L 14 B 1318/05 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 10243/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1318/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 18. November 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung von Bekleidung.

Der 1970 geborene Antragsteller wandte sich am 04. Februar 2005 an den Antragsgegner und beantragte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) rückwirkend ab dem 01. Januar 2005. Er gab an, bis Dezember 2003 Arbeitslosengeld bezogen zu haben. Seit August 2004 habe er unternommen, sich mit einer Bar auf dem Kurfürstendamm selbständig zu machen. Da die Situation sich aber unerwartet verschlechtert habe, sei er nunmehr rückwirkend auf Hilfe angewiesen. Durch Bescheid vom 24. März 2005 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 04. Februar 2005 bis 31. August 2005, und zwar in Höhe von 480,70 Euro für die Zeit vom 04. Februar 2005 bis 28. Februar 2005, 576,83 Euro für den Monat März 2005 und jeweils 685,83 Euro für die Monate April bis August 2005. Der Antragsteller erhob Widerspruch, mit dem er geltend machte, dass für den Monat Februar 2005 zu wenig Tage angesetzt seien. Auch sei zu Unrecht angebliches Wohngeld abgezogen worden. Am 25. April 2005 zahlte der Antragsgegner 453,60 Euro als Darlehen an den Antragsteller, damit dieser die Kaution für eine neu anzumietende Wohnung hinterlegen könne.

Mit Schreiben vom 09. Mai 2005 beantragte der Antragsteller die Gewährung einmaliger Leitungen, nämlich eine Erstausstattung für die Wohnung in Höhe von 2.590,00 Euro und eine Erstausstattung für Bekleidung in Höhe von 1.140,00 Euro. Durch Bescheid vom 12. Mai 2005 gewährte der Antragsgegner 1.579,00 Euro für die Erstausstattung der Wohnung. Die Gewährung laufender Leistungen wurde durch Bescheid vom 03. Mai 2005 mit Wirkung ab 01. Juni 2005 aufgehoben, da der Antragsteller durch Umzug den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners verlasse. Dem Widerspruch gegen die Höhe gab der Antragsgegner insoweit statt, als er die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Februar und März 2005 nunmehr ohne Anrechnung von Wohngeld berechnete und durch Bescheid vom 05. Oktober 2005 Leistungen für Februar in Höhe von 571,53 Euro und für März 2005 in Höhe von 685,83 Euro bewilligte. Den Antrag auf Zuschuss für Bekleidung lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 19. Oktober 2005 ab. Die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasse auch die für die Anschaffung von Bekleidung notwendigen Beträge. Der Antragsteller erhob Widerspruch und machte geltend, dass in seinem Fall eine enorme Gewichtszunahme vorliege. In den letzten zwei Jahren habe sich sein Körpergewicht von 85 kg auf 110 kg erhöht. Er habe keine passende Winterbekleidung mehr.

Am 26. Oktober 2005 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der der Antragsgegner zur Zahlung von 1.140,00 Euro bzw. 1.525,00 Euro verpflichtet werden soll. Seine alten Kleidungsstücke habe er bei dem Umzug in der vorigen Wohnung zurückgelassen, da sie ihm aufgrund der Gewichtszunahme nicht mehr passten. Auch bemühe er sich mit aller Kraft, in das Erwerbsleben zurückzukehren, sei aber dadurch beeinträchtigt, dass er entsprechende Gespräche in nicht passender, alter und abgenutzter Kleidung führen müsse. Der Eintritt des Winters werde nicht so lange auf sich warten lassen, bis er aus dem monatlichen Betrag von 34,09 Euro, der von der allgemeinen Regelleistung auf Kleidung entfalle, die für Neuanschaffungen benötigte Summe zusammen gespart habe. Da ihm der Antragsgegner von Anfang an zu geringe Leistungen gewährt habe, hätten keinerlei Ansparungen erfolgen können. Zurzeit habe er nur noch defekte und zu kleine Bekleidungsstücke zur Verfügung. Auf der Basis der Preise des Kaufhauses C & A benötige er 1.525,00 Euro für den notwendigen Ersatz. Zudem habe er einen Hund, der ihn durchschnittlich 90,00 Euro im Monat koste.

Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 18. November 2005 dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung ein Darlehen in Höhe von 150,00 Euro zur Beschaffung notwendiger Kleidungsstücke zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein gegenwärtiger unabweisbarer Bedarf im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB II vorliege, weil der Antragsteller überzeugend vorgetragen habe, die Mittel zur Befriedigung eines wesentlichen Grundbedürfnisses nicht zur Verfügung zu haben. Anspruch auf eine Erstausstattung gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 SGB II bestehe aber nicht, weil vorliegend kein Fall eines nicht planbaren überraschenden Bedarfs gegeben sei. Mit dem bewilligten Geldbetrag könne der Antragsteller die besonders benötigten Kleidungsstücke unter Ausnutzung von Gebrauchtwarenläden oder Kleiderkammern erwerben. Grundsätzlich sei er verpflichtet, die Mittel für erforderliche Ausgaben aus den laufenden Leistungen anzusparen, er habe sein Ausgabeverhalten entsprechend einzurichten.

Gegen den ihm am 24. November 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom selben Tage, mit der er höhere Leistungen begehrt. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens macht er geltend, dass er in den letzten Monaten für seinen Hund nur 40,00 Euro aufgewandt habe. Seine Gewichtszunahme sei nicht planbar gewesen, sondern absolut plötzlich erfolgt. Die Benutzung gebrauchter Kleidungsstücke lehne er ab, zumal solche in seiner Größe nicht erhältlich seien.

Der Antragsteller beantragt (nach dem Sinn seines Vorbringens),

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 abzuändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm weitere Leistungen für die Versorgung mit Kleidungsstücken zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die dem Antragsteller durch das Sozialgericht zugesprochenen Leistungen seien mit Bescheid vom 22. März 2006 bewilligt worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Antragsteller betreffende Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Der Beschluss des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, soweit es die Verpflichtung des Antragstellers im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II abgelehnt hat.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Auffassung des Senats hat der Beschwerdeführer weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund für die Gewährung besonderer Leistungen zur Versorgung mit Kleidungsstücken glaubhaft gemacht.

Mit Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht erkennbar ist. Nach der genannten Vorschrift werden Leistungen für Erstausstattung für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt neben der Regelleistung gesondert erbracht. An dem Begriff der Erstausstattung wird deutlich, dass das Gesetz für die Gewährung dieser besonderen Leistungen einen neu auftretenden Bedarf voraussetzt. Auch wenn die ausdrücklich genannten Fälle der Schwangerschaft und Geburt nur als Beispiele und nicht als abschließende Regelung zu verstehen sind, ist die Vorschrift nicht auf den Antragsteller anwendbar. Bei ihm ist ein Erstausstattungsbedarf nämlich nicht erkennbar. Bedarf an Kleidungsstücken hatte er bereits, ehe er sich an den Antragsgegner wegen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II wandte. Ein neu auftretender Bedarf kann nur gegeben sein, wenn seitdem ein Ereignis aufgetreten wäre, dass zu grundsätzlichen Veränderungen führte. Für eine Veränderung des Bekleidungsbedarfs nach dem Februar 2005, welche die vom Kläger bereits angeschafften Kleidungsstücke unbrauchbar machte, ist aber nichts ersichtlich. Die vom Antragsteller angeführte Gewichtszunahme von 25 Kilogramm reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass der Antragsteller keinerlei Mittel zur Glaubhaftmachung wie entsprechende ärztliche Atteste vorgelegt hat, handelt es sich auch nicht um einen Vorgang, der nach dem Februar 2005 "absolut plötzlich erfolgt" sein kann. Der Antragsteller hat – jedenfalls zunächst - selbst angegeben, dass die Gewichtszunahme ein Vorgang von zwei Jahren Dauer gewesen sei. Dafür spricht auch, dass als Grund offenbar nur die gesteigerte Aufnahme von Nahrungsmitteln in Betracht kommt, welche nicht zu einer schlagartigen Vermehrung des Körpergewichts um 25 Kilogramm führt. Der durch allmähliche Gewichtszunahme entstehende Bedarf an größeren Kleidungsstücken kann im Rahmen der ohnehin bei Abnutzung erforderlichen Neuanschaffungen gedeckt werden, er vermag die Notwendigkeit einer besonderen Erstausstattung nicht zu begründen.

Auch aus § 23 Abs. 1 SGB II ergibt sich kein Anordnungsanspruch. Diese Vorschrift gewährt Hilfebedürftigen einen Anspruch auf Sachleistung oder Geldleistung als Darlehen, wenn ein von den Regelleistungen erfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Der vom Antragsteller geltend gemachte Kleidungsbedarf wird zwar von den Regelleistungen umfasst. Der Senat hält es indessen nicht für glaubhaft, dass der Antragsteller Bekleidung in dem von ihm angegebenen Ausmaß benötigt. Deswegen ist nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Sicherheit ersichtlich, dass der Antragsteller nicht in der Lage sein könnte, seinen Bedarf aus der ihm gewährten Regelleistung zu decken. Gegen den Wahrheitsgehalt des Vortrags, dass der Antragsteller bereits im Mai 2005 nur noch abgenutzte und nicht mehr passende Kleidungsstücke zur Verfügung hatte, spricht nämlich, dass er bei erstmaliger Beantragung von Leistungen nach SGB II gegenüber dem Antragsgegner noch angegeben hat, ihm sei erst jetzt die Notwendigkeit von Unterstützungsleistungen bewusst geworden. Dann ist nicht nachvollziehbar, warum der Antragsteller jedenfalls bis Februar 2005 die von ihm für erforderlich gehaltenen Neuanschaffungen von Kleidungsstücken nicht getätigt haben sollte. Soweit der Antragsteller für die Zeit danach geltend macht, dass die Beträge nach dem SGB II zu gering seien, um ansparen zu können, weist der Senat darauf hin, dass der Antragsteller Leistungen über dem Regelsatz bezieht, da er einen befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 24 SGB II in Höhe von 80,00 Euro monatlich erhält. Soweit zunächst zu Unrecht Wohngeld angerechnet wurde, hat der Antragsgegner dies mittlerweile berichtigt.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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