L 18 SB 57/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 SB 297/02 WA
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 57/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a SB 1/06 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 01.04.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "H".

Bei dem 1941 geborenen Kläger hatte der Beklagte mit Bescheid vom 05.11.1984 als Behinderung mit einem GdB von 20 festgestellt: Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers. Auf den Neufeststellungantrag vom 29.12.1994 stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 19.05.1995 für die Behinderungen 1. Schizotype Störung mit psychovegetativem Syndrom (Einzel-GdB von 40), 2. Wirbelsäulen-Syndrom nach Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (Einzel-GdB von 20) ab Antragstellung einen Gesamt-GdB von 50 fest. Die beantragte Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" lehnte er ab. Im Widerspruchsverfahren - der Kläger hatte mit Widerspruch vom 06.06.1995 die rückwirkende Feststellung des GdB für die Zeit von 1965 bis 30.11.1984 in Höhe von 50 und für die Zeit ab 01.12.1984 in Höhe von 100 geltend gemacht - nahm der Beklagte mit Bescheid vom 14.03.1997 den Bescheid vom 19.05.1995 für die Zukunft insoweit zurück, als ein Gesamt-GdB von über 30 festgestellt worden war. Die Behinderungsleiden bezeichnete er wie folgt: 1. Somatisation, episodische Verstimmungszustände bei einem psychovegetativen Syndrom (Einzel-GdB von 20), 2. Wirbelsäulen-Syndrom nach Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (Einzel-GdB von 20). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.09.1997).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger daran festgehalten, dass die bei ihm vorliegenden Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 100 ab dem Jahr 1984 zu bewerten seien.

Das SG hat Befundberichte und Unterlagen der behandelnden Ärzte beigezogen und die Internistin Dr.B. mit Gutachten vom 11.10.1999 gehört. Dr.B. hat ausgeführt, dass die beim Kläger vorliegenden Behinderungen 1. Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule nach Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers und deutliche degenerative Veränderungen mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen (Einzel-GdB von 30) und 2. Neurotische Fehlhaltung mit Somatisierung und hypochondrischen Zügen (Einzel-GdB von 30) mit einem Gesamt-GdB von 50 zu bewerten seien. Auf Antrag des Klägers hat das SG ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr.B. vom 07.01.2000 eingeholt. Dieser kam zum Schluss, dass das Behinderungsleiden zu Ziff. 2 abweichend zu bezeichnen sei (schizotype Störung, eher zunehmend, mit erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten und Querulanz - Einzel-GdB von 50). Der Gesamt-GdB betrage 50. Das hierauf von dem Beklagten abgegebene Vergleichsangebot vom 22.05.2000, ab Antragstellung einen GdB von 50 festzustellen, hat der Kläger nicht angenomen.

Das SG hat auf Grund der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 07.09.2000, dass sein gesamtes Vorbringen seit Klageerhebung als Antrag gegen die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft als Folge des am 02.03.1964 (richtig: 03.02.1964) erlittenen Arbeitsunfalls gewertet werden solle, die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Auf Antrag des Klägers vom 26.02.2001 hat es den Rechtsstreit fortgeführt und Beweis erhoben durch Einholung weiterer ärztlicher Befundberichte sowie eines Sachverständigengutachtens von dem Neurologen und Psychiater Dr.F. vom 15.01.2004. Dieser stellte als Behinderungsleiden eine 1. Kombinierte Persönlichkeitsstörung (Einzel-GdB von 30) und 2. Minderbelastbarkeit und Funktionsminderung der Wirbelsäule ohne neurologische Ausfälle (Einzel-GdB von 30) mit einem Gesamt-GdB ab Antragstellung am 29.12.1994 von 50 fest. Dr.F. verneinte das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "H".

Den Antrag vom 26.02.2001 hat der Beklagte als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gesehen und mit Bescheid vom 17.04.2001 den Bescheid vom 14.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1997 in vollem Umfang zurückgenommen. Die beim Kläger bestehenden Behinderungen 1. Seelische Störung (Einzel-GdB von 30) und 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers mit starker Höhenminderung, degenerative Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB von 30) seien ab 29.12.1994 mit einem Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für Merkzeichen seien nicht erfüllt.

Das SG hat mit Urteil vom 01.04.2004 die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die eingeholten Sachverständigengutachten gestützt und ausgeführt, dass die Behinderungsleiden des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 50 ab Antragstellung am 29.12.1994 zutreffend bewertet und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "G" und "H" nicht gegeben seien. Gegenüber dem Bescheid vom 05.11.1984 sei das Wirbelsäulenleiden des Klägers auf Grund des Zustands nach einem unfallbedingten Wirbelkörperbruch mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Beim Kläger bestehe daneben eine stärker belastende seelische Störung, die angesichts der im Alltag noch vorhandenen Lebensbewältigung mit einem Einzel-GdB von 30 angemessen bewertet sei. Von einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit auf Grund der Behinderung oder von einem Angewiesensein des Klägers auf fremde Hilfe sei nicht auszugehen, so dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "H" nicht erfüllt seien. Der Kläger könne eine rückwirkende Feststellung des GdB für die Zeit vor der Antragstellung nicht verlangen. Der Beklagte habe das für eine rückwirkende Feststellung nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X eingeräumte Ermessen zutreffend ausgeübt. Das vom Kläger vorgebrachte Anliegen, eine weitere Entschädigung seines am 03.02.1964 erlittenen Arbeitsunfalls zu erreichen, könne ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer rückwirkenden Feststellung nicht rechtfertigen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG).

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 01.04.2004 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.04.2001 zu verurteilen, die bei ihm vorliegenden Behinderungen ab dem Jahr 1984 mit einem Gesamt-GdB von 100 zu bewerten und bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G" und "H" anzuerkennen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag auf Feststellung für die Zeit ab 1984 nach seinem Ermessen neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriflichen Verfahren und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten, des SG (S 9 SG 579/01, des BayLSG (L 18 SG 27/01) und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17.04.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat.

Die Entscheidung konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung ergehen (§§ 155 Abs 3 und 4, 124 Abs 2 SGG).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der im Klageverfahren ergangene Bescheid des Beklagten vom 17.04.2001, der gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Der Beklagte hat mit diesem Bescheid den Bescheid vom 14.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1997 zurückgenomen und diesen in der Sache ersetzt, so dass sich dieser Bescheid gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt hat (vgl Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.07.2005 - B 13 RJ 37/04 R zur Einbeziehung eines während eines anhängigen Gerichtsverfahrens ergangenen Bescheides nach § 44 SGB X). Den Bescheid vom 19.05.1995 hat der Beklagte bereits durch den Bescheid vom 14.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1997 aufgehoben.

Dass der Beklagte den Bescheid vom 17.04.2001 nicht formal als Änderungsbescheid nach § 48 SGB X auf den Antrag des Klägers vom 29.12.1994 bezeichnet hat, ist nicht entscheidungserheblich. Aus dem Bescheid wird hinreichend deutlich, dass dieser Bescheid in vollem Umfang an die Stelle des Bescheides vom 19.05.1995 bzw. des Bescheides vom 14.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1997 treten sollte.

Das SG hat zu Recht festgestellt, dass seit Erlass des Bescheides vom 05.11.1984 eine Verschlimmerung der gesundheitlichen Verhältnisse eingetreten ist und die beim Kläger bestehenden Behinderungen ab Antragstellung am 29.12.1994 mit einem Gesamt-GdB von 50 zu bewerten sind sowie die streitigen Nachteilsausgleiche dem Kläger nicht zustehen. Das SG hat ebenfalls zutreffend eine Rückwirkung der Feststellung für die Zeit vor der Antragstellung abgelehnt. Das Vorbringen des Klägers, die rückwirkende Feststellung diene der Verfolgung von Ansprüchen gegen die Land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Franken und Oberbayern auf weitere Entschädigung der Folgen des am 03.02.1964 erlittenen Arbeitsunfalls, reicht nicht aus, um ein berechtigtes Interesse an einer rückwirkenden Aufhebung nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X zu begründen. Insofern wird umfassend auf die Gründe der Entscheidung des SG Bezug genommen, so dass von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann (§ 153 Abs 2 SGG).

Nicht zu entscheiden war über den im Klageverfahren gestellten Antrag des Klägers vom 22.11.1997, die Bayern-Versicherung zur Zahlung einer Karenzentschädigung und Zinsen zu verurteilen. Hierfür ist der Sozialrechtsweg nicht eröffnet, sondern unmittelbar der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu beschreiten. Dies gilt auch für die vom Kläger erhobenen "Beschwerden und Gegenvorstellungen" gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Würzburg und des Landesarbeitsgerichts Nürnberg.

Nach alledem ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden und daher die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved