Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 606/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 50/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
In der Bekanntgabe einer Verwaltungsangestellten des Prüfungsausschusses über das Beratungsergebnis bzgl. einer Regressforderung vor Absetzung des Prüfbescheides gegenüber dem Büro des Bevollmächtigten einer Arztpraxis ist keine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, sondern lediglich eine Mitteilung über das Beratungsergebnis zu sehen. Hierbei handelte es sich nur um eine Mitteilung über den Verfahrensstand. Ein zu diesem Zeitpunkt eingelegter Widerspruch ist unzulässig.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit des Widerspruchs der Klägerin und hierbei um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl. eines Regressbescheides wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Leistungen in den sechs Quartalen I/99 bis II/00 in Höhe von 41.836,36 Euro.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis in X., bestehend aus der niedergelassenen Orthopädin Dr. med. G. und dem niedergelassenen Orthopäden Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt C ...
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen verhandelte am 09. Oktober 2002 auf Antrag der Verbände der Krankenkassen in Hessen wegen der Überprüfung der Verordnungsweise bei physikalisch-therapeutischen Leistungen durch die Klägerin in den Quartalen I/1999 bis II/2000. In der Sitzung wurden Dr. H. und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin angehört. Nachdem diese die Sitzung verlassen hatten, fasste der Prüfungsausschuss in geheimer Beratung den Beschluss, für die Abrechnungsquartale I/1999, III/1999 bis II/2000 einen Regress in Höhe von insgesamt 41.836,36 EUR festzusetzen; für das Quartal II/99 erteilte er einen Hinweis.
Am 29. Oktober 2002 ging bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses ein Telefax des Prozessbevollmächtigten ein, in dem dieser namens der Klägerin gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses Beschwerde einlegte. Eine Begründung sollte einem späteren Schreiben vorbehalten sein.
Der Bescheid des Prüfungsausschusses wurde am 19. März 2003 ausgefertigt und zur Post gegeben und an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt.
Am 12. November 2003 nahmen Frau und Herr Dr. G. und H. Akteneinsicht bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses bezüglich eines Prüfverfahrens für die Quartale I und II/01. Hierbei wurden sie darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid vom 19.03.2003 kein Widerspruch eingelegt worden sei und der Regressbetrag zur Buchung anstehe. Frau und Herr Dr. G. und H. erklärten, sich hierzu noch zu äußern.
Am 01. Dezember 2003 ging bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses ein Schreiben der Klägerin vom 25. November 2003 ein, in dem diese Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. März 2003 einlegte und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellte. Zur Begründung führte sie aus, der Beschluss sei ihrem Rechtsanwalt zugegangen, ein Zugang bei ihr könne aber nicht festgestellt werden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe sie mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid des Prüfungsausschusses hingewiesen, dieses Schreiben habe sich jedoch mit einem anderen Schreiben, einer einfachen Werbeschrift verklebt und sei erst nach intensivem Suchen bei alten Werbebroschüren aufgefunden worden.
Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 11. April 2004 ergänzend aus, er habe seiner Mandantin mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid und die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, gerechnet ab dem 20. März 2003, informiert, er habe aber keine Antwort erhalten. Die Mandantin sei davon ausgegangen, dass das Rechtsmittel ohnehin eingelegt würde, so dass die Frist ungenutzt verstrichen sei. Dies beruhe darauf, dass Ärzte in rechtlichen Dingen nicht sonderlich bewandert seien, er selbst habe keinen Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erkennen können.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2005 aufgrund der Sitzung vom 11. Mai 2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Der Beschluss wurde am 13. Juli dem Prozessbevollmächtigten zugestellt. Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch sei unzulässig, weil er verspätet erhoben worden sei. Der genaue Termin der Zustellung des Bescheides vom 19. März 2003 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei zwar nicht mehr zu rekonstruieren. Nach dem Vortrag der Klägerin vom 25. November 2003 sei sie aber von ihrem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid und die Möglichkeit einer Rechtsmitteleinlegung hingewiesen worden. Gehe man zugunsten der Klägerin von einer Zustellung am 27. März 2003 aus, sei die Monatsfrist des § 84 SGG am 27. April 2003 abgelaufen. Die Widerspruchsschrift sei am 01. Dezember 2003 bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses eingegangen und daher verfristet gewesen. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten vom 29. Oktober 2002 sei nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. März 2003 zu werten, weil der Inhalt des Beschlusses weder der Klägerin noch ihrem Prozessbevollmächtigten bekannt gewesen sei, es habe also noch kein Verwaltungsakt vorgelegen, gegen den ein Widerspruch zulässig gewesen wäre. Schließlich komme mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 SGG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugunsten der Klägerin nicht in Frage, weil die Klägerin ein Verschulden wenigstens in Form der Fahrlässigkeit treffe, da der Posteingang der Praxis nicht mit der gebotenen Sorgfalt kontrolliert worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzung des § 67 Abs. 2 SGG vorliege, wonach binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung beantragt werden müsse. Es ergebe sich aus dem Vorbringen weder ein solcher Zeitpunkt noch sei ihm zu entnehmen, weshalb der Brief erst 8 Monate nach Eingang in alten Werbebroschüren gesucht und gefunden worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. August 2005 die Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, es sei jedem Arzt gestattet, Heilmittel statt Arzneimittel zu verordnen, wenn die verordnete Menge dem Regelwerk des Heilmittelkataloges angepasst werde. Gleiches gelte, wenn er nachzuweisen in der Lage sei, dass im Kompensationswege entsprechende Einsparungen an Arzneimitteln u. a. zur Anwendung kommenden Verfahren und Stoffen erzielt würden. Im Übrigen ergebe sich durch eine Vielzahl von Ärzten, die wegen der Inanspruchnahme der ambulanten Rehabilitation keine Heilmittel abgäben, ein Nullstellenproblem, da diese keinen einzigen Punkt für die Verordnung physikalisch-medizinischer Therapie verbrauchten und infolgedessen den Durchschnitt der Arztgruppe senkten. Insoweit müsse die Vergleichsgruppe beim statistischen Vergleich bereinigt werden. Schließlich behalte sie sich weiteren Vortrag hinsichtlich nicht berücksichtigter Zusatzbudgets und eingesparter Maßnahmen im Arzneimittelbereich für einen späteren Schriftsatz vor. Am 10.10.2002 habe Frau N., eine damalige Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten, bei Frau K. vom Prüfungsausschuss angerufen. Dieses Gespräch sei am Vortag in der Sitzung mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vereinbart worden. Frau K. habe die Regressbeträge pro Fall und Quartal angegeben. Das Schreiben vom 29. Oktober 2002 habe sich ausdrücklich gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses gerichtet. Die Bekanntgabe des Beschlusses sei zuvor erfolgt. Dies sei mit dem Prüfungsausschuss vereinbart gewesen. Andernfalls hätte dieser darauf hinweisen können, dass die Bekanntgabe schriftlich erfolgen werde und eine frühere Information unterbleibe.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 12. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Widereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und über ihren Widerspruch neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, ein Verwaltungsakt müsse mit Wissen und Wollen der Behörde nach außen gegeben werden. Bei einem Kollegialorgan könne die Bekanntgabe nur durch das Prüfgremium selbst erfolgen. Eine mündliche Bekanntgabe könne auch im Anschluss an die Sitzung erfolgen oder durch Zustellung des Bescheides. Die inhaltliche Wiedergabe des Ergebnisses der Beratung und der Beschlussfassung durch Frau K. sei keine formelle Bekanntgabe gewesen. Ein bereits vorher eingelegter Widerspruch sei unzulässig und bleibe dies auch, wenn der Verwaltungsakt später ergehe. Im Übrigen verweist er auf seinen angefochtenen Beschluss.
Die Beigeladenen zu 1) bis 6) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 7) und 8) haben keinen Antrag gestellt. Alle Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 15. August 2005 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie konnte dies trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 7) und 8) in der mündlichen Verhandlung tun, weil diese ordnungsgemäß geladen worden sind.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 12. Juli 2005 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und über ihren Widerspruch neu zu entscheiden.
Der Widerspruch der Klägerin war verfristet.
Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides durch Zustellung an den damaligen Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach § 85 Abs. 3 S. 2 SGG i.V.m. § 8 Verwaltungszustellungsgesetz lässt hier zwar nicht mehr feststellen, da nur der Zeitpunkt der Ausfertigung des Bescheides am 19. März 2003 und die Erwähnung des Bescheides im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vom 27. März 2003 feststeht. Geht man zugunsten der Klägerin aber vom hiernach spätesten Zeitpunkt, dem 27. März 2003 aus, hätte sie den Widerspruch bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 27. April 2004 einlegen müssen. Unstreitig ist dies nicht geschehen. Wie sich aus der vorliegenden Verwaltungsakte ergibt, ist der Widerspruch der Klägerin vom 25. November 2003 bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses am 01. Dezember 2003 und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingegangen, so dass er verfristet war.
Maßgeblich war auch die Monatsfrist, da der Bescheid des Prüfungsausschusses mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war (vgl. § 66 Abs. 1 SGG).
Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29. Oktober 2002 eingelegte "Beschwerde" war kein zulässiger Widerspruch gegen den vom Prüfungsausschuss am 09. Oktober 2002 gefassten Beschluss, der dann mit Bescheid vom 19. März 2002 bekanntgegeben wurde. Ein Widerspruch ist grundsätzlich erst ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4c), er wird auch nicht durch das spätere Ergehen eines Verwaltungsakts zulässig (vgl. BVerwG BayVBl. 1985, 605 m.w.N.). Es ist aber anerkannt, dass ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt zulässig ist, wenn dessen Inhalt mit Wissen und Wollen der Behörde vor der schriftlichen Bescheidung bekanntgegeben wird (vgl. BVerwGE 25, 20). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weder dem Prozessbevollmächtigten noch der Klägerin war der Inhalt des Beschlusses bekannt, da dieser in geheimer Beratung gefasst worden war, nachdem sie die Sitzung verlassen hatten. In der Mitteilung der Verwaltungsangestellten Frau K. gegenüber dem Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist keine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, sondern lediglich eine Mitteilung über das Beratungsergebnis zu sehen. Hierbei handelte es sich nur um eine Mitteilung über den Verfahrensstand. Wegen der fehlenden Bekanntgabe war der Bescheid des Prüfungsausschusses grundsätzlich noch änderbar. Eine abschließende im Sinne einer bindenden Entscheidung lag nicht vor. Hiervon kann frühestens mit Übergabe des vollständig abgefassten Beschlusses zur Ausfertigung an die Geschäftsstelle ausgegangen werden oder aber durch unmittelbare mündliche Bekanntgabe durch den Prüfungsausschuss selbst, d. h. durch seinen Vorsitzenden. Ergeht in diesem Verfahrensstadium die Mitteilung der Geschäftsstelle über den Inhalt der Entscheidung bzw. durch Verlesen des Bescheidtenors, so könnte darin eine vorgezogene mündliche Bekanntgabe gesehen werden. Entsprechend war die Konstellation in einem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall; dort hatte der Beamte, der einen ablehnenden Bescheid selbst bereits unterzeichnet hatte, danach dem Betroffenen Kenntnis gegeben, weshalb das Gericht eine Beschwer bereits als gegeben ansah (vgl. BverwG, Urt. v. 31.08.1966, Az.: V C 42.65, BVerwGE 25, 20 = Buchholz 427.3 § 336, LAG Nr. 2, zitiert nach juris). Jener Sachverhalt ist aber mit dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt nicht zu vergleichen
Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt telefonisch vorweg informatorisch mitgeteilt, so wird er erst mit dem Zugang des Schriftstücks i. S. d. § 37 SGB X bekanntgegeben. Anders ist es bei einem mündlich, ggf. telefonisch erlassenen, nur schriftlich bestätigten Verwaltungsakt i. S. d. § 33 Abs. 2 S. 2 SGB X. Obgleich bereits mit der telefonischen Mitteilung der beabsichtigten Regelung faktische Wirkungen ausgehen (der Betroffene richtet sich u. U. danach), kann er nicht als existent angesehen werden in dem Sinn etwa, dass er nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X abgeändert werden könnte (so zutreffend Stelkens in: ders./Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 41, Rdnr. 5a). Auch soweit die telefonische Mitteilung mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses verabredet gewesen sein soll, so liegt darin keine förmliche Bekanntgabe. Zu diesem Zeitpunkt waren die Entscheidgründe noch nicht abgefasst. Der Beschluss war lediglich tenoriert, aber weder vollständig abgefasst noch gar ausgefertigt. Eine Bindungswirkung bestand für den Prüfungsausschuss hieran nicht. Mit der Mitteilung des Tenors wurde die Klägerin nur vorab informiert. Es handelte sich nicht um die vorzeitige Bekanntgabe einer vollständig abgefassten Entscheidung.
Auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte die Mitteilung der Frau K. offensichtlich nicht als Bekanntgabe angesehen, weshalb er die Klägerin erst nach Zugang des Beschlusses des Prüfungsausschusses wegen der möglichen Einlegung eines Rechtsbehelfes angeschrieben hatte. Mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses des Prüfungsausschusses bestand eine hinreichende Rechtsschutzmöglichkeit.
Auf die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht kein Anspruch, da es an ihren Voraussetzungen fehlt.
Grundsätzlich ist die Vorschrift des § 67 SGG auch im Widerspruchsverfahren anzuwenden, § 84 Abs. 2 S. 3 SGG. Hiernach ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 67 Abs. 1 SGG. Es liegt zwar ein Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung vor und bei der Frist des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG handelt es sich um eine gesetzliche Verfahrensfrist. Der Klägerin ist aber wenigstens Verschulden in Form der Fahrlässigkeit vorzuhalten, weil sie ihren Posteingang nicht mit ausreichender Sorgfalt kontrolliert hat. Hierbei ist zu beachten, dass keine überspannten Anforderungen an die Vorkehrungen zu stellen sind, die Betroffene gegen die Versäumnis von Fristen ergreifen müssen, weil § 67 die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, sichert (BVerfGE 88, 118; 40, 46; NJW 2004, 2887, NJW 1998, 3703). Der Grund für die Verzögerung muss in der Sphäre des Betroffenen liegen (BVerfG NJW 1997, 1770; BVerfGE 41, 23 m.w.N.), wobei an rechtskundige und geschäftsgewandte Personen größere Anforderungen zu stellen sind (BSGE 38, 248; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Keller, SGG, 8. Aufl., § 67 Rn. 3d). Eine Einstufung der mangelhaften Posteingangskontrolle der Klägerin als Verschulden, das die Gewährung einer Wiedereinsetzung ausschließt, wird diesen Maßstäben gerecht. Die Organisation und Durchführung der Kontrolle des täglichen Posteingangs ist eine ausschließlich in der Sphäre der Klägerin liegende Risikoquelle; zudem muss diese als Gemeinschaftspraxis mit drei Behandlern ständig mit dem Eingang in medizinischer – oder hier wegen des Verfahrens vor dem Prüfungsausschuss juristischer – Hinsicht wichtiger Schriftstücke rechnen, die nicht aus Unachtsamkeit im Geschäftsgang verloren gehen dürfen. Eine Durchsicht, die die Vermeidung einer fehlerhaften Einsortierung oder versehentlicher Beseitigung wichtiger Schreiben ausschließt, überspannt auch nicht die Anforderungen, die an die Klägerin hinsichtlich des Postempfangs zu stellen sind, zumal die Klägerin nach eigenem Vorbringen sogar alte Werbebriefe und –broschüren u. ä. noch nach dem Ablauf eines Zeitraums von ca. 8 Monaten verfügbar hält. Hierfür spricht auch, dass das Auffinden des Schreibens nun – bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt – wieder möglich war. Die Verwirklichung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 SGG und das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG werden gerade durch die vom Verwaltungszustellungsgesetz vorgesehene Zustellung des Bescheides an den Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten geschützt und gestärkt. Wenn eine solche Zustellung erfolgt ist, liegt das Risiko eines Fehlschlags der Kommunikation zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Klägerin grundsätzlich in deren Risikosphäre und erfordert zu seiner Vermeidung ein Maß an zumutbarer Sorgfalt, das die Klägerin hier nicht gewahrt hat.
Darüber hinaus erfordert der Erfolg eines Wiedereinsetzungsantrags auch, dass nach § 67 Abs. 2 S. 2 SGG die zur Begründung erforderlichen Tatsachen glaubhaft gemacht werden, hierbei genügt das Vorliegen überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG v. 11.11.03, B 2 U 293/03 B; BGH NJW 2001, 2336). Dies gilt auch für die Einhaltung der Antragsfrist des § 67 Abs. 2 S. 1 SGG, wonach der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist. Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, wann sie Kenntnis von der Existenz des verlegten Schreibens erlangte, also zu welchem Zeitpunkt das Hindernis, einen Widerspruch zu erheben, wegfiel, so dass die Einhaltung der Frist nicht festgestellt werden kann. Infolgedessen mangelt es auch insoweit an den Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrages.
Das Schreiben des Prüfungsausschusses mit Datum vom 05.11.2002 war keine Bestätigung für einen eingelegten Widerspruch. Darin wird dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 05.11.2002 eingegangen sei. Bereits von daher scheidet eine Wiedereinsetzung nach Grundsätzen schutzwürdigen Vertrauens aus. Entscheidend ist zudem, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und damit auch die Klägerin selbst auf dieses Schreiben nicht vertraut haben, bereits fristgemäß Widerspruch eingelegt zu haben. Andernfalls hätte es nicht der Anfrage des Prozessbevollmächtigten an die Klägerin bedurft, ob nunmehr Widerspruch eingelegt werden soll.
