Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 18/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 66/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 16/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. November 2004 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger seit 05.04.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist.
Der 1954 geborene Kläger ist Arzt. Er war bis November 1996 wegen des Bezugs von Leistungen des Arbeitsamts M. bei der AOK M. pflichtversichert. Er leidet an einer paranoiden Psychose. Seit 09.07.1999 steht er unter Betreuung. Die Betreuung umfasst die gesamte Sorge für die Gesundheit samt Zustimmung zu Untersuchungen, medikamentösen und sonstigen Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffen sowie die gesamte Vermögenssorge und die Geltendmachung und Verwaltung von Ansprüchen auf Altersversorgung, Sozialhilfe und Unterhalt. Sein Betreuer hat, nachdem er Rentenantrag gestellt hatte, mit Schreiben vom 07.02.2000 vorsorglich fristwahrend den Beitritt des Klägers in eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten angezeigt.
Das Amt für Versorgung und Familienförderung M. stellte auf Antrag des Betreuers beim Kläger am 05.04.2000 einen Grad der Behinderung von 60 fest. Die Mutter des Klägers teilte auf Anfrage der Beklagten mit, sie sei privat krankenversichert. Der Vater des Klägers sei bereits vor 17 Jahren verstorben. Die AOK Hessen bestätigte der Beklagten auf deren Anfrage Mitgliedszeiten des Klägers von 1990 bis 1996. Die LVA Oberbayern gewährte mit Bescheid vom 04.05.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.07.1999. Die AOK Hessen stellte am 01.03.2000 fest, dass wegen fehlender Vorversicherungszeiten keine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner besteht.
Die Beklagte lehnte nach Anhörung des Betreuers des Klägers die freiwillige Versicherung mit Bescheid vom 13.10.2000 mit der Begründung ab, der Kläger habe nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 04.11.1996 die Möglichkeit gehabt, sich freiwillig zu versichern, er habe diese jedoch nicht genutzt. Damit sei die Vorversicherungszeit von drei Jahren nach § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V zu erfüllen. Die geforderte Vorversicherungszeit von drei Jahren sei nicht erfüllt, beim Kläger lägen lediglich 632 Tage Vorversicherungszeit vor. Der Bevollmächtigte des Klägers legte hiergegen mit Schreiben vom 25.10.2000 Widerspruch ein und wies darauf hin, der Kläger sei wegen der Schwere und Besonderheit der Behinderung nicht in der Lage gewesen, die Vorversicherungszeit zu erfüllen. Dies ergebe sich aus Gutachten des Bezirkskrankenhauses T ...
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2000 zurückgewiesen. Die erforderliche Vorversicherungszeit für die freiwillige Versicherung sei nicht erfüllt. Der Kläger sei ihrer Auffassung nach durchaus in der Lage gewesen, die geforderte Vorversicherungszeit von drei Jahren zu erfüllen. Aus der Tatsache der zahlreichen Streitigkeiten vor Sozial- und Landessozialgerichten ergebe sich, dass die Behinderung nicht zu schwer war, um die Vorversicherungszeit zu erfüllen.
