S 50 SO 583/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
50
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 50 SO 583/05
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt die Übernahme ungedeckter Betreuungskosten für Leistungen der ambulanten Pflege in Höhe von zurzeit EUR 6143,30 monatlich durch den Antragsgegner (Ag).

Der am XX.XX.1937 geborene Ast., der durch seine Tochter gesetzlich betreut wird, leidet seit November 2001 an amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer progressiven degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die stets tödlich endet. Er ist mittlerweile nahezu vollständig gelähmt und kann lediglich mit der rechten Hand geringfügige Bewegungen ausführen. Bei dem Ast. ist ein Luftröhrenschnitt durchgeführt worden; die entstandene Öffnung in Hals und Luftröhre wird durch eine Trachealkanüle offen gehalten. Zugleich ist der Ast. an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Nahrungsaufnahme erfolgt mittels einer Ernährungssonde. Da der Ast. zudem nicht mehr sprechen kann, ist eine Kommunikation nur über Augenkontakt möglich. Der Ast. ist im Besitz seiner geistigen Kräfte. Er leidet unter Depressionen, ausgelöst durch seine Krankheit.

Bis August 2003 lebte der Ast. zu Hause in F., Kreis D., und wurde auch dort versorgt. Seit 10.12.2004 lebt der Ast. auf einer Station für Schwerst-Schädelhirnverletzte in der Pflegeeinrichtung p & w A. in H ... Rückwirkend zum 10.12.2004 wurde der Ast. durch Bescheid seiner Pflegekasse vom 21.02.2005 in die Pflegestufe III eingestuft. Seit 01.11.2003 werden die durch Kranken- und Pflegekasse ungedeckten Kosten für die vollstationäre Unterbringung vom Ag. übernommen. Zurzeit erbringt der Ag. Leistungen im Umfang von EUR 2.488,47 monatlich.

In der Zeit vom 23.12. – 27.12.2004 befand sich der Ast. im Allgemeinen Krankenhaus H.- B. (AKB). Die Aufnahme war erforderlich geworden, da es zu einer Störung der Sauerstoffversorgung gekommen war. Die Entlassungsbericht des AKB vom 27.12.2005 spricht u. a. von einer "akuten respiratorischen Insuffizienz bei Bedienungsfehler des Heimbeatmungsgerätes". Es habe sich eine fehlerhafte Verbindung der Beatmungsschläuche des Heimbeatmungsgerätes gezeigt. Der zuständige Gerätebetreuer habe das Gerät noch im AKB wieder funktionstüchtig instand setzen können. Zur intensiven Geräteeinweisung und Unterweisung des Pflegepersonals des Pflegeheims in der korrekten Bedienung des Beatmungsgerätes sei der Gerätebetreuer am 23.12.2004 im Pflegeheim p & w A. gewesen. Der Ast. leidet nach Angaben seiner Betreuerin seit diesem Vorfall an dauerhaften Angstzuständen, die sich in psycho-vegetativen Erschöpfungszuständen bemerkbar machen.

Weitere, u. a. durch mangelnde Sauerstoffsättigung infolge verschleimter Bronchien bedingte Aufenthalte im AKB wurden notwendig im Januar, Februar, März, Juni und August 2005. Eine weitere Einweisung vom 23.07. - 29.07.2005 beruhte nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten darauf, dass die Trachealkanüle herausgerutscht war, so dass es zu Beatmungsstörungen gekommen war. Nach Angaben der Betreuerin habe sich der Ast. nicht bemerkbar machen können, da er zu dieser Zeit noch eine normale Notrufklingel gehabt habe.

Am 03.07.2005 stellte die Betreuerin des Ast. beim Ag. den Antrag, entstehende Kosten für eine ambulante 24-Stunden-Pflege zu übernehmen, soweit diese nicht von Kranken- und Pflegekasse übernommen würden. Es sei beabsichtigt, für den Ast. eine behindertengerechte Wohnung in H. anzumieten. Beigereicht wurde eine fachärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen vom 28.06.2005, wonach der Ast. seelisch unter seiner Krankheit leide und sich die beabsichtigte ambulante Versorgung in einer Privatwohnung auf das psychische Befinden des Ast. stabilisierend und sogar befundverbessernd auswirken dürfte.

Einem Kostenvoranschlag des ambulanten Pflegedienstes "D. G." GbR vom 27.07.2005 zufolge würde sich bei einer 24-Stunden-Versorgung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von EUR 32,00 ein Tagessatz von EUR 768,00 ergeben. Bei 31 Tagen entstünden monatliche Kosten i. H. v. EUR 23.808,00.

Die Betreuerin des Ast. führte im Schreiben an den Ag. vom 09.08.2005 aus, der psychische Zustand des Ast. habe sich seit seiner Aufnahme in das Pflegeheim zusehends verschlechtert, da er häufig allein auf seinem Zimmer liege und denke, er müsse ersticken. Es sei zudem nicht sichergestellt, dass der Ast. ausreichend versorgt werde. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine Pflegekraft 24 Stunden an seinem Bett oder in unmittelbarer Nähe sei, um sich um den Ast. und das Beatmungsgerät zu kümmern. In der gegenwärtigen Situation sei der Ast. auf eine in seine Hand gelegte Klingel für Notrufe angewiesen; sollte ihm diese aus der Hand gleiten, habe er keine Chance, sich bemerkbar zu machen, sondern müsse bis zum nächsten geplanten Aufsuchen durch die Pflegekraft warten. Dem Schreiben war ein Auszug aus der Pflegedokumentation der Pflegestation, datiert auf den 30.07.2005, beigefügt, in dem es heißt: "Kunde war bei Betreten des Zimmers zyanotisch. TK war herausgerutscht trotz Blockung, Oxymat funktionierte nicht richtig – Sauerstoffanzeige war bei 0!!!".

Mit Bescheid vom 30.08.2005 lehnte der Ag. den Antrag auf Übernahme ungedeckter Betreuungskosten für Leistungen der ambulanten Pflege ab. Nach Rücksprache mit dem Heim seien vom Ast. in der Vergangenheit keine Beschwerden aufgrund einer mangelnden Versorgungssituation vorgebracht worden. Auch darüber hinaus sei die Unterbringung nicht unzumutbar. Die Einrichtung sei auf das Krankheitsbild des Ast. spezialisiert, eine ganztägige, professionelle Betreuung sichergestellt. Die vorgebrachten Mängel hätten vom Heim nicht bestätigt werden können. Ausgehend vom Kostenvoranschlag des ambulanten Pflegedienstes und dem derzeitigen monatlichen Zuschuss zu den ungedeckten Betreuungskosten von EUR 1.573,40 entstünden durch eine ambulante Betreuung unverhältnismäßige Mehrkosten.

Die Betreuerin des Ast. erhob am 22.09.2005 Widerspruch, in dem sie insbesondere die Unterschiede zwischen Schädelhirnverletzungen und dem Krankheitsbild des Ast. hervorhob. Pflege und Versorgung seien deshalb in unterschiedlicher Weise vorzunehmen; die gegenwärtige Pflege würde dem Ast. nicht gerecht.

Mit Schreiben vom 26.09.2005 stellte die Pflegekasse Hilfe i. H. v. EUR 1.918,00 zur häuslichen Pflege in Aussicht. Mit Bescheid vom selben Tag gewährte die Krankenkasse für die Zeit ab Einzug in eine Wohnung für vier Wochen eine Tagespauschale i. H. v. EUR 335,00.

Ein am 17.10.2005 erfolgter korrigierter Kostenvoranschlag des o. g. ambulanten Pflegedienstes kam sodann – nunmehr unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von EUR 25,00 – zu monatlichen Gesamtkosten i. H. v. EUR 18.252,00. Abzüglich der bei diesem Stundensatz durch Leistungen von Kranken- und Pflegeversicherung abgedeckten EUR 12.108,70 sei danach bezüglich der verbleibenden EUR 6.143,30 an den Sozialhilfeträger heranzutreten.

Der Ag. wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 04.11.2005 zurück. Die Betreuerin habe selbst vorgetragen, dass auch durch eine engmaschige ärztliche Versorgung die Situation des Ast. nicht verbessert würde, da es in erster Linie um Angstzustände gehe. Es entspreche nicht der Realität, zu glauben, dass 24 Stunden am Tag eine Pflegekraft am Bett des Ast. sitzen könne. Auch die soziale Betreuung sei sichergestellt. Eine gewünschte vermehrte Zuwendung zur Familie könne durch Besuche in der Einrichtung umgesetzt werden. Ausgehend von derzeit EUR 2.488,47, die durch Sozialhilfemittel monatlich geleistet würden, und einem ungedeckten Bedarf von EUR 6.143,00 bei der geplanten ambulanten Betreuung, würden unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen.

