L 9 AL 160/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AL 409/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 160/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten vorrangig eine schriftliche Auskunft bzw. Feststellung dazu, wie der Nachweis einer von der Beklagten veranlassten Bewerbung zu erfolgen hat.

Der im Jahre 1965 geborene Kläger bezieht mit Unterbrechungen durch jeweils kurzzeitige Beschäftigungen in seinem erlernten Beruf als medizinisch-technischer Radiologieassistent seit September 1997 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Nachdem die Beklagte den Kläger zu einer Bewerbung bei der Firma U Fotolabor - Betriebe GmbH aufgefordert hatte und diese der Beklagten mitgeteilt hatte, ein Eingang der Bewerbung sei nicht feststellbar, hörte die Beklagte den Kläger zu diesem Sachverhalt unter Hinweis auf einen Sperrzeitsachverhalt nach § 144 des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - SGB III an. Mit Schreiben vom 21.10.2003 legte der Kläger die Erklärung eines Zeugen (B N) vom 18.10.2003 vor. Dieser führte aus, er sei bei der Versendung der Bewerbungsunterlagen des Klägers vom 15.08.2003 zugegen gewesen und könne bestätigen, dass die Bewerbung ordnungsgemäß per Post aufgegeben worden sei. Der Kläger meinte, die Zusendung der Bewerbungsabschrift sei Nachweis genug für die Bestätigung der erfolgten Bewerbung. Der Kläger legte weiter ein Schreiben seines Arbeitsvermittlers vom 10.04.2000 vor, in dem dieser darlegte, dass er als zuständiger Arbeitsvermittler keinen Zweifel an den Bewerbungsaktivitäten des Klägers habe, weshalb ein Nachweis (z.B. per Einschreiben oder ähnliches) von ihm nicht verlangt werde. Die Beklagte sah daraufhin von der Verhängung einer Sperrzeit ab und überwies dem Kläger - ausweislich der Auszahlungsanordnung vom 24.11.2003 - für den Zeitraum vom 06.09.2003 bis 24.09.2003 Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 405,65 Euro.

Am 13.11.2003 sprach der Kläger mit einer Begleitperson (Herr L) bei dem Teamleiter I der Beklagten vor und verlangte die Festlegung eines verbindlichen Verfahrens, wie er sich künftig zu bewerben habe und den Nachweis gegenüber der Beklagten führen könne, wenn z.B. die Bewerbungsunterlagen diese nicht erreichen würden. Der Mitarbeiter der Beklagten wies dieses Ansinnen nach dem Inhalt des von ihm gefertigten Vermerks vom 29.03.2004 zurück mit der Erklärung, dass ein solches Verfahren mit allen oder vielen Arbeitslosen nicht zu bewältigen und auch nicht notwendig sei, da nach aller Erfahrung die Post nahezu immer den Empfänger auch erreiche. Mit einem Schreiben vom 25.03.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Bewerbungen hätten in der im Vermittlungsvorschlag beschriebenen Form zu erfolgen. Wünsche der Arbeitgeber die Vorlage von Bewerbungsunterlagen, seien auch diese dem Arbeitgeber zuzuleiten. Wenn z.B. Bewerbungsunterlagen den Empfänger nicht erreichen würden, habe die Arbeitsverwaltung im Einzelfall die Beweisführung des Arbeitslosen zu prüfen. Der Gesetzgeber habe in § 144 Abs. 1 Ziff 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - SGB III dem Arbeitslosen die Beweislast dahingehend auferlegt, dass dieser nunmehr die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen habe, wenn diese in seiner Sphäre oder seinen Verantwortungsbereich lägen. Er werde kein gesondertes Verfahren für den Kläger festlegen, in dem die Versendung der gesamten Bewerbungsunterlagen "gerichtsfest" nachgewiesen und dokumentiert werden könne.

Nach dem Gespräch mit dem Beschäftigten der Beklagten, Herrn I, hatte der Kläger bereits mit einem am 13.11.2003 bei dem Sozialgericht Duisburg eingegangen Schreiben Klage erhoben und vorgetragen, er sei seiner Verpflichtung, sich selbst um Arbeit zu bemühen, stets nachgekommen und habe insgesamt 148 Bewerbungen geschrieben und abgeschickt. Er habe bereits mehrfach mündlich und schriftlich von der Arbeitsverwaltung eine Stellungnahme erbeten, wie denn der Nachweis einer Bewerbung zu erfolgen habe. Der Mitarbeiter der Beklagten habe diese Ansinnen um Auskunft und Beratung erneut zurückgewiesen. Diese Nichterteilung sei ein Verwaltungsakt. Auch das Schreiben der Beklagten vom 25.03.2004 bezeichne nicht konkret, wie der Nachweis einer Bewerbung zu erbringen sei. Hilfsweise sei die Beklagte zu verurteilen, pro erfolgter Bewerbung den Betrag in Höhe von 3,04 Euro plus 5 Euro Bearbeitungsgebühr zzgl 5 % Zinsen ab diesem Termin zu zahlen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 29.07.2005 abgewiesen. Zweifelhaft sei bereits, ob diese zulässig sei. Falls der Kläger begehre, die Beklagte zu verpflichten, mit ihm ein verbindliches Verfahren zum Nachweis der erfolgten Bewerbung festzulegen, komme eine Verpflichtungsklage schon deshalb nicht in Betracht, weil diese auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet sein müsse. Die begehrte Erklärung der Beklagten sei aber kein Verwaltungsakt, weil sie nicht auf eine unmittelbare Feststellung von Rechten des Klägers gerichtet sei, sondern auf die abstrakte Mitteilung, unter welchen Voraussetzungen die erfolgte Bewerbung als nachgewiesen gelte. Auch eine vorbeugende Feststellungsklage sei nicht zulässig. Das Auskunftsverlangen des Klägers ziele nicht auf die Feststellung von Rechten und Pflichten aus einem Rechtsverhältnis. Vielmehr laufe sein Begehren auf die gewünschte Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage hinaus. Er wolle lediglich abstrakt geklärt wissen, wann der Nachweis der erfolgten Bewerbung als erbracht gelte, um den Eintritt einer Sperrzeit zu verhindern. Dieses Begehren könne auch nicht mit der Feststellungsklage verfolgt werden. Der Anspruch auf Beratung könne auch nicht im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht werden, da die Beklagte ihre Rechtsauffassung bereits mehrfach mitgeteilt habe. Der Kläger wolle nur noch eine "Beratung", die seiner Rechtsauslegung entspreche. Zu einer solchen Leistungsklage auf "richtige Beratung" sei er jedoch nicht befugt, da die Rechtsordnung keinen Anspruch auf die Erteilung einer "objektiv richtigen" im Sinne einer der Rechtsauffassung des Nachfragenden entsprechenden Beratung und Auskunft vorsehe (Hinweis auf BSG, Urt. v. 20.12.2001 - B 4 RA 50/01 R - SGb 2002, 275). Soweit eine Behörde verpflichtet sei, den Bürger zu beraten bzw ihm Auskunft zu erteilen (§§ 15, 16 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - SGB I), habe sie auf primärer Ebene die Beratung bzw. Auskunft immer nur nach bestem "Wissen und Gewissen" zu geben. Erteile sie eine "objektiv falsche" Beratung, begründe dies keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Erteilung einer gerade aus Sicht des Anspruchstellers "objektiv richtigen" Beratung. Unabhängig hiervon sei die Klage sowohl hinsichtlich ihres Haupt- als auch hinsichtlich ihres Hilfsantrags unbegründet, da die Beklagte die begehrte Auskunft bereits in ausreichendem Maße erteilt habe. Nach § 16 SGB I habe jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten. Inhalt des Anspruchs sei die umfassende Beratung über alle sozialrechtlichen Fragen, die für den Bürger zur Beurteilung seiner Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch gegenwärtig von Bedeutung seien oder künftig von Bedeutung sein könnten. Der Nachweis, dass eine Bewerbung gefertigt und versandt worden sei, sei für den Eintritt einer Sperrzeit entscheidend, wobei die Beklagte für das Vorliegen der Sperrzeitvoraussetzungen beweispflichtig sei. Dies gelte auch für den Umstand, dass sich der Arbeitslose auf die angebotene Stelle beworben habe. Erhalte sie allerdings von diesem die Auskunft, dass der Arbeitslose sich nicht beworben habe, so obliege es dem Arbeitslosen, die tatsächlich erfolgte Bewerbung nachzuweisen. In diesen Fällen bestehe grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitslosen auf Beratung, welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stünden, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Diesem Beratungsanspruch des Klägers sei die Beklagte ausreichend nachgekommen. Sie habe ihn darüber informiert, dass eine besondere Nachweispflicht nicht bestehe und er für den Fall, dass eine Bewerbung ihren Empfänger nicht erreiche, beweispflichtig für die Tatsache sei, dass er die Bewerbung versandt habe. Aus Kostengründen empfehle sich die Versendung durch einfachen Brief, wobei dann der Nachweis durch einen Zeugen in Betracht komme. Die von dem Kläger begehrte Feststellung eines verbindlichen Verfahrens, wie der Nachweis der erfolgten Bewerbung erbracht werden könne, gehe über den gesetzlich festgelegten Beratungsanspruch im Sinne des § 16 SGB I hinaus. Im übrigen sei für die abschließende Beurteilung im jeweiligen Einzelfall das Gericht und nicht die Beklagte zuständig.

