L 6 R 558/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 5 RA 2574/03
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 558/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung setzt voraus, dass vorgetragen wird, die angegriffene Entscheidung sei unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ergangen oder entbehre jeder gesetzlichen Grundlage und sei inhaltlich dem Gesetz fremd oder würde zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen.

2. Die Gegenvorstellung dient nicht dazu, einen im Verfahren unterlassenen Vortrag nachzuholen (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 – Az.: B 13 RJ 178/05 B)
Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss vom 16. Februar 2006 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG Beschäftigungszeiten vom 25. Oktober 1962 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hatte. Mit Urteil vom 30. Mai 2005 hat das Sozialgericht Gotha die Klage abgewiesen und dem Kläger Rechtsmissbräuchlichkeitskosten in Höhe von 350,00 Euro auferlegt. Am 8. August 2005 hat dessen Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 14. September 2005 ausgeführt, nach umfangreichen Recherchen, Beiziehung von Dokumenten und sorgfältiger Abwägung aller Umstände sei der Kläger zu dem Entschluss gelangt, die Hauptsache nicht weiter zu verfolgen. Er wende sich aber – beschränkt – gegen die Auferlegung der Kosten.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2006 hat der erkennende Senat den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts Gotha über die Auferlegung von Missbräuchlichkeitskosten als unzulässig abgelehnt. Die Rücknahme der Berufung sei rechtlich dem Fall gleichzustellen, in dem sich ein Kläger von vorn herein nicht gegen die Hauptsacheentscheidung wende. Dies diene der Prozessökonomie und verhindere, dass nur über die Kosten des Verfahrens gestritten werde (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juli 2004 – Az.: B 2 U 84/04 B, nach juris).

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 1. März 2006 zugestellte Entscheidung haben diese am 15. März 2006 ausdrücklich "Gegenvorstellung" eingelegt und die Zulässigkeit ihres Antrags mit den Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. März 2005 (Az.: L 18 SB 93/04), LSG Baden-Württemberg vom 18. November 2005 (Az.: L 8 SB 3940/05 AK-A), LSG Berlin vom 10. Oktober 2004 (Az.: L 3 U 15/04) und LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2004 (Az.: L 3 U 15/04) begründet.

II.

Die Gegenvorstellung ist unzulässig.

Es kann dahingestellt bleiben, ob sie nach dem 1. Januar 2005 mit In-Kraft-Treten des § 178a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) überhaupt noch statthaft ist (bejahend u.a. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 – Az.: B 13 RJ 178/05 B; BFH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 – Az.: VIII B 197/05; a.A.: Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2005 – Az.: L 6 B 12/05 R, 11. Juli 2005 – Az.: L 6 KR 516/04 WA und 7. März 2005 – Az.: L 6 KR 516/04 WA; OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Mai 2005 – Az.: 11 ME 131/05, nach juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Februar 2005 – Az.: 3 S 83/05 in NJW 2005, 920, Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 178a Rdnr. 1).

Selbst wenn dies angenommen wird, ist die hier erhobene Rüge einer angeblichen inhaltlichen Unrichtigkeit des Senatsbeschlusses vom 16. Februar 2006 für die Gegenvorstellung unerheblich. Diese ist nur für wenige Ausnahmefälle möglich und kommt nur in Betracht, wenn die angegriffene Entscheidung unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG)) ergangen ist oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist ("greifbare Gesetzeswidrigkeit"; vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 27. Januar 2004 – Az.: X S 22/03, nach juris) oder zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005, a.a.O.).

Entsprechende Gründe werden nicht ansatzweise vorgetragen. Zudem hat sich der Senat in seinem Beschluss mit der Gegenansicht im Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2004 (a.a.O.) auseinander gesetzt. Eine weitere Auseinandersetzung, insbesondere mit Beschlüssen, die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers erst im Rahmen der Gegenvorstellung eingeführt wurden, erübrigt sich. Diese dient im Übrigen nicht dazu, einen früheren Vortrag nachzuholen (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005, a.a.O.).

Für eine greifbare Gesetzeswidrigkeit (die die Prozessbevollmächtigten zudem entsprechend hätten vortragen müssen) gibt es keine Anhaltspunkte. Bei der Gegenansicht des Klägers müsste das Rechtsmittelgericht im Übrigen grundsätzlich inzident die Hauptsacheentscheidung der Vorinstanz überprüfen, was aber dem Prinzip der Prozessökonomie widerspräche (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juli 2004, a.a.O.).

Der Beschluss ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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