Die Betreuerin des Ast. hat am 11.11.2005 Klage erhoben (Az.: S 50 SO 584/05) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz ersucht.

Sie trägt vor, bei der Apalliker-Abteilung von p & w A. handele es sich nicht um eine auf ALS spezialisierte Einrichtung, da die dort lebenden Wachkoma-Patienten kaum einer sozialen Betreuung bedürften. Aus der fachärztlichen Bescheinigung des Neurologen folge, dass es sich bei der Verlegung in eine eigene Häuslichkeit um eine medizinische Notwendigkeit handele. Aus diesen Gründen sei es dem Ast. nicht zumutbar, länger in einer vollstationären Pflegeeinrichtung zu bleiben. Dies gelte auch vor dem Hintergrund von Art. 1 Grundgesetz. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens sei nicht zumutbar, da der Ast. voraussichtlich in den nächsten Monaten versterben werde.

Der Ast. beantragt schriftsätzlich, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bis zur Entscheidung in der Hauptsache unter Aufhebung des Bescheides vom 30. August 2005 in Form des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2005 zu verurteilen, ihm gegenüber die Übernahme der Kosten hinsichtlich der ungedeckten Betreuungskosten für Leistungen der ambulanten Pflege in Höhe von zur Zeit EUR 6.143,30 monatlich gem. § 61 ff. SGB XII zu erklären.

Der Ag. beantragt schriftsätzlich, den Antrag abzulehnen.

Er verweist zu Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge und trägt ergänzend vor, der Ast. erleide durch seine derzeitige Unterbringung weder finanzielle noch persönliche Nachteile im Vergleich zu der von ihm begehrten ambulanten Versorgung. Auch eine ambulante Betreuung rund um die Uhr würde die Lebenssituation des Ast. nicht verbessern.

Nach einer durch den Vorsitzenden am 29.11.2005 eingeholten telefonischen Auskunft des Pflegedienstleiters des mobilen Pflegedienstes "D. G." GbR, Herrn M., ist eine 24-Stunden-Präsenz einer Pflegekraft im Zimmer des Ast. vorgesehen. Erfahrungen mit ALS-Patienten habe man bislang nicht, jedoch entsprechende Fortbildungen besucht. Auf Anfrage des Gerichts hat das Pflegeheim p & w mit Schreiben vom 02.12.2005 erklärt, dass bereits mehrfach an ALS erkrankte Personen zur Pflege aufgenommen worden seien. Die beim Ast. vorhandenen neurologischen Krankheitsbilder seien Inhalt der Altenpflegeausbildung. Eine Kommunikation sei mit dem Ast. möglich; er sei in der Lage, gezielt Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, die dann im Rahmen der Möglichkeiten erfüllt würden, wie z. B. durch Einzelbetreuung von einer Freizeitbegleiterin. Komme es zu Funktionsstörungen des Beatmungsgerätes, würden diese durch ein lautes akustisches Signal angezeigt, das in jeder Etage zu hören sei. Pflegekräfte seien zu jeder Zeit in der Etage anwesend. Sei keine Mitarbeiterin oder kein Besuch im Zimmer, so bleibe die Tür zum Ast. offen. Ferner fänden mindestens stündlich Sichtkontrollen statt. Nach telefonischer Auskunft der stellvertretenden Abteilungsleiterin bei p & w, Frau B1, vom 15.12.2005, befindet sich das Zimmer des Ast. gegenüber dem Pausenraum. Selbst wenn die Pflegekräfte der Abteilung Pause machten, sei somit nahezu ein Blickkontakt sichergestellt. Die Abteilung habe in den letzten zwei Jahren zwei ALS-Patienten zur Pflege gehabt, deren Erkrankung ähnlich schwerwiegend verlaufen sei, wie die des Ast. Einer dieser Patienten sei ebenfalls an ein Beatmungsgerät angeschlossen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Ag. Bezug genommen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

II.

Das Begehren des Ast., den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide zu verurteilen, ihm gegenüber die Übernahme ungedeckter Pflegekosten i. H. v. EUR 6.143,30 monatlich zu erklären, ist in Würdigung seines Rechtsschutzziels dahingehend zu verstehen, den Ag. zu verpflichten, Leistungen in der genannten Höhe zu bewilligen.

Dieser nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG statthafte und auch sonst zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.

Der Antragsteller hat nicht in dem hohen Maße, das für den Erlass einer die Hauptsache faktisch vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlich ist, dargelegt und glaubhaft gemacht, die begehrte Leistung zurzeit beanspruchen zu können und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile angewiesen zu sein (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung).

Vorliegend fehlt es bereits am Anordnungsanspruch. Nach dem Kenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens und der gebotenen summarischen Prüfung hat der Ast. keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Kosten für eine ambulante Betreuung in Höhe von derzeit EUR 6.143,30 monatlich. Anspruchsgrundlagen für die Übernahme der Kosten besonderer Pflegekräfte sind die §§ 61 Abs. 1 S. 1, 63 S. 1 und S. 2, 65 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII).

Nach § 61 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist Personen, die – wie der Ast. – infolge Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Reicht in diesem Falle häusliche Pflege aus, soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, dass die Pflege durch Personen, die dem Hilfebedürftigen nahe stehen oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird (§ 63 S. 1 SGB XII). Ist die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen (§ 63 S. 2 i. V. m. § 65 S. 2 SGB XII).

Die Übernahme der Kosten für die häusliche Pflege gilt aber nicht unbegrenzt. § 13 SGB XII, der sich im Zweiten Kapitel des SGB XII ("Grundsätze der Leistungen") findet und damit auf alle der in § 8 genannten Leistungen, darunter die Hilfe zur Pflege nach §§ 61-66 SGB XII (vgl. § 8 Nr. 5 SGB XII), anwendbar ist, enthält Aussagen über das Verhältnis von ambulanten und (teil-) stationären Leistungen. Nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB XII haben ambulante Leistungen Vorrang vor teilstationären und stationären Leistungen. Nach Satz 4 der Vorschrift gilt dieser Vorrang nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. § 13 Abs. 1 S. 5 und 7 SGB XII stellen – abweichend von der Praxis zur Vorgängerregelung des § 3a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) (vgl. Krahmer, in: LPK-SGB XII, § 13 Rn. 1) – klar, dass zunächst die Zumutbarkeit einer stationären Leistung zu prüfen und bei festgestellter Unzumutbarkeit ein Kostenvergleich nicht mehr vorzunehmen ist. Bei der Frage der Zumutbarkeit sind gem. § 13 Abs. 1 S. 6 SGB XII die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Zudem muss die stationäre Einrichtung überhaupt geeignet sein, bevor sie als zumutbar in Betracht gezogen werden kann (Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 13 Rn. 13; a. A. Krahmer, in: LPK-SGB XII, § 13 Rn. 8, der das Merkmal angesichts der zu prüfenden Zumutbarkeit für überflüssig hält).

Vorliegend ist es dem Antragsteller unter Zugrundelegung dieser Kriterien nicht unzumutbar, stationäre Pflegeleistungen auch weiterhin in der Einrichtung p & w A. zu erhalten (dazu unter 1.). Die begehrte ambulante Hilfe ist zudem mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden (dazu unter 2.).

1. Das Pflegeheim, in dem der Ast. bereits seit Dezember 2004 untergebracht ist, stellt eine geeignete Einrichtung dar. Eine Einrichtung ist nur dann ungeeignet, wenn ihre Leistungen bereits unabhängig vom individuellen Bedarf nicht die objektiv geforderte Leistungsqualität aufweisen (Luthe aaO). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar handelt es sich bei dem Pflegeheim – entgegen der im Bescheid vom 30.08.2005 geäußerten Auffassung – nicht um eine spezielle Einrichtung für an ALS erkrankte Menschen. Davon existieren aber, angesichts dieser seltenen Krankheit, ohnehin nur wenige im Bundesgebiet. Die fehlende Spezialisierung auf das Krankheitsbild lässt für sich aber noch nicht darauf schließen, dass die Einrichtung bereits deshalb grundsätzlich ungeeignet ist. Dies wäre erst dann der Fall, wenn Patienten mit dem Krankheitsbild des Ast. nicht fachgerecht betreut und gepflegt werden könnten (vgl. dazu Krahmer, in: LPK-SGB XII, § 13 Rn. 9). Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Nach Auskunft von p & w sind die neurologischen Krankheitsbilder, die der Ast. aufweist, Bestandteil der Ausbildung der dort tätigen Pflegekräfte. Zudem hat das Heim bereits in der Vergangenheit ALS-Patienten betreut, so dass Erfahrungswerte bestehen. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu Zweifeln.

Auch die vom Ast. vorgebrachten Begebenheiten und Umstände der Betreuung lassen nicht den Schluss auf konkrete Qualitätsmängel zu, die befürchten ließen, der Ast. würde bei weiterem Aufenthalt im Pflegeheim Schaden an seiner Gesundheit (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.08.1998 – 7 S 1171/98 –, juris) nehmen. Dies betrifft zunächst die geäußerte Befürchtung, der Ast. könnte sich für den Fall, dass technische Probleme mit dem Beatmungsgerät auftreten sollten, nicht bemerkbar machen, da bei der stationären Pflege, im Gegensatz zu der beabsichtigten Ausgestaltung der ambulanten Pflege, nicht ununterbrochen eine Pflegekraft im Zimmer anwesend sei. Das Gericht hat auch diesbezüglich keinen Anlass, an den Angaben von p & w, wonach technisch sichergestellt sei, dass bei etwaigen Störungen des Gerätes ein weithin hörbares Signal ausgelöst werde, zu zweifeln. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den vergangenen Vorfällen, die zu einer Einlieferung des Ast. ins Krankenhaus führten. Während es sich bei den Krankenhausaufenthalten im Januar, Februar, März, Juni und August unstreitig um im engeren Sinne krankheitsbedingte handelte, lag der ersten Einweisung im Dezember 2004 eine fehlerhafte Verbindung der Beatmungsschläuche des Heimbeatmungsgerätes zugrunde. Die nähere Ursache für diesen Umstand ist unklar. Zwar spricht der Entlassungsbericht des AKB vom 27.12.2004 von einem Bedienungsfehler. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn seither hat sich Ähnliches nicht mehr ereignet, so dass – auch unter Berücksichtigung der in einem solchen Fall möglichen gewichtigen Folgen für die körperliche Unversehrtheit des Ast. – kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass die Pflegekräfte für die Bedienung des Beatmungsgerätes nicht hinreichend ausgebildet wären. Zudem ist es laut Entlassungsbericht am 23.12.2004 zu einer Geräteeinweisung der Pflegekräfte gekommen. Letztlich erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass ähnliche Probleme auch bei der ambulanten Pflege auftreten.

Gleiches gilt für den Vorfall im Juli 2005. Die Ursache für das Herausrutschen der Trachealkanüle ist unbekannt. Indes ist die Dislokation der Kanüle – neben der Verstopfung und Verdeckung – eine der bekannten drohenden Komplikationen bei der Beatmung mittels Trachealkanüle, da deren Fixierung nur in beschränktem Maße möglich ist. Auch ein ambulanter Pflegedienst kann dergleichen Vorfälle nicht schlechthin ausschließen, was auch vom Ast. nicht behauptet wird. Der Ast. hat auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass für diesen Fall gegenwärtig eine unmittelbare Hilfe durch die Pflegekräfte nicht gesichert ist. Vielmehr kann der Hinweis in der Antragsschrift, der Ast. habe zu diesem Zeitpunkt noch eine "normale" Notrufklingel gehabt, nur so verstanden werden, dass er jedenfalls gegenwärtig die ebenfalls erwähnte, in seine Hand gelegte Sensorklingel bedienen kann. Sollte auch dies zukünftig nicht mehr möglich sein, wird es an der Heimleitung liegen, auf geeignete Weise Vorsorge zu treffen. Jedenfalls gegenwärtig kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Sicherheit des Ast. für diese Fälle nicht gewährleistet ist.

