L 5 B 349/06 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 228/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 349/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Der 1981 geborene Kläger steht unter Betreuung, die auch die Vertretung gegenüber Behörden umfasst. Am 11. Juli 2005 beantragte sein Betreuer bei dem Beklagten, der dem Kläger ab Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) gewährt hatte, die Fortzahlung von Arbeitslosengeld II. Mit an den Betreuer gesandtem Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte der Beklagte im Hinblick auf eine stationäre Behandlung des Klägers eine Weiterzahlung von Leistungen ab und verwies darauf, dass eine Meldung beim zuständigen Sozialamt Schöneberg erfolgen solle. Spätestens ab dem 01. Oktober 2005 gewährte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches.

Mit am selben Tage bei dem Beklagten eingegangenem Schreiben vom 07. November 2005 trugen die Prozessbevollmächtigten des Klägers vor, dessen Betreuer habe am 06. August 2005 Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juli 2005 eingelegt, und baten um Bescheidung. Mit Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 2005 wies der Beklagte den Widerspruch vom 07. November 2005 als unzulässig zurück. Der am 25. Juli 2005 zur Post gegebene Bescheid vom selben Tage gelte nach § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) als am 28. Juli 2005 bekannt gegeben. Die Widerspruchsfrist habe daher am 27. August 2005 geendet. Der Widerspruch sei jedoch erst am 07. November 2005 nach Ablauf der Frist eingegangen.

Gegen diesen am 09. Dezember 2005 bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 06. Januar 2006 erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 02. Dezember 2005 aufzuheben. Zur Begründung macht er geltend, am 07. November 2005 sei kein Widerspruch eingelegt, sondern lediglich darum gebeten worden, über den bereits am 06. August 2005 eingelegten Widerspruch zu entscheiden. Zugleich hat der Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A M zu gewähren. Dies hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 29. März 2006 mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgelehnt. Für die ausdrücklich als Anfechtungsklage erhobene Klage fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Soweit der Beklagte das Schreiben vom 07. November 2005 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juli 2005 gedeutet und hierüber entschieden habe, liege keine Rechtsverletzung vor. Mit der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auslegung des Schreibens vom 07. November 2005 könne der Kläger keine für ihn günstigere Rechtsposition erlangen. Soweit vorgetragen werde, der Widerspruch sei fristgerecht bereits unter dem 06. August 2006 erhoben worden, wäre eine Sachentscheidung des Gerichts über das eigentliche Begehren, die Versagung der Weitergewährung des Arbeitslosengeldes II, möglich. Es könne jedoch dahinstehen, ob eine Umdeutung des Klagebegehrens in eine solche Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bei dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt in Betracht komme; auch im Hinblick auf die bereits anhängige Untätigkeitsklage. Denn jedenfalls wäre auch eine derart umgedeutete Klage nicht begründet. Der insoweit beweisbelastete Kläger könne den Zugang des Widerspruchsschreibens seines Betreuers vom 06. August 2005 nicht nachweisen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen ihm am 06. April 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02. Mai 2006 eingelegte Beschwerde des Klägers. Er meint, er habe sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage. Eine andere Möglichkeit, sich gegen die Deutung des Schreibens vom 07. November 2005 durch den Beklagten zu wehren, habe er nicht. Durch die Aufhebung des streitigen Widerspruchsbescheides entstehe für ihn eine günstigere Rechtsposition. Hilfsweise beantragt er, den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides über den 31. Juli 2005 hinaus Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, höchst hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 02. Dezember 2005 über den Überprüfungsantrag vom 07. November 2005 zu entscheiden. Soweit dem Beklagten tatsächlich kein Widerspruch vom 06. August 2005 vorliege, sei das Schreiben vom 07. November 2005 als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 25. Juli 2005 nach § 44 SGB X zu werten, über den die Beklagte bisher noch nicht entschieden habe. Insoweit lägen ab dem 09. Mai 2006 die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage vor.

II.

Die sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe richtende Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. § 114 ZPO).

Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance".

Gemessen an diesen Maßstäben hat die am 06. Januar 2006 erhobene Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten, wobei dahinstehen kann, ob sie bereits unzulässig, oder aber unbegründet ist. Dies gilt gleichermaßen für den ursprünglich formulierten Klageantrag, mit dem dem Begehren des Klägers offensichtlich nicht zum Erfolg verholfen werden kann, wie für den vom Sozialgericht Berlin erwogenen und inzwischen vom Klägervertreter so formulierten ersten Hilfsantrag. Es wird insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Dass der Betreuer des Klägers am 06. August 2005 Widerspruch für ihn eingelegt hat, hat der insoweit beweisbelastete Kläger weiterhin weder nachgewiesen noch auch nur glaubhaft gemacht. Insbesondere hat er dies nicht mit dem nunmehr vorgelegten Telefax seines Betreuers getan. Das Schreiben mag zwar an den Beklagten gerichtet sein und auch das Datum "6.08.2005" tragen. Dass es aber auch tatsächlich am selben Tage an den Beklagten gesendet wurde, ist nicht ansatzweise erkennbar. Im Gegenteil ist der Sendeleiste neben der Faxnummer des Betreuungsbüros lediglich zu entnehmen, dass eine Versendung erst am 06. Oktober 2005 – und damit zwei Monate nach dem hier angegebenen Tag - erfolgte. Soweit der Klägervertreter schließlich meint, mit seinem zweiten zur Hauptsache formulierten Hilfsantrag seinem Begehren im Beschwerdeverfahren zum Erfolg verhelfen zu können, geht dies offensichtlich fehl. Streitgegenständlich ist vorliegend keine Untätigkeitsklage gegen einen nicht beschiedenen Überprüfungsantrag, sondern eine von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid. Insbesondere von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er klar zwischen einer Anfechtungs- und einer Untätigkeitsklage differenziert.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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