L 6 U 3698/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4296/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3698/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die §§ 56 ff SGB I enthalten eine Regelungslücke. Nicht geregelt ist die Frage, ob nicht-fällige Ansprüche übergehen, die wegen § 59 Satz 2 SGB I nicht erloschen sind, aber wegen § 56 Abs.1 SGB I nicht auf den Sonderrechtsnachfolger übergehen. Aus dem Regelungszweck der §§ 56 - 59 SGB I ist aber darauf zu schließen, dass diese Ansprüche trotz des Wortlauts des § 58 Satz 1 SGB I dem Erben zustehen.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2005 abgeändert. Der Bescheid vom 4. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Erbengemeinschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob dem verstorbenen Ehegatten der Klägerin Übergangsleistungen zugestanden haben und ob diese gegebenenfalls auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übergegangen sind.

Der Ehegatte der Klägerin, welcher seine Beschäftigung zum 30. April 1994 eingestellt hatte, beantragte am 4. Januar 1999 die Anerkennung seiner Hauterkrankung als Berufskrankheit (BK). Nach Abschluss ihrer medizinischen Ermittlungen prüfte die Beklagte, ob dem Ehegatten der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) zustanden. So forderte die Beklagte unter dem 5. September 2000 beim Arbeitsamt Stuttgart und bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz Angaben über eventuell gezahlte Leistungen sowie beim Ehegatten der Klägerin Lohnabrechnungen an. Mit Bescheid vom 1. März 2001 anerkannte die Beklagte die Hauterkrankung des Ehegatten der Klägerin als BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV ab 1. Mai 1994 und lehnte einen Rentenanspruch ab, da eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe nicht vorliege. Weitere Ermittlungen im Hinblick auf die Bewilligung von Übergangsleistungen erfolgten mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 und 20. März 2001 beim Arbeitsamt Stuttgart, 5. Juli, 8. August und 12. April 2001 beim Ehegatten der Klägerin sowie 12. April 2002 bei der IKK Stuttgart

Am 22. April 2002 teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem mit, ihr Ehegatte sei am 11. Oktober 2001 verstorben. Im Übrigen bat sie um weitere Bearbeitung der Angelegenheit, insbesondere um eine Bescheidung hinsichtlich der noch nicht gewährten Übergangsleistungen.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Sie führte aus, die Übergangsleistungen seien für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 1994 wegen Verjährung ausgeschlossen. Auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 könnten Übergangsleistungen nicht mehr gewährt werden, da für das Entstehen dieser Ermessensleistung der Zeitpunkt maßgebend sei, an dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben werde. Ein etwaiger Bescheid über die Übergangsleistungen hätte damit dem Ehegatten der Klägerin bekannt gegeben werden müssen, was jedoch nicht erfolgt sei. Den hiergegen am 20. Dezember 2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 7. Juli 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2005 ab und führte zur Begründung aus, der Anspruch auf die Übergangsleistungen als Ermessensleistung hätte erst nach seiner Feststellung auf einen Rechtsnachfolger übergehen können.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. September 2005 Berufung erhoben. Sie hat den Beschluss des Amtsgerichts K. vom 5. Mai 2002 vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass ihr Ehegatte kein Testament gemacht hat und sie sowie ihre beiden Kinder die ihnen gesetzlich angefallene Erbschaft angenommen haben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2005 und den Bescheid vom 4. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erbengemeinschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2006 gestellten Antrag begründet.

Der Senat brauchte nicht über die Frage zu entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Übergangsleistungen als Sonderrechtsnachfolgerin oder Erbin ihres Ehegatten (siehe dazu 1.) oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung als Sonderrechtsnachfolgerin (siehe dazu unten 2.) hat. Denn sie hat auf rechtlichen Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag darauf beschränkt, die Beklagte zu verurteilen, die Erbengemeinschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (siehe dazu unten 3.).

1.

Dass die Klägerin einen Anspruch auf die Zahlung von Übergangsleistungen weder als Sonderrechtsnachfolgerin noch als Erbin des am 11. Oktober 2001 verstorbenen Versicherten hat, folgt daraus, dass auch zu Lebzeiten des Versicherten noch kein Anspruch auf Übergangsleistungen, sondern nur ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung bestand.

