L 4 KR 2829/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3543/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2829/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für eine in der Privatklinik Gesellschaft für Ästhetische Behandlungsmaßnahmen mbH in L. am B. (im Folgenden: Privatklinik) durchgeführten Fettabsaugung streitig.

Der am 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit 01. Juli 2002 krankenversichert. Im Juli 2003 beantragte er die Übernahme der Kosten für eine operative Entfernung der bei ihm bestehenden "Männerbrust", die Folge einer Hormonstörung sei, welche von dem Facharzt für Urologie Dr. J. behandelt werde. Durch die eingeleitete Hormonersatztherapie sei die Männerbrust ebenso wenig behebbar wie durch Sport; diese könne nur operativ beseitigt werden. Er habe deshalb bereits Kontakt mit dem Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie/Unfallchirurgie, Phlebologie und Leitenden Arzt der Privatklinik Dr. K. aufgenommen, auf den er durch eine Internetrecherche und durch private Empfehlungen gestoßen sei. Er legte dessen Schreiben vom 22. Juli 2003 vor, wonach die klinische Untersuchung sowie die Duplexsonographie ergeben habe, dass es sich eher um eine Lipohypertrophie, weniger um eine Gynäkomastie handle, weshalb die Liposuktion das Mittel der Wahl sei. Für diesen Eingriff würden in der Privatklinik EUR 3.500 an Kosten berechnet. Die Beklagte veranlasste die Stellungnahme des Dr. S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in T. vom 08. August 2003, der die Kostenübernahme nicht befürwortete. Sofern es sich um eine echte Gynäkomastie handle, könne zwar eine medizinische Indikation zur Operation anerkannt werden, doch müsse diese in einem Vertragskrankenhaus vorgenommen werden. Liege demgegenüber lediglich eine lokalisierte Fettgewebsansammlung vor, wovon nach den vorgelegten Attesten ausgegangen werden könne, liege eine rein kosmetische Indikation vor. Mit Bescheid vom 15. August 2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, eine medizinische Notwendigkeit für die begehrte Operation bestehe nicht, im Vordergrund stünden vielmehr kosmetische Gründe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Brustvergrößerung stehe nach den Angaben des Urologen im Zusammenhang mit einer Testosteronstörung. Zur Behandlung von Hormonstörungen und deren Folgen sei die Krankenkasse jedoch verpflichtet. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2003 nochmals ihre Auffassung dargelegt hatte, legte der Kläger zum Beleg seiner Ansicht das ärztliche Attest des Dr. J. vom 26. August 2003 vor. Die Beklagte, die nunmehr eine persönliche Untersuchung des Klägers für erforderlich hielt, wandte sich deshalb mit Schreiben vom 09. September 2003 nochmals an den MDK und unterrichtete den Kläger hiervon mit Schreiben vom selben Tag. Dieser wies unter dem Datum vom 12. September 2003 darauf hin, dass er am 18. September 2003 seinen Operationstermin habe und die Untersuchung durch den MDK sinnvoller Weise davor erfolgen solle. Am 18. September 2003 wurde die in Rede stehende Operation in der Privatklinik durchgeführt; eine Untersuchung durch den MDK war zuvor nicht mehr erfolgt. Mit Schreiben vom 22. September 2003 legte der Kläger der Beklagten mit der Bitte um Kostenerstattung die Rechnung der Privatklinik vom 18. September 2003 über EUR 3.500,00 vor, die er am 18. September 2003 bar bezahlt hatte. Die Rechnung wies als Diagnose "Gynäkomastie" und als durchgeführte Behandlung "Fettabsaugung bei lokalisierten Fettdepots" aus. In dem durch Dr. W. vom MDK in H. unter dem 25. September 2003 erstellten weiteren Gutachten wurde die Kostenübernahme erneut nicht befürwortet, da ein behandlungsbedürftiger regelwidriger Körperzustand nicht vorliege; der Sonographiebefund des Dr. K. belege das Vorliegen einer Lipohypertrophie. Der Kläger sei durch sein äußeres Erscheinungsbild psychisch belastet; derartige Probleme seien mit den Mitteln psychosomatischer Therapieansätze zu behandeln. Mit Bescheid vom 09. Oktober 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin erneut ab, worauf der Kläger wiederum Widerspruch einlegte und geltend machte, es liege eine echte Gynäkomastie vor und damit eine medizinische Indikation für die durchgeführte Behandlung. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten eingesetzten Widerspruchsausschusses vom 21. November 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 27. November 2003 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen Klage, mit der er geltend machte, er habe an einer hormonell bedingten Gynäkomastie gelitten, die nur operativ habe gebessert werden können. Dem Gutachten des MDK, wonach kein Krankheitszustand vorgelegen habe und lediglich eine kosmetische Operation durchgeführt worden sei, könne nicht gefolgt werden. Durch die Brustvergrößerung sei er eindeutig auch psychisch beeinträchtigt gewesen. Auch zur Beseitigung dieses Zustands sei die Operation notwendig gewesen. Es habe eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen; ein langwieriges Verfahren zur Anerkennung des Leistungsanspruchs habe er nicht abwarten können. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten mit dem Hinweis entgegen, eine unaufschiebbare Leistung, die eine sofortige Operation in einer nicht zugelassenen Privatklinik hätte rechtfertigen können, habe nicht vorgelegen. Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2005 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe sich ohne Notwendigkeit zur Durchführung des operativen Eingriffs in privatärztliche Behandlung begeben und die Operation in einer Privatklinik durchführen lassen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 07. Juli 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Dagegen richtet sich die am 11. Juli 2005 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das SG sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, nachdem es die Ursache der Erkrankung medizinisch nicht abgeklärt habe. Er habe die Operation zwar unstreitig in einer Privatklinik durchführen lassen, dies jedoch deshalb, weil die Beklagte den Eingriff nicht bewilligt habe. Im Sinne des § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) habe es sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt, da er an seiner Situation gelitten, massive psychische Probleme gehabt und die Fettabsaugung deshalb so bald wie möglich habe durchführen lassen müssen. Es sei ihm nicht zumutbar gewesen, das Ergebnis der Begutachtung durch den MDK und die Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Zumindest habe die Beklagte Kosten in dem Umfang zu erstatten, wie sie auch in einem Vertragskrankenhaus angefallen wären.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15. August und 09. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2003 zu verurteilen, ihm EUR 3.500,00 zu erstatten, hilfsweise Kosten in der Höhe zu erstatten, wie sie für eine entsprechende Leistung in einem Vertragskrankenhaus angefallen wären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtener Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Bescheide der Beklagten vom 15. August und 09. Oktober 2003 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Kosten zu erstatten, die ihm durch die am 18. September 2003 in der Privatklinik erfolgte Fettabsaugung entstanden sind.

