L 13 AS 4740/05 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 4692/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4740/05 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine vertraglich vereinbarte Mietkaution als Mietsicherung im Sinn von § 550b BGB ist wegen des nicht auf Verbrauch ausgerichteten Sicherungscharakters grundsätzlich nur als Darlehen zu übernehmen.
2. Bei einem Sicherungsbedürfnis des Leistungsträgers ist dieser berechtigt, vor Gewährung des Darlehens die Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs zu verlangen; dies gilt insbesondere für eine vom Leistungsträger nur geforderte stille Abtretung.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

Ausweislich der Beschwerdeschrift hat lediglich die Klägerin in eigenem Namen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2005 Beschwerde eingelegt. Es fehlt jeder Anhalt, dass die Beschwerde auch Namens und in Vollmacht ihrer volljährigen Tochter L. D K. eingelegt sein sollte, so dass der Senat nicht davon ausgeht, dass trotz der sich aus dem angegriffenen Beschluss für diese ergebenden formellen Beschwer auch die Tochter das Beschwerdeverfahren betreibt. Soweit die Klägerin und die Tochter im erstinstanzlichen Verfahren dem früheren Ehemann der Klägerin und Vater der Tochter eine - möglicherweise sachlich beschränkte - Vollmacht erteilt hatten, ist nicht ersichtlich, dass diese auch für das Beschwerdeverfahren gelten sollte, zumal die Klägerin selbst Beschwerde eingelegt und mit dem Gericht korrespondiert hat.

Die Klägerin kann im Wege einer einstweiligen Anordnung nicht verlangen, dass der Beklagte vorläufig verpflichtet wird, für eine am 31. März 2005 eingezahlte Mietkaution in Höhe von 650 EUR ein langfristiges Darlehen ohne Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs zu gewähren. Der Beklagte ist zur Hingabe eines Darlehens in dieser Höhe bereit, will dies aber zur Sicherung seines sich daraus ergebenden Rückerstattungsanspruchs nur gegen Abtretung des künftig fällig werdenden Kautionsrückzahlungsanspruchs tun. Dagegen wendet sich die Klägerin in erster Linie. Hilfsweise begehrt sie die vorläufige Verpflichtung zur Gewährung eines langfristigen Darlehens, weiter hilfsweise Bewilligung eines Vorschusses unter Verzicht auf Tilgung für die Dauer des Gerichtsverfahrens.

Prozessuale Grundlage der im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Ansprüche ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (zuletzt Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 25. November 2005 a.a.O.). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen liegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - abgedruckt in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. August 2005 - L 13 AS 3250/05 ER-B - und vom 25. November 2005 a.a.O. jeweils mit weiteren Nachweisen).

Nachdem die Klägerin die nach dem Mietvertrag und unabhängig davon frühestens mit Beginn des Mietverhältnisses am 1. April fällig gewordene (vgl. auch Soergel-Heintzmann, BGB, § 550 Rz. 7) Mietkaution in Höhe von 650 EUR bereits am 31. März 2001 durch Einzahlung auf das Konto der Vermieter entrichtet hat, sind die mit der einstweiligen Anordnung verfolgten Begehren auf finanziellen Ausgleich für eine in der Vergangenheit entstandene Notlage gerichtet. Zwar kann eine in der Vergangenheit entstandene Notlage einen Nachholbedarf begründen und so noch in die Gegenwart wirken. Dann aber muss ein solcher Nachholbedarf glaubhaft gemacht werden. Zwar hat die Klägerin vorgebracht, dass ihr Freunde/Bekannte das Geld kurzfristig zur Verfügung gestellt hätten. Die Klägerin hat indes nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, von wem jeweils sie das Geld in welcher Höhe sowie zu welchen Bedingungen erhalten hat und inwiefern wegen sofort zu erfüllender fälliger Rückzahlungsverpflichtungen konkrete Gefahren für die Sicherung des laufenden Unterhalts drohen. Die im Verfahren vor dem Sozialgericht jedenfalls vertretene Auffassung der Klägerin, über ihre insoweit bestehenden Zahlungsverpflichtungen dürfe und wolle sie keine Angaben machen, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand; insoweit besteht kein rechtlich geschütztes Interesse der Klägerin oder der Darlehensgeber. Die konkrete Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachholbedarfs ist hier unterblieben, die Klägerin hat sich vielmehr darauf beschränkt, allgemein auf ihre (behauptete) ungünstige wirtschaftliche Lage hinzuweisen.

Darüber hinaus hat das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht einen Anordnungsanspruch verneint. Die Klägerin kann nicht verlangen, dass der Beklagte ihr für die Mietkaution ein Darlehen ohne Abtretung des Mietkautionsrückzahlungsanspruch gewährt. Grundlage für die Übernahme einer Mietkaution ist § 22 Abs. 3 des SGB II. Nach dessen Satz 1 können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§22 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Zwar liegt in Bezug auf die Mietkaution eine vor Abschluss des Mietvertrages oder vor Einzug erteilte Zusicherung des von der Klägerin aber bereits am 23. März 2005 angegangenen insoweit zuständig gewesenen und die Aufgaben des kommunalen Trägers wahrnehmenden (vgl. § 44 b Abs. 3 Satz 2 SGB II) Beklagten nicht vor; ebenso wenig hatte die vorher zuständig gewesene, von der Klägerin erst nach Abschluss des Mietvertrages ebenfalls angegangene ARGE Jobcenter Landkreis Esslingen die Zustimmung erteilt. Daraus kann der Klägerin indes kein Nachteil entstehen, weil auch genügt, dass der vorher angegangene Träger - wie hier - sich nachträglich bereiterklärt, die Mietkaution zu übernehmen, weil nach dessen Auffassung die Rechtsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II für eine Zusicherung vorliegen. Ob zu den Rechtsvoraussetzungen nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II auch gehört, dass die neue Wohnung sowohl von der Größe als auch von den Kosten angemessen erscheint (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SGB II; bejahend zum vor dem 1. Januar 2005 geltenden Sozialhilferecht VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 1996 - 6 S 314/96 - FEVS 47, 325 f, abgedruckt auch in Juris) kann hier offen bleiben, nachdem der Beklagte bereit ist, für die lediglich auf eine Monatswarmmiete beschränkte Mietkaution ein Darlehen zu gewähren. Darüber, dass eine vertraglich vereinbarte Mietkaution als Mietsicherung im Sinn von § 550 b BGB wegen des nicht auf Verbrauch ausgerichteten Sicherungscharakters grundsätzlich nur als Darlehen zu übernehmen ist, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Allein umstritten ist, ob der Beklagte vor Gewährung des Darlehens im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags oder als Verwaltungsakt die Abtretung des allein dem Mieter zustehenden Kautionsrückzahlungsanspruches verlangen kann. Der Senat bejaht dies jedenfalls dann, wenn ein Sicherungsbedürfnis des Leistungsträgers besteht und - wie vorliegend von dem Beklagten im Beschwerdeverfahren angeboten - die Abtretung nur als stille, also zunächst nicht dem Vermieter angezeigte Abtretung vereinbart wird. Eine Mietsicherheit kann bis zum dreifachen des monatlichen Mietzinses betragen (vgl. § 550 b Abs. 1 Satz 1 BGB), so dass Mietkautionen in vielen Fällen erhebliche Beträge ausmachen können. Weil zur Bedarfsdeckung insoweit die Hingabe des Darlehens genügt, der hilfebedürftige Mieter die nur in seiner Person bestehende Kautionsverpflichtung mit dem Darlehensgeber zurückzuzahlenden Geld erfüllt, er mit der Hingabe der Sicherheit aber bereits einen noch nicht fälligen Kautionsrückzahlungsanspruch erwirbt (vgl. Soergel-Heintzmann a.a.O., § 550 b Rz. 16), entspricht es dem Sicherungsbedürfnis des Leistungsträgers als Darlehensgeber, aber auch den Interessen des zur Erstattung des Darlehens verpflichteten Darlehensnehmers, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch an den Leistungsträger zur Sicherung des sich aus dem Darlehen ergebenden Erstattungsanspruchs abgetreten wird. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gefahr besteht, dass Gläubiger des hilfebedürftigen Mieters dessen Kautionsrückzahlungsanspruch pfänden; eine solche Gefahr ist vorliegend angesichts dessen, dass der Klägerin gegenüber offene Forderungen in Höhe von 77.000 EUR bestehen, gegeben. Gegen eine Abtretung ist insbesondere auch dann nichts einzuwenden, wenn diese, entsprechend dem verständlichen Wunsch des Hilfebedürftigen, den Leistungsbezug nach dem SGB II dem Vermieter gegenüber nicht zu offenbaren, während des bestehenden Mietverhältnisses nicht dem Vermieter angezeigt wird. Eine solche stille Abtretung hat der Beklagte hier angeboten. Soweit sich Literaturstimmen zum Problemkreis der Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs finden, wird eine solche ebenfalls für zulässig erachtet (vgl. Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rz. 62, derselbe in LPK-SGB XII, § 29 Rz. 64; Kalhorn in Hauck/Noftz SGB II, K § 22 Rz. 30). Die von der Klägerin dagegen vorgebrachten Bedenken und Einwände erachtet der Senat nicht für durchgreifend.

Angesichts dessen, dass der Beklagte zur Voraussetzung der Darlehensgewährung die Abtretung fordern kann und er sich zur Hingabe des Darlehens nicht weigert, fehlt für die Hilfsanträge auf Gewährung des Darlehens, auch im Wege der Vorschusszahlung, schon das Rechtsschutzinteresse und ebenfalls der Anordnungsgrund.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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