Folglich ist der angegriffene Bescheid des Berufungsausschusses nach § 77 SGG formell bestandskräftig geworden, weil der Widerspruch nicht fristgemäß eingelegt worden ist.
Von daher war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG, § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit des Widerspruchs der Klägerin und hierbei um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl. eines Regressbescheides wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Leistungen in den sechs Quartalen I/99 bis II/00 in Höhe von 41.836,36 Euro.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis in X., bestehend aus der niedergelassenen Orthopädin Dr. med. G. und dem niedergelassenen Orthopäden Dr. H. und dem niedergelassenen Arzt C ...
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen verhandelte am 09. Oktober 2002 auf Antrag der Verbände der Krankenkassen in Hessen wegen der Überprüfung der Verordnungsweise bei physikalisch-therapeutischen Leistungen durch die Klägerin in den Quartalen I/1999 bis II/2000. In der Sitzung wurden Dr. H. und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin angehört. Nachdem diese die Sitzung verlassen hatten, fasste der Prüfungsausschuss in geheimer Beratung den Beschluss, für die Abrechnungsquartale I/1999, III/1999 bis II/2000 einen Regress in Höhe von insgesamt 41.836,36 EUR festzusetzen; für das Quartal II/99 erteilte er einen Hinweis.
Am 29. Oktober 2002 ging bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses ein Telefax des Prozessbevollmächtigten ein, in dem dieser namens der Klägerin gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses Beschwerde einlegte. Eine Begründung sollte einem späteren Schreiben vorbehalten sein.
Der Bescheid des Prüfungsausschusses wurde am 19. März 2003 ausgefertigt und zur Post gegeben und an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt.
Am 12. November 2003 nahmen Frau und Herr Dr. G. und H. Akteneinsicht bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses bezüglich eines Prüfverfahrens für die Quartale I und II/01. Hierbei wurden sie darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid vom 19.03.2003 kein Widerspruch eingelegt worden sei und der Regressbetrag zur Buchung anstehe. Frau und Herr Dr. G. und H. erklärten, sich hierzu noch zu äußern.
Am 01. Dezember 2003 ging bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses ein Schreiben der Klägerin vom 25. November 2003 ein, in dem diese Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. März 2003 einlegte und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellte. Zur Begründung führte sie aus, der Beschluss sei ihrem Rechtsanwalt zugegangen, ein Zugang bei ihr könne aber nicht festgestellt werden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe sie mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid des Prüfungsausschusses hingewiesen, dieses Schreiben habe sich jedoch mit einem anderen Schreiben, einer einfachen Werbeschrift verklebt und sei erst nach intensivem Suchen bei alten Werbebroschüren aufgefunden worden.
Hierzu führte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 11. April 2004 ergänzend aus, er habe seiner Mandantin mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid und die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels, gerechnet ab dem 20. März 2003, informiert, er habe aber keine Antwort erhalten. Die Mandantin sei davon ausgegangen, dass das Rechtsmittel ohnehin eingelegt würde, so dass die Frist ungenutzt verstrichen sei. Dies beruhe darauf, dass Ärzte in rechtlichen Dingen nicht sonderlich bewandert seien, er selbst habe keinen Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erkennen können.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2005 aufgrund der Sitzung vom 11. Mai 2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Der Beschluss wurde am 13. Juli dem Prozessbevollmächtigten zugestellt. Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch sei unzulässig, weil er verspätet erhoben worden sei. Der genaue Termin der Zustellung des Bescheides vom 19. März 2003 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei zwar nicht mehr zu rekonstruieren. Nach dem Vortrag der Klägerin vom 25. November 2003 sei sie aber von ihrem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 27. März 2003 auf den Bescheid und die Möglichkeit einer Rechtsmitteleinlegung hingewiesen worden. Gehe man zugunsten der Klägerin von einer Zustellung am 27. März 2003 aus, sei die Monatsfrist des § 84 SGG am 27. April 2003 abgelaufen. Die Widerspruchsschrift sei am 01. Dezember 2003 bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses eingegangen und daher verfristet gewesen. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten vom 29. Oktober 2002 sei nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. März 2003 zu werten, weil der Inhalt des Beschlusses weder der Klägerin noch ihrem Prozessbevollmächtigten bekannt gewesen sei, es habe also noch kein Verwaltungsakt vorgelegen, gegen den ein Widerspruch zulässig gewesen wäre. Schließlich komme mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 SGG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugunsten der Klägerin nicht in Frage, weil die Klägerin ein Verschulden wenigstens in Form der Fahrlässigkeit treffe, da der Posteingang der Praxis nicht mit der gebotenen Sorgfalt kontrolliert worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzung des § 67 Abs. 2 SGG vorliege, wonach binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung beantragt werden müsse. Es ergebe sich aus dem Vorbringen weder ein solcher Zeitpunkt noch sei ihm zu entnehmen, weshalb der Brief erst 8 Monate nach Eingang in alten Werbebroschüren gesucht und gefunden worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. August 2005 die Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, es sei jedem Arzt gestattet, Heilmittel statt Arzneimittel zu verordnen, wenn die verordnete Menge dem Regelwerk des Heilmittelkataloges angepasst werde. Gleiches gelte, wenn er nachzuweisen in der Lage sei, dass im Kompensationswege entsprechende Einsparungen an Arzneimitteln u. a. zur Anwendung kommenden Verfahren und Stoffen erzielt würden. Im Übrigen ergebe sich durch eine Vielzahl von Ärzten, die wegen der Inanspruchnahme der ambulanten Rehabilitation keine Heilmittel abgäben, ein Nullstellenproblem, da diese keinen einzigen Punkt für die Verordnung physikalisch-medizinischer Therapie verbrauchten und infolgedessen den Durchschnitt der Arztgruppe senkten. Insoweit müsse die Vergleichsgruppe beim statistischen Vergleich bereinigt werden. Schließlich behalte sie sich weiteren Vortrag hinsichtlich nicht berücksichtigter Zusatzbudgets und eingesparter Maßnahmen im Arzneimittelbereich für einen späteren Schriftsatz vor. Am 10.10.2002 habe Frau N., eine damalige Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten, bei Frau K. vom Prüfungsausschuss angerufen. Dieses Gespräch sei am Vortag in der Sitzung mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vereinbart worden. Frau K. habe die Regressbeträge pro Fall und Quartal angegeben. Das Schreiben vom 29. Oktober 2002 habe sich ausdrücklich gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses gerichtet. Die Bekanntgabe des Beschlusses sei zuvor erfolgt. Dies sei mit dem Prüfungsausschuss vereinbart gewesen. Andernfalls hätte dieser darauf hinweisen können, dass die Bekanntgabe schriftlich erfolgen werde und eine frühere Information unterbleibe.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 12. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Widereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und über ihren Widerspruch neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, ein Verwaltungsakt müsse mit Wissen und Wollen der Behörde nach außen gegeben werden. Bei einem Kollegialorgan könne die Bekanntgabe nur durch das Prüfgremium selbst erfolgen. Eine mündliche Bekanntgabe könne auch im Anschluss an die Sitzung erfolgen oder durch Zustellung des Bescheides. Die inhaltliche Wiedergabe des Ergebnisses der Beratung und der Beschlussfassung durch Frau K. sei keine formelle Bekanntgabe gewesen. Ein bereits vorher eingelegter Widerspruch sei unzulässig und bleibe dies auch, wenn der Verwaltungsakt später ergehe. Im Übrigen verweist er auf seinen angefochtenen Beschluss.
Die Beigeladenen zu 1) bis 6) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 7) und 8) haben keinen Antrag gestellt. Alle Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 15. August 2005 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie konnte dies trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 7) und 8) in der mündlichen Verhandlung tun, weil diese ordnungsgemäß geladen worden sind.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 12. Juli 2005 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und über ihren Widerspruch neu zu entscheiden.
Der Widerspruch der Klägerin war verfristet.
Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides durch Zustellung an den damaligen Verfahrens- und jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach § 85 Abs. 3 S. 2 SGG i.V.m. § 8 Verwaltungszustellungsgesetz lässt hier zwar nicht mehr feststellen, da nur der Zeitpunkt der Ausfertigung des Bescheides am 19. März 2003 und die Erwähnung des Bescheides im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vom 27. März 2003 feststeht. Geht man zugunsten der Klägerin aber vom hiernach spätesten Zeitpunkt, dem 27. März 2003 aus, hätte sie den Widerspruch bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 27. April 2004 einlegen müssen. Unstreitig ist dies nicht geschehen. Wie sich aus der vorliegenden Verwaltungsakte ergibt, ist der Widerspruch der Klägerin vom 25. November 2003 bei der Geschäftsstelle des Prüfungsausschusses am 01. Dezember 2003 und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingegangen, so dass er verfristet war.
Maßgeblich war auch die Monatsfrist, da der Bescheid des Prüfungsausschusses mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war (vgl. § 66 Abs. 1 SGG).
Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29. Oktober 2002 eingelegte "Beschwerde" war kein zulässiger Widerspruch gegen den vom Prüfungsausschuss am 09. Oktober 2002 gefassten Beschluss, der dann mit Bescheid vom 19. März 2002 bekanntgegeben wurde. Ein Widerspruch ist grundsätzlich erst ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4c), er wird auch nicht durch das spätere Ergehen eines Verwaltungsakts zulässig (vgl. BVerwG BayVBl. 1985, 605 m.w.N.). Es ist aber anerkannt, dass ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt zulässig ist, wenn dessen Inhalt mit Wissen und Wollen der Behörde vor der schriftlichen Bescheidung bekanntgegeben wird (vgl. BVerwGE 25, 20). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weder dem Prozessbevollmächtigten noch der Klägerin war der Inhalt des Beschlusses bekannt, da dieser in geheimer Beratung gefasst worden war, nachdem sie die Sitzung verlassen hatten. In der Mitteilung der Verwaltungsangestellten Frau K. gegenüber dem Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist keine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, sondern lediglich eine Mitteilung über das Beratungsergebnis zu sehen. Hierbei handelte es sich nur um eine Mitteilung über den Verfahrensstand. Wegen der fehlenden Bekanntgabe war der Bescheid des Prüfungsausschusses grundsätzlich noch änderbar. Eine abschließende im Sinne einer bindenden Entscheidung lag nicht vor. Hiervon kann frühestens mit Übergabe des vollständig abgefassten Beschlusses zur Ausfertigung an die Geschäftsstelle ausgegangen werden oder aber durch unmittelbare mündliche Bekanntgabe durch den Prüfungsausschuss selbst, d. h. durch seinen Vorsitzenden. Ergeht in diesem Verfahrensstadium die Mitteilung der Geschäftsstelle über den Inhalt der Entscheidung bzw. durch Verlesen des Bescheidtenors, so könnte darin eine vorgezogene mündliche Bekanntgabe gesehen werden. Entsprechend war die Konstellation in einem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall; dort hatte der Beamte, der einen ablehnenden Bescheid selbst bereits unterzeichnet hatte, danach dem Betroffenen Kenntnis gegeben, weshalb das Gericht eine Beschwer bereits als gegeben ansah (vgl. BverwG, Urt. v. 31.08.1966, Az.: V C 42.65, BVerwGE 25, 20 = Buchholz 427.3 § 336, LAG Nr. 2, zitiert nach juris). Jener Sachverhalt ist aber mit dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt nicht zu vergleichen
Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt telefonisch vorweg informatorisch mitgeteilt, so wird er erst mit dem Zugang des Schriftstücks i. S. d. § 37 SGB X bekanntgegeben. Anders ist es bei einem mündlich, ggf. telefonisch erlassenen, nur schriftlich bestätigten Verwaltungsakt i. S. d. § 33 Abs. 2 S. 2 SGB X. Obgleich bereits mit der telefonischen Mitteilung der beabsichtigten Regelung faktische Wirkungen ausgehen (der Betroffene richtet sich u. U. danach), kann er nicht als existent angesehen werden in dem Sinn etwa, dass er nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X abgeändert werden könnte (so zutreffend Stelkens in: ders./Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 41, Rdnr. 5a). Auch soweit die telefonische Mitteilung mit dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses verabredet gewesen sein soll, so liegt darin keine förmliche Bekanntgabe. Zu diesem Zeitpunkt waren die Entscheidgründe noch nicht abgefasst. Der Beschluss war lediglich tenoriert, aber weder vollständig abgefasst noch gar ausgefertigt. Eine Bindungswirkung bestand für den Prüfungsausschuss hieran nicht. Mit der Mitteilung des Tenors wurde die Klägerin nur vorab informiert. Es handelte sich nicht um die vorzeitige Bekanntgabe einer vollständig abgefassten Entscheidung.
Auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte die Mitteilung der Frau K. offensichtlich nicht als Bekanntgabe angesehen, weshalb er die Klägerin erst nach Zugang des Beschlusses des Prüfungsausschusses wegen der möglichen Einlegung eines Rechtsbehelfes angeschrieben hatte. Mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses des Prüfungsausschusses bestand eine hinreichende Rechtsschutzmöglichkeit.
Auf die von der Klägerin begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht kein Anspruch, da es an ihren Voraussetzungen fehlt.
