L 14 KG 10/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KG 2/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 10/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 KG 2/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 4. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Rücknahme des Bescheides vom 11. Mai 1994 verpflichtet worden ist; die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2005 wird in vollem Umfang abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist vor allem ein Anspruch auf Kindergeld für die leiblichen Kinder des Klägers S. (geboren 1990) und D. (geboren 1992) im Zeitraum von August 1993 bis Dezember 1995 nebst 12,5 % Zins.

Der im Jahre 1965 geborene Kläger, in den Jahren 1992/93 jugoslawischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Serbien (Stadt P. , Gebiet S.), reiste erstmals am 24.06.1992 in die BRD ein, wobei er bei der Stadt F. eine Aufenthaltserlaubnis beantragte und angab, dass er ledig und "Kriegsflüchtling" sei und seine zwei Kinder sowie eine Lebensgefährtin nachkommen sollten. Bescheinigt wurde ihm unter dem 25.06.1992 vom Leiter des Islamischen Kulturzentrums F. , dass er muslimischen Glaubens und geflüchtet sei, um nicht gezwungen zu werden, in der Volksarmee Jugoslawiens gegen das eigene Volk zu kämpfen. Nachdem die Stadt F. eine bis zum 01.10.1992 befristete Duldung erteilt hatte, verließ der Kläger am 10.09.1992 die BRD und heiratete (laut im Berufungsverfahren ermittelten Scheidungsurteil des Gemeindegerichts P. vom 04.03.1996) am 28.11.1992 die Kindsmutter S. , geborene A. , von ca. 1987/88 bis 1997 verheiratete S. , die ab 1997 unter dem Namen S. S. geführt wurde.

Mit Ehefrau und Kindern reiste der Kläger am 30.03.1993 ohne Visa nach Bayern ein und wurde am 22.04.1993 in einer staatlichen Gemeinschaftsunterkunft in W. untergebracht. Laut Aufenthaltsanzeige soll er seit 1990 verheiratet sein. Bereits am 13.04.1993 stellten er und seine Familienangehörigen Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wegen Gefahr der politischen Verfolgung (Psychoterror durch Telefonanrufe; Mitgliedschaft des Klägers in der SAD-Partei, die im ehemaligen Jugoslawien bundesweit muslimische Interessen verfolgt). Dem Kläger wurden wiederholt, erstmals ab 27.04.1993, befristete Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung des Asylverfahrens bis zur Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis am 05.03.1997 (zweite Ehe mit einer Deutschen am 28.02.1997) erteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13.05.1993 wurden der Kläger und seine damalige Ehefrau als Asylberechtigte anerkannt. Auf Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hob das Bayerische Verwaltungsgericht R. mit Urteil vom 26.01.1995 - RO 12 K 93.31129 den Bescheid vom 13.05.1993 auf, weil sie weder als politisch Verfolgte ausgereist seien noch ihnen bei Rückkehr in ihr Heimatland politische Verfolgung, individuell oder als Gruppenmitglied, drohe. Die beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (24 BA 96.30909) eingelegte Berufung nahm der Kläger im März 1997 für seine Person zurück.

Laut Versicherungsverlauf der damaligen Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz vom 11.07.2003 und laut einem ab 14.01.1995 beginnenden Leistungsauszug der Beklagten vom 28.10.2004 gestaltete sich das Versicherungsleben des Klägers in der BRD von März 1993 bis Mai 1998 folgendermaßen: 11.08.1993 bis 23.09.1993: Beschäftigung (mit Arbeitserlaubnis) 24.09.1993 bis 13.03.1994: Lücke 14.03.1994 bis 13.01.1995: Beschäftigung (mit Arbeitserlaubnis) 14.01.1995 bis 14.03.1995: Bezug von Arbeitslosengeld 15.03.1995 bis 01.01.1996: Beschäftigung (mit Arbeitserlaubnis) 02.01.1996 bis 08.06.1996: Bezug von Arbeitslosengeld 10.06.1996 bis 12.06.1996: Beschäftigung 15.07.1996 bis 04.09.1996: (fraglicher) Bezug von Leistungen seitens der Arbeitsverwaltung 05.09.1996 bis 31.05.1997: Bezug von Arbeitslosenhilfe 02.06.1997 bis 27.06.1997: Beschäftigung 28.06.1997 bis 03.05.1998: Bezug von Arbeitslosenhilfe.

Am 08.07.1993 gab der Kläger beim Arbeitsamt W. einen Kindergeldantrag mit Unterlagen ab, den der Bearbeiter laut Aktenvermerk auch entgegennahm. Auf dem zweisprachigen Formular hatte der Kläger als Antragsteller unterschrieben und die damalige Ehegattin dem Bezug des Kindergelds durch den Ehemann zugestimmt. Angegeben war, dass der Kläger und dessen Ehefrau derzeit und in den letzten sechs Monaten nicht erwerbstätig gewesen seien und auch nicht Geldleistungen wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Mutterschaft, sondern seit 01.05.1993 Sozialhilfe bezögen. (Diese Angaben hat der Kläger trotz eines ab 11.08.1993 geänderten Sachverhalts nicht berichtigt bzw. der Beklagten eine Änderung angezeigt.) Nach mehrfachen Anfragen wegen des damals in der Schwebe befindlichen Aufenthaltsstatus des Klägers vermerkte ein Sachbearbeiter der Beklagten, dass kein Wohnsitz im Sinne des § 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) vorliege und eine Kindergeldgewährung gemäß § 1 Abs.3 BKGG (in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung) wegen der darin vorgesehenen Frist eines Aufenthalts von einem Jahr) erst ab April 1994 möglich sei. Ab Januar 1994 bestehe jedoch (wegen der geänderten Fassung des § 1 Abs.3 BKGG) ein Anspruch auf Kindergeld nur bei Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung.

Mit Bescheid vom 11.05.1994 lehnte die Beklagte die Gewährung des Kindergelds ab. Zur Begründung wurde angegeben, dass nach § 1 Nr.1 BKGG Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld und Kindergeldzuschlag hätten. Ein Ausländer könne einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nur begründen, wenn seiner Absicht, sich auf längere Zeit im Bundesgebiet aufzuhalten, keine ausländerrechtlichen Bestimmungen entgegenstünden. Zur Begründung eines rechtmäßigen Aufenthalts bedürfe ein Ausländer einer Aufenthaltsgenehmigung (§ 5 Ausländergesetz - AuslG -). Die einem Asylbewerber für die Dauer des Verfahrens zur Feststellung des Asylrechts erteilte Aufenthaltsgestattung (§ 20 Asylverfahrensgesetz) und die einem Ausländer erteilte Duldung (§ 55 AuslG) bewirkten jedoch keinen ausländerrechtlich erlaubten Aufenthalt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt könnte jedoch in Ausnahmefällen begründet werden, wenn der Ausländer zu einer Personengruppe gehöre, die unbeschadet der nicht erteilten Aufenthaltserlaubnis und unabhängig vom Ausgang eines anhängigen Asylverfahrens nach einer ausländerbehördlichen Sonderregelung auf unabsehbare Zeit nicht abgeschoben werde. Laut Bescheinigung der Ausländerbehörde der Stadt W. treffe dies vorliegend nicht zu. Im Bescheid folgt dann der Hinweis: "Kindergeld kann erneut beantragt werden innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats, in dem die Feststellung des Asylrechts bindend bzw. rechtskräftig geworden ist. Ansonsten kann eine rückwirkende Zahlung nur im Rahmen des § 9 Abs.2 BKGG (für die letzten sechs Monate vor Antragstellung) gewährt werden."

Der Kläger hat hiergegen keinen Widerspruch eingelegt und sich laut Inhalt der Kindergeldakte der Beklagten auch nicht gemeldet, als er Anfang des Jahres 1997 wegen seiner zweiten Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erhielt.

Die erste Ehe des Klägers wurde am 04.03.1996 geschieden und das Sorgerecht für die Kinder der Mutter übertragen. Laut den von der Beklagten im Jahre 2004 eingeholten Meldeauskünften der Stadt W. vom 02.11. und 15.11.2004 hatten die Eheleute mit Kindern bis zum 14.03.1996 eine gemeinsame Wohnung. Die geschiedene Ehefrau lebte dann mit den Kindern vom 14.03. bis 20.06.1996 in der S. Straße, W. , und vom 20.06.1996 bis - angeblich - 01.06.2000 (Abmeldung von Amts wegen) in der N.straße, W ... (Laut einer Zeugenvernehmung vom 19.04.1996 in der Ausländerakte des Klägers soll Getrenntleben bereits seit Februar 1996 vorliegen.) Nach dem Inhalt der Kindergeldakte der späteren S. S. soll sie mit den Kindern von Oktober 1996 bis circa 2000 in W. und in F. gelebt haben, wobei sich die Kinder zwischenzeitlich auch in Serbien aufhielten.

Der Kläger selbst heiratete am 28.02.1997 die deutsche Staatsangehörige C. L. und erhielt deswegen am 05.03.1997 - zunächst befristet, später auf Dauer - eine Aufenthaltserlaubnis und am 07.03.1997 eine Arbeitserlaubnis. Die zweite Ehe des Klägers wurde am 26.09.2001 geschieden. Er ging darauf hin am 23.03.2002 in Serbien eine dritte Ehe mit A. R. ein. Seit der Ablehnung des Kindergeldantrags mit Bescheid vom 11.05.1994 bis zum September 2002 (die erste Ehefrau hatte für die Kinder 1999/2000 Kindergeld bezogen, bevor die Kinder wieder nach Jugoslawien zurückkehrten) hatte sich der Kläger trotz Änderung in seinen Verhältnissen (ab 11.08.1993 Beschäftigung und dann Arbeitslosengeldbezug, ab 05.03.1997 Aufenthaltserlaubnis) laut Inhalt der Kindergeldakte bei der Beklagten nicht gemeldet.

