L 2 B 73/06 U ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 939/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 B 73/06 U ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 42.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Beendigung seiner Beteiligung an der Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung in der gesetzlichen Unfallversicherung (H-Arzt-Verfahren).

Der Antragsteller, ein in B niedergelassener Facharzt für Chirurgie, beantragte am 29. April 1993 die Beteiligung am so genannten H-Arzt-Verfahren. Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der H-Arzt-Kommission vom 11. August 1993 teilte der Antragsgegner dem Antragssteller mit Schreiben vom 17. August 1993 mit, dass dieser hiermit nach Maßgabe der "Richtlinien über die Beteiligung von H-Ärzten" in der Fassung vom 1. Januar 1991 an der Durchführung der Heilbehandlung gemäß § 557 Abs. 2 Satz 2 RVO beteiligt werde; der Antragsteller erklärte sein Einverständnis mit der Beteiligung durch Unterschrift vom 26. August 1993.

Der Antragsgegner ließ in der Folgezeit zunächst durch fünf Unfallversicherungsträger über einen bestimmten Zeitraum alle eingehenden H-Arzt-Berichte und die dazu gehörigen Rechnungen überprüfen. Mit Schreiben an die Geschäftsführer aller Mitgliedsverwaltungen aus Dezember 2004, Mai 2005 und September 2005 bat der Antragsgegner sodann um Übersendung aller eingehenden Berichte auch für spätere Zeiträume und weitergehender Unterlagen bestimmter H-Ärzte, die wiederholt und bei mehreren Unfallversicherungsträgern auffällig geworden seien, genannt war auch der Antragsteller.

Mit Schreiben vom 9. September 2005 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass die Unfallversicherungsträger Unterlagen zu insgesamt vier Versicherungsfällen übersandt hätten, aus denen hervorgehe, dass nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt worden seien. Übersandt wurde ferner eine tabellarische Aufstellung über 49 vom Antragsteller erstattete Berichte, die verschiedene, im Einzelnen bezeichnete Mängel aufwiesen. Zugleich wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nachdem der Antragsteller sich zu dem Vorgehen u.a. schriftsätzlich geäußert hatte, entschied der H-Arzt-Ausschuss am 29. November 2005, den mit dem Antragsteller geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Beteiligung an der besonderen Heilbehandlung nach § 34 Abs. 2 Sozialgesetz, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) zu kündigen. Die Kündigung wurde sodann durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 30. November 2005 zum 5. Dezember 2005, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin erklärt. In dem Schreiben ist ausgeführt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach wegen gravierender Pflichtverstöße und Unregelmäßigkeiten bei der Einhaltung des bestehenden Vertrages in Erscheinung getreten sei. Bereits am 27. August 2003 habe ein Gespräch stattgefunden, in welchem es um eine auffällig große Zahl von Verordnungen von Transporten sowie Hilfsmitteln gegangen sei. Nunmehr lägen 49 fehlerhafte H-Arzt-Berichte vor, von denen 31 unvollständig und 34 verspätet erstattet worden seien, in 8 Fällen sei die Einleitung der besonderen Heilbehandlung angezeigt worden, ohne die in § 35 Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger aufgeführten Verletzungen, insbesondere die betreffende Katalognummer anzugeben. In 15 Fällen seien geforderte Verlaufsberichte nicht bzw. nicht in dem geforderten Zeitraum erstattet worden. 31 der erstatteten Berichte seien unleserlich. Auf 47 Berichten sei die Unterschrift nur gestempelt bzw. von einer anderen Person "i.V." unterschrieben worden. Ferner verstießen die regelmäßigen Behandlungen von Trauma-Patienten mit einem Kälte-Gelkissen gegen die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der H-Arzt-Tätigkeit, gegen die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie gegen die Regeln der ärztlichen Kunst. Weiter lägen Unterlagen vor, aus denen hervorgehe, dass in 3 Fällen nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt worden seien.

Gegen diese Kündigung wandte sich der Antragsteller mit einem am 22. Dezember 2005 beim Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Sozialgericht hat in einem Erörterungstermin u. a. die im Kündigungsschreiben benannten Personen als Zeugen vernommen, in deren Fällen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden sein sollen. Durch Beschluss vom 22. Februar 2006 hat das Sozialgericht sodann den Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Wirksamkeit der Kündigung uneingeschränkt am H-Arzt-Verfahren über den 5. Dezember 2005 hinaus zu beteiligen. Nachdem eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wegen damit verbundener vollständiger Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht komme, sei im Rahmen des Anordnungsanspruchs zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die vorläufige weitere Beteiligung am H-Arzt-Verfahren fortbestünden. Hierbei sei darauf abzustellen, ob das dem Antragsteller im Kündigungsschreiben vorgeworfene Fehlverhalten bei summarischer Prüfung eine Eignung zur Teilhabe am H-Arzt-Verfahren entfallen lasse. Gründe, die die fachliche Befähigung des Antragstellers zur weiteren Beteiligung am H-Arzt-Verfahren entfallen ließen, seien im Kündigungsschreiben nicht dargelegt worden. Zudem sei der verfassungsrechtlich fundierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der an hoheitlich organisierten Heilverfahren Beteiligte könne nach Beendigung seiner Beteiligung nicht zu einem Konkurrenten wechseln, sondern verliere diese wirtschaftliche Existenzgrundlage in aller Regel auf Dauer, er habe keine Möglichkeit mehr, sich an der Versorgung der gesetzlich Unfallversicherten zu beteiligen. So zwinge die hoheitliche Ausgestaltung des Heilverfahrens, die aus wichtigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt sei, bei Beendigung zu einer besonders strengen Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Sinne der ultima ratio der Beendigung. Wichtige Gründe in diesem Sinne seien vorliegend nicht feststellbar. Ein Abrechnungsbetrug liege nicht vor, zudem lege es der in Betracht kommende Schaden in den vom Antragsgegner genannten Fällen (29,83 EUR, 10,55 EUR und 4,10 EUR) angesichts der Abrechnungssumme im Gesamtjahr nicht gerade nahe, dass sich der Antragsteller auf diese geringfügige Summe einen rechtswidrigen Vermögensvorteil hätte verschaffen wollen. Die unterschiedlichen Auffassungen über die Abrechenbarkeit von Gebühren für die Kältebehandlungen seien notfalls mit gerichtlicher Hilfe abzuklären, rechtfertigten aber nicht den Vorwurf des Betruges. Die Fehler bei der Erstattung der Berichte wiegten nicht so schwer, da eine Behinderung des Heilverfahrens nicht dargelegt worden sei. Die grundsätzliche Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung, in Bezug auf die Zweifel aufgetaucht seien, sage noch nichts darüber, inwieweit Hilfspersonen für Hilfsdienste eingeschaltet werden könnten, die Hinzuziehung anderer Ärzte dürfte auch berufliche Praxis sein. Die Kündigung des Vertrages sei im Übrigen auch nicht lediglich eingeschränkt gerichtlich überprüfbar, es werde nicht die Auffassung des Antragsgegners geteilt, dass diesem ein aus der Selbstverwaltungsautonomie folgendes weites Ermessen eingeräumt sei. Gegen diesen ihm am 2. März 2006 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 23. März 2006 eingegangene Beschwerde des Antragsgegners. Der Antragsgegner trägt vor, dass ihm und den Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch die erstgerichtliche Billigung fortgesetzter erheblicher Vertragsverstöße des Antragstellers ein erheblicher materieller und immaterieller Schaden entstehe, wenn der Antragsteller weiterhin als H-Arzt tätig sei. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei nicht als überwiegend wahrscheinlich mit einem Obsiegen des Antragstellers einzuschätzen. Es sei der Vollbeweis für gravierende Vertragsverstöße erbracht worden. Diese Verstöße würden durch das Erstgericht bagatellisiert. Die analoge Anwendung des Kassenarztzulassungsrechts beruhe auf einem unreflektierten Strukturvergleich. Die Anforderungen an eine kassenärztliche Zulassung seien wesentlich niedriger, es bedürfe dort keiner zusätzlichen, freiwilligen Weiterbildung und Qualifikation wie im Falle eines H-Arztes. Die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren setze ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus, das dem Rechtsverhältnis mit dem einfachen Kassenarzt letztlich unähnlich sei und welches es gebiete, dass sich die Berufsgenossenschaften jederzeit auf die peinlich genaue Einhaltung der Verpflichtungen verlassen könnten. Dieses Vertrauensverhältnis sei vorliegend zerstört. Es lägen mittlerweile weit mehr als 100 weitere falsche und unvollständige H-Arzt-Berichte seit 27. September 2005 vor. Die Berufsgenossenschaften wüssten, dass kaum ein Arzt die Berichte zur vollen Zufriedenheit der Unfallversicherungsträger erstatte. Deshalb sei vor geraumer Zeit damit begonnen worden, die Ärzte darauf hinzuweisen, dass dieser Missstand nicht weiter hinzunehmen sei. Es sei Sache der Berufsgenossenschaften, das eigene Verfahren zum Sanktionenkatalog zu regeln. Ein milderes Mittel als die Kündigung der Beteiligung existiere nicht, jedenfalls habe er, der Antragsgegner, auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kein solches ergreifen müssen.

Der Antragsgegner beantragt,

der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006, Az.: S 69 U 939/05 ER, wird aufgehoben und die Anträge des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Kündigung des am 11./26. August 1993 zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner geschlossenen Vertrages über die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren werden zurückgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners vom 23. März 2006 zurückzuweisen.

Der Antragsteller verweist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2006 ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Wirksamkeit der Kündigung uneingeschränkt am H-Arzt-Verfahren über den 5. Dezember 2005 hinaus zu beteiligen.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei ist bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn also eine Klage weder offensichtlich unzulässig oder unbegründet noch offensichtlich zulässig und begründet ist, eine Interessenabwägung erforderlich; die einstweilige Anordnung wird erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch (hier: auf weitere Teilnahme am H-Arzt-Verfahren) besteht, und die auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 29, 29 a, m.w.N.).

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Kündigung der "Zulassung" (vgl. Ricke in KassKomm., § 34 SGB VII Rdnr. 6) in entsprechender Anwendung des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG oder nach Abs. 2 der Vorschrift zu erfolgen hat, da hier in jedem Fall eine Interessenabwägung zu erfolgen hat. Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache offensichtlich begründet oder unbegründet wäre. Eine Kündigung des Vertrages über die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) möglich, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Die "Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am H-Arzt-Verfahren" sehen (in der Fassung vom 1. Januar 2005, Punkt 6.4) eine Kündigung allerdings bereits bei "wiederholter Pflichtverletzung" vor. Auch hatte der Antragsteller in dem von ihm unterzeichneten Antrag vom 29. April 1993 erklärt anzuerkennen, dass ein Widerruf der Beteiligung bei Verletzung der übernommenen Pflichten erfolgen könne; ausdrücklich genannt waren die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung und die rechtzeitige Durchführung erforderlicher Dokumentationsarbeiten. Näheres zur Frage der erforderlichen Erheblichkeit der Verstöße, insbesondere unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Abwägung mit den vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten, sowie dazu, ob und gegebenenfalls mit welchen Modifizierungen zum Vertragsarztrecht entwickelte Grundsätze heranzuziehen sind, ist – soweit ersichtlich – nicht geklärt. Erst recht konnte bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, wie die dem Antragsteller im Einzelnen vorgeworfenen Pflichtverstöße zu bewerten sind. Offen ist z.B., ob und ggf. in welchen Fällen eine Kündigung an der Beteiligung am H-Arzt-Verfahren grundsätzlich erst nach vorheriger, erfolglos gebliebener Abmahnung zulässig ist (vgl. LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 13. März 2003, Az.: L 6/3 U 462/02 ER, Breithaupt 2003, 575). Für ein solches Erfordernis spricht, jedenfalls bei nicht ganz besonders schweren Verfehlungen, die Notwendigkeit der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Vorliegend ist zwar der Antragsteller an die Einhaltung seiner Pflichten durch das am 27. August 2003 geführte Gespräch sowie mit dem Anhörungsschreiben vom 9. September 2005 ermahnt worden. Das Gespräch aus August 2003 bezog sich jedoch ausschließlich auf die Verordnung von Krankentransporten und Hilfsmitteln und hatte mit den nunmehr durch den Antragsgegner gerügten Pflichtverletzungen nichts zu tun. Sofern man in dem Anhörungsschreiben vom 9. September 2005 eine Abmahnung sähe, wären entsprechend dem Zweck einer Abmahnung, dem Anhalten zu vertragsgerechtem Verhalten, für die Kündigung lediglich spätere, nach der Abmahnung liegende Vertragsverstöße maßgeblich. Der Antragsgegner trägt zwar vor, dass auch nach diesem Zeitpunkt in großem Umfang falsche und unvollständige H-Arzt-Berichte erstattet worden seien, was allerdings nicht näher präzisiert wurde. Die Auswertung der in diesem Zusammenhang übersandten H-Arzt-Berichte muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Bei summarischer Prüfung der präsenten Beweismittel musste auch offen bleiben, ob und in welchem Umfang in den Fällen, in denen Unterschriftenstempel verwendet wurden, Leistungen nicht durch den Antragsteller persönlich erbracht worden sind.

Bei der damit wegen des offenen Ausganges erforderlichen Folgenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner – wie bereits das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat – an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist. Die Entziehung der Beteiligung am H-Arzt-Verfahren berührt den Antragsteller in seiner Berufsausübungsfreiheit. Jedenfalls in diesem Zusammenhang ist unter Heranziehung der für die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung entwickelten Grundsätze ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Wirksamkeit der Beendigung der Beteiligung am H-Arzt-Verfahren zu fordern, welches über dasjenige hinausgehen muss, das die Beendigung rechtfertigt (vgl. BVerfGE 69, 233, 244f). Die Beendigung der Teilhabe am H-Arzt-Verfahren mag zwar, wie der Antragsgegner vorträgt, nicht gänzlich vergleichbar sein mit der Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung, da die vertragsärztliche Tätigkeit verbleibt. Doch der betroffene Arzt ist schon vor Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auf Tätigkeiten außerhalb des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt. Angesicht des Umfanges, in welchem der Antragsteller in der Vergangenheit Versicherte der Unfallversicherungsträger behandelt hat, wie er sich zum einen aus den zum Streitwert gemachten Angaben und zum anderen aus den regelmäßigen Jahresmeldungen über die Anzahl behandelter Versicherter ergibt, ist von gravierenden Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Existenz auszugehen; der Antragsteller dürfte seine Praxis nur mit ganz erheblichen Einschränkungen fortführen können. Je schwerer aber die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 19. März 2004, NJW 2004, 3100).

Das danach erforderliche besondere öffentliche Interesse ist nur dann anzunehmen, wenn die weitere Tätigkeit als H-Arzt nach den Umständen des Falles konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, NJW 2003, 3618 f.). Derartige Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter sind für den Zeitraum bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens wegen der dem Antragsteller vorgeworfenen Verfehlungen nicht ersichtlich. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, worin der vorgetragene "erhebliche materielle und immaterielle Schaden" bestehen soll, der dem Antragsgegner bzw. den Berufsgenossenschaften bei einem Abwarten des Hauptsacheverfahrens entstehen soll; dies ist auch nicht näher spezifiziert worden. Insbesondere wurde, worauf auch das Sozialgericht hingewiesen hat, eine Behinderung des Heilverfahrens in keinem konkreten Fall dargelegt; auch fehlerhafte, zu Schaden führende oder gefährdende Behandlungen wurden nicht behauptet. Ein materieller Schaden dürfte, soweit ersichtlich, nur insoweit in Betracht kommen, als die seitens des Antragsgegners gerügten regelmäßigen Kältebehandlungen möglicherweise nicht indiziert sind. Dies rechtfertigt für sich genommen nicht die sofortige Beendigung der Teilnahme am H-Arzt-Verfahren. Die Problematik der nicht persönlichen Leistungserbringung ist aus den genannten Gründen nicht hinreichend geklärt, um für die sofortige Beendigung ausschlaggebend sein zu können.

Der Antragsgegner selbst hat ausgeführt, zu wissen, dass kaum ein Arzt die Berichte zur vollen Zufriedenheit der Unfallversicherungsträger erstattet. Deshalb sei begonnen worden, diesen Missstand nicht weiterhin hinzunehmen. Während einerseits dieses Anliegen des Antragsgegners und der Unfallversicherungsträger nachvollziehbar ist, muss andererseits im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz in die Abwägung einfließen, dass vorliegend jahrelang praktizierte Unregelmäßigkeiten zur Beendigung der Beteiligung am H-Arzt-Verfahren führen sollen, die zudem in gewissem Umfang verbreitet und bisher offenbar nicht mit der jetzt gezeigten Konsequenz verfolgt worden sind. Danach hatte die Abwägung der Folgen und Interessen letztlich dahin zu führen, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197 a SGG, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG. Im Hinblick auf den Betrag wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen.
Rechtskraft
Aus
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