L 4 R 1114/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 R 221/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 R 1114/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2005 geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die befristete Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1949 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war – bis auf eine zweijährige Tätigkeit von 1975 bis 1977 bei der Firma R – von 1969 bis 1998 in der Zigarettenindustrie als Produktionshelferin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Betriebsverlegung.

Die Klägerin stellte am 5. August 2003 wegen bestehender Diarrhöen einen Antrag auf Ge- währung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte stellte das Vorliegen der versiche- rungsrechtlichen Voraussetzungen fest und ließ die Klägerin nach Beiziehung eines Ent- lassungsberichtes des Universitätsklinikums B F über einen stationären Aufenthalt vom 17. bis 25. Juni 1999 und der Anforderung diverser Befundberichte von der Ärztin für Innere Medizin Dr. W-H begutachten. In dem am 16. Oktober 2003 abgeschlossenen Gutachten wurden folgende Diagnosen gestellt:

1. Verdauungsbeschwerden mit Neigung zu Diarrhöen bei Zustand nach endoskopischer Cholezystektomie (1998). 2. Labiler Hypertonus, unbehandelt. 3. Adipositas, Fettstoffwechselstörung.

Damit könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14. November 2003 ab. Den Widerspruch hiergegen, den die Klägerin mit einem Attest ihres behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Golkowski begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2004 zurück: Die Tatsache, dass die Klägerin arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung sei, lasse nicht den Schluss zu, dass sie auch erwerbsunfähig sei; nach den ärztlichen Feststellungen bestehe bei ihr weder teilweise noch volle Erwerbsminderung.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Februar 2004 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie hat ausgeführt, sie sei seit Jahren in ärztlicher Behandlung, ohne dass man ihr helfen könne; durch ihre häufigen nicht kontrollierbaren Durchfälle sei es ihr kaum möglich, die Wohnung zu verlassen oder Termine einzuhalten; sie sei daher nicht mehr erwerbsfähig. Das Sozialgericht hat Befundberichte von D. G und des Gastroenterologen Dr. W von der Poliklinik des Universitätsklinikums B F eingeholt, die beide zusätzlich umfangreiche Befundunterlagen vorgelegt haben. Sodann hat das Gericht den Facharzt für Innere Medizin Dr. G mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Gutachter hat in seinem Gutachten vom 17. November 2004 bei der Klägerin aufgrund einer ambulanten Untersuchung folgende Krankheiten festgestellt:

1. Chronische Durchfälle seit 1999, vermutlich als Folge einer Gallenblasenoperation. Gleichzeitig besteht eine mikroskopische Collitis (nur mikroskopisch nachweisbare Entzündung des Dickdarms). 2. Bluthochdruck 3. Fettstoffwechselstörung 4. Leichte Gasaustauschstörung der Lungen.

Die Klägerin könne hiermit täglich noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen in allen Haltungsarten unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen verrichten. Der Weg zur Arbeitsstelle solle wegen der Notwendigkeit, ggf. eine Toilette aufsuchen zu müssen, weniger als eine Stunde dauern. Über die üblichen Pausen von einmal 30 Minuten oder zweimal 15 Minuten während der Arbeitszeit hinaus müsse die Klägerin in der Lage sein, zu beliebigen Zeiten die Toilette aufzusuchen. Die therapeutischen Möglichkeiten der nicht entzündlichen Durchfallerkrankung seien noch nicht ausgeschöpft. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Gutachter Dr. G in einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Januar 2005 zu der Durchfallproblematik bei der Klägerin ausgeführt, nach den Angaben der Klägerin sei davon auszugehen, dass - bezogen auf einen achtstündigen Arbeitstag – die Klägerin drei bis fünfmal für nicht mehr als 10 Minuten die Toilette aufsuchen müsse; dies müsse innerhalb von 5 bis 10 Minuten möglich sein. Zu den weiteren Therapiemöglichkeiten bei der Klägerin hat der Gutachter ausgeführt, es könne innerhalb von 3 Monaten abschließend geklärt werden, ob die Stuhlproblematik der Klägerin auf eine der von ihm vorgeschlagenen therapeutischen Maßnahmen anspreche.