Am 23.10.2002 gab er persönlich beim Arbeitsamt W. (Familienkasse) einen Kindergeldantrag (am 22.10.2002 ausgefülltes Antragsformular) ab. Beigelegen haben u.a. eine Aufenthaltsbescheinigung der Stadt W. vom 23.10.2002 (Aufenthalt der Kinder seit 21.10.2002 in der BRD beim Kläger), eine am 18.12.2000 ausgestellte Aufenthaltserlaubnis für den Kläger und ein Urteil des Gemeindegerichts P. vom 08.05.2001 mit dem Inhalt, dass unter Abänderung des Urteils vom 04.03.1996 das Sorgerecht für die zwei Kinder dem Kläger übertragen wird. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin nach steuerrechtlichen Vorschriften ab Oktober 2002 Kindergeld für S. und D. (sowie ab Oktober 2003 Kindergeld für die am 09.10.2003 geborenen Zwillinge aus dritter Ehe).

Am 19.09.2003 gab der Kläger beim Arbeitsamt W. einen schriftlichen Antrag auf rückwirkende Kindergeldbewilligung für die Kinder S. und D. für die Zeit von 1993 bis 2002 ab. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2003 unter dem Betreff "Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG)" teilweise ab, weil dem Antrag für die Vergangenheit nur zeitlich begrenzt, längstens bis Januar 1999 (§ 52 Abs.62 EStG) entsprochen werden könne; für die Zeit ab 01.01.1999 wurde das Kindergeld teils in Höhe der "Abkommenssätze" (Aufenthalt der Kinder in Serbien) und teils in Höhe der Sätze des EStG bewilligt sowie für die Zeit von September 2000 bis Januar 2001 versagt, weil der Kläger sich nicht in der BRD aufgehalten habe und arbeitslos ohne Leistungsbezug gewesen sei (Rechtsmittelbelehrung: Einspruch).

Mit Schreiben vom 08.12.2003 erhob der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt "Widerspruch", begehrte Kindergeld für die Zeit von April 1993 bis Dezember 1998 und behauptete, der Kläger, der seit "27.02.1997" im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, habe Mitte März 1997 im Beisein des Zeugen M. S. (jetziger Prozessbevollmächtigter des Klägers) für seine ersten zwei Kinder Antrag bei der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes W. gestellt; der zuständige Sachbearbeiter habe den Antrag nicht entgegengenommen, weil er diesen für aussichtslos gehalten habe; aufgrund der vorliegenden Aufenthaltserlaubnis habe dies nicht der Rechtslage entsprochen. Der Antragsteller sei daher so zu stellen, als wenn dieser Antrag damals entgegengenommen worden wäre, so dass eine Rückwirkung des Antrags für vier Jahre berücksichtigt werden müsste.

Der Rechtsbehelf wurde als "Einspruch" mit Einspruchsentscheidung vom 02.07.2004 als unbegründet zurückgewiesen, weil das Kindergeld gemäß § 67 EStG schriftlich bei der Familienkasse zu beantragen sei, ein solcher Antrag erst am 19.09.2003 gestellt worden sei und § 52 Abs.62 EStG nur einen Anspruch rückwirkend ab 01.01.1999 eröffne. Am Schluss des Bescheids erging nach der Rechtsbehelfsbelehrung noch der Hinweis, dass der ehemalige Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG vom 08.07.1993 mit bindendem Bescheid vom 11.05.1994 abgelehnt worden sei.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht N. (Az.: IV 318/2004) verfolgte der Anwalt des Klägers das Begehren auf Kindergeld für zwei Kinder von April 1993 bis Dezember 1998 weiter unter Hinweis auf eine Aufenthaltserlaubnis vom "27.02.1997" und auf eine Vorsprache beim Arbeitsamt W. Mitte März 1997 (Klageschriftsatz vom 05.08.2004). Weitere Ermittlungen der Beklagten zum Sachverhalt und Anfragen beim Kläger, u.a. zum früheren Aufenthalt der Kinder, zum Sorgerecht, zum Datum der Scheidung, zur eventuellen Wiederverheiratung der Kindsmutter und zur Haushaltsaufnahme der Kinder beim Kläger, führten im Wesentlichen nur zu der unrichtigen Mitteilung des Klägers vom 13.12.2004, er sei seit 1996 alleinerziehend.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erteilte die Beklagte den jetzt streitgegenständlichen Bescheid vom 12.11.2004 mit dem Betreff "Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) a.F. - Ablehnung des Antrags auf Kindergeld für die Jahre 1993 bis 1995". Hierin wurde unter Berücksichtigung eines Antrags vom 19.09.2003 die Gewährung des Kindergelds für die Jahre 1993 bis 1995 abgelehnt, weil gemäß § 9 Abs.2 BKGG a.F. (Ausschlussfrist) eine rückwirkende Zahlung nur für sechs Monate vor dem Antragsmonat zulässig sei. Abgesehen davon sei eine Zahlung auch deswegen nicht mehr möglich, weil Kindergeldansprüche nach § 45 Abs.1 Sozialgesetzbuch Teil I (SGB I) verjährt seien. Weiterhin sei eine Überprüfung (Anmerkung: des Bescheids vom 11.05.1994) ausgeschlossen, da diese nur rückwirkend für vier Jahre vor Antragstellung, die bis Oktober 2002 nicht erfolgt sei, möglich sei.

Der Rechtsanwalt des Klägers legte im November 2004 die Vertretung des Klägers nieder. Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob gegen den Bescheid vom 12.11.2004 Widerspruch mit dem Begehren auf Zahlung von Kindergeld vom 08.07.1993 bis 31.12.1998 (Schreiben vom 13.12.2004). Wenn zwischen Juli 1993 und dem Jahr 2003 keine weiteren schriftlichen Kindergeldanträge gestellt worden seien, so habe das daran gelegen, dass "wir" (M. S. , S. S. , S. H. und der Kläger) bei jedem erneuten Versuch, Kindergeld zu beantragen, ausgelacht worden seien und die Auskunft erhielten, dass die Voraussetzungen für das Kindergeld nicht erfüllt seien und der Antrag sofort abgelehnt werde, wie dies auch schon früher gemacht worden sei. Da "wir" Vertrauen in die deutschen Behörden gehabt hätten, sei alles so gelassen worden, bis das Bundessozialgericht mit Urteil vom 12.04.2000 - B 14 KG 2/99 R - entschieden habe, dass Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien aufgrund des zwischenstaatlichen deutsch-jugoslawischen Abkommens bei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in der BRD Anspruch auf Kindergeld gehabt hätten.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.11.2004 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2005 zurückgewiesen, weil Kindergeldanträge zwischen 1993 und 2002 nicht feststellbar seien und § 5 Abs.2 BKGG in der Fassung der Bekanntmachung (Anm.: Bekanntmachung des BKGG) vom 23.01.1997 für nach dem 31.12.1997 gestellte Anträge eine rückwirkende Zahlung des Kindergelds höchstens ab 01.07.1997 zulasse. Der bestandskräftige Bescheid vom 11.05.1994 sei bei Ablauf der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs.4 SGB X nicht mehr zurücknehmbar, im Übrigen seien auch Kindergeldansprüche von 1993 bis 1995 verjährt. Nur in besonders gelagerten Fällen, z.B. bei Mitverschulden der Familienkasse, könne die Ermessensausübung dazu führen, dass von der Einrede der Verjährung kein Gebrauch gemacht werde. Ein solcher Fall liege aber hier nicht vor.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage beim Sozialgericht Regensburg wegen Kindergelds vom 08.07.1993 bis 31.12.1995, wobei er gegenüber dem Finanzgericht N. die Einschränkung der dortigen Klage auf die Zeit vom 01.01.1996 bis 31.12.1998 erklärte. Er behauptete, der Kläger habe seit 08.07.1993 Anspruch auf Kindergeld, weil er in der BRD eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Als Kriegsflüchtling aus Ex-Jugoslawien habe aufgrund des deutsch-jugoslawischen Abkommens ein Kindergeldanspruch bestanden, wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 12.04.2000 - B 14 KG 2/99 R - entschieden habe. "Sie" hätten nach Kenntnis dieses Urteils erneut Kindergeldantrag gestellt. Früher seien sie an einer gerechten Antragstellung behindert gewesen. Bei jedem erneuten Versuch, Kindergeld zu beantragen, seien sie mit der Bemerkung ausgelacht worden, dass sie die Voraussetzungen für das Kindergeld nicht erfüllt hätten und ein Antrag sofort abgelehnt werde, wie dies schon früher schriftlich bei "ihren Freunden" geschehen sei. Im Vertrauen auf die deutschen Behörden hätten sie alles so gelassen. Es sei unzumutbar gewesen, sich als Flüchtling gerichtlich gegen die deutschen Behörden zu stellen. Ausschluss- und Verjährungsfristen (§ 5 Abs.2 BKGG n.F., § 44 Abs.4 SGB X, § 45 Abs.1 SGB I) seien in seinem Falle nicht einschlägig. Der Bevollmächtigte des Klägers legte u.a. den Versicherungsverlauf der deutschen Rentenversicherung Niederbayern-Oberpfalz vom 12.07.2003 vor, aus dem sich Lücken im Versicherungsleben (fehlende Beschäftigung und fehlender Bezug von Leistungen der Arbeitsverwaltung) bis zum 10.08.1993 und vom 24.09.1993 bis 13.03.1994 ergaben.

Laut Sitzungsniederschrift vom 04.08.2005 soll der erschienene Bevollmächtigte des Klägers angegeben haben, er habe mindestens zehn Landsleuten bei der Antragstellung und vor Behörden geholfen. Nach Erhalt der Aufenthaltserlaubnis am "27.02.1997" habe der Kläger steuerrechtliches Kindergeld erhalten (?). Im März 1997 habe der Kläger einen Antrag gestellt, es sei ihm damals aber kein Kindergeld bewilligt worden (?). Als Klageantrag wurde das Begehren auf Kindergeld für zwei Kinder vom 01.07.1993 bis 31.12.1995 unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 11.05.1994 und 12.11.2004 und des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2005 festgehalten.

Mit Urteil vom 04.08.2005 verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, den Bescheid vom 11.05.1994 zurückzunehmen, und wies im Übrigen die Klage ab. Es ging (unrichtigerweise) davon aus, die Beklagte habe ehemals mit Bescheid vom 11.05.1994 einen Kindergeldantrag abgelehnt, weil eine dem Kläger "erteilte Duldung gemäß § 55 AuslG" für den Bezug von Leistungen nicht ausreiche. Die durch den Kindergeldantrag vom 22.10.2002 veranlasste Prüfung der Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom 11.05.1994 gemäß § 44 SGB X führe nur teilweise zum Erfolg. Der Bescheid sei nicht rechtens gewesen und mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, weil das Bundessozialgericht mit Urteil vom 12.04.2000 festgestellt habe, dass der Ausschluss von geduldeten Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina vom Bezug des Bundeskindergelds rechtswidrig gewesen sei. Einer nachträglichen Gewährung des Kindergelds für die Jahre 1993 bis 1995 stehe jedoch § 44 Abs.4 SGB X entgegen, wonach Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw. der Beantragung der Rücknahme erbracht würden. Ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB I in Betracht komme, sei zweifelhaft. Jedenfalls sei aber ein diesbezüglicher Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden. Als neuer Leistungsantrag führe der Antrag vom 22.10.2002 nicht zu einer nachträglichen Gewährung von Kindergeld, denn gemäß § 20 Abs.2, § 5 Abs.2 BKGG könnten Leistungen rückwirkend längstens bis Juli 1997 gezahlt werden. Bei einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist komme, unabhängig von fehlendem Verschulden bezüglich der verspäteten Antragstellung, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Die Berufung auf die Ausschlussfrist wäre nur dann unzulässig, wenn die Verantwortung für den Fristablauf der Behörde zuzurechnen wäre. Ein hierzu erforderliches qualifiziertes Fehlverhalten der Behörde sei jedoch nicht gegeben. Der Kläger habe an seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren, er sei im März 1997 an der erneuten Antragstellung gehindert worden, nicht festgehalten, vielmehr habe der hierfür als Zeuge benannte Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, damals sei ein entsprechender Antrag gestellt worden.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung begehrt der Kläger - nach vielen Korrekturen und Änderungen zuletzt im Juni 2006 - Kindergeld für seine zwei Kinder aus erster Ehe von August 1993 bis Dezember 1995 nebst 12,5 % Zinsen.

Er ist der Meinung, § 44 Abs.4 SGB X und § 20 Abs.2 i.V.m. § 5 Abs.2 BKGG n.F. seien (sinngemäß) nicht oder anders anzuwenden, wobei auf den Erstantrag aus dem Jahre 1993 abzustellen sei, und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X sei gemäß § 44 SGB X möglich und im Übrigen zu gewähren, weil "sie" Vertrauen in die Informationen der Behörde gehabt hätten und vor dem 23.10.2002 an einem wiederholten Kindergeldantrag gehindert gewesen seien. Die so genannten Fristversäumnisse seien Resultat eines zielstrebigen, langfristigen und wiederholten Gesetzesmissbrauchs der Familienkasse. Das deutsch-jugoslawische Abkommen und das "europäische Sozialabkommen" bzw. das "Europäische Gesetz" seien verletzt worden; hinzu komme die Missachtung der Entscheidung des Bundessozialgerichts. Auch seien die Flüchtlinge und Asylbewerber nach den gültigen Gesetzen mit den Deutschen gleichgestellt. Er, der Bevollmächtigte des Klägers, sei mindestens 20-mal beim Arbeitsamt W. wegen der Kindergeldberechtigung verschiedener Personen gewesen. "Sie" hätten immer schriftlich, persönlich und mündlich Kindergeldanträge gestellt und seien immer wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ausgelacht worden. Es lägen eine Diskriminierung von Ausländern und ein Millionenbetrug an Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien vor, die seit zwölf Jahren um ihr Kindergeldrecht kämpften, wohingegen dieselbe Angelegenheit für Deutsche binnen fünf Minuten in positiver Weise erledigt sei. Der Kläger beruft sich weiterhin auf die gesetzliche Gleichbehandlung in Bezug auf den Kläger Z., der vom Arbeitsamt H. rückwirkend Kindergeld ab 1993 erhalten habe, und auf den Kläger im sozialgerichtlichen Revisionsverfahren B 14 KG 3/99 R.

Im Hinblick auf die vom Senat in einem Parallelfall beigezogenen und dem Kläger übersandten Dienstanweisungen der Beklagten zur Handhabung des BKGG a.F. hinsichtlich Ausländerfälle vertritt der Kläger ferner die Ansicht, das "Spargesetz" (gemeint wohl der ab 01.01.1994 geltende § 1 Abs.3 BKGG, neugefasst durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 1. SKWPG) sei auf dem Rücken von Flüchtlingen beschlossen worden, ohne gesetzliche Voraussetzungen, ein purer Betrug. Er regt an (Schriftsatz vom 01.04.2006), den damaligen Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, der das Spargesetz beschlossen habe, und die zuständigen Mitarbeiter des Arbeitsamts W. , die die Flüchtlinge entsprechend den Dienstanweisungen zum Spargesetz immer wieder abgelehnt hätten, "einzuladen". Der ehemalige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit solle seine damaligen Absichten darlegen, welche gesetzlichen Voraussetzungen er für das Spargesetz vom 01.01.1994 gesehen und welche Ziele er mit seinem Team verfolgt habe.

Die Beklagte trägt vor, der ablehnende Kindergeldbescheid vom 11.05.1994 habe der damals herrschenden Rechtsauslegung und höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen, die erst mit Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.04.2000 geändert worden seien. Unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtslage stünden verfahrensrechtliche Vorschriften (§ 5 Abs.2 i.V.m. § 20 Abs.2 BKGG n.F., § 45 SGB I - Verjährung, § 44 Abs.4 SGB X in unmittelbarer Anwendung oder in analoger Anwendung bei einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch) der nachträglichen Kindergeldgewährung entgegen. Das Sozialgericht habe zu Unrecht den Bescheid vom 11.05.1994 aufgehoben.

Der Senat hat zwei Bände Kindergeldakten (Kläger und erste Ehefrau) der Beklagten, die Klageakte des Sozialgerichts, die Ausländerakte der Stadt W. , fünf Kopien aus den erledigten Akten des Sozialgerichts Regensburg S 12 AL 428/96 und S 3 RJ 192/00 sowie Kopien aus der Akte der ARGE Fördern und Fordern W. und der Sozialhilfeakte der Stadt W. beigezogen.

Gegen den Kläger ist wegen Nichterscheinens zum Erörterungstermin am 08.12.2005 - auch der Bevollmächtigte ist nicht erschienen - ein Ordnungsgeld festgesetzt worden.

Am 08.05.2006 ist der Bevollmächtigte des Klägers als Zeuge in der vorliegenden Berufung sowie in den Parallelfällen L 14 KG 13/03 und L 14 KG 9/05 einvernommen worden. Er gab zum jetzigen Rechtsstreit an, er habe den Kläger im Jahre 1993 kennengelernt und sei mit diesem zum Zwecke der Stellung des Antrags auf Kindergeld im Jahre 1993 dreimal beim Arbeitsamt gewesen. Er habe gewusst, dass der Kläger nicht aus Bosnien-Herzegowina, sondern aus Serbien in die BRD gekommen sei; unbekannt sei ihm aber - trotz der damaligen entsprechenden Unterlagen zum Kindergeldantrag - gewesen und geblieben, dass der Kläger Asylbewerber gewesen sei und nicht über eine Duldung, sondern eine Aufenthaltsgestattung verfügt habe. Bei den ersten zwei Vorsprachen habe der Bearbeiter des Arbeitsamts erklärt, der Kläger brauche keinen Antrag zu stellen, weil er ohnehin - wie bereits beim Bruder des Bevollmächtigten geschehen (vgl. hierzu L 14 KG 9/05) - abgelehnt werde. Bei der zweiten Vorsprache sei auf Verlangen ein Kindergeldformular ausgehändigt worden, und bei der dritten Vorsprache sei der schriftliche Antrag entgegengenommen worden. Es habe sich niemand geweigert, einen schriftlichen Antrag entgegenzunehmen.

Mitte des Jahres 1997 habe er erneut mit dem Kläger wegen Kindergelds beim Arbeitsamt vorgesprochen, darüber hinaus ein- bis zweimal, wohl ein halbes Jahr vorher und ein halbes Jahr nachher. Neue persönliche Daten (Scheidung der ersten Ehe des Klägers, Schließung einer zweiten Ehe, geänderter Aufenthaltsstatus des Klägers) seien hier der Kindergeldkasse nicht mitgeteilt worden. An den vom Kläger ab dem Jahre 2000 gestellten Kindergeldanträgen sei er nicht mehr beteiligt gewesen mit Ausnahme des Antrags, mit dem rückwirkend ab 1993 Kindergeld begehrt worden sei.

Auf Nachfragen bestätigte der Zeuge, er habe seit 1993 gewusst, dass ein Kindergeldantrag schriftlich zu stellen sei, ein solcher Antrag jederzeit gestellt werden konnte und die Kindergeldkasse verpflichtet gewesen sei, daraufhin einen Bescheid zu erteilen. Die bis zum Jahr 2002 bestehende "Behinderung", einen Kindergeldantrag zu stellen, habe in negativen Auskünften der Beklagten und früher erteilten Ablehnungsbescheiden bestanden.

Bei der mit Beschluss vom 24.05.2006 angeordneten schriftlichen Einvernahme des Zeugen zu einer ergänzenden Frage gab dieser mit Schreiben vom 01.06.2006 an, bei drei Vorsprachen beim Arbeitsamt im Jahre 1993 und bei den zwei, eventuell drei Vorsprachen Mitte des Jahres 1997 und zuvor sowie danach habe der Sachbearbeiter des Arbeitsamts als Grund für das Nichtbestehen eines Kindergeldanspruchs des Klägers angegeben, dass dieser über keine Aufenthaltserlaubnis verfüge; er könne einen Kindergeldantrag stellen, dieser werde aber sofort - wie früher - abgelehnt. Dieser Aussage war noch der Satz angefügt, der Zeuge habe vom Kläger erfahren, dass dieser im angegebenen Zeitraum keine Aufenthaltserlaubnis gehabt hätte, sondern eine Aufenthaltsgestattung. Beigelegen hat die Kopie einer im Jahre 1993 ausgestellten und mehrmals, zuletzt bis zum 22.04.1996 verlängerten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 04.08.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2005 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für zwei Kinder aus erster Ehe von August 1993 bis einschließlich Dezember 1995 nebst 12,5 % Zinsen hieraus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts vom 04.08.2005 insoweit aufzuheben, als sie hierdurch zur Rücknahme des Bescheids vom 11.05.1994 ver- pflichtet worden ist.

Dem Senat lagen zur Verhandlung die Prozessakten beider Rechtszüge, die Kindergeldakten der Beklagten sowie die oben genannten beigezogenen Unterlagen vor. Zur mündlichen Verhandlung sind noch wegen des übergreifenden Sachvortrags des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der angeblich gleichgelagerten Sachverhalte und der dortigen Zeugenaussagen des gleichen Prozessbevollmächtigten sowie der dort von der Beklagten eingereichten Dienstanweisungen die Berufungs-, Klage- und Kindergeldakten in den Berufungen S. S. L 14 KG 13/03 (Schwager des Prozessbevollmächtigten) und S. M. L 14 KG 9/05 (Bruder des Prozessbevollmächtigten) beigezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist unbegründet. Die nicht an eine Frist gebundene Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig und begründet; deswegen ist auch die in erster Instanz erhobene Klage wegen "Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides vom 11.05.1994", vom Sozialgericht im Urteil vom 04.08.2005 richtig gedeutet als Klage auf Verpflichtung zur Rücknahme dieses Bescheids gemäß § 44 SGB X, abzuweisen, und zwar vorliegend wegen Unbegründetheit.

1. Die Berufung der Beklagten war begründet, weil das Sozialgericht die Beklagte nicht zur Rücknahme des Bescheids vom 11.05.1994 verurteilen durfte. Nach § 44 Abs.1 SGB X kann ein bereits bei Erlass rechtswidriger, also von Anfang an unrichtiger Verwaltungsakt, auch wenn er in vollem Umfang rechtswidrig sein sollte, nur insoweit aufgehoben werden, als dem Betroffenen hierdurch Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Zu diesem Umstand fehlt es an den notwendigen Ermittlungen und richtigen Feststellungen im sozialgerichtlichen Urteil. Die Unrichtigkeit des Bescheides wurde nicht dargetan. Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs des Klägers (Voraussetzungen der §§ 1 und 2 BKGG a.F. einschließlich der versicherungspflichtigen Tätigkeit oder des Arbeitslosengeldbezugs) besteht im Urteil eine Lücke. Ersichtlich wurde somit nicht, dass die Beklagte im ablehnenden Bescheid vom 11.05.1994 sich noch auf den von 1989 bis 1993 geltenden Gesetzestext des § 1 Abs.1 und Abs.3 BKGG und nicht zusätzlich auf die ab 01.01.1994 geltende Regelung gestützt hatte. Übergangen wurde, dass der Kläger bis einschließlich Juli 1993 und von Oktober 1993 bis einschließlich Februar 1994 weder in einem Beschäftigungsverhältnis stand noch Arbeitslosengeld oder Krankengeld bezog, obwohl diese Tatsachen bereits bei Entscheidung des Sozialgerichts aktenkundig waren. Damit hätte das Sozialgericht - bei Unterstellung der Richtigkeit des von ihm teils in unzutreffender Weise angenommenen Sachverhalts und bei Unterstellung der Richtigkeit der rechtlichen Wertung dieses Sachverhalts - bereits zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Bescheid vom 11.05.1994 teilweise, hinsichtlich der Zeit bis Juli 1993 und von Oktober 1993 bis Februar 1994 richtig ist und insoweit nicht zurückgenommen werden darf. Im Übrigen ist festzustellen, dass das Sozialgericht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Der Kläger war nicht Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina, sondern stammte aus Serbien. Er verfügte ab dem Jahre 1993 nicht über Duldungen, sondern über Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung eines Asylverfahrens; die Beklagte ist bei Ablehnung des Kindergeldantrags im Jahre 1994 auch von letzterem ausgegangen. Das Bundessozialgericht wiederum hat in seinen Urteilen vom 12.04.2000 - B 14 KG 3/99 R und 2/99 R) betont, dass die Entscheidungen nicht für Asylbewerber gelten, sondern solche Fälle "unentschieden", also offen blieben. (Nur nebenbei - dies war vorliegend ohne Bedeutung - hat der jetzt erkennende Senat Zweifel, dass das deutsch-jugoslawische Abkommen für Asylbewerber gilt, die sich von ihrem Heimatland abgewendet haben. Nach Sinn und Zweck des Abkommens wurde dieses vor allem zur sozialen Sicherstellung der damals in der BRD beschäftigten Arbeitnehmer geschlossen, die überwiegend in einem geordneten Anwerbeverfahren für eine Arbeit in der BRD aufgenommen worden waren, und mag auch für "Wanderarbeitnehmer" gelten, die den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt anderweitig, nach Flucht vor den Bürgerkriegswirren, gefunden haben (vgl. BSG, a.a.O.). Der aus Serbien stammende Kläger hat sich aber außerhalb des durchaus weit zu fassenden Vertragszwecks und Vertragszieles gestellt, als er seinem Heimatland - nach seinem Willen auf Dauer - den Rücken kehrte und hier Asyl beantragte.)

Aber auch wenn festgestanden hätte, dass der Bescheid vom 11.05.1994 teilweise oder in vollem Umfange rechtswidrig gewesen wäre (an dieser Stelle kann ein Verstoß gegen innerstaatliches Recht oder EG-Recht, unabhängig vom deutsch-jugoslawischen Vertrag, unerörtert bleiben), hätte das Sozialgericht keine Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme dieses Bescheids aussprechen dürfen. Aus dem Sinn und Zweck des § 44 SGB X ergibt sich im Hinblick auf § 44 Abs.4 SGB X (Ausschluss von Leistungen nach Ablauf der Vier-Jahres-Frist), dass auch eine Rücknahme nach Ablauf der Frist nicht möglich ist. Die Rücknahme des "leistungsverhindernden" rechtswidrigen Verwaltungsakts ist mit der nachträglichen Erbringung von Leistungen verknüpft. Wenn ohnehin keine Leistungen erbracht werden dürfen, ist die isolierte Rücknahme sinnlos (wirkungslos und gesetzeswidrig laut BSG vom 06.03.1991 - 9b RAr 7/90 in SozR 3-1300 § 44 Nr.1), und
es gilt der Grundsatz, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit - gleich ob Rechtswidrigkeit oder nicht - der Rechtsfriede eintreten soll. In § 44 SGB X geht es nicht um eine "brotlose" Genugtuung, sondern um die Beseitigung von wirtschaftlichen Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns in bestimmten zeitlichen Grenzen. Ist die Beseitigung nicht möglich, darf auch die Rücknahme nicht verlangt werden. Ansonsten würde ein unhaltbarer Zustand eintreten. Bei Rücknahme des Bescheides vom 11.05.1994 läge ein offener, noch nicht verbeschiedener und damit nicht verbrauchter Leistungsantrag vor, der gemäß § 45 Abs.3 Satz 1 SGB I den Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist unterbricht (Die Unterbrechung dauert bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag, und eine solche Entscheidung wäre bei rückwirkender Rücknahme des Bescheides vom 11.05.1994 nicht existent. Es würde dann die 30-jährige Verjährungsfrist gelten.). Der im Jahre 1993 gestellte Antrag wäre dann nach allgemeinen Regeln noch zugunsten des Betroffenen zu verbescheiden (Bewilligung) und in Ausführung dessen wären an sich die Leistungen zu erbringen, was aber gemäß § 44 Abs.4 SGB X nicht möglich ist. Wird aber durch einen neuen Bescheid der noch bestehende Antrag mit anderer Begründung erneut, wegen Verlustes der Ansprüche nach § 44 Abs.4 SGB X, abgelehnt, so setzt dies eine recht schwierige und aufwendige Prüfung der Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts voraus, wobei unabhängig davon das Ergebnis bereits feststeht, dass Ansprüche dennnoch nicht mehr bestehen können. Es muss dann dabei verbleiben, dass bereits die Rücknahme nicht erfolgt. Zu dem gleichen Ergebnis kam das Bundessozialgericht mit einer dogmatisch gering abweichenden Begründung, nämlich dass ein Antragsteller nach § 44 SGB X kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und an der zusprechenden Entscheidung (Leistungsbewilligung) hat, die (beide) nach § 44 Abs.4 SGB X nicht vollzogen werden dürfen. Demnach war die Anschlussberufung der Beklagten begründet, d.h., das Urteil des Sozialgerichts musste insoweit aufgehoben und in der Folge die Klage wegen Rücknahme des Bescheids vom 11.05.1994 abgewiesen werden.

2. Im Rahmen der Prüfung der Berufung des Klägers konnte der Senat einen (noch) bestehenden und auch durchsetzbaren Kindergeldanspruch des Klägers im Zeitraum von August 1993 bis Dezember 1995 nicht feststellen.

2.1. Ein Kindergeldanspruch des Klägers kann ehemals - unter Zuhilfenahme des deutsch-jugoslawischen Abkommens (wenn die Geltung für Asylbewerber vorausgesetzt wird) - nur für August/ September 1993 und März 1994 bis Dezember 1995 bestanden haben, als der Kläger in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stand oder Arbeitslosengeld bezog.

Gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BKGG in den von 1993 bis 1995 geltenden Fassungen "hat Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder und die ihnen durch § 2 Abs.1 Gleichgestellten", wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes (also der BRD) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 1 Abs.3 BKGG in der vom 01.01.1991 bis 31.12.1993 geltenden Fassung haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten, einen Anspruch nach diesem Gesetz nur, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt von einem Jahr. Nach § 1 Abs.3 Satz 1 BKGG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung hat ein Ausländer einen Anspruch nach diesem Gesetz nur, wenn er in Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. (Hierzu entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.07.2004 - 1 BvL 4/97, 1 BvL 5/97 und 1 BvL 6/97, dass die für 1994 und 1995 geltende Bestimmung mit der Verfassung nicht vereinbar sei und in noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren das bis zum 31.12.1993 geltende Recht anzuwenden sei, wenn der Gesetzgeber bis zum 01.01.2006 keine Neuregelung treffe.)

§ 1 Abs.3 BKGG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung beinhaltete - abgesehen von dem Hinausschieben des Kindergeldanspruchs um ein Jahr - keine lex specialis zu § 1 Abs.1 BKGG a.F. (Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt), sondern vollzog mit Wirkung ab 01.01.1991 lediglich die herrschende Meinung in der Literatur und die allgemeine Auffassung in der Rechtsprechung, dass der tatsächliche Aufenthalt eines Ausländers erst dann sich zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 SGB I entwickeln könne, wenn nach dem jeweils geltenden Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die deutschen Behörden (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) davon auszugehen sei, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer im Bundesgebiet bleiben könne (vgl. BSG vom 31.08.1980 - 8b RKg 4/79 in BSGE 49, 254; BSG vom 15.06.1982 - 10 RKg 26/81, 27/81 und 34/81, ersteres in BSGE 53, 234; BSG vom 20.05.1987 - 10 RKg 18/85 in Breithaupt 1988, 339; BSG vom 23.08.1988 - 10 RKg 20/86, 21/86, 16/87 und 17/87, letzteres in BSGE 63, 67; BSG vom 12.02.1992 - 10 RKg 26/90).

Das Ausländergesetz in der damaligen Fassung sah in § 5 an Arten der Aufenthaltsgenehmigung, gestuft nach der Qualität der Berechtigungen, die Aufenthaltserlaubnis (§§ 15, 17 AuslG), die Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG), die Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG) und die Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) vor. § 1 Abs.3 BKGG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung bezog sich bei Fehlen einer Aufenthaltsgenehmigung insbesondere auf die Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens und die Duldung nach § 55 AuslG. § 1 Abs.3 BKGG a.F. in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung (inhaltsgleich § 62 Abs.2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der für 1996 und 1997 geltenden Fassung) entfernte sich vom Begriff "Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt" im Sinne von § 1 Abs.1 BKGG a.F., § 30 SGB I (ex-ante-Prognose) und stellte nur mehr auf den gesicherten Aufenthalt eines Ausländers bei Vorliegen der qualitativ am höchsten stehenden Arten der Aufenthaltsgenehmigung, der Aufenthaltsberechtigung und der Aufenthaltserlaubnis, ab.

Nach der bis zum Jahre 2000 geltenden unumstrittenen Rechtsprechung hatte der Kläger gemäß den genannten Vorschriften keinen Anspruch auf Kindergeld, weil die im Jahre 1993 geltende Ein-Jahres-Frist - vorliegend vorausgesetzt die durchaus zweifelhafte günstige ex-ante-Prognose eines dauerhaften Aufenthalts in der BRD - noch nicht abgelaufen war (§ 1 Abs.3 BKGG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung) und der Kläger in den Jahren 1994 und 1995 nicht über eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis verfügte. Das europäische Recht konnte vorliegend nicht zu einem Kindergeldanspruch verhelfen. Die EG-Verordnungen, die das innerstaatliche Kindergeldrecht modifizierten, und zwar auch dann, wenn der Gesetzgeber insoweit (in § 42 BKGG a.F.) keine Ausnahmevorschriften vorgesehen hätte, waren nicht einschlägig, weil der Kläger nicht Angehöriger eines EG-Staates war. Im Übrigen bestimmte § 42 BKGG a.F.: "Soweit in diesem Gesetz Ansprüche Deutschen vorbehalten sind, haben Angehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, Flüchtlinge und Staatenlose nach Maßgabe des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen die gleichen Rechte. Auch im Übrigen bleiben die Bestimmungen der genannten Verordnungen unberührt."

Nach diesen Regelungen konnte sich der Kläger auch nicht auf die Stellung als "Bürgerkriegsflüchtling" berufen. § 42 BKGG a.F. nimmt mit seiner Formulierung zunächst Bezug auf Flüchtlinge aufgrund des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951, BGBl. 1953 II S.559 ("Genfer Flüchtlingskonvention"). Die Gleichstellung mit Deutschen, die im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, hat zur Folge, dass § 1 Abs.3 BKGG in der vor und ab 01.01.1994 geltenden Fassung nicht anzuwenden ist, setzt aber voraus, dass die Flüchtlinge nach diesem Gesetz (durch unanfechtbaren Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) anerkannt waren. Einen solchen qualifizierten Flüchtlingsstatus hatte aber der Kläger nicht. Er war auch nicht anerkannter Asylberechtigter oder anerkannter sonstiger politischer Verfolgter (§§ 1 und 2 Asylverfahrensgesetz) und gehörte ferner nicht zu den so genannten Kontingent-Flüchtlingen, die die Rechtstellung nach dem Abkommen vom 28.07.1951 genießen (vgl. § 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge vom 20.07.1980, BGBl.I S.1057 - HumHG). Eine derartige Rechtstellung wird in der Regel durch eine amtliche Bescheinigung nachgewiesen, die nur erteilt werden kann und darf, wenn der Ausländer vor der Einreise in der Form eines Sichtvermerks oder aufgrund einer Übernahmeerklärung nach § 33 Abs.1 AuslG im Bundesgebiet aufgenommen wird. Ein nachträgliches Anerkennungs- und Feststellungsverfahren hierzu war nicht vorgesehen, vielmehr entstand die Rechtsstellung im Sinne von § 1 Abs.1 HumHG kraft Gesetzes. Eine nachträgliche Anerkennung, etwa durch die Ausstellung eines Reiseausweises mit dem Vermerk Flüchtling im Sinne des § 1 Abs.1 HumHG, ist nicht möglich (ausführlich zu den Einzelheiten s. Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 09.07.2001 - A 6 S 2218/99).

Der Kläger hatte aber vor seiner Einreise in die BRD kein Sichtvermerks- oder Übernahmeverfahren durchlaufen, sondern ist - bei illegalem Grenzübertritt am 30.03.1993 ertappt - lediglich auf dann erfolgter "Einladung" des mitreisenden Schwagers der Ehefrau (deutscher Staatsangehöriger), der dann später von der Kostenübernahmepflicht überfordert war, und eines bis zum 08.04.1993 gültigen Ausnahmesichtvermerks der Grenzpolizei ("Besuchervisum") in die BRD eingereist. Demnach erhielt der Kläger später lediglich eine Aufenthaltsgestattung (ohne Asylantrag wäre u.U. eine befristete Duldung erteilt worden), wohingegen bei Zugehörigkeit zu den "humanitären Sonderkontingenten" (vgl. §§ 32, 33 AuslG) eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden wäre.

Ein Kindergeldanspruch für August/September 1993 und März 1994 bis Dezember 1995 kann damit ausschließlich aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 bestanden haben.

Der 14. Senat des BSG hat in seinen Urteilen vom 12.04.2000 - B 14 KG 2/99 R und B 14 KG 3/99 R (letzteres in SozR 3-5870 § 1 Nr.18) kund getan, dass er seine bisherige Rechtsprechung - genannt wurden die Urteile vom 19.11.1997 - 14/10 RKg 19/96 und vom 22.01.1998 - B 14 KG 2/97 R - aufgibt und bei Bürgerkriegsflüchtlingen (offen soll dies bei Asylbewerbern bleiben), sofern sie Arbeitnehmer sind oder Arbeitslosen- bzw. Krankengeld beziehen (Art.28 Abs.1 des Abkommens), die Voraussetzungen nach § 1 Abs.1 BKGG a.F. für gegeben ansieht. Aus Art.2 Abs.1 Buchst.d, 3 Abs.1 Buchst.a, 4 Abs.1 Satz 1 des Abkommens soll folgen, dass nicht erst Art.28 des Abkommens, die einzige Vorschrift in den besonderen Bestimmungen über die einzelnen Sozialleistungen, einen Anspruch auf Kindergeld begründet, sondern vielmehr Art.28 - abgesehen von der Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs durch Bezieher von Krankengeld und Arbeitslosengeld - je nach dem Aufenthalt des Kindes in einem oder dem anderen Vertragsstaat lediglich regele, ob das Kindergeld in Höhe des § 10 BKGG a.F. oder in Höhe der nach Art.28 Abs.2 des Abkommens geminderten Sätze zu zahlen sei. Hierbei soll der Begriff des "Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne von § 1 Abs.1 BKGG a.F. durch den Begriff des "Wohnens" (sich gewöhnlich aufhalten) des Arbeitnehmers und der Kinder im Sinne des Vertragsrechts modifiziert werden; demnach komme § 1 Abs.3 BKGG a.F. nicht mehr zur Anwendung.

Der Senat schließt sich dieser nicht nur ihn überraschenden Sichtweise letztlich an, weist aber darauf hin, dass der Kläger das Urteil des Bundessozialgerichts missverstanden hat. Es wurde hier nicht, weder dem konkreten Kläger im Revisionsverfahren noch allen Bosniern bzw. Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, ein Kindergeldanspruch "zugesprochen", sondern lediglich das vorausgehende Urteil des Landessozialgerichts Darmstadt aufgehoben und diesem aufgegeben, zum Bestehen eines materiell-rechtlichen Kindergeldanspruchs zu ermitteln und dann hierüber zu entscheiden, wobei überdies zugrunde lag, dass der dortige Kläger gegen eine ablehnende Entscheidung der Beklagten noch im Jahre 1993 rechtzeitig Klage und später Berufung eingelegt hatte.

Auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts - die Geltung soll auch für Asylbewerber unterstellt werden - ergibt sich eine "Kindergeldberechtigung" des Klägers nach §§ 1 bis 3 BKGG a.F. für August/September 1993 und März 1994 bis Dezember 1995. Sämtliche monatlichen Zahlungsansprüche hieraus wurden von der bestandskräftigen Ablehnung mit Bescheid vom 11.05.1994 erfasst. Der Kläger hat sowohl nach Aktenlage als auch seinem Vorbringen auch nicht bis zum 30.06.1996 einen erneuten Antrag auf das "sozialrechtliche" Kindergeld (nach dem bis zum 31.12.1995 geltenden BKGG) gestellt, so dass er wenigstens einen Anspruch innerhalb von sechs Kalendermonaten vor Stellung dieses Neuantrages (§ 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F.) noch verwirklichen hätte können.

2.2. Im Jahre 1997 hatte der Kläger keinen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 11.05.1994 gemäß § 44 SGB X und auf nachträgliche rückwirkende Bewilligung rechtswidrig vorenthaltener Leistungen gestellt. Selbst ein (schriftlich und damit wirksam) gestellter Kindergeldantrag beinhaltet keineswegs einen Antrag gemäß § 44 SGB X. In einem solchen muss zum Ausdruck kommen, dass nicht nur aktuell (im Rahmen der kurzen Fristen des § 5 Abs.2 BKGG n.F. bzw. hier des § 62 Abs.2 Satz 1 EStG allenfalls für sechs Monate rückwirkend) Kindergeld begehrt wird, sondern auch rückwirkend ein bereits vor Jahren bestandkräftig abgelehnter Kindergeldanspruch überprüft werden soll. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Nach den Angaben des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers im Widerspruchs- und Klageverfahren (Schreiben vom 13.12.2004 und Schriftsatz vom 16.03.2005) ist von einem Kindergeldantrag 1993 und dann wieder von einem Antrag 2003 (gemeint wohl 2002) die Rede. In der sozialgerichtlichen Verhandlung am 04.08.2005 gab der jetzige Prozessbevollmächtigte an, der Kläger habe im März 1997 einen Kindergeldantrag gestellt, woraufhin ihn das Sozialgericht darauf hinwies, dass sich ein solcher Antrag nicht in der Kindergeldakte befinde. Dubios bleibt der Vortrag der Klagepartei auch unter dem Blickwinkel der Aussage des Zeugen im Berufungsverfahren, dass schon seit dem Jahre 1993 bekannt gewesen sei, dass ein Kindergeldantrag schriftlich gestellt werden müsse und nur ein schriftlicher Antrag wirksam sei, dass sich die Bediensteten der Familienkasse keineswegs geweigert hätten, Antragsformulare auszugeben sowie schriftliche Anträge entgegen zu nehmen und zu verbescheiden, weiterhin, dass im Jahre 1997 letztlich nur beim Arbeitsamt wegen Informationen über eine Kindergeldberechtigung vorgesprochen worden sei.

Im Hinblick auf einen Antrag gemäß § 44 SGB X, ggf. verbunden mit einem Kindergeldantrag, bedarf der Sachverhalt im Jahre 1997 einer näheren Betrachtung, wozu auch die bisherigen Erfahrungen des Senats Anlass geben. In drei bereits abgeschlossenen Berufungsverfahren (mehr Fälle waren beim Senat nicht anhängig), die nicht identisch mit den drei Verfahren S 14 KG 3/03, KG 9/05 und KG 10/05 sind, hatten die jeweiligen Kläger nach Kenntnis des BSG-Urteils vom 12.04.2000 ab dem Jahre 2001 Anträge auf rückwirkende Gewährung des Kindergelds gestellt und die Erfahrung machen müssen, dass die Beklagte über Kindergeldbewilligungen frühestens ab 01.07.1997 nicht hinausging. Es mag - verbreitet unter anderem durch Organisationen der Bosnier oder über andere Kontakte - ein gewisser Lerneffekt eingetreten sein, der dazu führen konnte, dass nunmehr nachträglich weitere Kindergeldanträge in den Jahren 1996 und 1997 anlässlich von Vorsprachen beim Arbeitsamt behauptet wurden (einmal sogar, obwohl sich der Kläger bereits wieder in Jugoslawien befand), wohl in der (unbegründeten) Erwartung, dass ein solcher Antrag in jedem Fall, wie bei Anträgen ab 2000, eine rückwirkende Überprüfung für weitere vier Jahre auslösen würde oder auslösen hätte müssen. Der Senat will hieraus keinen Erfahrungssatz im Falle des Klägers ableiten, sieht aber auch keine Veranlassung, von der ohnehin gebotenen genauen Überprüfung abzusehen und den teilweise unzuverlässigen Angaben der Klagepartei unbesehen zu folgen. In Auswertung der gesamten Akten sieht der Senat den Vortrag des Klägers im Einspruchsverfahren und späteren Finanzgerichtsverfahren insoweit als glaubhaft an, als er mit Hilfe des Rechtsanwalts K. vortrug, er habe Mitte März 1997 nach erstmaligem Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis am "27.02.1997" (gemeint: 05.03.1997) beim Arbeitsamt wegen Kindergelds vorgesprochen (vgl. Einspruchsbegründung vom 26.04.2004 und Klageschrift vom 05.08.2004). Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass nach einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage der Versuch gemacht wird, unter den geänderten Umständen ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch zu realisieren. Mithin hatte der Kläger sich im März 1997 oder Mitte 1997 informieren wollen, ob er nach den Vorschriften des EStG (und nicht nach denen des bis Dezember 1995 geltenden BKGG a.F.) einen Kindergeldanspruch haben könnte.

Alles weitere in diesem Zusammenhang Vorgebrachte erscheint unglaubwürdig. Bereits die Behauptung des Rechtsanwaltes K., der im Jahre 1997 gestellte Kindergeldantrag sei wegen Aussichtslosigkeit nicht angenommen worden, kann nicht überzeugen, zumal feststeht, dass die Beklagte sich nicht geweigert hatte, Kindergeldanträge auszugeben und entgegenzunehmen. Weiterhin ist es unglaubhaft, dass die Beklagte die Auskunft gegeben hat, der Antrag sei wegen des Aufenthaltsstatus des Klägers aussichtslos. Er hat ja gerade wegen Anspruchs auf Kindergeld auf Grund der frisch erteilten Aufenthaltserlaubnis vorgesprochen, und hätte danach die persönlichen Voraussetzungen für Kindergeld gemäß § 62 Abs.1 Nr.1 und Abs.2 Satz 1 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung (ohne Rücksicht auf das deutsch-jugoslawische Abkommen) erfüllt. Mithin kann damals ein Kindergeldanspruch nur wegen der zu berücksichtigenden Kinder und der diesbezüglichen beizubringendem beweiskräftigen Unterlagen fraglich gewesen sein; insbesondere könnten die Kinder nicht im Haushalt des Klägers, sondern der sorgeberechtigten Mutter, aufgenommen gewesen sein, oder zeitweise im Haushalt eines Nichtberechtigten gelebt haben und der Kläger tatsächlich nicht Unterhalt gezahlt bzw. nicht die höhere Unterhaltsrente gezahlt haben (§ 64 EstG). Aufschlussreiche Belege hat der Kläger anlässlich der von der Beklagten ab dem Jahre 2002 veranlassten Ermittlungen nicht vorlegen können, und es steht fest, dass sich die Kinder ab 1996 zumindest zeitweise bei der Mutter und zumindest einige Jahre (drei Klassen Schulbesuch in Serbien laut Klageakte der geschiedenen Ehefrau) aufgehalten haben.

Die Angabe des Klägers vom 13.12.2004 gegenüber der Beklagten (handschriftlich verfasste, vom Kläger unterschriebene Mitteilung), er sei seit 1996 allein erziehend, ist augenfällig widerlegt durch das Urteil des Gemeindegerichts vom 04.03.1996, wonach der geschiedenen Ehefrau das Sorgerecht übertragen wurde und die Kinder in deren Obhut gegeben werden sollten (abgeändert wurde diese Entscheidung erst mit Urteil vom 08.05.2001); bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger trotz wiederholter Aufforderung der Beklagten und des Senats weder das Urteil noch eine Kopie vorlegen konnte oder wollte und auch Anfragen hierzu unbeantwortet ließ. Ein weiterer Widerspruch zur "Erziehung ab 1996" ergibt sich daraus, dass der Kläger bei einer psychologischen Begutachtung des Arbeitsamts W. vom 06.09.1999 angegeben hat, er habe seit der Scheidung von seiner serbischen Ehefrau 1996, die in der Nähe von W. wohne, seine Kinder nicht mehr gesehen (Bl.6 der Akte S 3 RJ 192/00 des Sozialgerichts Regensburg).

Auf Grund der geschilderten Umstände kann der Senat nicht auf wahrheitsentsprechende Angaben der Klagepartei, das heißt des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten, bauen. Dies gilt im Übrigen auch für die Aussage des Zeugen. Insoweit liegen in wesentlichen Punkten teils objektiv wahrheitswidrige und teils unglaubwürdige Aussagen in der jetzigen Berufung vor. Vorausgestellt werden muss, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, auch Prozessbevollmächtigter seines Bruders im Parallelverfahren L 14 KG 9/05 und seines Schwagers im Parallelverfahren L 14 KG 13/03, in der Begründung der Klagen und Berufungen stereotyp - ausdrücklich wie auch sinngemäß - stets zu verschiedenen Jahren ab 1993 vortrug, den bosnischen Flüchtlingen sei immer wieder von Bediensteten der Kindergeldkasse W. gesagt worden, für den Kindergeldanspruch bedürfe es einer Aufenthaltserlaubnis, und eine Duldung sei nicht ausreichend (Der darüber hinaus erweckte Eindruck, die Bediensteten hätten Kindergeldanträge nicht entgegengenommen, ist zwischenzeitlich widerlegt.). Pauschal vergröbernd wurden für eine Vielzahl von Fällen, die jedenfalls in den Berufungen L 14 KG 13/03, KG 10/05 und KG 9/05 nach Sachverhalt verschieden lagen, dieselben Umstände behauptet und immer wieder Bezug genommen auf den Fall, dass der Bruder des Prozessbevollmächtigten (richtig war aber: die damalige Ehefrau des Bruders) schon unter dem 19.07.1993 einen entsprechenden Ablehnungsbescheid erhalten habe. Die Behauptungen des Prozessbevollmächtigten, nach den Informationen der Kindergeldkasse sei eine Aufenthaltserlaubnis erforderlich gewesen, können aber nur auf eine damals unbekannte Rechtslage abzielen, wie sie auf Grund des ab 01.01.1994 geltenden § 1 Abs.3 BKGG, eingeführt erst mit dem 1.SKWPG vom 21.12.1993, und des in den Jahren 1996/97 geltenden § 62 Abs.2 EStG bestanden hat. Die behaupteten Auskünfte können im Jahre 1993, insbesondere im Juli 1993, nicht oder nicht so von Bediensteten der Beklagten (dem jetzigen Kläger und dem Bruder des Klägerbevollmächtigten) erteilt worden sein; denn nach § 1 Abs.3 BKGG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung war nur die Rede von einer Aufenthaltsgenehmigung und nicht von einer Aufenthaltserlaubnis, und eine Aufenthaltserlaubnis war zum Bezug des Kindergelds nicht erforderlich. Bei fehlender Aufenthaltsgenehmigung (das heißt Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis), also damit vor allem bei Duldungen und Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung eines Asylverfahrens, genügte die Prognose, dass der Betroffene nach §§ 51, 53 und 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könne; der Kindergeldbezug wurde dann lediglich um ein Jahr des gestatteten oder geduldeten Aufenthalts hinausgeschoben.

Einen entsprechenden Bescheid vom 19.07.1993 hat die ehemalige Ehefrau des Bruders (L 14 KG 9/05) auch erhalten. Hierin wurde bei einer Duldung davon ausgegangen, dass die Antragstellerin auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könne, und eine Kindergeldberechtigung nach dem Aufenthalt von einem Jahr angenommen, das allerdings noch nicht abgelaufen war. Deswegen und nicht wegen fehlender Aufenthaltserlaubnis erging der ablehnende Bescheid.

Ähnlich verhielt es sich beim Kläger in der jetzigen Berufung. Der Ablehnungsbescheid beruhe - die Beklagte hatte nur § 1 Nr.1 BKGG zitiert - nach dem Text ausschließlich oder im Wesentlichen auf § 1 Abs.3 BKGG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung, wobei die Prognose, auf unabsehbare Zeit nicht abgeschoben zu werden, beim Kläger verneint wurde, und nicht auf § 1 Abs.3 BKGG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung, bei der es auf diese Prognose nicht mehr ankam. Gleichwohl hat der Prozessbevollmächtigte in seiner ergänzenden Zeugenaussage vom 01.06.2006 behauptet, bei drei Vorsprachen im Jahre 1993 habe ein Bediensteter des Arbeitsamts als fehlenden Grund für eine Kindergeldberechtigung die fehlende Aufenthaltserlaubnis angegeben, was nach der im Jahre 1993 geltenden Rechtslage so nicht im Gesetz vorgesehen gewesen ist. Die Behauptung des gleichen Sachverhalts für das Jahr 1997 stimmt zwar in etwa mit der dann geltenden Rechtslage (§ 62 Abs.2 Satz 1 EStG: Besitz von Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis) überein, die Aussage des Zeugen kann aber dennoch nicht zutreffend sein, weil der Kläger damals gerade über eine Aufenthaltserlaubnis vom 05.03.1997 verfügte.

Im Übrigen - dies war nicht mehr ausschlaggebend, aber immerhin bemerkenswert - sind die Angaben des Zeugen auch nicht glaubhaft, soweit er hierdurch seinen Vortrag als Prozessbevollmächtigter nachträglich zu erklären und in einem besseren Lichte erscheinen lassen wollte. So war bei der Einvernahme am 08.05.2006 die Rede davon, dass er trotz Begleitung des Klägers als Dolmetscher bei drei Vorsprachen beim Arbeitsamt im Jahre 1993 nicht mitbekommen habe, dass der Kläger und seine Familienangehörigen nicht über Duldungen, sondern über Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung eines Asylverfahrens verfügten, und dies, obwohl drei Gespräche mit Bediensteten der Beklagten erfolgt sein mussten und beim dritten Mal auch der schriftliche Antrag mit den Aufenthaltsgestattungen vorgelegt wurde. Damit lässt sich die frühere (klägerische) Behauptung der vom Arbeitsamt gegebenen Information, Kindergeld stehe nicht zu, weil nur eine Duldung und nicht die Aufenthaltserlaubnis vorliege, nicht stützen.

Ebenso wenig überzeugend ist die Einlassung des Zeugen, er habe im Jahre 1997 nichts von der Aufenthaltserlaubnis vom 05.03.1997 gewusst und "wir", also er und der Kläger, hätten beim Arbeitsamt nichts über den seit 05.03.1997 geänderten Aufenthaltsstatus mit zweiter Ehe des Klägers vom 28.02.1997 verlauten lassen. Offensichtlicher Grund für eine Vorsprache des Klägers - zirka in der Zeit von März bis Mitte 1997 (und wiederholt zu einem späteren Zeitpunkt) - war ja gerade die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wie die Klagepartei auch zweimal, im Einspruchsverfahren und mit Klageschrift vom 05.08.2004 beim Finanzgericht N. , plausibel vorgetragen hatte. Bereits als plumper Täuschungsversuch zu werten war die Behauptung im Anschluss an die schriftliche Zeugenaussage zu den Vorgängen im Jahre 1993 und 1997, laut Mitteilung des Klägers habe im angegebenen Zeitraum, also auch 1997, keine Aufenthaltserlaubnis vorgelegen, sondern eine Aufenthaltsgestattung. Sowohl die Aufenthaltserlaubnis vom 05.03.1997 als auch das später noch erhaltene Wissen des Klägers hierum sind aktenkundig.

Die Frage, ob im Jahre 1997 ein schriftlicher oder (unwirksamer) mündlicher Kindergeldantrag des Klägers auf "aktuelles" Kindergeld nach den Vorschriften des EStG vorlag oder kein derartiger Antrag, weil der Kläger zunächst nur Informationen wünschte oder weil die Beklagte die Entgegennahme eines Antrags schuldhaft verhinderte, liegt selbstverständlich im Entscheidungsbereich des Finanzgerichts, das möglicherweise hierüber - der Ausgang des Verfahrens ist dem Senat unbekannt - schon entschieden hat. Was jedoch den Senat anbelangt, so ist dieser der Auffassung, dass keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn der notwendige Beweis dafür vorliegt, dass mit einem Antrag auf das "steuerrechtliche" Kindergeld oder mit Einholung einer Information wegen des steuerrechtlichen Kindergelds im Jahre 1997 ein schriftlicher oder mündlicher Antrag auf rückwirkende Gewährung des "sozialrechtlichen" Kindergelds von Juli 1993 bis Dezember 1995 gemäß § 44 SGB X bzw. die Einholung einer Information über die Berechtigung zum Kindergeldbezug von 1993 bis 1995 entgegen dem Ablehnungsbescheid vom 11.05.1994 verbunden war. Damit scheidet nicht nur ein Antrag aus, der noch - im Rahmen des § 44 Abs.4 SGB X - eine rückwirkende Bewilligung des Kindergelds bis ins Jahr 1993 ermöglicht hätte, wobei dies allerdings grundsätzlich im Ermessen der Beklagten gestanden hätte (vgl. § 44 Abs.1 SGB X i.V.m. § 20 Abs.5 BKGG a.F.), sondern insoweit auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

2.3. Mit dem zweiten schriftlichen Kindergeldantrag vom 23.10.2002 hat der Kläger lediglich - nach seiner Rückkehr aus Serbien und Aufnahme der Kinder in seinen Haushalt - das "steuerrechtliche" Kindergeld geltend gemacht. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts war mit diesem Antrag keine Prüfung des "sozialrechtlichen" Kindergelds von 1993 bis 1995 gemäß § 44 SGB X veranlasst.

Der dritte schriftliche Kindergeldantrag vom 19.09.2003 war zwar auf rückwirkende Bewilligung des Kindergelds von 1993 bis 1995 gerichtet; wegen der inzwischen verstrichenen Jahre musste aber eine Überprüfung unterbleiben und durfte nur ein ablehnender Verwaltungsakt der Beklagten ergehen (§ 44 Abs.4 SGB X).

2.4. In Bezug auf die Vorgänge in den Jahren 1993/94 kommt auch ein anspruchsbegründender sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen (eventueller) unrichtiger Information des Klägers nicht in Frage. Eine unrichtige Beratung des Klägers im Juni/Juli 1993 muss zweifelhaft bleiben. Zum einen stand der Kläger damals nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, so dass es nicht auf die Rechtslage nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen angekommen wäre. Zum anderen kann die Beklagte dem Kläger im Sommer 1993 nicht Auskünfte erteilt haben, wie sie erst nach der ab 01.01.1994 geltenden Rechtslage möglich waren. Teilweise unrichtig war dann jedenfalls der Bescheid vom 11.05.1994 (falls auch Asylbewerber in das deutsch-jugoslawische Abkommen einzubeziehen waren), wobei die Beklagte aber nichts über die erst nach Antragstellung vom Kläger aufgenommene Beschäftigung wusste.

Eine nähere Erörterung und Bewertung des Sachverhalts führt vorliegend nicht weiter, denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wurde zur Füllung einer Gesetzeslücke von der Rechtsprechung entwickelt und hat keinen Anwendungsbereich, wenn eine gesetzliche Regelung bereits vorliegt. Dies ist gerade bei der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte der Fall. Hier hat der Gesetzgeber dem Betroffenen zunächst das Recht eingeräumt, die im Sozialgerichtsgesetz vorgesehenen Rechtsbehelfe (Widerspruch, Klage, Berufung usw.) einzulegen. Ist ein derartiger Bescheid bestandskräftig geworden (vgl. § 77 SGG), besteht die Möglichkeit eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X (einhellige Rechtsprechung, vgl. für viele unter anderem BSG vom 28.01.1999 - B 14 EG 6/98 B in SozR 3-1300 § 44 Nr.25; BSG vom 23.07.1986 - 1 RA 31/85 in SozR 1300 § 44 Nr.23).

Der Anregung des Klägers, den damaligen Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, der die "Spargesetze" beschlossen haben soll, und Sachbearbeiter der Beklagten "einzuladen", womit der Kläger vermutlich die Einvernahme als Zeugen meinte, war nicht nachzukommen. Zum einen sollen Zeugen über (streitige und entscheidungserhebliche) tatsächliche Sachverhalte berichten und haben nicht, wie vom Kläger gewünscht, die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetze und Gesetzesänderungen zu erklären und die Gesetzesmotive darzulegen. Die Gesetze selbst sind dem Senat bekannt, ebenso die Rechtsprechung mit ihrer Entwicklung. Die damalige Rechtsauffassung der Beklagten, die im Übrigen der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zum Jahre 2000 entsprach, ergibt sich aus den von dieser vorgelegten Dienstanweisungen, die der Kläger in vielen Punkten falsch verstanden und fehlinterpretiert hat. Streitige und auch entscheidungserhebliche Tatsachen sind dem Senat nicht ersichtlich. Er ging davon aus, dass die Bediensteten der Beklagten entsprechend ihren Dienstanweisungen Auskünfte erteilt haben, und befindet sich damit im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, der zugleich mit der Anregung der Einvernahme vorgetragen hat, es sei sinnlos, die Mitarbeiter der Familienkasse einzuladen, weil diese nur Befohlenes ausgeführt hätten. Die nicht in der Sache weiter führende Einvernahme von Zeugen ergibt sich für den Senat allerdings daraus, dass die vom Kläger konkret behaupteten Auskünfte der Bediensteten in den Jahren 1993 und 1997 nicht mit dem Gesetz und den Dienstanweisungen der Beklagten übereinstimmen können und so gar nicht möglich gewesen sind, vielmehr auf offensichtlich unschlüssigen und wahrheitswidrigen Behauptungen beruhen. Vermutlich geht es dem Kläger um einen vom vorliegenden Prozess nicht gedeckten Zweck, Material für den von ihm in leichtfertiger Weise behaupteten "Sozialbetrug" durch die Beklagte und die angebliche Missachtung des Urteils des Bundessozialgerichts 2000 in drei von ihm verfolgten Berufungen zu erlangen, wobei er wohl verkennt, dass bereits von den zu beurteilenden Sachverhalten her jeder Fall gegenüber dem anderen anders gestaltet ist, und im Übrigen die Sozialgerichte für Verurteilungen der Beklagten wegen "Sozialbetrugs" (so anscheinend eine weitere Klage beim Sozialgericht Regensburg unter dem Aktenzeichen S 8 KG 4/06) nicht zuständig sind.

Sofern sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2000 und - unter Erwähnung des Falles des Herrn Z. - auf eine Gleichbehandlung nach dem Gesetz beruft (Art.3 des Grundgesetzes - GG -), geht dies am Kern der Sache vorbei. Die Sozialgerichte urteilen nicht wie im anglosächsischen Recht nach einem Fallrecht, sondern nach den allgemein-gültigen Gesetzen, und eine Gleichbehandlung im Unrecht - also falls die Sache des Herrn Z. mit rückwirkender Gewährung des Kindergelds ab 1993 unrichtig geregelt worden ist - kann ohnehin nach Art.3 GG nicht gefordert werden. Nur nebenbei weist der Senat darauf hin, dass den vom Kläger zitierten zwei Fällen ein wesentlich anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde lag. Dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2000 ging voraus, dass ein erstmaliger Kindergeldantrag vom April 1993 mit Bescheid vom Mai 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom Oktober 1993 abgelehnt worden war und hierauf rechtszeitig Klage, Berufung und Revision folgten. Im Falle des Herrn Z. wurde zwar ein im November 1993 gestellter Kindergeldantrag bestandskräftig abgelehnt, aber ein weiterer Antrag wurde bereits im April 1994 gestellt.

In der jetzigen Berufung hat der Kläger aber nach bestandskräftiger Ablehnung eines Antrags im Jahre 1994 einen Überprüfungsantrag erst im Jahre 2003 gestellt, und der behauptete 12- bis 13-jährige Kampf um das Kindergeld ist in Bezug auf den Kläger ebenso wenig nachvollziehbar wie die Ansicht, materiell-rechtliche Kindergeldvorschriften und materiell-rechtliches Verfahrensrecht (§§ 9 Abs.2, 17 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F., § 44 Abs.4 SGB X, § 45 SGB I) seien nicht zu beachten. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.04.2000 wurde im Übrigen nicht missachtet, sondern auch unter Zugrundelegung dieser Entscheidung besteht seitens des Klägers kein durchsetzbarer Rechtsanspruch.

Eine Diskriminierung von Ausländern kann nicht gesehen werden. Der Ausschluss oder die fehlende Durchsetzbarkeit jahrelang zurückliegender Kindergeldansprüche gilt gleichermaßen für Deutsche wie für Ausländer. Zu berücksichtigen ist ferner, dass unabhängig von der Staatsangehörigkeit jeder lange zurückliegende Fall, der neu aufgerollt und zu entscheiden ist, mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist, wenn alle ehemaligen Umstände, auch wenn sie aus damaliger Rechtsansicht unerheblich waren, nicht vollständig in der Kindergeldakte selbst dokumentiert sind und Ermittlungen des Gerichts auch deswegen erforderlich werden, weil der Kläger selbst - wie vorliegend geschehen - angeforderte Unterlagen nicht vorlegte und gestellte Fragen teilweise nicht beantwortete.

Dieses Urteil ist für den Kläger gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind ihm wegen seines Unterliegens nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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