L 2 U 414/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 287/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 414/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin aufgrund eines Unfallereignisses Verletztenrente über den 30. November 2000 hinaus nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. zu gewähren ist.

Die 1954 geborene Klägerin war als Anlagenbedienerin tätig. Beim Kehren des Fußbodens trat sie am 9. Juni 1999 in einen mit Wellpappe abgedeckten Schacht und verstauchte sich den rechten Vorderfuß. Die Unfallanzeige der Arbeitgeberin, der Fa. G. Baustoff GmbH, ging am 17. Juni 1999 bei der Beklagten ein. Die Erstbehandlung fand im Krankenhaus V. statt. Nach dem Durchgangsarztbericht des Chefarztes Dr. D. vom 10. Juni 1999 wurde eine Prellung der rechten Fußwurzel diagnostiziert. Gemäß dem Nachschaubericht des Dr. D. vom 14. Juni 1999 lag eine massive Schwellung und Hämatomverfärbung am Fußrücken des rechten Fußes sowie eine geringe Schwellung auch an der Fußinnenseite vor. Die Röntgenaufnahme des rechten Sprunggelenks und rechten Fußes ergab eine knöcherne Aussprengung aus dem Würfelbein rechts (knöcherne Bandaussprengung). Vom 12. bis 14. Juli 1999 fand eine stationäre Behandlung im Klinikum P. statt, bei der eine frische Thrombose eines Astes einer Vene im Bereich der rechten Wade sowie ein Zustand nach Keilbeinfraktur diagnostiziert wurde. Gemäß dem Bericht des Chefarztes Prof. Dr. Dr. F. vom 29. Oktober 1999 trat unfallbedingt eine unverschobene Sprungbeinhalsfraktur, eine Keilbeinfraktur am rechten Fuß sowie als mittelbare Unfallfolge eine Unterschenkelvenenteilthrombose rechts ein. Nach seiner Einschätzung vom 29. Oktober 1999 betrug die MdE über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus 20 v.H. Nach kurzzeitiger Arbeit stellte sich die Klägerin am 15. November 1999 erneut im Klinikum P. vor. Der rechte Fuß schwelle bei der Arbeit nach einiger Zeit und bereite ihr Schmerzen. Gemäß Durchgangsarztbericht bei Wiedererkrankung stellte Prof. Dr. Dr. F. am 15. November 1999 Arbeitsunfähigkeit zunächst bis 28. November 1999 fest. Im selben Bericht wurde eine leichte Varusstellung des Fußes beschrieben. Nach dem Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 30. März 2000 fand sich bei der Klägerin rechts eine Schwäche der Pronation des rechten Fußes, die eine Fehlhaltung im Sinne einer Supination zur Folge habe. Ursächlich sei eine Teilläsion des Nervus peronaeus rechts durch Druck oder Zerrung bei dem Unfall. Eine weitere Rückbildung sei zu erwarten. Nach dem Bericht des Prof. Dr. Dr. F. vom 14. März 2000 bestünden immer noch Schmerzen im Bereich des Vorfußes sowie eine Fehlstellung des Vorfußes, wohl aufgrund einer Innervationsschwäche von Seiten des Nervus peroneus. Die Klägerin sei ab 16. März 2000 wieder arbeitsfähig. Die MdE betrage 20 v.H. Am 22. Mai 2000 wurde im Klinikum P. eine Kernspintomographie durchgeführt.

Die Beklagte holte ein erstes Rentengutachten des Chirurgen Dr. G. vom 6. Juni 2000 sowie ein neurologisches Zusatzgutachten des Dr. B. vom 6. Juni 2000 ein. Danach wurden eine leichte Schwelltendenz im rechten körperfernen Unterschenkel und am rechten Sprunggelenk, eine schmerzbedingte Fehlhaltung des rechten Fußes, leichte Sensibilitätsstörungen am rechten Fußrücken im Innervationsgebiet des Nervus peroneus, stärkere Vernarbungen im rechten Fußwurzelbereich, ein Reizerguss im rechten oberen und rechten unteren Sprunggelenk sowie ein glaubhafter Belastungsschmerz im rechten Sprunggelenk als unfallbedingt bezeichnet. Die MdE betrage vom 16. März 2000 bis 30. November 2000 20 v.H., ab 1. Dezember 2000 bis auf Weiteres 10 v.H.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2000 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte eine Gesamtvergütung nach einer MdE um 20 v.H. in Höhe von 3.114,99 DM. Die Gesamtvergütung umfasste den Zeitraum vom 17. März 2000 bis 30. November 2000. Danach bestehe eine MdE in rentenberechtigendem Grade voraussichtlich nicht mehr. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie dabei an: "Leichte Sensibilitätsstörungen am Außenrand des rechten Fußes, an den Zehen 3 - 5 rechts und am rechten Fußrücken auf Grund einer Teilschädigung des Nervus suralis rechts und des Nervus peronaeus superficialis rechts, geringe Schwellneigung im rechten körperfernen Unterschenkel und am rechten Sprunggelenk, schmerzbedingte Fehlhaltung des rechten Fußes und Belastungsschmerz im rechten Sprunggelenk, Reizerguss im rechten oberen und unteren Sprunggelenk nach Sprungbeinhalsbruch rechts und Trümmerbruch des 2. Keilbeines der rechten Fußwurzel mit Teilthrombosierung von zwei Unterschenkelvenen." Die Beklagte holte nach Widerspruch vom 28. Juli 2000 ein neuropsychiatrisches Zusatzgutachten des Dr. R. vom Dezember 2000 sowie ein unfallchirurgisches Gutachten des Dr. S. vom 18. April 2001 ein. Nach Ansicht des Dr. R. betrage die unfallbedingte MdE auf neurologischem Gebiet weniger als 10 v.H. Eine somatoforme Störung (Konversionsneurose) sei in der Persönlichkeit der Klägerin begründet und nicht Folge des Unfalls vom 9. Juni 1999. Nach Ansicht des Dr. S. liege auch auf unfallchirurgischem Fachgebiet die MdE unter 10 v.H. Ab 1. Dezember 2000 liege damit keine unfallbedingte Gesamt-MdE mehr vor. Die Bewegungs- und Haltungsstörung des rechten Fußes sei ein Konversionssyndrom, das dem Unfall nicht angelastet werden könne.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2001 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums ab. Auch hiergegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein. Er legte ein freies chirurgisches Gutachten des Arztes Al-Hamawi vom 7. August 2001 vor, nach dem die MdE 20 v.H. betrage. Es bestehe eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Fußes um 4/10. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Juli 2000 wies die Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klagen beim Sozialgericht Landshut erhoben. Das Verfahren betreffend des Bescheides vom 13. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 (Az.: S 13 U 19/03) hat sie für erledigt erklärt. Im Übrigen hat sie beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 abzuändern und der Klägerin Verletztenrente über den 30. November 2000 hinaus zu gewähren. Das Sozialgericht hat Befundberichte, Röntgenaufnahmen und den Operationsbericht über eine am 1. Oktober 2002 durchgeführte Arthroskopie des rechten oberen Sprunggelenks eingeholt und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. sowie den Arzt für Orthopädie Dr. V. F. mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 24. Juni 2003 fest, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Folgen des Unfalls vom 9. Juni 1999 mehr gegeben seien. Eine periphere Nervenschädigung im Bereich des rechten Fußes könne mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf orthopädischem Fachgebiet liegen gemäß dem Gutachten des Dr. F. vom 29. Juni 2003 und der ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2003 unfallbedingt in anatomischer Stellung verheilte Frakturen des Sprungbeinhalses und des 2. Keilbeines, eine allenfalls geringe endgradige Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes sowie eine diskrete Muskelminderung an der rechten Wade vor. Eine höhere MdE als 10 v.H. lasse sich auf orthopädischem Gebiet nicht begründen; die Gesamt-MdE betrage ab 1. Dezember 2000 10 v.H. Mit Urteil vom 1. Dezember 2003 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei weitgehend den gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. und Dr. K ...

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass bei ihr eindeutig ein Nervenleiden den Beschwerden zugrunde liege. Auf verschiedene Berichte des behandelnden Chirurgen Dr. H. wurde verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachten des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L ... Nach dem Gutachten vom 3. Dezember 2004 ist es bei dem Ereignis vom 9. Juni 1999 bei der Klägerin zu einer schweren Mittelfußdistorsion mit nicht dislozierten Frakturen zweier Fußwurzelknochen gekommen. Diese Verletzungen seien unter Gipsruhigstellung zeitgerecht ausgeheilt. Ein unfallbedingter Nervenschaden sei bei widersprüchlichen aktenkundigen Befunden der verschiedenen neurologischen Untersucher und sowohl ungeeignetem Unfallmechanismus als auch unfalluntypischem Beschwerdeverlauf nicht wahrscheinlich zu machen. Die gegenwärtige Beeinträchtigung der Klägerin beim Stehen, Gehen und Treppensteigen erwachse so gut wie ausschließlich aus der beschriebenen funktionellen Störung. Ursache hierfür seien jedoch nicht unfallbedingte Gewebeveränderungen, sondern eine zwar unbewusste, dennoch aktive muskuläre Fehlsteuerung im Sinne einer Konversionsneurose, wobei es sich nicht um eine Unfallfolge, sondern um die Ausgestaltung persönlichkeitsimmanenter Faktoren handele. Die bildgebenden Untersuchungen hätten im gesamten Behandlungsverlauf keine Hinweise auf eine posttraumatische Arthrose ergeben. Das vermutete Narben- oder Weichteilimpingement im oberen Sprunggelenk sei niemals sicher nachgewiesen worden. Auch sei die Klägerin bei der aktuellen Untersuchung bei Ablenkung durchaus in der Lage gewesen, den Fußaußenrand aktiv zu stabilisieren und zu heben. Eine unfallbedingte Nervenläsion scheide mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Als Folge des Unfalls sei bei der Klägerin heute allenfalls noch eine geringfügige Weichgewebsfibrosierung im Fußwurzel- und Mittelfußbereich vorhanden, die eine geringfügige Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk verursachte. Die MdE betrage deshalb 10 v.H. Angesichts der eindeutigen Sachlage werde die Einholung eines Zusatzgutachtens auf neurologischem oder auf psychiatrisch-psychologischem Fachgebiet nicht für erforderlich gehalten.

Ein klägerischer Antrag vom 3. Januar 2005 auf Ablehnung des medizinischen Sachverständigen wegen Befangenheit wies der Senat mit Beschluss vom 25. Februar 2005 zurück. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies ferner darauf hin, dass die Klägerin vom 14. Juni bis 3. Oktober 2004 arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen sei. Nach einer Stellungnahme des MDK in Bayern vom 17. September 2004 stehe der jetzige Krankenstand in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall von 1999. Es müsse unbedingt geklärt werden, wie weit die jetzige Problematik im Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2003 und unter Abänderung des Bescheides vom 12. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 zu verurteilen, der Klägerin über den 30. November 2000 hinaus eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII, der in dem Ereignis vom 9. Juni 1999 zu sehen ist und von der Beklagten mit Bescheid vom 12. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 bereits anerkannt wurde. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie dabei an: "Leichte Sensibilitätsstörungen am Außenrand des rechten Fußes, an den Zehen 3 - 5 rechts und am rechten Fußrücken auf Grund einer Teilschädigung des Nervus suralis rechts und des Nervus peronaeus superficialis rechts, geringe Schwellneigung im rechten körperfernen Unterschenkel und am rechten Sprunggelenk, schmerzbedingte Fehlhaltung des rechten Fußes und Belastungsschmerz im rechten Sprunggelenk, Reizerguss im rechten oberen und unteren Sprunggelenk nach Sprungbeinhalsbruch rechts und Trümmerbruch des 2. Keilbeines der rechten Fußwurzel mit Teilthrombosierung von zwei Unterschenkelvenen." Zu entscheiden ist jedoch über die Frage, ob aufgrund noch bestehender Beschwerden der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenks über den 30. November 2000 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren ist.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; vom 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; vom 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28).

Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Bewertung der MdE sind die von der Rechtsprechung und von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung in jedem Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über den 30. November 2000 hinaus die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dies ergibt sich aus dem schlüssigen Gutachten des Dr. L. vom 21. Oktober 2004 sowie dem Ergebnis der im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. K. vom 24. Juni 2003 auf neurologischem Fachgebiet sowie des Dr. F. vom 29. Juni 2003 auf orthopädischem Fachgebiet.