Mit Urteil vom 3. Mai 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit seit dem 1. August 2003 bis zum 31. August 2005 zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, insbesondere unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. G sei das Gericht überzeugt, dass die Klägerin zwar grundsätzlich in der Lage sei, körperlich leichte und auch mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr regelmäßig am Tag zu verrichten; gleichwohl sei ihr die begehrte Rente im tenorierten Umfang zuzusprechen, da sie nicht mehr in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein; dies ergebe sich aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die sich in Übereinstimmung befänden sowohl mit der Beurteilung durch den Allgemeinmediziner G als auch im Ergebnis mit der des Dr. W und die schließlich bestätigt worden seien durch die ausführlichen Erläuterungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2005. Da die Klägerin somit durchschnittlich etwa alle 2 Stunden Arbeitsunterbrechungen von etwa 15 – 20 Minuten in Anspruch nehmen müsse, die letztlich zu den ihr zustehenden Arbeitspausen hinzuzurechnen seien, könne sie nur noch unter Bedingungen arbeiten, die nicht üblich seien. Der Einwand der Beklagten, dass solche Toilettengänge im Rahmen der persönlichen Verteilzeit zu erledigen seien, stehe dem nicht entgegen, denn zum einen dürften hierunter lediglich kurze am jeweiligen Arbeitsplatz anfallende Arbeitsunterbrechungen zu verstehen seien, zum anderen handele es sich hierbei lediglich um Zeiträume von allenfalls etwa 3 bis 4 Minuten pro Arbeitsstunde, sodass sich selbst bei Summierung sämtlicher auf alle Stunden eines Arbeitstages anfallenden Arbeitsunterbrechungen keine Gesamtzeiträume ergäben, die im Fall der Klägerin den tatsächlichen für die Toilettenbesuche erforderlichen Zeiten entsprächen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass Arbeitnehmer berechtigt seien, persönliche Verteilzeiten zu jeweils länger dauernden Arbeitsunterbrechungen von 15 bis 20 Minuten, wie sie im Fall der Klägerin erforderlich seien, zusammen zu fassen. Schließlich bestehe unter Beachtung der bestehenden Stuhlproblematik auch keine Wegefähigkeit der Klägerin, da die Möglichkeit, unterwegs binnen 5 bis 10 Minuten eine Toilette aufzusuchen, nicht gewährleistet werden könne. Die der Klägerin zustehende Rente könne jedoch lediglich auf Zeit gewährt werden, da eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht unwahrscheinlich sei (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Zwar seien befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten; da die Darmerkrankung bei der Klägerin aber bereits mehr als ein halbes Jahr vor Rentenantrag bestanden habe, beginne die Rente in ihrem Fall mit dem Rentenantragsmonat.

Gegen dieses ihr am 5. Juli 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 22. Juli 2005. Sie hält das erstinstanzliche Urteil nicht für zutreffend und führt zur Begründung Folgendes aus: Die Angaben des Sachverständigen Dr. Gzur Häufigkeit und Dauer des Toilettenbesuchs der Klägerin stünden in deutlichem Widerspruch zu den eigenen Angaben der Klägerin im Verhandlungstermin am 3. Mai 2005. Gehe man von den Angaben von Dr. G aus, wonach die Klägerin durchschnittlich etwa alle 2 Stunden für 5 – 10 Minuten eine Toilette aufsuchen müsse, führe dies nicht zur Annahme eines betriebsunüblichen Pausenregiments, weil in weiten Bereichen des Arbeitslebens persönliche Verteilzeiten pro Arbeitsstunde etwa zum Aufsuchen einer Toilette sogar tarifvertraglich eingeräumt würden (vgl. Urteil des LSG-Berlin vom 25. August 2000 Az. L 5 RJ 71/98). Bei der Notwendigkeit, jederzeit eine Toilette aufsuchen zu können, handele es sich nicht um eine unübliche Arbeitsbedingung, denn nach der Arbeitsstättenverordnung vom 20. März 1975 seien die Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern in der Nähe der Arbeitsplätze eine ausreichende Zahl von Toiletten zur Verfügung zu stellen. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb von der Vorinstanz für den Weg vom Arbeitsplatz zur Toilette eine zusätzliche Arbeitsunterbrechung von 5 bis 10 Minuten berechnet werde. Selbst wenn ein Versicherter zusätzliche Arbeitspausen benötige, könne daraus allein nicht abgeleitet werden, dass der Arbeitsmarkt ihm verschlossen sei; vielmehr sei dann auf die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt abzustellen, die ggf. zu ermitteln seien. Die Durchfallerkrankung der Klägerin führe auch nicht zu Wegeunfähigkeit, weil nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. G eine Fahrtzeit von bis zu einer Stunde zumutbar sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2005 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Mit Schriftsatz vom 15. August 2005 hat die Klägerin bei der Beklagten die weitere Rentengewährung wegen Erwerbsminderung über den 31. August 2005 hinaus begehrt. Sie hat ausgeführt, sie wolle erst den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten, bevor sie sich einer erneuten ärztlichen Untersuchung durch die Beklagte stelle.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Rentenakte der Klägerin bei der Beklagten (25 070349 H 506 – 407), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist die befristete Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31. August 2005, zu der das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat und gegen die sich die von der Beklagten eingelegte Berufung richtet.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu.

Anspruchsgrundlage für eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung sind § 43 Abs. 2 i.V.m. §§ 102 Abs. 2 Satz 1 und 101 Abs. 1 SGB VI. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist – jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitraum – nicht erwerbsgemindert. Das Darmleiden, das nach Einschätzung der Klägerin, ihres behandelnden Arztes Gund auch der Gutachter im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bei der Klägerin im Vordergrund steht, hat das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin noch nicht gemindert. Das schließt der Senat insbesondere aus den überzeugenden Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. Gentz. Dieser ist aufgrund der eingehenden Untersuchung der Klägerin am 6. Oktober 2004 sowie einer sorgfältigen Befunderhebung und Auswertung der vorliegenden Befunde zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin trotz der diagnostizierten chronischen Durchfälle täglich noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auch in Wechsel- und Nachtschicht verrichten kann. Sie kann Arbeiten im Freien oder in geschlossenen Räumen im Gehen, Stehen oder Sitzen ausführen. Allerdings sollen starke Kälte, Feuchtigkeit, