Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 701/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 53/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Jedenfalls dann, wenn über 60 % der Patienten an onkologischen Erkrankungen leiden, werden schwerpunktmäßig Leistungen erbracht, die einen Anspruch eines Internisten ohne Schwerpunkt auf Genehmigung zur Erbringung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus (Nrn. 13500 bis 13502) nach der zwischen den Bundesmantelvertragsparteien geschlossenen Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zum 1. April 2005 vom 10.01.2005, DÄBl. 2005, Heft 1-2, S. A-77 = http://daris.kbv.de) begründen.
1. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus für die Quartale ab II/05 ff. zu erteilen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Genehmigung zur Abrechnung der hämatologischen Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus (Nrn. 13500 bis 13502) für die Quartale ab II/05 ff.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin mit Praxissitz in X. seit 01.07.1992 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit Juli 1997 führt er eine Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. med. Y., Facharzt für Innere Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Hämatologie und Internistische Onkologie. Die Gemeinschaftspraxis ist im fachärztlichen Bereich tätig.
Am 01.04.2005 beantragte er die Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen aus dem hämatologischen Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus. Er wies darauf hin, er habe bereits im Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2004 schwerpunktmäßig diese Leistungen erbracht und bringe als onkologisch verantwortlicher Arzt nach der Onkologie-Vereinbarung die erforderlichen persönlichen und strukturellen Voraussetzungen mit.
Mit Bescheid vom 12.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Darin führte sie aus, nach der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM könnten fachärztlich tätigen Internisten ohne Schwerpunkt unter bestimmten Voraussetzungen die Genehmigung zur Berechnung schwerpunktspezifischer Leistungen erteilt werden. Es müsse nachgewiesen werden, dass die jeweiligen spezifischen Leistungsinhalte im Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2004 schwerpunktmäßig erbracht worden seien. Nach einem Vorstandsbeschluss werde dies bei einem Leistungsanteil von 30 % angenommen. Dem Kläger sei zwar die Genehmigung zur Erbringung von Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 als onkologisch verantwortlicher Arzt erteilt worden, er habe diese Leistungen jedoch nicht im erforderlichen schwerpunktmäßigen Umfang von über 30 % der Gesamtleistung erbracht.
Hiergegen legte der Kläger am 03.06.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er sei seit seiner Niederlassung ununterbrochen onkologisch tätig. Der Leistungsanteil betrage regelmäßig weit über 60 %. Hierzu verweise er auf die beigefügten und entsprechend markierten statistischen Unterlagen zur Quartalsabrechnung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2005, zugestellt am 26.07., wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie aus, die Bestimmungen des EBM 2000 plus beinhalteten eine fachgruppenspezifische Abrechnungssystematik. Zugleich sei in den Präambeln der einzelnen Kapitel niedergelegt worden, dass grundsätzlich ausschließlich die dort genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels zur Abrechnung kommen könnten. Ausschlaggebend sei deshalb die fachgruppenspezifische Zuordnung der Leistungen. Als fachärztlich tätiger Internist ohne Schwerpunkt könne er die Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus nicht abrechen. Nach der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM und dem Vorstandsbeschluss komme eine Ausnahmegenehmigung nur bei einem schwerpunktmäßigen Umfang von über 30 % der Gesamtleistung in Betracht. Begleitleistungen (Ordinations- und Konsultationskomplex) blieben unberücksichtigt. Auszugehen sei – für den Kläger als einen Behandler der Gemeinschaftspraxis – vom halben Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis unter Abzug der Begleitleistungen. Gegenüberzustellen sei die Hälfte des Punktzahlvolumens für die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 sowie die onkologische Betreuung nach Nrn. 9020 und ff. EBM ´96. Die ergebe Anteile von 18 % bis 24 % in den Quartalen I/03 bis II/04. Die Angaben des Klägers beruhten demgegenüber auf Aufaddition der absoluten Anzahlen der genannten Leistungen, bezogen auf 100-Fälle. Der Kläger könne aber die alten Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 weiterhin unter Transkodierung nach Nrn. 86500 bis 86505 EBM 2000 plus ohne Genehmigung abrechnen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.08.2005 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, die 30-Prozent-Regelung sei willkürlich. Für die Tätigkeit onkologisch tätiger Internisten passe die Regelung nicht, weil dieser immer Begleitleistungen erbringe. Die Gemeinschaftspraxis behandele ganz überwiegend Patienten auf Überweisung. Kein Onkologe rechne zur Behandlung onkologischer Patienten nur die Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 sowie die Nrn. 9020 ff. EBM ´96 ab. Der EBM 2000 ziele darauf ab, den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zuzuordnen. Der Facharztstandard sei aber unabhängig vom Abrechnungsumfang. Eine Facharztgruppe könne nicht nochmals intern gleichsam aufgeteilt werden. Hierfür fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus für die Quartale ab II/05 ff. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, die 30 %-Regel sei keine undifferenzierte Regelung. Sie habe beispielhaft die Abrechnungsunterlagen von drei verschiedenen Ärzten für das Quartal I/03 verglichen. Alle drei Ärzte hätten die onkologischen Leistungen über 30 % erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus für die Quartale ab II/05 ff.
Nach dem ab 01.04.2005 geltenden EBM 2000 plus kann der Kläger die Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus nicht abrechnen, da er nicht berechtigt ist, die Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie zu führen. Nach der zwischen den Bundesmantelvertragsparteien geschlossenen Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zum 1. April 2005 vom 10.01.2005, DÄBl. 2005, Heft 1-2, S. A-77 = http://daris.kbv.de, im Folgenden abgekürzt als ErgVb) können Vertragsärzte, die mit dem Gebiet Innere Medizin ohne Schwerpunkt am 31.03.2005 zugelassen sind, im Rahmen ihrer Weiterbildung auf Antrag solche Leistungen des EBM abrechnen, die im EBM ausschließlich einem der Schwerpunkte der Inneren Medizin zugeordnet sind. Die Kassenärztliche Vereinigung genehmigt einen Antrag, wenn der Vertragsarzt nachweist, dass er über die erforderlichen persönlichen und strukturellen Voraussetzungen zur Erbringung dieser Leistungen, die einem Schwerpunkt der Inneren Medizin im EBM zugeordnet sind und die ggf. ergänzend in Richtlinien des Bundesausschusses oder in Maßnahmen der Qualitätssicherung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V niedergelegt sind, erfüllt und im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2004 schwerpunktmäßig diese Leistungen erbracht hat. Die Genehmigung ist unbefristet zu erteilen. In diesem Fall gelten für den Vertragsarzt auch die Abrechnungsbestimmungen, wie sie für einen Vertragsarzt gelten, der mit dem Gebiet Innere Medizin mit Schwerpunktbezeichnung im fachärztlichen Versorgungsbereich zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist (Absatz 4 ErgVb).
Streitig zwischen den Beteiligten ist nur die Frage, ob der Kläger "schwerpunktmäßig" diese Leistungen erbracht hat. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der vollumfänglich gerichtlich nachprüfbar ist. Ein Beurteilungsspielraum kommt der Beklagten nicht zu. Die Regelung begründet auch ein subjektives Recht des einzelnen Arztes (vgl. zu den EBM-Budget-Regelungen zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 – B 6 KA 80/04 R –, zitiert nach juris, Ausdruck S. 5; BSG, Urt. v. 16.05.2001 – B 6 KA 53/00 R – SozR 2500 § 87 Nr. 31 = MedR 2002, 165, zitiert nach juris, Rdnr. 20 f.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann für die Feststellung eines Schwerpunktes nicht allein auf die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 sowie nach Nrn. 9020 ff. EBM ´96 abgestellt werden.
Die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 sowie nach Nrn. 9020 ff. EBM ´96 sind nicht identisch mit den Leistungen nach Nrn. 13500 bis 13502 EBM 2000 plus. Letztere haben keine Vorläuferregelungen im EBM´96. Bei den Nrn. 8650 bis 8655 handelt es sich um Pauschalen für die Betreuung onkologischer Patienten aufgrund des HVM der Beklagten bzw. Vereinbarungen mit den Kassenverbänden bzw. der mit den Ersatzkassenverbänden auf Bundesebene geschlossenen Onkologievereinbarungen. Damit wird ein zusätzlicher Betreuungsbedarf zu den Grundleistungen wie die Ordinations-, Konsultationsgebührt und Konsiliarpauschale vergütet. Bereits von daher ist zweifelhaft, ob der Ansatz der Beklagten zutreffend ist, bei der Berechnung der von ihr willkürlich gegriffenen 30 %-Regel diesen Teil des Umsatzvolumens, soweit er auf Onkologiepatienten entfällt, nicht mit zu berücksichtigen. Die Kammer brauchte sich aber nicht mit der generellen Richtigkeit des Ansatzes beschäftigen. Soweit es wie hier um besondere onkologische Leistungen handelt, die zudem im in Absatz 4 ErgVb genannten Zeitraum keine identischen oder ähnlichen Vorläuferbestimmungen haben, ist der Schwerpunkt nach der Patientenzahl zu bestimmen, die zum Kreis der onkologischen Patienten gehören. Absatz 4 ErgVb will mit dem Rückgriff auf die Erbringung bestimmter Leistungen einen Bestandsschutz gewähren. Zudem erkennt Absatz 4 ErgVb an, dass von der Praxis ein besonderer Versorgungsbedarf abgedeckt wird.