Gegen das ihm am 12.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.8.2005 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Beklagte habe die Sperrzeit erst drei Jahre später zurückgenommen. Die aus der Sperrzeit resultierenden Zahlungsrückstände seien bis heute nicht ausgeglichen. Auch habe er am 13.11.2003 nicht im Beisein des Zeugen L bei der Beklagten vorgesprochen, sondern sei von der Beklagten unter Strafandrohung zu diesem Termin geladen worden. Es ergebe sich ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung, da die Beklagte seinem Begehren auf Beratung nicht ausreichend nachgekommen sei. Im Rahmen des § 15 SGB I sei rechtsverbindlich zu klären, wann der Nachweis einer erfolgten Bewerbung als erbracht gelte bzw wie und in welcher Form eine solche Nachweispflicht erbracht werden müsse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.07.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die schriftliche Auskunft darüber zu erteilen, wie ein Nachweis der erfolgten Bewerbung zu erfolgen habe, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, pro erfolgter Bewerbung den Betrag in Höhe von 3,04 Euro zzgl 5 Euro Bearbeitungsgebühr zzgl 5 % Zinsen ab Antragstellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der beigezogenen Verfahren L 9 B 72/04 AL ER - LSG NRW -, S 16 AL 87/04 ER und S 16 AL 98/03 - jeweils SG Duisburg - Bezug, die vorgelegen und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht (SG) ist zutreffend davon ausgegangen, dass es die Beklagte zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger die beantragte schriftliche Auskunft zu erteilen. Insofern nimmt der Senat - nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen - auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im übrigen weist er auf Folgendes hin: Die Beklagte und das Sozialgericht haben zutreffend ausgeführt, dass die Beantwortung der Frage, ob bei nicht nachweisbarem Eingang eines Bewerbungsschreibens bei einem potentiellen Arbeitgeber davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitslose eine ihm angebotene Arbeit im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht angenommen hat ("konkludente Nichtbewerbung" vgl Henke in Eicher/Schlegel, § 144 SGB III Rdnr 307, Stand 3/2006), von der Sachaufklärung und Beweiswürdigung im Einzelfall abhängt. Zu berücksichtigen sind insbesondere mögliche Unregelmäßigkeiten im Postverkehr, die Anzahl der bisher verloren gegangenen Postsendungen, die Angaben möglicher Zeugen und die Glaubwürdigkeit des Klägers. Insofern ist es dem Kläger unbenommen, seine Einwände gegen einen möglichen Sperrzeitbescheid mit den gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfen vorzubringen. Ein Feststellungsinteresse des Klägers an der Klärung der von ihm aufgeworfenen Fragen ist daher nicht erkennbar (§ 55 Abs. 1 SGG). Im Wege einer Feststellungsklage kann der Kläger auch grundsätzlich nicht die Beantwortung von abstrakten Rechtsfragen erreichen (BSG, Urt. v. 20.12.2001 - B 4 RA 50/01 R - SGb 2002, 275; BSG, Urt. v. 05.08.1999 - B 14 KG 3/99 B - ). Das SG hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass das Begehren des Klägers auch nicht als Verpflichtungsklage zulässig ist, da es nicht im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X auf die unmittelbare Feststellung von Rechten des Klägers gerichtet ist. Auch im Wege einer allgemeinen Leistungsklage kann der Kläger keine Erteilung einer seiner Rechtsansicht entsprechenden Auskunft erreichen.

Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Übernahme von Beiträgen und Bearbeitungsgebühren pro erfolgter Bewerbung ist die Berufung unbegründet. Die Klage war unzulässig, weil ein konkreter Antrag auf Übernahme von Bewerbungskosten nach § 45 SGB III und ein ablehnender Verwaltungsakt weder behauptet werden noch erkennbar vorliegen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Da die Übernahme der Kosten für die Erstellung und Versendung von Bewerbungsunterlagen grundsätzlich von dem Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten abhängig ist, beinhaltet auch dieses Begehren des Klägers eine unzulässige Klärung von abstrakten Rechtsfragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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