Als Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Begehren kommt vorliegend allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach Satz 1 sind die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung, soweit sie notwendig war, in der entstandenen Höhe von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dieser Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Der Anspruch kann daher nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die gesetzliche Krankenkasse als Sach- oder Dienstleistung zu gewähren hat.

Dies war im Hinblick auf die in der Privatklinik durchgeführte Fettabsaugung nicht der Fall. Denn von der Leistungsverpflichtung der Beklagten werden Behandlungen in einer Privatklinik grundsätzlich nicht erfasst; dies gilt sowohl für Behandlungen im Rahmen einer stationären Aufnahme als auch für ambulant durchgeführte privatärztliche Behandlungen. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V bestimmt insoweit, dass Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) haben, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Gemäß § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen; zugelassene Krankenhäuser in diesem Sinne sind die Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulbauförderungsgesetzes, Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), sowie Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Um ein zugelassenes Krankenhaus in diesem Sinne handelt es sich bei der vom Kläger in Anspruch genommenen Privatklinik gerade nicht. Sofern die in Rede stehende Behandlung in der Privatklinik lediglich ambulant und damit nicht im Rahmen einer stationären Aufnahme durchgeführt worden sein sollte, worauf die vorgelegte Rechnung vom 18. September 2003 hindeutet, ist insoweit § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V maßgeblich. Danach können Versicherte unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 SGB V, den nach § 72a Abs. 3 SGB V vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach § 75 Abs. 9 SGB V frei wählen. Andere Ärzte dürfen nach Satz 2 der Vorschrift nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Somit hätten die Ärzte der Privatklinik, die in dem dargelegten Sinne nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, nur bei Vorliegen eines Notfalls zu Lasten der Beklagten tätig werden können. Die Annahme eines Notfalls im Sinne der genannten Regelung wird vorliegend jedoch bereits durch die Art der in Rede stehenden Behandlung (Fettabsaugung) ausgeschlossen. Denn auch ohne sofortige Behandlung war der Kläger weder einer Gefahr für Leib oder Leben noch heftigen Schmerzen ausgesetzt, die ohne sofortiges Eingreifen unzumutbar lange angedauert hätten. Der beim Kläger bestehende und als solcher verständliche psychisch bedingte Leidensdruck, aufgrund dessen er eine alsbaldige Operation wünschte, rechtfertigt nicht die Annahme einer Notfallsituation. Neben der dringenden Behandlungsbedürftigkeit wäre zudem weiter erforderlich gewesen, dass ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung gestanden hätte und gerade deshalb die privatärztliche Inanspruchnahme erforderlich geworden wäre. Bei einem - wie beim Kläger- zumindest eine Woche im Voraus geplanten Eingriff liegt eine derartige Situation jedoch von vornherein schon nicht vor. Da somit kein Ausnahmefall vorliegt, der im Einzelfall die Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des gesetzlichen Leistungssystems hätte rechtfertigen können, die Beklagte die beantragte Leistung mithin auch nicht zu Unrecht abgelehnt hat, ist kein Raum für die begehrte Kostenerstattung. Die Beklagte hat dem Kläger Kosten auch nicht in der Höhe zu erstatten, wie sie bei der Inanspruchnahme einer zugelassenen Einrichtung bzw. eines zugelassenen Arztes entstanden wären. Denn das Gesetz sieht eine Erstattungspflicht für Stellvertreterleistungen gerade nicht vor.

Im Hinblick auf die dargelegten Gesichtspunkte kann letztlich offen bleiben, ob die durchgeführte Maßnahme lediglich aus kosmetischen Gründen erfolgt ist oder zur Behandlung einer Erkrankung, für die die Beklagte an sich einzustehen hätte.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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