Die Nrn. 8650 bis 8655 erfassten nicht alle onkologischen Patienten. Wesentlicher Indikator für den hier maßgeblichen Bereich war die Abrechnung der Pseudoziffer 3488 nach dem HVM der Beklagten. Diese wurde bei einer "Tumorerkrankung unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung oder progrediente Malignome unter Palliativbehandlung" abgerechnet. Im Quartal I/04 hat die Praxis, der der Kläger angehört, diese Leistung 613 x abgerechnet bei 984 Patienten, das entspricht 62 x auf 100 Fälle. Ähnlich ist die Situation in den übrigen Quartalen des maßgeblichen Zeitraums. Damit liegt eindeutig ein Schwerpunkt vor, ohne dass die Kammer gehalten wäre, hierfür klare Mindestgrenzen zu nennen. Ein ähnliches Bild eines Schwerpunktes zeigen auch die Abrechnungshäufigkeiten der Nrn. 8650 bis 8655. Jedenfalls dann, wenn es "schwerpunktmäßig" um die Versorgung bestimmter Krankheitsbilder geht, kann nicht allein auf das Punktzahlvolumen bestimmter Leistungen abgestellt werden. Das BSG hat bereits zu den 1996/1997 nach dem EBM ´96 geltenden Teilbudgets für den Begriff "Versorgungsschwerpunkt" ausgeführt, "Versorgungsschwerpunkt" und die von der Budgetierung erfassten Leistungen dürften nicht gleichgesetzt werden. Da "Versorgungsschwerpunkt" immer eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets meint, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, werden die Teilbudgets nach Abschnitt A I Nr. 5 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM regelmäßig kaum mit Versorgungsschwerpunkten in diesem Sinne zusammentreffen (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 40/99 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 26 = BSGE 87, 112 = MedR 2001, 323, juris Rdnr. 23).
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Sie hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Genehmigung zur Abrechnung der hämatologischen Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus (Nrn. 13500 bis 13502) für die Quartale ab II/05 ff.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin mit Praxissitz in X. seit 01.07.1992 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit Juli 1997 führt er eine Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. med. Y., Facharzt für Innere Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Hämatologie und Internistische Onkologie. Die Gemeinschaftspraxis ist im fachärztlichen Bereich tätig.
Am 01.04.2005 beantragte er die Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen aus dem hämatologischen Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus. Er wies darauf hin, er habe bereits im Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2004 schwerpunktmäßig diese Leistungen erbracht und bringe als onkologisch verantwortlicher Arzt nach der Onkologie-Vereinbarung die erforderlichen persönlichen und strukturellen Voraussetzungen mit.
Mit Bescheid vom 12.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Darin führte sie aus, nach der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM könnten fachärztlich tätigen Internisten ohne Schwerpunkt unter bestimmten Voraussetzungen die Genehmigung zur Berechnung schwerpunktspezifischer Leistungen erteilt werden. Es müsse nachgewiesen werden, dass die jeweiligen spezifischen Leistungsinhalte im Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2004 schwerpunktmäßig erbracht worden seien. Nach einem Vorstandsbeschluss werde dies bei einem Leistungsanteil von 30 % angenommen. Dem Kläger sei zwar die Genehmigung zur Erbringung von Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 als onkologisch verantwortlicher Arzt erteilt worden, er habe diese Leistungen jedoch nicht im erforderlichen schwerpunktmäßigen Umfang von über 30 % der Gesamtleistung erbracht.