Auch die von der Betreuerin des Ast. vorgebrachte Stabilisierung und Verbesserung des psychischen Zustandes des Ast. bei häuslicher Pflege führt zu keiner anderen Bewertung. Der Wunsch nach häuslicher Pflege ist, insbesondere bei einer solch schwerwiegenden Krankheit, wie sie der Ast. erleidet, nachvollziehbar. Indes führt dies vorliegend nicht dazu, die gegenwärtige stationäre Pflege als unzumutbar erscheinen zu lassen. Zum einen ist der Bescheinigung des behandelnden Neurologen zufolge eine solche Besserung des psychischen Krankheitsbildes durch eine Änderung der Versorgungsform lediglich möglich. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die vom Ast. ebenfalls eingeforderte soziale Betreuung nicht auch gegenwärtig sichergestellt ist. Die Pflegeeinrichtung p & w hat dargelegt, dass Wünsche und Bedürfnisse des Ast. im Rahmen der Möglichkeiten befriedigt werden und auch zeitweise eine Einzelbetreuung möglich ist. Dass die Pflegekräfte aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den übrigen Bewohnern um Wachkoma-Patienten handelt, nicht mit dem Ast. kommunizieren, steht für das Gericht nicht fest. Auch sind, da sich die Pflegeeinrichtung in H. befindet, regelmäßige Besuche durch die vor Ort lebende Betreuerin des Ast. möglich, so dass familiäre Beziehungen – die durch § 16 SGB XII geschützt werden – nicht verloren gehen. Weiterhin ist von Gewicht, dass gerade keine Rückkehr des Ast. in seine frühere Umgebung beabsichtigt ist, sondern die Aufnahme in eine eigens zu diesem Zweck in H. angemietete Wohnung. Gegebenenfalls bestehende Kontakte zu Bezugspersonen aus dem früheren Umfeld würden demzufolge durch eine ambulante Pflege ebenfalls nicht wieder aufleben.

Nach einer Gesamtwürdigung der genannten Umstände kann die gegenwärtige Unterbringung des Ast. nicht als unzumutbar betrachtet werden. Etwas anderes folgt auch nicht aus der in § 1 S. 1 SGB XII einfachgesetzlich umgesetzten verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, den Leistungsberechtigten die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Die für die konkrete Ausgestaltung dieses Grundsatzes maßgeblichen Erwägungen sind ohnehin vorliegend im Rahmen des § 13 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen gewesen. Darüber hinaus gehende Ansprüche unter Rückgriff auf die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG ergeben sich nicht.

2. Bei den geltend gemachten ungedeckten Betreuungskosten für professionelle Pflegekräfte (§ 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII) handelt es sich auch um unverhältnismäßige Mehrkosten i. S. v. § 13 Abs. 1 S. 3 und 7 SGB XII.

Dem vorzunehmenden Kostenvergleich liegen die gegenwärtigen tatsächlichen Kosten für den Ag. und die auf den Kostenvoranschlag des ambulanten Pflegedienstes zurückgehenden, voraussichtlich vom Ag. zu tragenden Kosten für die ambulante Pflege zugrunde. Gegenwärtig trägt der Ag. EUR 2.488,87 monatlich. Nach dem Kostenvoranschlag der "Glückskäfer" GbR würden durch eine ambulante Versorgung Kosten i. H. v. EUR 18.252,00 entstehen. Nach Abzug der monatlichen Leistungen von Krankenversicherung i. H. v. EUR 10.190,70 (Tagespauschale EUR 335,00 x 30,42 Tage) und Pflegeversicherung i. H. v. EUR 1.918,00 verblieben durch den Ag. zu tragende Leistungen von EUR 6.143,30. Daraus folgen Mehrkosten i. H. v. EUR 3.654,83 monatlich (EUR 6.143,30 – EUR 2.488,47). Der vom Ag. zu tragende Anteil bei ambulanter Pflege wäre demzufolge nahezu 2 ½-mal so hoch, wie die gegenwärtigen Leistungen für die stationäre Unterbringung. Angesichts dessen mag es dahinstehen, ob der Betrag der ungedeckten Kosten mittelfristig sogar noch höher ausfallen könnte, da die Krankenversicherung bislang lediglich die Kostenübernahme i. H. v. EUR 10.190,70 für die ersten vier Wochen ambulanter Pflege zugesagt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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