Bei dem Unfallereignis vom 9. Juni 1999 ist es bei der Klägerin zu einer schweren Mittelfußdistorsion mit nicht dislozierten Frakturen zweier Fußwurzelknochen gekommen. Diese Verletzungen heilten unter Gipsruhigstellung zeitgerecht aus. Die Klägerin gibt derzeit noch Beschwerden bzw. Schmerzen an, wenn sie länger gehen oder stehen muss sowie beim Treppensteigen, beim Aufstehen und Gehen auf unebenem Boden. Nach Ansicht des MDK in der Stellungnahme vom 17. September 2004 ist die zuletzt kurzfristig ausgeübte Tätigkeit als Druckereihelferin mit häufigem Stehen und Umhergehen ungeeignet. Wie der medizinische Sachverständige Dr. L. jedoch eingehend darlegt, sind die beklagten subjektiven Beschwerden der Klägerin nur schwer in Einklang mit den klinischen Befunden zu bringen. Ein unfallbedingter Nervenschaden ist bei widersprüchlichen aktenkundigen Befunden der verschiedenen neurologischen Untersucher und sowohl ungeeignetem Unfallmechanismus als auch unfalluntypischem Beschwerdeverlauf nicht wahrscheinlich zu machen. Dr. L. führte hierzu überzeugend aus, dass die bildgebenden Untersuchungen im gesamten Behandlungsverlauf keine wesentlichen Sekundärveränderungen im Sinne einer posttraumatischen Arthrose ergaben, wie man dies bei anhaltenden Beschwerden eigentlich erwarten würde. Das vermutete Narben- oder Weichteilimpingement im oberen Sprunggelenk war niemals sicher nachgewiesen worden; die diesbezüglich durchgeführte arthroskopische Operation zeigte dann auch keinerlei Erfolg. Auch war die Klägerin bei der aktuellen Untersuchung bei Ablenkung durchaus in der Lage, den Fußaußenrand aktiv zu stabilisieren und zu heben, wenn auch ansonsten der Vorfuß ständig, teils heftig, teils weniger heftig, durch aktive Muskelkontraktion in eine beschriebene Inversions-Supination-Sichelfußstellung gezogen wurde. Eine unfallbedingte Nervenläsion scheidet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus. Es fand nämlich bei dem Unfallereignis kein Anprall des Fußaußenrandes, der Außenseite des Sprunggelenkes oder des Unterschenkels an einem Hindernis statt. Vielmehr wurden Nervenstörungen erst viele Monate nach dem Ereignis geklagt und dokumentiert. Bei einer verletzungsbedingten, traumatischen Nervenläsion träte demgegenüber ein eventueller Funktionsverlust sofort, unmittelbar zum Zeitpunkt der Verletzung auf. Eine Manifestation eines verletzungsbedingten Nervenschadens viele Monate nach dem Ereignis ist nicht vorstellbar.

Insoweit ist auch auf das neurologische Gutachten des Dr. K. vom 24. Juni 2003 zu verweisen. Danach bestanden bei der Klägerin keine trophischen Muskelstörungen, weder im Bereich der vom Nervus peronaeus versorgten Fuß- und Zehenheber, noch im Bereich der vom Nervus tibialis versorgten Flexoren. Die Gebrauchsspuren waren seitengleich ausgeprägt; die Reflexe zeigten sich in beiden Beinen in normaler Stärke. Pathologische Reflexe fanden sich nicht. Auch elektromyographisch und elektroneurographisch ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine periphere Nervenschädigung im Bereich des rechten Beines. Die gemessenen motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten lagen im Normbereich. Eine periphere Nervenschädigung im Bereich des rechten Fußes - der ausschließlich von Unfallfolgen betroffen war - ist somit mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Wollte man der Ansicht des Dr. L. folgen, müsste man eine Schädigung des Nervus peronaeus im Unterschenkelbereich postulieren, die jedoch vom Unfallablauf her nicht vorgelegen habe.

Nach der Darstellung des medizinischen Sachverständigen Dr. L. erwächst die gegenwärtige Beeinträchtigung der Klägerin so gut wie ausschließlich aus der funktionellen Störung. Die funktionelle Fehlstellung des Vorfußes war erst mehrere Monate nach dem Ereignis beobachtet worden. Die Veränderung zeigte im Verlauf eine kontinuierliche Progredienz, ohne dass ein morphologisches Korrelat für die Veränderung gefunden werden konnte. Die einzig plausible Erklärung hierfür bietet die auch vom Vorgutachter Dr. R. getroffene Feststellung, dass die beobachtete Bewegungsstörung zwar unbewusst, aber aktiv herbeigeführt wird im Sinne einer Konversionsneurose. Dies deckt sich auch mit den objektiven Befunden. Bei der fast konstant beibehaltenen Vorfuß-Fehlhaltung handelt es sich nach nunmehr fünfjährigem Vorhandensein des Befundes nach dieser Zeit nicht um eine bindegewebig fixierte Fehlhaltung, was bei einer organischen Ursache der Veränderung zu erwarten wäre. Die Fehlhaltung ist reversibel und redressierbar. Es findet sich keineswegs die eigentlich zu erwartende übermäßige Beschwielung des Fußaußenrandes im Vergleich zum gesunden Fuß. Auch röntgen-morphologisch fehlten Sekundärveränderungen. Die auf den im Verlauf angefertigten Kernspinaufnahmen erkennbaren leichten Ergussbildungen im oberen und unteren Sprunggelenk sind nicht als Folge unfallbedingter Gelenkveränderungen zu interpretieren, sondern als überlastungsbedingter Reizzustand bei aktiv herbeigeführter, muskulär gehaltener Vorfußfehlstellung. Es handelt sich bei den Beschwerden somit nicht mehr um eine Unfallfolge, sondern um die Ausgestaltung persönlichkeitsimmanenter Faktoren.

Dies deckt sich im Ergebnis auch mit dem Gutachten des Dr. F. vom 29. Juni 2003, wonach unfallbedingt bei in anatomischer Stellung verheilten Frakturen des Sprungbeinhalses und des 2. Keilbeines eine allenfalls geringe endgradige Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes sowie eine diskrete Muskelminderung an der rechten Wade vorliegt. Dass nach dem Befund das rechte Sprunggelenk gegenüber dem linken um insgesamt 40 Grad weniger bewegt werden könne, ist radiologisch nicht zu verifizieren. Im oberen und unteren Sprunggelenk liefen keine eindeutigen Verschleißerscheinungen ab. Etwas anderes ergab sich auch nicht aufgrund der kernspintomographischen Befunde vom 22. Mai 2000. Messtechnisch war im Übrigen das rechte Bein nur am Unterschenkel diskret abgemagert.

Das Gutachten des Dr. L. ist in Befunderhebung, Diagnose und Beurteilung umfassend und gründlich; es basiert auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 3. Dezember 2003. Entgegen der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Januar 2005 hatte der Senat keine Bedenken, dieses Gutachten seiner Beurteilung zugrunde zu legen, zumal es sich, wie dargelegt, weitgehend mit den Ergebnissen der Gutachten des Dr. K. und des Dr. F. , aber auch mit denen der von der Beklagten eingeholten Gutachten deckt.

Durch das Ereignis vom 9. Juni 1999 kam es somit bei der Klägerin zu der dargelegten schweren Mittelfußdistorsion mit nicht dislozierten Frakturen zweier Fußwurzelknochen; diese Verletzungen sind unter Gipsruhigstellung zeitgerecht ausgeheilt. Eine schwere Nervenschädigung vermag der Senat nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung nicht zu erkennen. Als Folge des Unfalls ist heute allenfalls noch eine geringfügige Weichgewebsfibrosierung im Fußwurzel- und Mittelfußbereich vorhanden, die eine geringfügige Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk verursacht. Die MdE beträgt deshalb auch nach Einschätzung des medizinischen Sachverständigen Dr. L. 10 v.H.

Dies entspricht auch der Einschätzung in der Fachliteratur. Einer MdE um 20 v.H. entspräche beispielsweise eine Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 - 110 Grad zum Unterschenkel (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 746). Einer MdE um 0 bis 10 v.H. entspricht ein Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel mit Verbreiterung der Knöchelgabel oder Sprengung der Bandverbindung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.) verheilt ist. Im Vergleich zu derartigen Bewertungen der Funktionseinschränkungen ist bei den vorliegenden Beeinträchtigungen der Klägerin eine MdE um 10 v.H. anzusetzen.

Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente über den 30. November 2000 hinaus nach einer MdE um mindestens 20 v.H. hat. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut war daher zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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