L 10 B 386/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 12146/05 ER 06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 386/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 01. April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach §§ 19, 20, 21, 22 SGB II als Zuschuss zu gewähren und für sie jeweils Beiträge an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung an einen von den Antragstellern zu bestimmenden Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten. Die Antragsgegnerin hat die den Antragstellern entstanden notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller (Ast) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ihnen Arbeitslosengeld II (Alg II) als Zuschuss zu gewähren, hilfsweise begehren sie, die Antragsgegnerin (Ageg) zumindest zur darlehensweisen Übernahme der rückständigen Beiträge und der laufenden Beiträge ab Mai 2006 für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Ast zu 1.) und der rückständigen Beiträge und der laufenden Beiträge ab Mai 2006 zur freiwilligen Krankenversicherung einschließlich der Pflegeversicherung für die Ast zu 2.) zu verpflichten.

Der am 1948 geborene Ast zu 1.) und seine Ehefrau, die am 1952 geborene Ast zu 2.), bewohnen gemeinsam eine 94,79 m² große 3-Zimmer-Wohnung in B. Beide Ast sind selbstständig erwerbstätig, der Ast zu 1.) seit dem 01. Mai 2005 als Medizinprodukteberater (zuvor bis September 2004 als Vertreter für Kunststofftechnik) und die Ast zu 2.) als Propagandistin. Der Ast zu 1.) ist bei der DKV Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) privat kranken- und pflegeversichert mit einem monatlichen Gesamtbeitrag von 525,90 EUR (492,61 EUR für die Krankenversicherung und 33,29 EUR für die Pflegeversicherung). Die Ast zu 2.) ist bei der Techniker Krankenkasse (TKK) freiwillig kranken- und pflegeversichert mit einem Monatsbeitrag von insgesamt 269,19 EUR; daneben ist sie bei der DKV zusatzkrankenversichert mit einem monatlichen Betrag von 124,08 EUR. Die Ast zu 2.) benötigt wegen ihrer Diabetes mellitus Typ II b - Erkrankung eine besondere Kostform.

Am 29. Juli 2005 beantragten die Ast die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gaben unter Vorlage entsprechender Nachweise folgendes an: Die Grundmiete betrage 545,04 EUR (ab 01. Dezember 2005: 581,06 EUR), als Nebenkosten seien monatlich noch eine Heizkostenpauschale i.H.v. 100,48 EUR, Kosten für die Aufzugsanlage i.H.v. 23,70 EUR, sonstige Betriebskosten i.H.v. 101,43 EUR und ein Vorschuss für Kabel/TV-Gebühr i.H.v. 4,35 EUR zu zahlen. Der Ast zu 1.) verfüge über einen Pkw-Smart, der im Eigentum der Firma Daimler-Chrysler stehe und für den Leasingraten von monatlich 163,68 EUR zu zahlen seien. Der Kfz-Haftpflichtversicherungsbeitrag betrage 86,13 EUR vierteljährlich bzw. 28,71 EUR monatlich. Der Ast zu 1.) schätzte unter Bezugnahme auf die vorläufige Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung 2004 für die frühere Tätigkeit seine voraussichtlichen monatlichen Betriebseinnahmen für August bis Dezember 2005 mit 600,00 EUR und die monatlichen Betriebsausgaben mit 500,00 EUR ein; die Ast zu 2.) schätzte ihre monatlichen Einnahmen für das Jahr 2005 mit 500,00 EUR und die Betriebsausgaben mit 100,00 EUR (Monatskarte des öffentlichen Nahverkehrs etc.) ein, dies unter Bezugnahme auf ihre Einnahme-/Überschussrechnung für das Jahr 2003 sowie dem für die Ast erlassenen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 27. Dezember 2004.

Die Ast verfügten nach ihren Angaben über keinerlei Sparvermögen. Im Zeitpunkt der Antragstellung – Juli 2005 - besaß die Ast zu 2.) gemeinsam mit ihrer Schwester noch vier Baugrundstücke, gelegen in B, K-M-Straße (Flur 1, Flurstück Nr. 1159 = 537 qm, Flurstück Nr. 1166 = 574 qm, Flurstück Nr. 1167 = 524 qm und Flurstück Nr. 1168 = 482 qm) mit einer Gesamtgröße von 2.117 qm. Ursprünglich gehörten der Ast zu 2.) und ihrer Schwester weitere sieben Baugrundstücke, die in den Jahren 1996 bis 2003 jeweils verbunden mit einem Miteigentumsanteil an dem Flurstück Nr. 288, welches als Zufahrt allen Grundstücken dient, bereits verkauft worden waren. Die Erschließung sämtlicher Grundstücke war nach dem hierfür erstellten Bebauungsplan Nr. 42 der Gemeinde B durch die Eigentümer bzw. die Bauherren zu gewährleisten, dementsprechend wurden bzw. werden die Baugrundstücke von der Ast zu 2.) und ihrer Schwester jeweils mit der Verpflichtung der Verkäuferseite zur Verlegung von Strom-, Frisch-/Abwasser-, Erdgas-, Strom-, Telefon- und Kommunikationsleitungen - inkl. der Hausanschlüsse – sowie zur Straßen- und Gehwegpflasterung auf dem Gesamtgrundstück verkauft. Bei Antragstellung Ende Juli 2005 waren die noch im Miteigentum der Ast zu 2.) stehenden vier Baugrundstücke mit einem Hypothekendarlehen für die A Bank in Höhe von 36.052,48 EUR belastet. Des Weiteren bestanden Rückstände für die vom Wasser- und Abwasserverband H (WAH) erstellten Trink- und Schmutzwasseranlagen i.H.v. 10.480,60 EUR (Stundungsbetrag von insgesamt 11.980,60 EUR abzgl. erfolgter Zahlungen im Jahre 2004 in Höhe von 1.500,00 EUR), auf die die Ast zu 2.) und ihre Schwester seit April 2005 Raten i.H.v. monatlich 300,00 EUR zu zahlen haben. Für Erd- und Abrissarbeiten zur Vorbereitung der für den Zugang zu den einzelnen Grundstücken erforderlichen Privatstraße war noch eine Rechnung der Fa. R D in Höhe von 2.320,00 EUR und für die Erschließung der gesamten Grundstücke mit Trinkwasser sowie der sieben verkauften Hausgrundstücke mit Trink- und Abwasser ein Restforderung der Fa. B & W GmbH und Co.-N (Fa. B) von 6.995,13 EUR (Gesamtbrutto 21.995,14 EUR abzgl. zweier Teilzahlungen in Höhe von 8.000,00 EUR und 5.000,00 EUR) offen. Die Ast gaben bei Antragstellung im Juli 2005 weiterhin an, nach dem Kostenvoranschlag der Fa. B vom 25. Juni 2002 seien für die Fertigstellung der Privatstraße noch ca. 21.448,30 EUR als Belastung der Baugrundstücke zu berücksichtigen. Zudem hätten sie zur Überbrückung von finanziellen Engpässen bzw. zur Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zwei Privatdarlehen in Höhe von 19.000,00 EUR (von Herrn P N) und 6.000,00 EUR (von Herrn U E) erhalten, die ebenfalls vermögensmindernd zu berücksichtigen seien. Der Bodenrichtwert für Bliege derzeit bei 45,00 EUR pro qm, durch die Verzögerungen bei der Erteilung der Baugenehmigung durch die Gemeinde seien die Grundstückspreise um ca. 50 % gefallen.

Mit Bescheid vom 01. September 2005 lehnte die Ageg die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 47.610,00 EUR übersteige die Grundfreibeträge von 23.500,00 EUR, so dass Hilfsbedürftigkeit nicht bestehe. Im Widerspruchsverfahren legten die Ast u.a. sämtliche Kaufverträge vor. Mit Bescheid vom 23. September 2005 bewilligte die Ageg den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen in Höhe von 143,42 EUR für die Zeit vom 29. bis zum 31. Juli 2005 sowie in Höhe von 1.434,23 EUR monatlich für die Zeit von August bis November 2005, die Einbeziehung in die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung erfolgte nicht. Auch hiergegen erhoben die Ast Widerspruch und begehrten die Gewährung von Alg II als Zuschuss. Entgegen der Auffassung der Ageg werde der Vermögensfreibetrag nicht überschritten. Ende November 2005 beantragten die Ast zudem die Fortzahlung von Alg II, wobei der Ast zu 1.) unter Vorlage einer vorläufigen Berechnung der Betriebsausgaben für das Jahr 2005 angab, voraussichtlich Betriebseinnahmen i.H.v. 500,00 EUR monatlich und Betriebskosten i.H.v. 557,50 EUR zu haben. Mit Bescheid vom 04. November 2005 bewilligte die Ageg für die Zeit vom 01. Dezmeber 2005 bis zum 31. Mai 2005 den Ast weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 1.471,25 EUR monatlich als Darlehen und (damit) ohne Einbeziehung in die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.

Auch hiergegen erhoben die Ast Widerspruch. Sie trugen im Einzelnen unter Vorlage von weiteren Nachweisen vor, der mittlere Bodenrichtwert für Bliege aktuell bei 50,00 EUR je qm. Mit Vertrag vom 13. Oktober 2005 seien auch die Grundstücke mit den Flurstücknummern 1167 und 1168 für insgesamt 52.000,00 EUR verkauft worden, jedoch sei von der Ast zu 2.) und ihrer Schwester für diese Grundstücke noch die Erschließung fertig zu stellen. Mittlerweile sei die Privatstraße durch die Fa. R D erbaut worden, woraus noch ein offener Rechnungsbetrag von 18.607,56 EUR brutto resultiere. Für die Fa. D sei zu Sicherungszwecken eine Grundschuld in Höhe von 22.000,00 EUR auf den Flurstücken 1159 und 1166 eingetragen worden, diese decke auch die weitere offene Rechnung von 2.320,00 EUR mit ab. Im Übrigen sei vom Kaufpreis ein Betrag von 1.083,48 EUR an die EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH (EMB) für eine noch offene Rechnung für einen Hausgasanschluss abgetreten worden. Insgesamt müssten für die Erstellung der Hausanschlüsse von drei Grundstücken für die Stromversorgung noch insgesamt 3.075,00 EUR (3 x 1.025,00 EUR, entsprechend den vorgelegten Rechnungen der Firma e.dis Aktiengesellschaft), für Trink- und Abwasser insgesamt 3.497,40 EUR (entsprechend der vorgelegten Rechnung der Fa. B für die sieben früher verkauften und angeschlossenen Häuser 8.160,60 EUR: 7= 1.165,80 EUR je Haus) und für Erdgas insgesamt 3.000,00 EUR (ca. 1.000,00 EUR pro Haus im Durchschnitt nach den vorgelegten Rechnungen der Firma EMB) als Minderungsbetrag angesetzt werden. Danach ergebe sich für die Ast zu 2.) maximal ein Vermögensbetrag von 15.460,60 EUR.

Durch Widerspruchsbescheid vom 08. Dezember 2005 wies die Ageg den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. September 2005 bzw. 23. September 2005 mit der Begründung zurück, bei Zugrundelegung des mitgeteilten Bodenrichtwertes von 50,00 EUR und den vier Baugrundstücken mit einer Größe von insgesamt 2.117 qm ergebe sich ein Wert von 105.850,00 EUR. Zwar seien hiervon Kosten/Belastungen von insgesamt 55.208,86 EUR abzuziehen. Die Hälfte des Restvermögens von 50.641,04 EUR, d. h. ca. 25.320,52 EUR seien der Ast zu 2.) als Vermögen zuzurechnen. Damit würden jedoch die maßgeblichen Freibeträge der Bedarfsgemeinschaft überschritten. Da eine sofortige Verwertung des zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich sei, seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 9 Abs. 4 SGB II als Darlehen zu erbringen. Dies sei durch den Bescheid vom 23. September 2005 erfolgt. Hiergegen haben die Ast beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben.

Am 27. März 2006 haben sich die Ast mit einem einstweiligen Rechtsschutzbegehren an das SG gewandt und ausgeführt, seit August 2005 hätten sie monatlich 857,00 EUR an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen aufbringen müssen und sich hierfür bei Freunden mit ca. 7.000,00 EUR verschuldet. Nun seien sie mit ihren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen seit zwei Monaten im Rückstand und es drohe die Kündigung der Verträge. Zwar erhalte der Ast zu 1.) vom JobCenter einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 207,00 EUR monatlich, jedoch stünden den geringen Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit hohe monatliche Betriebskosten gegenüber. Ihnen sei Alg II als Zuschuss zu gewähren, da das Vermögen den Freibetrag bei weitem unterschreite. Insbesondere seien die Kosten der Privatstraße zu berücksichtigen, die Ende 2005 hätte fertig gestellt werden müssen. Der ursprünglich durch die Fa. B geplante Straßenbau (Angebot vom 25. Juni 2002) habe aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel von dieser Firma nicht abgeschlossen werden können, nunmehr habe die Fa. R D die Straße fertig gestellt. Schließlich habe der verzögerte Bau der Straße dazu geführt, dass die Anwohner, die Käufer der Grundstücke, rechtliche Schritte unternommen hätten und nunmehr noch Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 5.000,00 EUR auf sie – die Ast - zukämen. Auch die EMB habe ihnen im März 2006 noch eine im Jahre 2003 angefallene Rechnung über 1.046,27 EUR für einen Hausgasanschluss zugesandt, die von ihnen nicht bezahlt werden könne. Beigefügt war eine vorläufige Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung 2005 für den Ast zu 1.) (vorläufiger Verlust 2005 5.605,09 EUR) sowie eine Einnahme-/Überschussrechnung der Ast zu 2.) (Gewinn 2005 5.657,06 EUR), die Rechnung der EMB vom 15. März 2006, drei Rechnungen über Rechtsanwaltskosten betreffend den Straßenbau K-M-Straße in Höhe von jeweils 2.346,22 EUR sowie Mahnungen über rückständige Krankenversicherungsbeiträge für den Ast zu 1.) in Höhe von insgesamt 1.051,80 EUR (DKV vom 13. Februar 2006) und für die Ast zu 2.) i.H.v. 124,08 EUR (DKV vom 13. März 2006) und der TKK.

Durch Beschluss vom 03. Mai 2006 hat das SG Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Die Ast seien nach summarischer Prüfung gegenwärtig nicht (weitergehend) hilfebedürftig. Denn als Miteigentümerin der Grundstücke in B verfüge die Ast zu 2.) über ein den Freibetrag übersteigendes Vermögen. Es erscheine nicht ausgeschlossen, dass die Baugrundstücke gewinnbringend veräußert werden könnten. Soweit diese nicht unmittelbar verwertbar seien, habe die Ageg durch die Bewilligung als Darlehen dem ausreichend Rechnung getragen. Zwar seien die Ast bei nur darlehensweiser Bewilligung von Leistungen gesetzlich nicht krankenversichert. Auch sei ein Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung nach § 26 SGB II nur den Beziehern von Alg II zu gewähren. Sofern die Ast durch die Nichtzahlung der Beiträge zur privaten bzw. freiwilligen Krankenversicherung ihren Versicherungsschutz verlieren würden, stünde ihnen dann ein sozialhilferechtlicher Anspruch auf Hilfe bei Krankheit zu. Hierdurch seien gegenüber dem SGB II vorrangig Krankenbehandlungskosten zu erstatten. Nur wenn die Eigenleistungsfähigkeit der Ast auch die Gewährung von Krankenhilfe nach dem SGB XII hindere, könnte im Krankheitsfall eine Sachleistung oder (weitergehende) darlehensweise Erbringung von (Geld-) Leistungen im Rahmen des § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht kommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Ast. Sei begehren, die Ageg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren, hilfsweise die rückständigen Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Ast zu 1.) bei der DKV für den Zeitraum bis einschließlich April 2006 in Höhe von 1.006,10 EUR sowie die laufenden Beiträge in Höhe von monatlich 525,90 EUR und die rückständigen Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung der Ast zu 2.) bei der TKK einschließlich der sonstigen Zuschläge für den Zeitraum bis einschließlich April 2006 in Höhe von 554,74 EUR sowie die laufenden Beiträge ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 273,38 Euro zu übernehmen. Wie aus dem vorgelegten Schreiben der DKV vom 04. Mai 2006 ersichtlich sei, seien nunmehr die private Kranken- und Pflegeversicherung des Ast zu 1.) mit sofortiger Wirkung gekündigt worden, verknüpft mit der Klausel, dass bei Zahlung des Rückstandes die Wirksamkeit der Kündigung entfalle. Auch die TKK habe die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft der Ast zu 2.) zum 15. Juni 2006 in Aussicht gestellt, sofern nicht bis zum 31. Mai 2006 der Rückstand von insgesamt 558,62 EUR (2 Monatsbeiträge zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahnkosten, Schreiben vom 17. Mai 2006) beglichen würden. Sowohl der Ast zu 1.) als auch die Ast zu 2.) benötigten wegen ihrer chronischer Leiden monatlich Medikamente und Krankenbehandlung, wie aus der beigefügten eidesstattlichen Erklärung vom 10. Mai 2006 sowie den Unterlagen aus dem Schwerbehindertenverfahren des Ast zu 1.) zu ersehen sei. Nach der vorläufigen Einnahme-/Überschussrechnung für den Ast zu 1.) für die Zeit ab Januar 2006 sei die Sicherung des Lebensunterhaltes durch die selbständige Tätigkeit nach wie vor nicht möglich. Mit dem Erlös aus dem Grundstücksverkauf vom Oktober 2005 habe man das Hypothekendarlehen bei der A Bank zum 31. Dezember 2005 abgelöst (vorgelegtes Abrechnungsschreiben vom 12. Dezember 2005, in Höhe von insgesamt 37.942,00 Euro), des weiteren eine Teilforderung der Fa. R D in Höhe von 2.320,00 Euro (gemäß offener Rechnung vom 24. Oktober 2001) und eine Rechnung der Firma EMB für einen Hauserdgasanschluss in Höhe von 1.083,48 Euro (Rechnung vom 10. Mai 2004) beglichen. Für den Bau der Privatstraße sei noch eine Grundschuld in Höhe von 18.607,56 Euro valutiert, der aktuelle Rückzahlungsstand bei dem WAH liege bei noch offenen 5.866,10 Euro, die EMB habe noch eine offene Forderung von 1.046,27 Euro für Hausgasanschlüsse vom 25. November 2005. Hinzu kämen noch die offenen Erschließungskosten für die zwei noch zu verkaufenden Grundstücke - Flurstücknummern 1159 und 1166 - und für die zuletzt verkauften Grundstücke (Nrn. 1167 und 1168, auf denen insgesamt nur ein Haus errichtet werde) bzgl. Frisch-/Abwasser, Erdgas und Strom. Daher werde der Vermögensfreibetrag durch die Ast nach wie vor nicht überschritten.

Der Ageg ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, sie hat durch Bescheide vom 03. April 2006 und 05. Mai 2006 im Hinblick auf zwischenzeitlich nachgewiesenes Einkommen die Leistungsbewilligung für den Monat Dezember 2005 teilweise aufgehoben und die Höhe der monatlich zustehenden Leistung auf insgesamt 1.188,86 EUR für die Ast festgesetzt. Mit weiterem Bescheid vom 04. Mai 2006 hat sie den Ast weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes insgesamt in Höhe von monatlich 1.471,25 EUR für die Zeit vom 01. Juni bis zum 30. November 2006 bewilligt, jedoch ohne gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreites wird auf den gesamten Inhalt der Verfahrensakte, der die Ast betreffende Leistungsakte der Ageg und der Verfahrensakte des SG Berlin zum Aktenzeichen S 53 AS 9114/05 ER, die bei Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen, da die Arbeitsgemeinschaft des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Tempelhof-Schöneberg, bezeichnet als JobCenter Tempelhof-Schöneberg , vertreten durch den Geschäftsführer, nach Auffassung des Senats im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig ist (für die Arbeitsgemeinschaft für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Lichtenberg-Hohenschönhausen, Beschluss des Senats vom 14. Juni 2005, als vormals 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin, L 10 B 44/05 AS ER).

Die Beschwerde der Ast ist zulässig und hinsichtlich des von den Ast gestellten Hauptantrages, der ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung beim SG Berlin Ende März 2006 als auf die zukünftige Gewährung von Alg II nebst Verpflichtung der Ageg zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Ast ab dem 01. April 2006 gerichtet anzusehen ist (§ 123 SGG), auch begründet. Da die Ast bereits mit ihrem Hauptbegehren durchdringen, bedarf es keiner Entscheidung zu den hilfsweise gestellten Anträgen auf Übernahme von rückständigen sowie der laufenden Beiträge zur privaten bzw. freiwilligen Kranken- und Pflegversicherung der Ast.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG), insbesondere den von den Ast bereits im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen, steht den Ast zu 1) und 2), die eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Zif. 1 und 3 a) SGB II bilden und nicht über ein zur Bedarfsdeckung heranzuziehendes Erwerbseinkommen im Sinne der §§ 9, 11 SGB II verfügen, jeweils ein Anspruch auf Gewährung von Alg II nach §§ 19, 20, 21, 22 SGB II in Höhe des in den Bescheiden vom 04. November 2005 und 04. Mai 2006 von der Ageg für den Ast zu 1) festgestellten Bedarfs von 710,05 Euro monatlich und für die Ast zu 2) festgestellten Bedarfs von 761,20 Euro monatlich als "Zuschuss" zu. Die Voraussetzungen für eine "nur" darlehensweise Erbringung gemäß § 9 Abs. 4 2. Halbsatz SGB II sind nicht erfüllt. Bezogen auf den Zeitraum ab Antragstellung beim SG, der im einstweiligen Verfahren allein der Betrachtung unterliegt, verfügten die Ast nicht über ein den Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Zif. 1 und 4 SGB II übersteigendes Vermögen, so dass die (im Übrigen wohl bereits für Juli 2005 nicht entscheidend anders zu beurteilende) Sachlage, an die die Rechtsfolge der darlehensweisen Gewährung anknüpft (fehlende aktuelle Verbrauchs- oder Verwertungsmöglichkeit der Vermögensgegenstände) nicht bestanden hat. So ist der vom Ast zu 1) geleaste PKW nach § 12 Abs. 3 Zif. 2 SGB II nicht zu berücksichtigen. Bar- und Sparvermögen ist nach den vorgelegten Kontoauszügen und den glaubhaften Angaben der Ast nicht vorhanden. Den einzigen Vermögenswert, der auch dem Ast zu 1) nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zuzurechnen wäre, bilden die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verkauften Grundstücke mit den Flurstücknummern 1159 und 1166 (Flur 1 der Gemarkung B) mit einer Gesamtgröße von 1109 qm, die im hälftigen Miteigentum der Ast zu 2) stehen. Zweifellos handelt es sich bei dem Miteigentumsanteil um verwertbares Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II, welches nach seinem Verkehrswert ohne Rücksicht auf steuerliche Vorschriften zu berücksichtigen ist (§ 12 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 5 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 – BGBl. I S. 26622 - i.d.F. vom 22. August 2005 (Alg II-VO)). Bei der Bewertung ist in der Regel auf den Zeitpunkt der Antragstellung bzw. erneuten Antragstellung abzustellen, wobei wesentliche Änderungen des Verkehrswerts zu berücksichtigen sind (§ 12 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB II). Bei einem handelbaren Gut ist bei Bestimmung des Verkehrswertes zu berücksichtigen, dass von dem im (Geschäfts-) Verkehr zu erzielenden Preis die tatsächlichen Belastungen und die (voraussichtlichen) Kosten der Verwertung in Abzug gebracht werden müssen, da nur der Reinerlös tatsächlich für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2005, Rz. 93 zu § 12). Grundsätzlich ist der Verkehrswert durch alle zur Verfügung stehenden Quellen zu ermitteln, bei unbebauten Grundstücken kann insbesondere auf die Bodenrichtwerttabellen der Kommunen zurückgegriffen werden (vgl. Mecke a.a.O., Rz. 94). Davon ausgehend wäre der Wert der insgesamt 1109 qm großen in B(K-M-Straße und ) gelegenen Baugrundstücke an Hand der bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bodenrichtwerte für ortsüblich erschlossene Grundstücke für den westlichen Teil des Landes Brandenburg mit 50,00 Euro pro qm zu bestimmen. Nach telefonischer Auskunft der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Landkreis H vom 29. Mai 2006 liegt der Bodenrichtwert für das Gebiet Bab Januar 2006 bei 55,00 Euro pro qm, jedoch konnte im Hinblick auf die jeweils unterschiedlichen Bebauungs- und Erschließungspläne in dem Gebiet ein konkreter Bodenrichtwert für die hier betroffenen Grundstücke nicht genannt werden, da dazu ein individuelles Wertgutachten erforderlich ist. Für die vorliegend zu bewertenden Grundstücke fehlt es jedoch an gewichtigen Anhaltpunkten, um von einem höheren Preis als 55,00 Euro pro qm auszugehen. Denn es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass für die zuletzt im Oktober 2005 verkauften beiden Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 1007 qm – bei Verpflichtung der Verkäufer zur Vollerschließung - nur ein Kaufpreis von 52.000,00 Euro erzielt werden konnte, mithin nur Verkaufspreis von 51,60 Euro pro qm erzielbar war. Stellt man gleichwohl für die Zeit ab Januar 2006 den höheren Bodenrichtwert von 55,00 Euro pro qm ein, ergibt sich für die beiden restlichen Grundstücke ein – unbereinigter – Verkehrswert von 60.995,00 Euro. Hiervon sind jedoch die auf den Grundstücken ruhenden Belastungen insbesondere für die noch offenen Erschließungskosten (Straßen-/Wegebau, Trink- und Schmutzwasseranlagen, Hausanschlüsse für Frisch- und Abwasser, Erdgas, Strom und Telefon-/Kommunikationsleitungen) abzuziehen, d.h. die noch nicht abgelöste, mit einer Grundschuld gesicherte Forderung der Fa. R D i.H.v. 18.607,56 Euro, die noch offene Restforderung des WAH i.H.v. 5.866,10 Euro und die für beide Einzelgrundstücke noch zu schaffenden Hausanschlüsse für Frisch- und Abwasser i.H.v. 2.331,60 Euro (2 x 1.165,80 Euro (Durchschnittswert) nach der vorgelegten Rechnung der Fa. B + W), für Erdgas i.H.v. 2.200,00 Euro (2 x 1.100,00 Euro (Durchschnittswert) nach den vorgelegten Rechnungen der Fa. EMB für die bereits verkauften Grundstücke) und für Strom/Telefon i.H.v. 2.051,18 Euro (2 x 1.025,59 Euro nach den vorgelegten Rechnungen der Fa. e.dis für die bereits verkauften Grundstücke). Danach ergibt sich ein bereinigter Verkehrswert der beiden Grundstücke von insgesamt 29.938,56 Euro, d.h. der Wert des Miteigentumanteils der Ast zu 2) ist mit 14.969,28 Euro zu beziffern. Hierbei bleibt dahingestellt, ob die noch offenen Erschließungskosten (bzgl. der Hausanschlüsse für Frisch- und Abwasser, Erdgas und Strom/Telefonleitungen) für die zuletzt verkauften Grundstücke sowie die noch offene Rechnung der Fa. EMB i.H.v. 1.083,48 Euro ebenfalls als den Verkehrswert der jetzt noch im Miteigentum der Ast zu 2) befindlichen Grundstücke mindernde Belastungen anzusehen sind. Denn auch bei Nichtberücksichtigung dieser von der Ast zu 2) als "Bauherrin/Investorin/Verkäuferin" zu tragenden Kosten wird der Vermögensfreibetrag der Bedarfsgemeinschaft der Ast nicht überschritten. Dieser beträgt 23.500,00 Euro; er setzt sich aus 200,00 Euro pro vollendetem Lebensjahr der Ast (57 x 200 und 53 x 200) gemäß § 12 Abs. 2 Zif. 1 SGB II und zweimal 750,00 Euro gemäß § 12 Abs. 2 Zif. 4 SGB II zusammen.

Da den Ast Alg II als "Zuschuss" zu gewähren ist, hat die Ageg auch die Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung der Ast gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 a, 251 Abs. 4, 252 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), §§ 20 Abs. 1 Nr. 2 a, 59 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu entrichten.

Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung ergibt sich aus dem unmittelbar drohenden Verlust des Krankenversicherungsschutzes der Ast. Da nach ihren glaubhaften Bekundungen im Hinblick auf die rückständigen Beiträge auch die Übernahme der ab April 2006 angefallenen Krankenbehandlungskosten durch das private Krankversicherungsunternehmen in Streit steht, war hier eine Regelung bereits für die Zeit ab Antragstellung beim SG geboten.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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