Dies ergibt sich zwar nicht aus § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV, wonach der Träger der Unfallversicherung einem Versicherten zum Ausgleich der durch Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren hat, jedoch aus § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV, wonach als Übergangsleistung ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt wird. Auf die Übergangsleistung besteht daher nur dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BKV gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 11. Oktober 1973 - 8/7 RU 51/72 - SozR Nr. 3 zu § 3; BSG, Urteil vom 23. Juni 1983 - 2 RU 57/82 - SozR 5677 § 3 Nr 3; BSG, Urteil vom 31. Mai 1996 - 2 RU 25/95 - SozR 3-5670 § 3 Nr. 2; Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3, 5.2).

2.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung als Sonderrechtsnachfolgerin des am 11. Oktober 2001 verstorbenen Versicherten.

Zwar ist dieser Anspruch durch den Tod des Versicherten nicht erloschen.

Dem steht nicht die Regelung des § 59 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entgegen, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nur erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.

Der Senat folgt insoweit nicht dem Urteil des SG Hamburg vom 30. September 2002 - S 36 U 273/99 -, in welchem ausgeführt wird, ein Anspruch auf Bescheidung sei nicht vererbbar, da § 59 Satz 2 SGB I verbindlich diejenigen sozialrechtlichen Ansprüche benenne, die überhaupt von Todes wegen übertragen werden könnten und bei Vererbung von Bescheidungsansprüchen die Grundsätze der Vererbbarkeit von Ansprüchen auf fällige Leistungen unterlaufen würden, was vom Gesetzgeber mit den abschließenden Regelungen des SGB I offensichtlich nicht gewollt sei. Denn zum Einen ergibt sich aus der negativen Formulierung des § 59 Satz 2 SGB I nicht die - auch in der Literatur vertretene (Diebold in LPK-SGB I, § 59 Rz 5) - Ansicht, diese Vorschrift nenne verbindlich diejenigen Ansprüche, die von Todes wegen übertragen werden könnten. Zum Anderen fallen auch Ermessensleistungen unter § 59 Satz 2 SGB I. Dies deshalb, da der in § 11 Satz 1 SGB I verwendete Begriff der Geldleistung nur als Abgrenzung zu den ebenfalls in § 11 Satz 1 SGB I genannten Sach- und Dienstleistungen, nicht aber zur Abgrenzung zwischen Rechtsansprüchen im Sinne des § 38 SGB I einerseits und Ansprüchen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I andererseits dient. Die in § 59 Satz 2 SGB I verwendete Formulierung "Ansprüche auf Geldleistungen" meint damit sowohl auf Geldleistungen gerichtete Rechtsansprüche als auch Ansprüche auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens in Bezug auf eine Geldleistung. Daher kommt ein Fortbestehen von Ermessensansprüchen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 59 Satz 2 SGB I in Betracht.

Die Beklagte hat - entgegen der Ansicht des SG - Ermittlungen in Bezug auf die Gewährung von Übergangsleistungen unter dem 5. September 2001 aufgenommen und mit Schreiben vom 24. Oktober 2000, 20. März, 5. Juli, 8. August 2001 und 12. April 2002 fortgeführt. Im Zeitpunkt des am 11. Oktober 2001 eingetretenen Todes des Versicherten war somit ein Verwaltungsverfahren anhängig. Hieraus ergibt sich, dass der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung durch den Tod des Versicherten nicht erloschen ist.

Dieser noch nicht erloschene Anspruch steht aber der Klägerin nicht als Sonderrechtsnachfolgerin zu.

Denn nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I stehen nur fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung ist vorliegend aber im Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht fällig gewesen. Denn nach § 40 Abs. 2 SGB I entsteht bei Ermessensleistungen der Leistungsanspruch erst in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben wird, es sei denn, dass in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist. Auch im letzteren Fall kann der andere Zeitpunkt jedoch nur wirksam werden, wenn die Entscheidung bekannt gegeben ist. Dies ergibt sich daraus, dass nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Verwaltungsakt zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe an den Adressaten bedarf (BSG, Urteil vom 31. Mai 1996 - 2 RU 25/95 - SozR 3-5670 § 3 Nr. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2000 - L 17 U 231/97 - HVBG-Info 2001, 1200; Seewald in Kasseler Kommentar, SGB I § 40 Rz. 50 und § 59 Rz. 5). Eine Bekanntgabe einer Entscheidung der Beklagten über Art, Höhe und Dauer von Übergangsleistungen an den Versicherten ist vorliegend nicht erfolgt.

Die für das Entstehen des Ermessensanspruchs notwendige Bekanntgabe der Entscheidung entfiele auch nicht deshalb, wenn bei der Entscheidung über die Abfindung eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten wäre. Denn auch in einem solchen Falle hätte der Versicherte nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Bei einem derart eingeschränkten Anspruch ist es zwar ausnahmsweise zulässig, zu einer Leistung zu verurteilen, anstatt lediglich die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes auszusprechen, wenn die Ablehnung der Leistung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt rechtswidrig ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Anspruch auf eine Ermessensentscheidung durch die Ermessensreduzierung seinen Charakter geändert hätte und zu einem Anspruch auf Leistung geworden wäre. Denn die Ermessensentscheidung muss auch in diesem Falle getroffen werden. Kommt man zu dem Ergebnis, dass es keine Ermessensgründe gibt, die die Ablehnung des Anspruches rechtfertigen, so bleibt es dennoch dabei, dass das Ermessen ausgeübt, also in Bezug auf den Einzelfall geprüft worden ist. Der Gesetzgeber hat in § 40 Abs. 2 SGB I bei Ermessensleistungen das Entstehen des Anspruchs von der Bekanntgabe der Entscheidung abhängig gemacht, weil "die Ausübung des Ermessens oft schwierige Ermittlungen und Bewertungen nötig macht, sodass vielfach nicht feststellbar ist, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen vorgelegen haben" (BT-Drucks. 7/868 S. 29). Diese Gründe gelten auch, wenn das Ermessen der Verwaltung nur noch eine Entscheidung zu Gunsten des Versicherten zulässt. Denn dieses Ergebnis kann erst nach Prüfung aller Umstände gewonnen werden, die für das Ermessen von Bedeutung sind und die - anders als bei den Voraussetzungen für Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht - nicht im Einzelnen im Gesetz genannt sind (BSG, Urteil vom 24. Juni 1987 - 5a RKnU 2/86 - SozR 1200 § 40 Nr. 3).

Der Ermessensanspruch ist mithin nicht fällig geworden und konnte somit auch nicht im Wege der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I auf die Klägerin übergehen.

3.

Die Klägerin und ihre Kinder haben aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Übergangsleistung als Erben des am 11. Oktober 2001 verstorbenen Versicherten, die eine Erbengemeinschaft bilden (vgl. §§ 2032 ff. BGB).

Zwar werden nach § 58 Satz 1 SGB I nur fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vererbt und handelt es sich bei dem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung - wie oben bereits ausgeführt - nicht um einen fälligen Anspruch, was nach dem Wortlaut dieser Vorschrift zur Folge hätte, dass auch eine Vererbung dieses Anspruchs ausscheiden würde.

Der Senat ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass nicht-fällige Ansprüche, die wegen § 59 Satz 2 SGB I nicht erloschen sind, aber wegen § 56 Abs. 1 SGB I nicht auf den Sonderrechtsnachfolger übergehen, trotz der Regelung des § 58 Satz 1 SGB I dem/n Erben zustehen. Denn für diese Konstellation liegt eine Regelungslücke vor (Lebich in Hauck/Noftz, § 59, Rz. 6). Zwar wird in der Literatur vorgebracht, das Fortbestehen einer Leistung ohne Rechtsnachfolge sei dadurch gerechtfertigt, dass auch Rechte Dritter, beispielsweise nach §§ 53 ff. SGB I an dem Anspruch bestehen können, die durch das Fortbestehen des Anspruchs nicht beeinträchtigt werden (Diebold in LPK-SGB I, § 59, Rz. 9; Krauskopf, § 59, Rz. 2; Seewald in Kassel Kommentar, § 59, Rz 7; Thieme in Wannagat, § 59, Rz. 5). Diese Argumentation hält der Senat jedoch nicht für zutreffend. Vielmehr ergibt sich aus dem Regelungszweck der §§ 56-59 SGB I, dass eine Vererbung noch nicht erloschener Ansprüche möglich sein muss, ohne dass es auf deren Fälligkeit ankommt. Denn §§ 56-59 SGB I stellen eine abschließende Regelung nur dahingehend dar, in welchen Fällen eine Sonderrechtsnachfolge möglich ist. Die erbrechtlichen Regelungen bleiben jedoch bei Nichtvorhandensein von Sonderrechtsnachfolgern bzw. rechtlichem Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge hiervon unberührt. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der §§ 56-59 SGB I. So hat § 56 SGB I seinen Sinn darin, die dadurch entstandene Benachteiligung, dass bei nicht rechtzeitiger Erfüllung von Ansprüchen auf Geldleistungen nicht nur die Lebensführung des Leistungsberechtigten, sondern aller mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen, beschränkt wird, dadurch auszugleichen, dass in Abweichung vom Erbrecht deren Rechtsnachfolge angeordnet wird (BT-Drucks 7/868 S. 29; siehe Diebold in LPK-SGB I, § 56, Rz. 4). Nicht aber ist bezweckt, diese Familienangehörigen in bestimmten Konstellationen von einer ansonsten nach Erbrecht möglichen Rechtsnachfolge auszuschließen. Genau zu diesem Ergebnis würde aber vorliegend der reine Wortlaut des § 58 Satz 1 SGB I führen, wenn bei Vorhandensein eines Sonderrechtsnachfolgers eine Rechtsnachfolge nach BGB nur deswegen nicht möglich sein könnte, weil es sich um einen nicht-fälligen Anspruch handelt. Dass eine derartige Folge vom Gesetzgeber nicht erwünscht war, ergibt sich aus den den §§ 56-59 SGB I zu Grunde liegenden Motiven, in welchen ausgeführt wird, dass sich die Rechtsnachfolge nach Erbrecht richte, wenn "kein Sonderrechtsnachfolger vorhanden" ist oder "es sich um andere als laufende Geldleistungen" handelt (BT-Drucks 7/868 S. 29). Gewollt war also nur ein Ausschluss der Rechtsnachfolge nach Erbrecht, wenn eine an sich zur Sonderrechtsnachfolge berechtigte Person nicht vorhanden ist oder es sich nicht um laufende Geldleistungen handelt. Nicht gewollt war ein Ausschluss der Rechtsnachfolge nach Erbrecht, wenn - wie hier - eine an sich zur Sonderrechtsnachfolge berechtigte Person vorhanden ist und es sich um eine laufende Geldleistung handelt. Daher handelt es sich nach Überzeugung des Senats in § 58 Satz 1 SGB I insoweit um ein redaktionelles Versehen, als dort statt von "laufenden" von "fälligen" Ansprüchen die Rede ist. § 58 Satz 1 SGB I ist daher so zu lesen, dass alle Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des BGB vererbt werden.

Daher richtet sich vorliegend die Rechtsnachfolge nach § 1922 BGB. Die Klägerin und ihre beiden Kinder sind ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts K. vom 5. Mai 2002, aus welchem hervorgeht, dass der Ehegatte der Klägerin kein Testament gemacht hat und sie sowie ihre beiden Kinder die ihnen gesetzlich angefallene Erbschaft angenommen haben, Erben des am 11. Oktober 2001 verstorbenen Versicherten. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 2039 Satz 1 BGB , der sie berechtigt, in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft - und nicht etwa in Vertretung der übrigen Miterben - zum Nachlass gehörende Ansprüche ohne deren Mitwirkung auch klageweise geltend zu machen (BGH, Urteil vom 5. April 2006 - IV ZR 139/05 - m. w. N.).

Die Beklagte ist daher verpflichtet, ihr Ermessen sowohl im Hinblick auf Art, Dauer und Höhe der Ermessensleistung als auch darauf, ob sie sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 auf die Einrede der Verjährung beruft, auszuüben und die Klägerin entsprechend zu bescheiden.

Nach alledem war der Berufung stattzugeben.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Rechtsfrage nach § 160 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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