Grundsätzlich ist die Vorschrift des § 67 SGG auch im Widerspruchsverfahren anzuwenden, § 84 Abs. 2 S. 3 SGG. Hiernach ist, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 67 Abs. 1 SGG. Es liegt zwar ein Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung vor und bei der Frist des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG handelt es sich um eine gesetzliche Verfahrensfrist. Der Klägerin ist aber wenigstens Verschulden in Form der Fahrlässigkeit vorzuhalten, weil sie ihren Posteingang nicht mit ausreichender Sorgfalt kontrolliert hat. Hierbei ist zu beachten, dass keine überspannten Anforderungen an die Vorkehrungen zu stellen sind, die Betroffene gegen die Versäumnis von Fristen ergreifen müssen, weil § 67 die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, sichert (BVerfGE 88, 118; 40, 46; NJW 2004, 2887, NJW 1998, 3703). Der Grund für die Verzögerung muss in der Sphäre des Betroffenen liegen (BVerfG NJW 1997, 1770; BVerfGE 41, 23 m.w.N.), wobei an rechtskundige und geschäftsgewandte Personen größere Anforderungen zu stellen sind (BSGE 38, 248; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Keller, SGG, 8. Aufl., § 67 Rn. 3d). Eine Einstufung der mangelhaften Posteingangskontrolle der Klägerin als Verschulden, das die Gewährung einer Wiedereinsetzung ausschließt, wird diesen Maßstäben gerecht. Die Organisation und Durchführung der Kontrolle des täglichen Posteingangs ist eine ausschließlich in der Sphäre der Klägerin liegende Risikoquelle; zudem muss diese als Gemeinschaftspraxis mit drei Behandlern ständig mit dem Eingang in medizinischer – oder hier wegen des Verfahrens vor dem Prüfungsausschuss juristischer – Hinsicht wichtiger Schriftstücke rechnen, die nicht aus Unachtsamkeit im Geschäftsgang verloren gehen dürfen. Eine Durchsicht, die die Vermeidung einer fehlerhaften Einsortierung oder versehentlicher Beseitigung wichtiger Schreiben ausschließt, überspannt auch nicht die Anforderungen, die an die Klägerin hinsichtlich des Postempfangs zu stellen sind, zumal die Klägerin nach eigenem Vorbringen sogar alte Werbebriefe und –broschüren u. ä. noch nach dem Ablauf eines Zeitraums von ca. 8 Monaten verfügbar hält. Hierfür spricht auch, dass das Auffinden des Schreibens nun – bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt – wieder möglich war. Die Verwirklichung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 SGG und das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG werden gerade durch die vom Verwaltungszustellungsgesetz vorgesehene Zustellung des Bescheides an den Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten geschützt und gestärkt. Wenn eine solche Zustellung erfolgt ist, liegt das Risiko eines Fehlschlags der Kommunikation zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Klägerin grundsätzlich in deren Risikosphäre und erfordert zu seiner Vermeidung ein Maß an zumutbarer Sorgfalt, das die Klägerin hier nicht gewahrt hat.
Darüber hinaus erfordert der Erfolg eines Wiedereinsetzungsantrags auch, dass nach § 67 Abs. 2 S. 2 SGG die zur Begründung erforderlichen Tatsachen glaubhaft gemacht werden, hierbei genügt das Vorliegen überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG v. 11.11.03, B 2 U 293/03 B; BGH NJW 2001, 2336). Dies gilt auch für die Einhaltung der Antragsfrist des § 67 Abs. 2 S. 1 SGG, wonach der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist. Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, wann sie Kenntnis von der Existenz des verlegten Schreibens erlangte, also zu welchem Zeitpunkt das Hindernis, einen Widerspruch zu erheben, wegfiel, so dass die Einhaltung der Frist nicht festgestellt werden kann. Infolgedessen mangelt es auch insoweit an den Voraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrages.
Das Schreiben des Prüfungsausschusses mit Datum vom 05.11.2002 war keine Bestätigung für einen eingelegten Widerspruch. Darin wird dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 05.11.2002 eingegangen sei. Bereits von daher scheidet eine Wiedereinsetzung nach Grundsätzen schutzwürdigen Vertrauens aus. Entscheidend ist zudem, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und damit auch die Klägerin selbst auf dieses Schreiben nicht vertraut haben, bereits fristgemäß Widerspruch eingelegt zu haben. Andernfalls hätte es nicht der Anfrage des Prozessbevollmächtigten an die Klägerin bedurft, ob nunmehr Widerspruch eingelegt werden soll.
Folglich ist der angegriffene Bescheid des Berufungsausschusses nach § 77 SGG formell bestandskräftig geworden, weil der Widerspruch nicht fristgemäß eingelegt worden ist.
Von daher war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG, § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
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