Hiergegen richtete sich die Klage zum Sozialgericht München, zu deren Begründung die Bevollmächtigte des Klägers vortrug, entgegen der Ansicht der Beklagten habe es sich bei den jahrelangen Rechtsstreitigkeiten nicht um einen Ausdruck der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden intellektuellen Fähigkeiten des Klägers gehandelt, sondern um einen Ausdruck seiner Krankheit und des Krankheitsbilds und infolgedessen gerade um das Unvermögen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Sie legte hierzu ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.K. vom 27.02.2004 vor, das zur Notwendigkeit der Betreuung Stellung nimmt. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Bezirkskrankenhauses T. des Bezirks Oberbayern über stationäre Aufenthalte des Klägers vom 09.08. bis 14.09.2001 und vom 12.07. bis 23.08.1999 beigezogen. Es hat dann Beweis erhoben durch Beauftragung der Psychiaterin Dr.K. zur Begutachtung nach Aktenlage. Die Gutachterin kam im Gutachten vom 21.06.2004 zu dem Ergebnis, der Kläger habe auch in der Zeit vom 09.02.1995 bis 08.02.2000 an chronisch schizophren-paranoider Psychose mit ausgeprägten formalen und inhaltlichen Denkstörungen, schweren krankheitsbedingten Verhaltensstörungen mit schwerer Kontaktstörung, mangelndem Realitätsbezug und fehlender Krankheitseinsicht gelitten. Er sei auf Grund der Schwere seiner Erkrankung außer Stande gewesen, irgendeine Form von Tätigkeiten oder Beschäftigungen auszuführen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.11.2002 die Beklagte verurteilt, den Kläger ab 05.04.2000 als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Die Voraussetzungen des § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V seien erfüllt. Auf Grund des Gutachtens stehe fest, dass der Kläger wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage war, in der Zeit vom 09.02.1995 bis 08.02.2000 einer versicherungspflichtigen Tätigkeit auch nur in geringem Umfang nachzugehen. Als Schwerbehinderter im Sinne des SGB XI habe er daher ein Beitrittsrecht zur Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied gehabt. Er hätte zwar auch die Möglichkeit gehabt, der Versicherung gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V beizutreten, da er auf Grund des Bezugs von Leistungen in der Arbeitsverwaltung als Mitglied aus der Versicherungspflicht ausgeschieden ist. Die Kammer gehe jedoch davon aus, dass auch von dieser Möglichkeit behinderungsbedingt nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht werden konnte. Der Beitritt sei fristgerecht angezeigt worden. Für eine frühere Feststellung der Behinderung gebe es keine Anhaltspunkte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie damit begründet, das Sozialgericht habe zu Unrecht die freiwillige Krankenversicherung ab 05.04.2000 festgestellt, obwohl die geforderte Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Maßgebender Grund für die Nichterfüllung der Vorversicherung sei nicht die Behinderung des Klägers, sondern die Tatsache, dass innerhalb der Rahmenfrist die freiwillige Weiterversicherungsmöglichkeit nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht nicht genutzt wurde. Es sei dem Sozialgericht in seinen Ausführungen dahingehend zuzustimmen, dass der Kläger selbst von dieser Möglichkeit behinderungsbedingt nicht rechtzeitig Gebrauch machen konnte. Der Kläger sei wegen seiner seelischen Krankheit mindestens seit dem 15.12.1996 geschäftsunfähig, auch wenn er erst seit 09.07.1999 unter Betreuung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne der Betreuer dann die Beitrittserklärung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Betreuung nachholen. Dies sei in der Frist vom 10.07.1999 bis 09.10.1999 nicht geschehen. Der Betreuer habe auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.11.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Seine Bevollmächtigte ist der Auffassung, die Beitrittsmöglichkeiten des § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V und Abs.1 Nr.4 SGB V stünden dem Wortlaut des Gesetzes nach gleichwertig nebeneinander. Ein Rangverhältnis in der Gestalt, dass § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht greifen soll, wenn die theoretische Möglichkeit eines Beitritts nach § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V bestanden haben solle, lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist nicht gemäß § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V ab 05.04.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten, weil nicht seine Behinderung kausal war für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit. Gemäß § 9 Abs.1 Nr.4 können schwerbehinderte Menschen im Sinne des SGB IX der Versicherung beitreten, wenn sie, ein Elternteil, Ehegatte oder Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzung nicht erfüllen. Der Kläger hat die Vorversicherungzeit deshalb nicht erfüllt, weil sein Bevollmächtigter die Beitrittsfrist des § 9 Abs.2 Nr.1 SGB V versäumt hat. Der Kläger hätte bereits gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V der Versicherung beitreten können. Danach können Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren, der Versicherung beitreten. Laut Mitteilung der Geschäftsstelle Mainz-Kastel der AOK Hessen war der Kläger ununterbrochen vom 13.06.1995 bis 04.11.1996 pflichtversichert. Da er also unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert war, hätte er die Möglichkeit gehabt, der freiwilligen Versicherung gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V beizutreten. Da die Beteiligten, wie in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll bestätigt, übereinstimmend davon ausgehen, dass beim Kläger Geschäftsunfähigkeit bereits seit 1996 vorlag, konnte der Kläger wegen seiner Behinderung 1996 von der Möglichkeit des Beitritts nicht Gebrauch machen. Die Beklagte führt zutreffend aus, dass das Bundessozialgericht, um Benachteiligung von Geschäftsunfähigen zu vermeiden, entschieden hat, dass die Antragsfrist erst mit der Bestellung eines Betreuers beginnt. Da der Betreuer am 09.07.1999 bestellt wurde, begann die Frist also am 10.07.1999 und endete am 09.10.1999. Der mit Schreiben vom 07.02.2000 vorsorglich fristwahrende erklärte Beitritt erfolgte damit verspätet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 14.05.2002, SozR 3-2500 § 9 Nr.4) kommt grundsätzlich auch für die materiell-rechtliche Frist des § 9 Abs.2 SGB V eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X in Betracht. Aus § 9 SGB V ergibt sich nicht, dass die Wiedereinsetzung im Sinne des § 27 Abs.5 SGB X ausgeschlossen ist. Gemäß § 27 Abs.1 Satz 1 ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Betreuer des Klägers hat die Frist nicht ohne Verschulden nicht eingehalten. Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten, wonach die alleinige Unkenntnis über das Bestehen einer ablaufenden Frist kein Grund für eine Wiedereinsetzung ist. Auch die von der Bevollmächtigten des Klägers im Schreiben vom 17.08.2005 an das Landessozialgericht vorgetragenen Schwierigkeiten bei der Betreuung eines nicht kooperativen Geschäftsunfähigen sind zumindest für Berufsbetreuer kein Grund, Fristversäumnisse zu entschuldigen. Damit ist Ursache für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit des § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V nicht die Behinderung des Klägers, sondern die Tatsache, dass von einem in der Rahmenfrist bestehenden Recht auf freiwillige Weiterversicherung kein Gebrauch gemacht wurde. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 10.09.1987 (USK 71109) ausgeführt, dass nur eine vor Beginn einer Rahmenfrist gegeben gewesene Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung, die nicht genutzt wurde, nicht kausal für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit ist. Wenn für die Erfüllung der Vorversicherungszeit allein die Rahmenfrist maßgebend ist, dann liegt es nahe, dass auch nur für diese Frist zu prüfen ist, ob die Behinderung eine Versicherung nicht zulässt (BSG a.a.O.). Im Fall des Klägers lag die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung in der Rahmenfrist.
Das Urteil des Sozialgerichts ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger seit 05.04.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist.
Der 1954 geborene Kläger ist Arzt. Er war bis November 1996 wegen des Bezugs von Leistungen des Arbeitsamts M. bei der AOK M. pflichtversichert. Er leidet an einer paranoiden Psychose. Seit 09.07.1999 steht er unter Betreuung. Die Betreuung umfasst die gesamte Sorge für die Gesundheit samt Zustimmung zu Untersuchungen, medikamentösen und sonstigen Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffen sowie die gesamte Vermögenssorge und die Geltendmachung und Verwaltung von Ansprüchen auf Altersversorgung, Sozialhilfe und Unterhalt. Sein Betreuer hat, nachdem er Rentenantrag gestellt hatte, mit Schreiben vom 07.02.2000 vorsorglich fristwahrend den Beitritt des Klägers in eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten angezeigt.
Das Amt für Versorgung und Familienförderung M. stellte auf Antrag des Betreuers beim Kläger am 05.04.2000 einen Grad der Behinderung von 60 fest. Die Mutter des Klägers teilte auf Anfrage der Beklagten mit, sie sei privat krankenversichert. Der Vater des Klägers sei bereits vor 17 Jahren verstorben. Die AOK Hessen bestätigte der Beklagten auf deren Anfrage Mitgliedszeiten des Klägers von 1990 bis 1996. Die LVA Oberbayern gewährte mit Bescheid vom 04.05.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.07.1999. Die AOK Hessen stellte am 01.03.2000 fest, dass wegen fehlender Vorversicherungszeiten keine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner besteht.
Die Beklagte lehnte nach Anhörung des Betreuers des Klägers die freiwillige Versicherung mit Bescheid vom 13.10.2000 mit der Begründung ab, der Kläger habe nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 04.11.1996 die Möglichkeit gehabt, sich freiwillig zu versichern, er habe diese jedoch nicht genutzt. Damit sei die Vorversicherungszeit von drei Jahren nach § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V zu erfüllen. Die geforderte Vorversicherungszeit von drei Jahren sei nicht erfüllt, beim Kläger lägen lediglich 632 Tage Vorversicherungszeit vor. Der Bevollmächtigte des Klägers legte hiergegen mit Schreiben vom 25.10.2000 Widerspruch ein und wies darauf hin, der Kläger sei wegen der Schwere und Besonderheit der Behinderung nicht in der Lage gewesen, die Vorversicherungszeit zu erfüllen. Dies ergebe sich aus Gutachten des Bezirkskrankenhauses T ...
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2000 zurückgewiesen. Die erforderliche Vorversicherungszeit für die freiwillige Versicherung sei nicht erfüllt. Der Kläger sei ihrer Auffassung nach durchaus in der Lage gewesen, die geforderte Vorversicherungszeit von drei Jahren zu erfüllen. Aus der Tatsache der zahlreichen Streitigkeiten vor Sozial- und Landessozialgerichten ergebe sich, dass die Behinderung nicht zu schwer war, um die Vorversicherungszeit zu erfüllen.
Hiergegen richtete sich die Klage zum Sozialgericht München, zu deren Begründung die Bevollmächtigte des Klägers vortrug, entgegen der Ansicht der Beklagten habe es sich bei den jahrelangen Rechtsstreitigkeiten nicht um einen Ausdruck der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden intellektuellen Fähigkeiten des Klägers gehandelt, sondern um einen Ausdruck seiner Krankheit und des Krankheitsbilds und infolgedessen gerade um das Unvermögen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Sie legte hierzu ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr.K. vom 27.02.2004 vor, das zur Notwendigkeit der Betreuung Stellung nimmt. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Bezirkskrankenhauses T. des Bezirks Oberbayern über stationäre Aufenthalte des Klägers vom 09.08. bis 14.09.2001 und vom 12.07. bis 23.08.1999 beigezogen. Es hat dann Beweis erhoben durch Beauftragung der Psychiaterin Dr.K. zur Begutachtung nach Aktenlage. Die Gutachterin kam im Gutachten vom 21.06.2004 zu dem Ergebnis, der Kläger habe auch in der Zeit vom 09.02.1995 bis 08.02.2000 an chronisch schizophren-paranoider Psychose mit ausgeprägten formalen und inhaltlichen Denkstörungen, schweren krankheitsbedingten Verhaltensstörungen mit schwerer Kontaktstörung, mangelndem Realitätsbezug und fehlender Krankheitseinsicht gelitten. Er sei auf Grund der Schwere seiner Erkrankung außer Stande gewesen, irgendeine Form von Tätigkeiten oder Beschäftigungen auszuführen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.11.2002 die Beklagte verurteilt, den Kläger ab 05.04.2000 als freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Die Voraussetzungen des § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V seien erfüllt. Auf Grund des Gutachtens stehe fest, dass der Kläger wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage war, in der Zeit vom 09.02.1995 bis 08.02.2000 einer versicherungspflichtigen Tätigkeit auch nur in geringem Umfang nachzugehen. Als Schwerbehinderter im Sinne des SGB XI habe er daher ein Beitrittsrecht zur Krankenversicherung als freiwilliges Mitglied gehabt. Er hätte zwar auch die Möglichkeit gehabt, der Versicherung gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V beizutreten, da er auf Grund des Bezugs von Leistungen in der Arbeitsverwaltung als Mitglied aus der Versicherungspflicht ausgeschieden ist. Die Kammer gehe jedoch davon aus, dass auch von dieser Möglichkeit behinderungsbedingt nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht werden konnte. Der Beitritt sei fristgerecht angezeigt worden. Für eine frühere Feststellung der Behinderung gebe es keine Anhaltspunkte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie damit begründet, das Sozialgericht habe zu Unrecht die freiwillige Krankenversicherung ab 05.04.2000 festgestellt, obwohl die geforderte Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Maßgebender Grund für die Nichterfüllung der Vorversicherung sei nicht die Behinderung des Klägers, sondern die Tatsache, dass innerhalb der Rahmenfrist die freiwillige Weiterversicherungsmöglichkeit nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht nicht genutzt wurde. Es sei dem Sozialgericht in seinen Ausführungen dahingehend zuzustimmen, dass der Kläger selbst von dieser Möglichkeit behinderungsbedingt nicht rechtzeitig Gebrauch machen konnte. Der Kläger sei wegen seiner seelischen Krankheit mindestens seit dem 15.12.1996 geschäftsunfähig, auch wenn er erst seit 09.07.1999 unter Betreuung stehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne der Betreuer dann die Beitrittserklärung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Betreuung nachholen. Dies sei in der Frist vom 10.07.1999 bis 09.10.1999 nicht geschehen. Der Betreuer habe auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.11.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Seine Bevollmächtigte ist der Auffassung, die Beitrittsmöglichkeiten des § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V und Abs.1 Nr.4 SGB V stünden dem Wortlaut des Gesetzes nach gleichwertig nebeneinander. Ein Rangverhältnis in der Gestalt, dass § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V auch bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht greifen soll, wenn die theoretische Möglichkeit eines Beitritts nach § 9 Abs.1 Nr.1 SGB V bestanden haben solle, lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist nicht gemäß § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V ab 05.04.2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten, weil nicht seine Behinderung kausal war für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit. Gemäß § 9 Abs.1 Nr.4 können schwerbehinderte Menschen im Sinne des SGB IX der Versicherung beitreten, wenn sie, ein Elternteil, Ehegatte oder Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzung nicht erfüllen. Der Kläger hat die Vorversicherungzeit deshalb nicht erfüllt, weil sein Bevollmächtigter die Beitrittsfrist des § 9 Abs.2 Nr.1 SGB V versäumt hat. Der Kläger hätte bereits gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V der Versicherung beitreten können. Danach können Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren, der Versicherung beitreten. Laut Mitteilung der Geschäftsstelle Mainz-Kastel der AOK Hessen war der Kläger ununterbrochen vom 13.06.1995 bis 04.11.1996 pflichtversichert. Da er also unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert war, hätte er die Möglichkeit gehabt, der freiwilligen Versicherung gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB V beizutreten. Da die Beteiligten, wie in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll bestätigt, übereinstimmend davon ausgehen, dass beim Kläger Geschäftsunfähigkeit bereits seit 1996 vorlag, konnte der Kläger wegen seiner Behinderung 1996 von der Möglichkeit des Beitritts nicht Gebrauch machen. Die Beklagte führt zutreffend aus, dass das Bundessozialgericht, um Benachteiligung von Geschäftsunfähigen zu vermeiden, entschieden hat, dass die Antragsfrist erst mit der Bestellung eines Betreuers beginnt. Da der Betreuer am 09.07.1999 bestellt wurde, begann die Frist also am 10.07.1999 und endete am 09.10.1999. Der mit Schreiben vom 07.02.2000 vorsorglich fristwahrende erklärte Beitritt erfolgte damit verspätet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 14.05.2002, SozR 3-2500 § 9 Nr.4) kommt grundsätzlich auch für die materiell-rechtliche Frist des § 9 Abs.2 SGB V eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X in Betracht. Aus § 9 SGB V ergibt sich nicht, dass die Wiedereinsetzung im Sinne des § 27 Abs.5 SGB X ausgeschlossen ist. Gemäß § 27 Abs.1 Satz 1 ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Betreuer des Klägers hat die Frist nicht ohne Verschulden nicht eingehalten. Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten, wonach die alleinige Unkenntnis über das Bestehen einer ablaufenden Frist kein Grund für eine Wiedereinsetzung ist. Auch die von der Bevollmächtigten des Klägers im Schreiben vom 17.08.2005 an das Landessozialgericht vorgetragenen Schwierigkeiten bei der Betreuung eines nicht kooperativen Geschäftsunfähigen sind zumindest für Berufsbetreuer kein Grund, Fristversäumnisse zu entschuldigen. Damit ist Ursache für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit des § 9 Abs.1 Nr.4 SGB V nicht die Behinderung des Klägers, sondern die Tatsache, dass von einem in der Rahmenfrist bestehenden Recht auf freiwillige Weiterversicherung kein Gebrauch gemacht wurde. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 10.09.1987 (USK 71109) ausgeführt, dass nur eine vor Beginn einer Rahmenfrist gegeben gewesene Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung, die nicht genutzt wurde, nicht kausal für die Nichterfüllung der Vorversicherungszeit ist. Wenn für die Erfüllung der Vorversicherungszeit allein die Rahmenfrist maßgebend ist, dann liegt es nahe, dass auch nur für diese Frist zu prüfen ist, ob die Behinderung eine Versicherung nicht zulässt (BSG a.a.O.). Im Fall des Klägers lag die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung in der Rahmenfrist.
Das Urteil des Sozialgerichts ist deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved