L 18 B 72/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 12041/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 72/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2006 aufgehoben, soweit die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller ein Darlehen von 367,77 EUR zu gewähren. Insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen. Kosten sind im gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Das SG hat die Antragsgegnerin zu Unrecht vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller ein Darlehen von 367,77 EUR zu gewähren. Soweit die Antragsgegnerin ausweislich des Antrages in der Beschwerdeschrift darüber hinaus begehrt, den Beschluss des SG (vollständig) aufzuheben, fehlt es an einer Beschwer, weil bereits das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Übrigen zurückgewiesen hat; insoweit war die Beschwerde der Antragsgegnerin als unzulässig zu verwerfen.

Der 1982 geborene Antragsteller, der nach seinen heutigen telefonischen Angaben gegenüber dem Berichterstatter die Schulausbildung wegen Nichtbestehens der Probezeit zu Ende Januar 2006 abbrechen musste, hat in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum Abbruch seiner Schulausbildung keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Leistungsausschluss folgt aus § 7 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind in dieser Zeit erfüllt, weil die Schulausbildung des Antragstellers im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes gefördert worden ist.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Er kann sich für die Zeit seiner Schulausbildung nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II berufen. Das Vorliegen einer besonderen Härte war zu verneinen.

Die Reichweite dieser Ausnahme vom Regeltatbestand ist aus der Gegenüberstellung zur Regelvorschrift zu bestimmen. Die Annahme einer besonderen Härte setzt voraus, dass die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine solche Ausbildung verbunden und vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden ist (zur wortlautgleichen sozialhilferechtlichen Vorschrift § 26 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG): BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993, BVerwGE 94, 224, 228; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11. August 1999, NordÖR 2000 S. 193 ff.). Der grundsätzliche Ausschluss von Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG beruhte darauf, dass die Förderung von Ausbildungen außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt ist. Die Ausbildung soll nur mit den dort vorgesehenen Leistungen gefördert werden. Die Ausschlussvorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 BSHG sollte verhindern, dass die Sozialhilfe eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf einer "zweiten Ebene" ist (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993, BVerwGE 94, 224, 227; BVerwG, Beschluss vom 31. März 1999 – 5 B 89/98 – juris). Diese von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können auf das geltende Recht übertragen werden.

Hiervon ausgehend kann ein besonderer Härtefall erst angenommen werden, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, die auch im Hinblick auf den Gesetzeszweck, die Grundsicherung von den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten, den Ausschluss übermäßig hart erscheinen lassen. Als derartiger Umstand kommt beispielsweise ein Ausbildungsabbruch in der akuten Phase des Abschlussexamens in Betracht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2005 – L 2 B 7/05 AS ER = JMBl ST 2005, 213 ff.). Solche oder vergleichbare Umstände hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Er befand sich noch im ersten Viertel seiner Ausbildung im Oberstufenzentrum Ernährung und Hauswirtschaft an der E-F Schule. Besondere gesundheitliche oder familiäre Schwierigkeiten, die zu der Bewertung führen könnten, dass die Folgen eines Anspruchsausschlusses den Antragsteller härter treffen würden, als dies regelmäßig mit der Versagung von Hilfe zum Lebensunterhalt für eine Ausbildung verbunden ist (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 31. August 2005 – L 5 B 185/05 AS ER – juris), waren weder dargetan noch ersichtlich. Die bloße akute Finanznot des 23jährigen Antragstellers reichte nicht aus. Wegen der Deckung besonderer Aufwendungen für seine Unterkunft war der Antragsteller im Härtefall an das Amt für Ausbildungsförderung zu verweisen.

Bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutzantrag ist durch den Ausbildungsabbruch zudem ein eiliges Regelungsbedürfnis für Härteleistungen an Auszubildende entfallen. Das zuständige Amt für Ausbildungsförderung hat seinen Angaben zufolge inzwischen auch einen Mietkostenzuschuss bis Januar 2006 gewährt.

Wegen der Dringlichkeit der Sache konnte der Berichterstatter in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 4 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anstelle der Vorsitzenden entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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