Hiergegen legte der Kläger am 03.06.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er sei seit seiner Niederlassung ununterbrochen onkologisch tätig. Der Leistungsanteil betrage regelmäßig weit über 60 %. Hierzu verweise er auf die beigefügten und entsprechend markierten statistischen Unterlagen zur Quartalsabrechnung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2005, zugestellt am 26.07., wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie aus, die Bestimmungen des EBM 2000 plus beinhalteten eine fachgruppenspezifische Abrechnungssystematik. Zugleich sei in den Präambeln der einzelnen Kapitel niedergelegt worden, dass grundsätzlich ausschließlich die dort genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels zur Abrechnung kommen könnten. Ausschlaggebend sei deshalb die fachgruppenspezifische Zuordnung der Leistungen. Als fachärztlich tätiger Internist ohne Schwerpunkt könne er die Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus nicht abrechen. Nach der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des EBM und dem Vorstandsbeschluss komme eine Ausnahmegenehmigung nur bei einem schwerpunktmäßigen Umfang von über 30 % der Gesamtleistung in Betracht. Begleitleistungen (Ordinations- und Konsultationskomplex) blieben unberücksichtigt. Auszugehen sei – für den Kläger als einen Behandler der Gemeinschaftspraxis – vom halben Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis unter Abzug der Begleitleistungen. Gegenüberzustellen sei die Hälfte des Punktzahlvolumens für die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 sowie die onkologische Betreuung nach Nrn. 9020 und ff. EBM ´96. Die ergebe Anteile von 18 % bis 24 % in den Quartalen I/03 bis II/04. Die Angaben des Klägers beruhten demgegenüber auf Aufaddition der absoluten Anzahlen der genannten Leistungen, bezogen auf 100-Fälle. Der Kläger könne aber die alten Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 weiterhin unter Transkodierung nach Nrn. 86500 bis 86505 EBM 2000 plus ohne Genehmigung abrechnen.
Hiergegen hat der Kläger am 26.08.2005 die Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor, die 30-Prozent-Regelung sei willkürlich. Für die Tätigkeit onkologisch tätiger Internisten passe die Regelung nicht, weil dieser immer Begleitleistungen erbringe. Die Gemeinschaftspraxis behandele ganz überwiegend Patienten auf Überweisung. Kein Onkologe rechne zur Behandlung onkologischer Patienten nur die Nrn. 8650 bis 8655 EBM ´96 sowie die Nrn. 9020 ff. EBM ´96 ab. Der EBM 2000 ziele darauf ab, den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zuzuordnen. Der Facharztstandard sei aber unabhängig vom Abrechnungsumfang. Eine Facharztgruppe könne nicht nochmals intern gleichsam aufgeteilt werden. Hierfür fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus für die Quartale ab II/05 ff. zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vor, die 30 %-Regel sei keine undifferenzierte Regelung. Sie habe beispielhaft die Abrechnungsunterlagen von drei verschiedenen Ärzten für das Quartal I/03 verglichen. Alle drei Ärzte hätten die onkologischen Leistungen über 30 % erbracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2005 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Genehmigung zur Abrechnung der Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus für die Quartale ab II/05 ff.
Nach dem ab 01.04.2005 geltenden EBM 2000 plus kann der Kläger die Leistungen nach Abschnitt 13.3.4 EBM 2000 plus nicht abrechnen, da er nicht berechtigt ist, die Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie zu führen. Nach der zwischen den Bundesmantelvertragsparteien geschlossenen Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zum 1. April 2005 vom 10.01.2005, DÄBl. 2005, Heft 1-2, S. A-77 = http://daris.kbv.de, im Folgenden abgekürzt als ErgVb) können Vertragsärzte, die mit dem Gebiet Innere Medizin ohne Schwerpunkt am 31.03.2005 zugelassen sind, im Rahmen ihrer Weiterbildung auf Antrag solche Leistungen des EBM abrechnen, die im EBM ausschließlich einem der Schwerpunkte der Inneren Medizin zugeordnet sind. Die Kassenärztliche Vereinigung genehmigt einen Antrag, wenn der Vertragsarzt nachweist, dass er über die erforderlichen persönlichen und strukturellen Voraussetzungen zur Erbringung dieser Leistungen, die einem Schwerpunkt der Inneren Medizin im EBM zugeordnet sind und die ggf. ergänzend in Richtlinien des Bundesausschusses oder in Maßnahmen der Qualitätssicherung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V niedergelegt sind, erfüllt und im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2004 schwerpunktmäßig diese Leistungen erbracht hat. Die Genehmigung ist unbefristet zu erteilen. In diesem Fall gelten für den Vertragsarzt auch die Abrechnungsbestimmungen, wie sie für einen Vertragsarzt gelten, der mit dem Gebiet Innere Medizin mit Schwerpunktbezeichnung im fachärztlichen Versorgungsbereich zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist (Absatz 4 ErgVb).
Streitig zwischen den Beteiligten ist nur die Frage, ob der Kläger "schwerpunktmäßig" diese Leistungen erbracht hat. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der vollumfänglich gerichtlich nachprüfbar ist. Ein Beurteilungsspielraum kommt der Beklagten nicht zu. Die Regelung begründet auch ein subjektives Recht des einzelnen Arztes (vgl. zu den EBM-Budget-Regelungen zuletzt BSG, Urt. v. 22.03.2006 – B 6 KA 80/04 R –, zitiert nach juris, Ausdruck S. 5; BSG, Urt. v. 16.05.2001 – B 6 KA 53/00 R – SozR 2500 § 87 Nr. 31 = MedR 2002, 165, zitiert nach juris, Rdnr. 20 f.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann für die Feststellung eines Schwerpunktes nicht allein auf die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 sowie nach Nrn. 9020 ff. EBM ´96 abgestellt werden.
Die Leistungen nach Nrn. 8650 bis 8655 sowie nach Nrn. 9020 ff. EBM ´96 sind nicht identisch mit den Leistungen nach Nrn. 13500 bis 13502 EBM 2000 plus. Letztere haben keine Vorläuferregelungen im EBM´96. Bei den Nrn. 8650 bis 8655 handelt es sich um Pauschalen für die Betreuung onkologischer Patienten aufgrund des HVM der Beklagten bzw. Vereinbarungen mit den Kassenverbänden bzw. der mit den Ersatzkassenverbänden auf Bundesebene geschlossenen Onkologievereinbarungen. Damit wird ein zusätzlicher Betreuungsbedarf zu den Grundleistungen wie die Ordinations-, Konsultationsgebührt und Konsiliarpauschale vergütet. Bereits von daher ist zweifelhaft, ob der Ansatz der Beklagten zutreffend ist, bei der Berechnung der von ihr willkürlich gegriffenen 30 %-Regel diesen Teil des Umsatzvolumens, soweit er auf Onkologiepatienten entfällt, nicht mit zu berücksichtigen. Die Kammer brauchte sich aber nicht mit der generellen Richtigkeit des Ansatzes beschäftigen. Soweit es wie hier um besondere onkologische Leistungen handelt, die zudem im in Absatz 4 ErgVb genannten Zeitraum keine identischen oder ähnlichen Vorläuferbestimmungen haben, ist der Schwerpunkt nach der Patientenzahl zu bestimmen, die zum Kreis der onkologischen Patienten gehören. Absatz 4 ErgVb will mit dem Rückgriff auf die Erbringung bestimmter Leistungen einen Bestandsschutz gewähren. Zudem erkennt Absatz 4 ErgVb an, dass von der Praxis ein besonderer Versorgungsbedarf abgedeckt wird.
Die Nrn. 8650 bis 8655 erfassten nicht alle onkologischen Patienten. Wesentlicher Indikator für den hier maßgeblichen Bereich war die Abrechnung der Pseudoziffer 3488 nach dem HVM der Beklagten. Diese wurde bei einer "Tumorerkrankung unter parenteraler tumorspezifischer Behandlung oder progrediente Malignome unter Palliativbehandlung" abgerechnet. Im Quartal I/04 hat die Praxis, der der Kläger angehört, diese Leistung 613 x abgerechnet bei 984 Patienten, das entspricht 62 x auf 100 Fälle. Ähnlich ist die Situation in den übrigen Quartalen des maßgeblichen Zeitraums. Damit liegt eindeutig ein Schwerpunkt vor, ohne dass die Kammer gehalten wäre, hierfür klare Mindestgrenzen zu nennen. Ein ähnliches Bild eines Schwerpunktes zeigen auch die Abrechnungshäufigkeiten der Nrn. 8650 bis 8655. Jedenfalls dann, wenn es "schwerpunktmäßig" um die Versorgung bestimmter Krankheitsbilder geht, kann nicht allein auf das Punktzahlvolumen bestimmter Leistungen abgestellt werden. Das BSG hat bereits zu den 1996/1997 nach dem EBM ´96 geltenden Teilbudgets für den Begriff "Versorgungsschwerpunkt" ausgeführt, "Versorgungsschwerpunkt" und die von der Budgetierung erfassten Leistungen dürften nicht gleichgesetzt werden. Da "Versorgungsschwerpunkt" immer eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets meint, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, werden die Teilbudgets nach Abschnitt A I Nr. 5 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM regelmäßig kaum mit Versorgungsschwerpunkten in diesem Sinne zusammentreffen (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 40/99 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 26 = BSGE 87, 112 = MedR 2001, 323, juris Rdnr. 23).
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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