termingemäße Herausgabe des Werkes sichergestellt ist". Des Weiteren behielten sich die Beigeladenen zu 3) und 4) in der als Anlage zum HV-Vertrag getroffenen Vereinbarung über die geschäftliche und private Nutzung eines Firmen-PKW vom 23. April 1993 Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung des in § 3 Abs. 1 genannten Abschlussumsatzes von 15.000 DM pro Monat vor. Nach § 1 Abs. 3 der Vereinbarung hatten Mitarbeiter, die drei Monate nur 75 v.H. ihrer jeweiligen Umsatzvorgabe erreichten - d. h. drei Monate die Autokosten zu 100 v.H. trugen - keinen Anspruch mehr auf das Firmenfahrzeug. Insoweit bestand nicht nur eine Umsatzvorgabe, die lediglich der Information und Motivation diente und eine selbstständige Tätigkeit nicht beeinflusste. Im Übrigen ergibt sich aus den von dem Kläger eingereichten Auszügen und aus den Reporten, dass monatlich die Umsatzerlöse der einzelnen Mitarbeiter in einer Rangliste veröffentlicht wurden. Besonders erfolgreiche Mitarbeiter erhielten besondere Folgeprovisionen, entweder in Form von Bargeldzahlungen oder in der Form eines Autos.
Schließlich bestand vertraglich ein umfassendes Weisungsrecht bezüglich der Vermittlungstätigkeit des Klägers.
Zum typischen Bild eines Selbstständigen gehört es, das er Untervertreter einsetzen darf. Beschäftigten Außendienstmitarbeitern steht dieses Recht in der Regel nicht zu. Insoweit kann die Befugnis zur Beschäftigung von eigenen Mitarbeitern und sonstigen Hilfspersonen als Indiz für die Selbstständigkeit herangezogen werden. Das Verbot, Untervertreter einzustellen, entspricht nicht dem Typus des selbstständigen Handelsvertreters und spricht gegen die Selbstständigkeit des im Außendienst Tätigen. Mit der Interessenwahrungspflicht zu Gunsten des Unternehmers lässt sich daher allenfalls eine Vereinbarung rechtfertigen, nach der den Vertreter eine Verpflichtung zur Anzeige der beabsichtigten Einstellung von Untervertretern trifft und der Unternehmer im Einzelfall die Einstellung aus bestimmten Gründen untersagen kann. Dagegen spricht ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt gegen die Selbstständigkeit (vgl. Hanau/Strick, Der Betrieb 1998, Beilage 14, S. 7 ff, 10, m.w.N.). Ein solcher bestand hier. Der Kläger war nach E Nr. 1 Satz 3 des HV-Vertrages nicht berechtigt, ohne schriftliche Einwilligung Untervertreter einzustellen.
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die selbstständige Tätigkeit des Klägers ist die unter E Nr. 1 Satz 1 und 2 getroffenen Vereinbarung.
Grundsätzlich ist die Beschränkung der Tätigkeit auf ein bestimmtes Unternehmen mit der Selbständigkeit unproblematisch vereinbar. Sie besteht schon von Gesetzes wegen im Rahmen des so genannten Wettbewerbs- und Konkurrenzverbots. Danach ist der Handelsvertreter nicht berechtigt, für Unternehmen tätig zu sein, die mit einem bereits vertretenen Unternehmen in Wettbewerb stehen. Auch die weitergehende Beschränkung dahingehend, dass der Betroffene ausschließlich für das vertragsgebundene Unternehmen, also auch nicht für Unternehmen, die in anderen Sparten tätig sind, oder Unternehmen anderer Branchen tätig werden darf, ist mit der Selbstständigkeit ohne weiteres vereinbar. Dies ergibt sich aus § 92a HGB. Dieser Regelung lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass das Unternehmen dem selbstständigen Handelsvertreter jegliche anderweitige Beschäftigung verbieten oder jegliche Beschäftigung unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen dürfte (vgl. Hanau/Strick, a.a.O., m.w.N., S. 11). Nach der o.g. Regelung war dem Kläger jegliche andere Vertretung oder auch Tätigkeit untersagt. Er war damit praktisch gehalten, seiner Arbeitskraft wie ein Arbeitnehmer ausschließlich den Beigeladenen zu 3) und 4) zur Verfügung zu stellen.
Demgegenüber kommt den vertraglichen Vereinbarungen, die für die Selbständigkeit sprechen könnten, qualitativ eine geringere Rolle zu; dies gilt insbesondere für die vereinbarte Berechnung seiner Bezüge. Die (teilweise) Überbürdung des Unternehmerrisikos auf den Dienstpflichtigen weist dann auf das Vorliegen einer selbstständige Tätigkeit hin, wenn und soweit ihm mit dem Risiko zugleich eine entsprechend größere Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird, umgekehrt kann aus einer (teilweisen) Übernahme des Unternehmerrisikos durch den Dienstberechtigten, soweit mit ihr beim Dienstpflichtigen eine gleichzeitige Einschränkung seiner Gestaltungsfreiheit verbunden ist, auf dessen Unselbstständigkeit geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1981, a.a.O.). Beide Varianten treffen in dieser Form auf den Kläger nicht zu. Ihm wurde zwar durch den HV-Vertrag - mit der Ausnahme des zur Verfügung Stellens eines Firmen-PKW - weitestgehend das Unternehmerrisiko überbürdet, es fehlt jedoch aus den genannten Gründen an der Einräumung einer größeren Gestaltungsfreiheit. Wird ein Erwerbstätiger, der im Übrigen nach der Gestaltung des Vertragsverhältnisses als Arbeitnehmer einzustufen wäre, mit zusätzlichen Risiken belastet, so vermag dies keine Selbstständigkeit zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil und Verweisungsbeschluss vom 5. Dezember 1997 - Az.: 16 U 220/96 in NZA-Rechtsprechungs-Report, S. 145 ff:). Im Hinblick auf die genannten Indizien, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen, kann auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger seinen Urlaub von den Beigeladenen zu 3) und 4) genehmigen lassen musste oder diese lediglich informieren sollte. Diesem Merkmal kommt nur eine untergeordnete Rolle zu. Dies gilt auch für die formalen Kriterien der Gewerbeanmeldung, der Zahlung von Umsatzsteuer und des Führens der Berufsbezeichnung Handelsvertreter. Allein aus der entsprechenden Bezeichnung des Klägers kann nicht geschlossen werden, dass er tatsächlich entsprechend zu qualifizieren ist.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats ist auch nicht erwiesen, dass die tatsächliche Handhabung von den vertraglichen Vereinbarungen abwich (was der Kläger bestreitet). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen zu 3) und 4) im Wesentlichen eine der vertraglichen Vereinbarung entsprechende Durchführung voraussetzt. Die Aktualität der jährlich herausgegebenen Firmen- bzw. Regionenregister musste gewährleistet sein, was eine Überprüfung der dort veröffentlichten Daten in regelmäßigen Abständen voraussetzt. Alle im Handelsregister eingetragenen Firmen wurden bereits in den Karteikarten der Beigeladenen zu 3) und 4) erfasst. Der Kläger hatte allein in dem ihm zugewiesenen Bezirk E. ca. 845 Firmen zu betreuen. Weiter gehörten zu seinem Bezirk G., der S., Sa. und W. Die Überprüfung der erfassten Firmen dürfte bereits einen wesentlichen Teil der Arbeitskraft des Klägers in Anspruch genommen haben.
Soweit die Beigeladenen zu 3) und 4) vortragen, dem Kläger habe es frei gestanden, die in den Karteikarten erfassten Firmen aufzusuchen oder nicht, ist dies nicht glaubhaft und wurde vom Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag auch nicht so verstanden. Dass die Kundenwerbung im Ergebnis vorrangiges Ziel der Mitarbeiter war, ist nachvollziehbar und verständlich, spricht aber nicht für die Bedeutungslosigkeit der eindeutigen vertraglichen Regelungen. Die ständige Aktualisierung der Unterlagen war auch nach den Angaben des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) sehr wichtig. Mit deren Geschäftsinteressen war es gerade nicht vereinbar, dass keine Überprüfung der erfassten Daten in regelmäßigen Abständen erfolgte. So haben die Beigeladenen zu 3) und 4) in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2005 bestätigt, dass die Außendienstmitarbeiter alle in den Karteikarten aufgeführten Kunden aufsuchen sollten und die gespeicherten Daten auf ihre Aktualität überprüfen mussten, weil diese allein durch die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger nicht gewährleistet gewesen wäre.
Nicht erkennbar ist, dass sie den Betroffenen (und insbesondere dem Kläger) zu erkennen gaben, mit ihrem Einverständnis dürfe das Vertragsverhältnis abweichend von den vertragswesentlichen Vereinbarungen gehandhabt werden. Insofern fehlt es auch an einer nachvollziehbaren Erklärung dafür, weshalb sie mit dem Kläger überhaupt den HV-Vertrag mit entsprechenden detaillierten Regelungen abgeschlossen auf deren Einhaltung es ihnen dann nach eigenem Bekunden nicht angekommen sein soll. Erklärt wird dies auch nicht durch den Vortrag, es sei ein Vertrag aus den Gründerzeiten der Unternehmen verwendet worden. Die Situation in den neuen Bundesländern mag von der in den alten Bundesländern unterschiedlich gewesen sein (viele Firmen waren nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 3) und 4) nicht im Handelsregister eingetragen). Dann machte die Verpflichtung zur Kontrolle der übergebenen Unterlagen und deren Vollständigkeit und Aktualität aber gerade Sinn.
Insofern ist auch die Aussage der Zeugin H. zur fehlenden Überprüfungsverpflichtung nicht nachvollziehbar. Auf ihre nochmalige Vernehmung konnte angesichts der Ausführungen des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) - den Vertragsparteien des Klägers – in der Sitzung verzichtet werden.
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Tätigkeit in dem streitigen Zeitraum um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in den Fassungen vom 4. November 1982 und vom 13. Juni 1994 und damit um eine versicherungs- und beitragsfreie Tätigkeit handelte, liegen nicht vor. Dagegen sprechend bereits die gezahlten Provisionen.
Wie bereits ausgeführt, setzte der zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 3) und 4) geschlossene HV-Vertrag voraus, dass der Kläger diesen seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellte. Eine Tätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich scheidet daher aus und wurde von keinem der Beteiligten vorgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum vom 1. April 1993 bis 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war. Er war damals als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger bei der Beklagten nach § 22 Abs. 4 der Satzung freiwillig versichert.
Die Beigeladene zu 3) vertreibt und erstellt ein so genanntes Landesfirmenverzeichnis, die Beigeladene zu 4) ein so genanntes Regionenregister. Diese Firmenverzeichnisse enthalten kostenlose redaktionell aufbereitete Grundeinträge, die dem Verwender des jeweiligen Nachschlagewerkes die Möglichkeit geben, sich über örtliche Unternehmungen je nach Branche und Ortsansässigkeit zu informieren und zu diesem Unternehmen gegebenenfalls Kontakt aufzunehmen. Innerhalb dieser Firmenverzeichnisse wird Interessenten die Möglichkeit geboten, kostenpflichtige Inserate zu platzieren, um den Aufmerksamkeitswert zu erhöhen.
Am 4. April 1993 schloss der Kläger mit den Beigeladenen zu 3) und 4) eine als Handelsvertretervertrag (im Folgenden: HV-Vertrag) bezeichnete Vereinbarung ab. Nach den Angaben des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) handelte es sich um einen Vertragstext aus der Gründerzeit seiner Gesellschaften. Er enthält u.a. folgende Regelungen:
"A. ALLGEMEINES 1. Die Art der Anschriftenbücher erfordert es, dass alle Firmen, für die dem Handelsvertreter (= der Kläger) Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, von diesem aufgesucht werden müssen.
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B. WERBUNG 1. Die Vergabe der Arbeitsbezirke wird durch die Verkaufsleitung der Verlage bestimmt. Die dem Handelsvertreter übertragenen Bezirke sind von ihm sorgfältig zu bearbeiten und hierbei die Richtlinien zu beachten, die mündlich oder schriftlich durch die Verlage oder ihre Beauftragten erteilt werden. Es gehört zu den Aufgaben des Handelsvertreters, alle ihm bekannt gegebenen Firmen zu besuchen und den Kundenkreis zu erneuern und zu erweitern.
Der Handelsvertreter hat die ihm übertragenen Bezirke in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten, sodass die termingemäße Herausgabe des Werkes sichergestellt ist.
2. Um dem Handelsvertreter in seiner Arbeit bestmöglichst zu unterstützen, werden ihm verlagseigene Ausschnittkarten überlassen, wobei der Handelsvertreter verpflichtet ist, alle Angaben auf diesen Karten durch die betreffende Firma auf ihre Richtigkeit prüfen zu lassen und sich ergebende Textänderungen sorgfältig zu notieren und den Verlagen mitzuteilen. Die bearbeiteten Karteikarten (nicht Ausschnittkarten) sind einschließlich der erzielten Aufträge wöchentlich an die Verlage abzusenden.
3. Das dem Handelsvertreter übergebene Arbeitsmaterial: Ausweise, Auftragsbücher, Abrechnungslisten, Karten, Mappen usw. bleibt Eigentum der Verlage und ist diesen jederzeit auf Verlangen am selben Tag zurückzugeben bzw. per Einschreiben zurückzusenden. Das übergebene Anschriftenmaterial ist ausschließlich für diese Werbung zu verwenden und mit größter Sorgfalt zu behandeln. Bei Zuwiderhandlung haftet der Handelsvertreter für den gesamten Schaden.
4. Es ist nicht zulässig, in einem anderen als dem zugeteilten Bezirk zu arbeiten. Falls eine Firma verzogen ist, sind die Unterlagen zurückzugeben. Als "Verlagskunde" bezeichnete oder benannte Betriebe oder Geschäfte dürfen nicht besucht werden. Entgegen diesen Richtlinien hereingeholte Aufträge werden nicht vergütet.
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C. Provisionen
1. Für die vom Handelsvertreter abgeschlossenen Aufträge erhält dieser eine Provision. Der Provisionsanspruch ist verdient bei Zahlung durch den Auftraggeber. Der Handelsvertreter erhält die im Abschnitt "D Provisionssätze" genannten Provisionssätze als Vorschuss auf die Provision. Die Provisionssätze werden aus den Eintragungskosten abzüglich eines eventuell gewährten Rabattes für die Mehr-Jahresaufträge ohne Mehrwertsteuer berechnet. Voraussetzung für die pünktliche wöchentliche Zahlung ist das Eintreffen der getätigten Aufträge bis spätestens am 1. Werktag der Folgewoche.
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4. Alle Fahrtkosten, sonstige Auslagen und Leistungen, insbesondere die Ermittlung der redaktionellen Angaben bei den Firmen sind mit den vorgenannten Provisionssätzen abgegolten und werden nicht gesondert vergütet.
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E. Nebenbeschäftigung und Kündigung
1. Der Handelsvertreter verpflichtet sich, während der Dauer dieser Vereinbarung für keinen Mitbewerberverlag tätig zu sein. Die Übernahme einer anderen Vertretung oder Tätigkeit ist nicht statthaft. Er ist nicht berechtigt, ohne schriftliche Einwilligung der Verlage Untervertreter einzustellen."
Als Anlage zu dem Handelsvertretervertrag schloss die G. Verlag GmbH am 23. April 1993 mit dem Kläger eine "Vereinbarung über die geschäftliche und private Nutzung eines Firmen-PKW". Inhalt war die Überlassung eines PKW an den Kläger gegen die Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 750,- DM zuzüglich des jeweils gültigen Mehrwertsteuersatzes (§ 1 Abs. 1). Beim Erreichen eines Abschlussumsatzes von 15.000,- DM pro Monat verpflichtete sich der Verlag diesen Betrag in Form einer KFZ-Sonderprovision zu übernehmen (§ 3 Abs. 1). Bei Nichterreichen dieser Umsatzvorgabe bis zu 75 v.H. hatte der Handelsvertreter den monatlichen Gesamtbetrag zu übernehmen (§ 3 Abs. 1). Für den Fall der Krankheit behielt sich "die Firma" das Recht zur Rücknahme des Fahrzeuges vor (§ 1 Nr. 2). Mitarbeiter, die drei Monate nur 75 v.H. ihrer jeweiligen Umsatzvorgabe erreichten, d.h. drei Monate die Autokosten zu 100 v.H. trugen, hatten keinen Anspruch mehr auf das Firmenfahrzeug (§ 1 Abs. 3). Im Übrigen waren alle Kosten durch den Handelsvertreter zu tragen (§ 3 Abs. 2 und 3).
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 kündigten die Beigeladenen zu 3) und 4) die Vereinbarung mit dem Kläger. In dem nachfolgend vor dem Arbeitsgericht Erfurt geführten Rechtsstreit (Az.: 7 CA 600/95), in dem sich der Kläger sowohl gegen die fristlose Kündigung als auch die Nichtabrechnung von Provisionen wandte, einigten sich die Parteien am 23. April 1997 dahingehend, dass das Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung zum 17. Oktober 1995 sein Ende gefunden habe und die Beigeladenen zu 3) und 4) an den Kläger 6.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer zahlten. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Erfurt mit Beschluss vom 23. Mai 1996 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.
1997 wandte sich der Kläger mit einer Eingabe an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mit dem Anliegen, dass er während des streitigen Zeitraums versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Dieses leitete das Schreiben an das Bundesversicherungsamt weiter, das die Beklagte zu einer Stellungnahme aufforderte. Diese legte die Unterlagen der Beigeladenen zu 1) zur Prüfung vor. Über deren Einschätzung, dass der Kläger im Rahmen seines Vertrages mit den Beigeladenen zu 3) und 4) nicht versicherungspflichtig beschäftigt war, informierte das Bundesversicherungsamt den Kläger.
Im Dezember 1999 beantragte er bei der Beklagten einen rechtsmittelfähigen Bescheid.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2000 räumte die Beklagte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein und lehnte mit Bescheid vom 26. Januar 2000 die Feststellung einer versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 (Ende der Mitgliedschaft) ab. Aufgrund seiner Tätigkeit als Handelsvertreter sei er in dem streitigen Zeitraum zutreffend als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger freiwillig versichert gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. März 2000).
Im Klageverfahren hat der Kläger u.a. vorgetragen, Kunden hätten nur mit den vom Verlag angelegten Karten aufgesucht werden dürfen. Die Kundenkarte sei nach Abschluss eines Vertrages an das Vertragsformular geheftet und an den Verlag übergeben worden. Er sei beim Gewerbeamt angemeldet und im Gewerberegister eingetragen gewesen und habe Umsatz- und Gewerbesteuer bezahlt. Steuer und Versicherung für das Fahrzeug habe der Verlag getragen. Jede Woche habe ein so genanntes Meeting stattgefunden. Die Handelsvertreter seien zur Teilnahme verpflichtet gewesen. Dort sei besprochen worden, welcher Umsatz erreicht worden sei bzw. welcher erreicht werden sollte. Die Tourenpläne für das Gebiet habe er selbst erstellt. Seine Arbeitszeit sei mit der eines fest Angestellten vergleichbar gewesen. Nach Abarbeitung des Gebietes und Erreichen des Umsatzes sei der Urlaub offiziell mit dem Verkaufsleiter abgesprochen worden.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben vorgetragen, die Karteikarten, die sämtliche redaktionell eingetragenen Firmen der Firmenverzeichnisse enthielten, seien jedem vertraglich verbundenen Handelsvertreter als Hilfestellung ausgehändigt worden. Bei der Kontaktaufnahme sollte die Aktualität der Eintragung überprüft werden. Der Handelsvertreter sei in seiner Entscheidung frei gewesen, ob und welche der in den Karteikarten gelisteten Firmen er anspreche. Er habe auch nicht gelistete Firmen ansprechen können um entsprechende Insertionsverträge zu vermitteln. Viele der vermittelten Verträge hätten sich auf neue Kunden bezogen, die sich nicht aus den Karteikarten ergeben hätten. Der Handelsvertreter habe selbst über seine Arbeitszeit, seinen Einsatz vor Ort, die Häufigkeit von Firmenkundenbesuchen sowie die Nutzung der Karteikarten entscheiden können. Die räumliche Beschränkung auf ein Gebiet sei aus Marketinggründen und vertriebstechnisch notwendig gewesen, weil bundesweit Handelsvertreter unter Vertrag stünden, die jeweils ihren Gebietsschutz für sich reklamierten. Der Kläger habe die Kosten des Autos alleine getragen und sei lediglich Mieter gewesen. Aus unternehmerischer Sicht sei selbstverständlich eine Umsatzvorgabe in den Raum gestellt worden. Der Einsatz der Handelsvertreter sei durch den für das Gebiet zuständigen "Haupthandelsvertreter" organisiert worden. In welcher Form dies konkret erfolgt sei, könne durch die heutige Geschäftsführung nicht mehr beurteilt werden. Nur zweimal im Jahr seien vom Management ein Treffen organisiert und die jeweils tätigen Handelsvertreter eingeladen worden. Eine Teilnahmepflicht habe nicht bestanden. Aus rein vertriebstechnischen Gründen sei der Handelsvertreter angehalten gewesen, den jeweiligen Vertriebsleiter bzw. das Vertriebsmanagement über eine urlaubs- oder auch krankheitsbedingte Abwesenheit zu informieren.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2002 hat das Sozialgericht die Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin H. durch das Sozialgericht Stuttgart angeordnet. Bezüglich der Aussage wird auf die Niederschrift (Bl. 148 ff der Gerichtsakte) vom 13. Mai 2002 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 27. August 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem vorliegenden Vertrag sei von einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne von § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszugehen. Der Kläger habe grundsätzlich Ort, Zeit und Art seiner Tätigkeit frei bestimmen und darüber entscheiden können, mit welchen Kunden er in Kontakt trete. Dies bestätige auch die Zeugin H. in ihrer Aussage. Wichtigstes Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sei das Vorliegen eines betrieblichen Unternehmerrisikos, weil der Kläger keine Garantiezahlungen von den Beigeladenen zu 3) und 4) erhalten habe.
Im Berufungsverfahren trägt der Kläger vor, seine Weisungsgebundenheit ergebe sich aus dem HV-Vertrag, dem ihm überlassenen Verkaufshandbuch der G. Verlag GmbH sowie deren Auftragsrichtlinien. Die aufzusuchenden Kunden seien ihm mittels Karteikarten in den regelmäßig stattfindenden Meetings durch den jeweiligen Verkaufsleiter der Beigeladenen zu 3) und 4) zugewiesen worden. Voraussetzung für die Kontaktaufnahme mit einer Firma sei gewesen, dass diese auf einer übergebenen Karteikarte benannt war. Jeder Kunde sei vorgegeben gewesen. Insoweit habe keine Handlungsfreiheit bestanden. Er sei davon ausgegangen, dass er entsprechend seinem Vertrag alle gelisteten Unternehmen aufsuchen musste.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 aufzuheben und festzustellen, dass er in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 bei den Beigeladenen zu 3) und 4) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zu Begründung schließt sie sich dem Vortrag der Beklagten an.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, zusätzlich die Kosten der Beigeladenen zu 3) und 4) dem Kläger aufzuerlegen.
Sie weisen u.a. darauf hin, dass der Kläger sehr viele Aufträge bei Unternehmen erhalten habe, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihrer Kundenkartei eingetragen waren. Hierfür seien auch Provisionen ausgezahlt worden. Die im Vertrag auferlegte Verpflichtung, alle in den Ausschnittkarten und/oder Karteikarten genannten Firmen aufzusuchen, sei in der Praxis so nicht umgesetzt worden. Vorrangiges Ziel der Handelsvertreter sei die Vermittlung von Aufträgen gewesen. Aus den Karteikarten sei ersichtlich gewesen, wann der Kunde zuletzt einen Auftrag erteilt habe. Der Handelsvertreter habe diese Kunden aufsuchen und die vorhandenen Daten überprüfen sollen. Gerade diese Tätigkeit sei für sie sehr wichtig gewesen, weil sie zeitnäher erfolgen konnte als eine Abgleichung der Daten über den Bundesanzeiger. Zwischen den Gebietesleitern und den Handelsvertretern hätten regelmäßige Treffen stattgefunden, anlässlich deren dem Handelsvertreter neue Karteikarten übergeben worden sein.
Die Beigeladene zu 5) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen der Beklagten.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben Aufschlüsselungen bezüglich der vom Kläger erreichten Abschlussumsätze sowie Firmenanschriften, die zu dieser Zeit nicht in der Kundenkartei vermerkt waren, eingereicht.
Der Kläger hat ihm vorliegende Auszüge aus dem Verkaufshandbuch, Berichte der von den Beigeladenen zu 3) und 4) monatlich herausgegebenen Reporte - u.a. Mitteilungen über Verkaufszahlen einzelner Mitarbeiter, Auszeichnungen aufgrund der Umsatzzahlen, Verfehlungen von Mitarbeitern), Kopien getätigter Vertragsabschlüsse, eine Auszeichnung als Mitarbeiter des Monats September 1993, die Ernennung zum Repräsentanten, die Auszeichnung mit der Ehrennadel in Bronze, Schriftverkehr zwischen ihm und Mitarbeitern der Beigeladenen zu 3) und 4) - und die Teilnahmebestätigung an einer Verkaufsschulung im November 1993 eingereicht.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben mit Schriftsätzen vom 4. Oktober 2004 bzw. vom 18. Oktober 2004 bestätigt, dass die nachträgliche Feststellung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Auswirkungen bei der Rentenversicherung bzw. den Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht der in dem Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Mai 1995 ausgeübten Beschäftigung, weil sie Auswirkungen für die Zukunft bzw. für die Vergangenheit haben kann. Dies haben die Beigeladenen zu 1) und 2) in ihren Schriftsätzen vom 4. Oktober 2004 und vom 18. Oktober 2004 ausdrücklich bestätigt.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er unterlag während seiner Tätigkeit in dem streitigen Zeitraum bei den Beigeladenen zu 3) und 4) der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und (ab dem 1. Januar 1995) Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes). Er war in dem streitigen Zeitraum nicht als selbstständiger Handelsvertreter, sondern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig.
Nach dem HGB ist Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder Geschäfte in dessen Namen abzuschließen; selbstständig ist dabei, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 HGB). Liegen die zuletzt genannten Voraussetzungen nicht vor, ist der mit dem Abschluss von Geschäften im Namen eines anderen Unternehmers Betraute dessen Handlungsgehilfe (§ 59 HGB) und zwar auch dann, wenn ein entsprechender Anstellungsvertrag fehlt (§ 84 Abs. 2 HGB). Im Handelsrecht ist eine Person also entweder selbstständiger Handelsvertreter oder angestellter Handlungsgehilfe. Beide Vertragstypen unterscheiden sich nicht nach der Art der zu leistenden Dienste, sondern allein nach dem Maß an persönlicher Freiheit, das dem Pflichtigen bei seiner Tätigkeit eingeräumt ist. Kann er seine Vermittlungstätigkeit im Wesentlichen frei gestalten, ist er Handelsvertreter, andernfalls Handlungsgehilfe.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 29. Januar 1981 (Az.: 12 RK 63/79, nach juris) u.a. ausgeführt: " Dabei ist zu beachten, dass der Handelsvertreter bei der Gestaltung seiner Tätigkeit nur "im Wesentlichen" frei zu sein braucht. Auch seine Freiheit kann also eingeschränkt sein, solange die Einschränkungen seine Selbstständigkeit "nicht im Kerngehalt beeinträchtigen" (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13. Januar 1996, Betriebsberater 1996, 265). Solche Einschränkungen können sich schon aus dem Vertrage, aber auch aus einseitigen Weisungen des Dienstberechtigten ergeben. Dass auch dem Handelsvertreter Weisungen erteilt werden können, folgt schon daraus, dass er – obwohl selbst Kaufmann und Unternehmer (§ 1 Abs. 2 Nr. 7 HGB) - in einer ständigen Vertragsbeziehung zu einem anderen Unternehmer steht, für den er tätig ist und dessen Interessen er wahrzunehmen hat (§ 86 Abs. 1 HGB; Palandt, BGB, 38. Aufl., § 665 Anm. 1). Als Geschäftsbesorgung i. S. des § 675 BGB unterliegt seine Tätigkeit bestimmten Vorschriften des Auftragsrechts, u.a. dem § 665 BGB; dieser regelt das Recht des Beauftragten, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, setzt damit grundsätzlich eine Bindung an dessen Weisungen voraus (Palandt, a.a.O.). Dies gilt auch für Weisungen, die sich auf die Art der Kundenwerbung und -betreuung durch den Handelsvertreter beziehen (BGH, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Dass auch der Handelsvertreter an Weisungen des Unternehmens gebunden ist, hebt seine rechtliche Selbstständigkeit nicht auf. Erst wenn das Weisungsrecht des Unternehmers vertraglich so stark ausgestaltet ist, dass der Beauftragte seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit wie ein Angestellter einrichten muss, kann er nicht mehr als selbstständig und damit als Handelsvertreter angesehen werden (Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 84 HGB, RdZiff. 6). Im Übrigen dürfen dem Handelsvertreter durch Weisungen des Unternehmers nicht neue, über den Vertrag hinausgehende Pflichten auferlegt werden; zulässig sind lediglich Weisungen, welche die aufgrund des Gesetzes oder des Vertrages bereits bestehenden Pflichten des Handelsvertreters näher konkretisieren (Brüggemann in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 86 Anm. 4, Schröder, a.a.O, § 86 RdZiff. 31a). Insofern unterscheidet sich die Weisungsgebundenheit des Handelsvertreters wesentlich von der des Handlungsgehilfen, über dessen Arbeitskraft der Unternehmer durch einseitig erteilte Weisungen grundsätzlich unbeschränkt verfügen kann. Demgegenüber steht der Handelsvertreter seinem Auftraggeber - trotz Bindung an dessen Weisungen - in einem Verhältnis persönlicher Selbstständigkeit und Gleichordnung gegenüber.
Seine persönliche Selbstständigkeit (die allerdings eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer nicht ausschließt) kommt dabei vornehmlich in den vom Gesetz in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Merkmalen zum Ausdruck. Außer ihnen können indessen noch weitere Umstände von Bedeutung sein, soweit sie als Indizien für das Vorliegen der ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbstständigkeit anzusehen sind oder sich schon aus der Unternehmereigenschaft des Handelsvertreters ergeben; zu ihnen gehört namentlich das eigene Unternehmerrisiko, das als Gegenstück der unternehmerischen Betätigungsfreiheit im Unternehmerbegriff mit enthalten ist (vgl. Brüggemann, a.a.O., § 84 Anm. 9; Schröder, a.a.O., § 84 RdZiff. 3 ff; enger Baumbach/Duden, a.a.O., § 84 Anm. 5 D, die nur die ausdrücklich im Gesetz genannten Merkmale der Selbstständigkeit für maßgebend halten). Nach diesen Grundsätzen, die Rechtsprechung und –lehre entwickelt haben, ist Handelsvertreter, wer von einem Unternehmer ständig mit dem Abschluss von Geschäften betraut ist, sofern er nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit persönlich selbstständig ist, insbesondere im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann und ein entsprechendes Unternehmerrisiko trägt; liegen diese Voraussetzung nicht vor, ist er angestellter Handlungsgehilfe.
Von den gleichen Grundsätzen ist auch im Recht der Sozialversicherung auszugehen und danach die versicherungsfreie Tätigkeit eines selbstständigen Handelsvertreters von der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines abhängigen Handlungsgehilfen abzugrenzen."
Nach diesen Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, ist auch im Sozialversicherungsrecht die selbstständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, während ein abhängig Beschäftigter typischerweise einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfasst. Bei der Entscheidung ist das Gesamtbild der Tätigkeit wesentlich.
Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als Einrichtung des öffentlichen Rechts verbieten es, über die rechtliche Einordnung als versicherungsfreier Handelsvertreter oder als versicherungspflichtiger Handlungsgehilfe allein auf die Vereinbarungen der Vertragsschließenden abzustellen. Deren Wille, eine mit dem Abschluss von Geschäften beauftragte Person den Normen des Handelsvertreterrechts zu unterstellen, ist nur dann für die Frage der Versicherungspflicht maßgebend, wenn die rechtliche Einordnung den sonstigen Bestimmungen des Vertrages oder ihrer tatsächlichen Anwendung entspricht (vgl. BSG, a.a.O.).
Hier stehen bereits die vertraglich getroffenen Vereinbarungen der Qualifizierung der Tätigkeit als einer im Wesentlichen frei bestimmten Tätigkeit entgegen. Der Kläger unterlag danach umfassenden Weisungen der Beigeladenen zu 3) und 4):
Bereits unter A. Allgemeines Nr. 1 des HV-Vertrages ist ausdrücklich geregelt, die Art der Anschriftenbücher erfordere es, dass alle Firmen, für die dem Handelsvertreter Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, aufgesucht werden müssen. Dies wird unter B. Werbung Nr. 1 nochmals wiederholt. Danach war der Kläger verpflichtet, die ihm überlassenen Karteikarten "abzuarbeiten". Dieser Eingriff in die Arbeitszeitautonomie, die bei einem Selbstständigen nicht nur die Festlegung von Anfang und Ende eines Arbeitsabschnitts, sondern auch die Festlegung des gesamten Arbeitsumfangs, also die Arbeitsdauer umfasst, wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass dem Betroffenen die Reihenfolge oder in gewissem Rahmen der Zeitraum der Abarbeitung überlassen wird, weil jede Verpflichtung zum Besuch eines Kunden zumindest die freie Bestimmung der Arbeitsdauer des Betroffenen beschränkt. Die Überlassung der Karteikarten an den Kläger stellte sich insoweit nicht nur als Hilfsmittel für seine Tätigkeit dar. Seine vertragliche Verpflichtung, die Karteikarten "abzuarbeiten", wird auch nicht dadurch relativiert, dass er – was wohl zulässig war - unabhängig von den Karteikarten Kunden werben konnte. Seine Verpflichtung gegenüber den Beigeladenen zu 3) und 4) wird durch die unter B. Werbung Nr. 2 auferlegte Pflicht die bearbeiteten Karteikarten einschließlich der erzielten Aufträge wöchentlich an die Verlage abzusenden, noch erweitert. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die neuen Karteikarten in wöchentlichen Meetings, an denen der Kläger – wie er vorträgt - teilnehmen musste oder vom örtlichen Gebietsleiter aus- und abgegeben wurden (was ebenfalls als Indiz gegen die selbständige Tätigkeit zu werten wäre) oder ob diese an die Verlage entsprechend der Vereinbarung gesandt wurden. Der Kläger unterlag damit einer Berichtspflicht gegenüber den Beigeladenen 3) und 4) und für diese bestand die Möglichkeit einer umfassenden Kontrolle der Tätigkeit. Dies ist mit dem Status eines Selbstständigen nicht vereinbar.
Eine weitere Einschränkung der Arbeitszeitautonomie besteht dann, wenn dem Betroffenen ein bestimmtes Mindestsoll auferlegt wird, das innerhalb einer gewissen Zeitspanne erreicht werden muss. Letztendlich muss auch dies hier bejaht werden. Im HV-Vertrag wurde es jedenfalls indirekt dadurch vereinbart, als dem Kläger durch B Nr. 1 Satz 4 auferlegt wurde, die ihm übertragenen Bezirke in einer angemessenen Zeit zu bearbeiten, "sodass die termingemäße Herausgabe des Werkes sichergestellt ist". Des Weiteren behielten sich die Beigeladenen zu 3) und 4) in der als Anlage zum HV-Vertrag getroffenen Vereinbarung über die geschäftliche und private Nutzung eines Firmen-PKW vom 23. April 1993 Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung des in § 3 Abs. 1 genannten Abschlussumsatzes von 15.000 DM pro Monat vor. Nach § 1 Abs. 3 der Vereinbarung hatten Mitarbeiter, die drei Monate nur 75 v.H. ihrer jeweiligen Umsatzvorgabe erreichten - d. h. drei Monate die Autokosten zu 100 v.H. trugen - keinen Anspruch mehr auf das Firmenfahrzeug. Insoweit bestand nicht nur eine Umsatzvorgabe, die lediglich der Information und Motivation diente und eine selbstständige Tätigkeit nicht beeinflusste. Im Übrigen ergibt sich aus den von dem Kläger eingereichten Auszügen und aus den Reporten, dass monatlich die Umsatzerlöse der einzelnen Mitarbeiter in einer Rangliste veröffentlicht wurden. Besonders erfolgreiche Mitarbeiter erhielten besondere Folgeprovisionen, entweder in Form von Bargeldzahlungen oder in der Form eines Autos.
Schließlich bestand vertraglich ein umfassendes Weisungsrecht bezüglich der Vermittlungstätigkeit des Klägers.
Zum typischen Bild eines Selbstständigen gehört es, das er Untervertreter einsetzen darf. Beschäftigten Außendienstmitarbeitern steht dieses Recht in der Regel nicht zu. Insoweit kann die Befugnis zur Beschäftigung von eigenen Mitarbeitern und sonstigen Hilfspersonen als Indiz für die Selbstständigkeit herangezogen werden. Das Verbot, Untervertreter einzustellen, entspricht nicht dem Typus des selbstständigen Handelsvertreters und spricht gegen die Selbstständigkeit des im Außendienst Tätigen. Mit der Interessenwahrungspflicht zu Gunsten des Unternehmers lässt sich daher allenfalls eine Vereinbarung rechtfertigen, nach der den Vertreter eine Verpflichtung zur Anzeige der beabsichtigten Einstellung von Untervertretern trifft und der Unternehmer im Einzelfall die Einstellung aus bestimmten Gründen untersagen kann. Dagegen spricht ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt gegen die Selbstständigkeit (vgl. Hanau/Strick, Der Betrieb 1998, Beilage 14, S. 7 ff, 10, m.w.N.). Ein solcher bestand hier. Der Kläger war nach E Nr. 1 Satz 3 des HV-Vertrages nicht berechtigt, ohne schriftliche Einwilligung Untervertreter einzustellen.
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die selbstständige Tätigkeit des Klägers ist die unter E Nr. 1 Satz 1 und 2 getroffenen Vereinbarung.
Grundsätzlich ist die Beschränkung der Tätigkeit auf ein bestimmtes Unternehmen mit der Selbständigkeit unproblematisch vereinbar. Sie besteht schon von Gesetzes wegen im Rahmen des so genannten Wettbewerbs- und Konkurrenzverbots. Danach ist der Handelsvertreter nicht berechtigt, für Unternehmen tätig zu sein, die mit einem bereits vertretenen Unternehmen in Wettbewerb stehen. Auch die weitergehende Beschränkung dahingehend, dass der Betroffene ausschließlich für das vertragsgebundene Unternehmen, also auch nicht für Unternehmen, die in anderen Sparten tätig sind, oder Unternehmen anderer Branchen tätig werden darf, ist mit der Selbstständigkeit ohne weiteres vereinbar. Dies ergibt sich aus § 92a HGB. Dieser Regelung lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass das Unternehmen dem selbstständigen Handelsvertreter jegliche anderweitige Beschäftigung verbieten oder jegliche Beschäftigung unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen dürfte (vgl. Hanau/Strick, a.a.O., m.w.N., S. 11). Nach der o.g. Regelung war dem Kläger jegliche andere Vertretung oder auch Tätigkeit untersagt. Er war damit praktisch gehalten, seiner Arbeitskraft wie ein Arbeitnehmer ausschließlich den Beigeladenen zu 3) und 4) zur Verfügung zu stellen.
Demgegenüber kommt den vertraglichen Vereinbarungen, die für die Selbständigkeit sprechen könnten, qualitativ eine geringere Rolle zu; dies gilt insbesondere für die vereinbarte Berechnung seiner Bezüge. Die (teilweise) Überbürdung des Unternehmerrisikos auf den Dienstpflichtigen weist dann auf das Vorliegen einer selbstständige Tätigkeit hin, wenn und soweit ihm mit dem Risiko zugleich eine entsprechend größere Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird, umgekehrt kann aus einer (teilweisen) Übernahme des Unternehmerrisikos durch den Dienstberechtigten, soweit mit ihr beim Dienstpflichtigen eine gleichzeitige Einschränkung seiner Gestaltungsfreiheit verbunden ist, auf dessen Unselbstständigkeit geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1981, a.a.O.). Beide Varianten treffen in dieser Form auf den Kläger nicht zu. Ihm wurde zwar durch den HV-Vertrag - mit der Ausnahme des zur Verfügung Stellens eines Firmen-PKW - weitestgehend das Unternehmerrisiko überbürdet, es fehlt jedoch aus den genannten Gründen an der Einräumung einer größeren Gestaltungsfreiheit. Wird ein Erwerbstätiger, der im Übrigen nach der Gestaltung des Vertragsverhältnisses als Arbeitnehmer einzustufen wäre, mit zusätzlichen Risiken belastet, so vermag dies keine Selbstständigkeit zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil und Verweisungsbeschluss vom 5. Dezember 1997 - Az.: 16 U 220/96 in NZA-Rechtsprechungs-Report, S. 145 ff:). Im Hinblick auf die genannten Indizien, die für eine abhängige Tätigkeit sprechen, kann auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger seinen Urlaub von den Beigeladenen zu 3) und 4) genehmigen lassen musste oder diese lediglich informieren sollte. Diesem Merkmal kommt nur eine untergeordnete Rolle zu. Dies gilt auch für die formalen Kriterien der Gewerbeanmeldung, der Zahlung von Umsatzsteuer und des Führens der Berufsbezeichnung Handelsvertreter. Allein aus der entsprechenden Bezeichnung des Klägers kann nicht geschlossen werden, dass er tatsächlich entsprechend zu qualifizieren ist.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats ist auch nicht erwiesen, dass die tatsächliche Handhabung von den vertraglichen Vereinbarungen abwich (was der Kläger bestreitet). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen zu 3) und 4) im Wesentlichen eine der vertraglichen Vereinbarung entsprechende Durchführung voraussetzt. Die Aktualität der jährlich herausgegebenen Firmen- bzw. Regionenregister musste gewährleistet sein, was eine Überprüfung der dort veröffentlichten Daten in regelmäßigen Abständen voraussetzt. Alle im Handelsregister eingetragenen Firmen wurden bereits in den Karteikarten der Beigeladenen zu 3) und 4) erfasst. Der Kläger hatte allein in dem ihm zugewiesenen Bezirk E. ca. 845 Firmen zu betreuen. Weiter gehörten zu seinem Bezirk G., der S., Sa. und W. Die Überprüfung der erfassten Firmen dürfte bereits einen wesentlichen Teil der Arbeitskraft des Klägers in Anspruch genommen haben.
Soweit die Beigeladenen zu 3) und 4) vortragen, dem Kläger habe es frei gestanden, die in den Karteikarten erfassten Firmen aufzusuchen oder nicht, ist dies nicht glaubhaft und wurde vom Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag auch nicht so verstanden. Dass die Kundenwerbung im Ergebnis vorrangiges Ziel der Mitarbeiter war, ist nachvollziehbar und verständlich, spricht aber nicht für die Bedeutungslosigkeit der eindeutigen vertraglichen Regelungen. Die ständige Aktualisierung der Unterlagen war auch nach den Angaben des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) sehr wichtig. Mit deren Geschäftsinteressen war es gerade nicht vereinbar, dass keine Überprüfung der erfassten Daten in regelmäßigen Abständen erfolgte. So haben die Beigeladenen zu 3) und 4) in der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2005 bestätigt, dass die Außendienstmitarbeiter alle in den Karteikarten aufgeführten Kunden aufsuchen sollten und die gespeicherten Daten auf ihre Aktualität überprüfen mussten, weil diese allein durch die Veröffentlichungen im Bundesanzeiger nicht gewährleistet gewesen wäre.
Nicht erkennbar ist, dass sie den Betroffenen (und insbesondere dem Kläger) zu erkennen gaben, mit ihrem Einverständnis dürfe das Vertragsverhältnis abweichend von den vertragswesentlichen Vereinbarungen gehandhabt werden. Insofern fehlt es auch an einer nachvollziehbaren Erklärung dafür, weshalb sie mit dem Kläger überhaupt den HV-Vertrag mit entsprechenden detaillierten Regelungen abgeschlossen auf deren Einhaltung es ihnen dann nach eigenem Bekunden nicht angekommen sein soll. Erklärt wird dies auch nicht durch den Vortrag, es sei ein Vertrag aus den Gründerzeiten der Unternehmen verwendet worden. Die Situation in den neuen Bundesländern mag von der in den alten Bundesländern unterschiedlich gewesen sein (viele Firmen waren nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 3) und 4) nicht im Handelsregister eingetragen). Dann machte die Verpflichtung zur Kontrolle der übergebenen Unterlagen und deren Vollständigkeit und Aktualität aber gerade Sinn.
Insofern ist auch die Aussage der Zeugin H. zur fehlenden Überprüfungsverpflichtung nicht nachvollziehbar. Auf ihre nochmalige Vernehmung konnte angesichts der Ausführungen des gesetzlichen Vertreters der Beigeladenen zu 3) und 4) - den Vertragsparteien des Klägers – in der Sitzung verzichtet werden.
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Tätigkeit in dem streitigen Zeitraum um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in den Fassungen vom 4. November 1982 und vom 13. Juni 1994 und damit um eine versicherungs- und beitragsfreie Tätigkeit handelte, liegen nicht vor. Dagegen sprechend bereits die gezahlten Provisionen.
Wie bereits ausgeführt, setzte der zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 3) und 4) geschlossene HV-Vertrag voraus, dass der Kläger diesen seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung stellte. Eine Tätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich scheidet daher aus und wurde von keinem der Beteiligten vorgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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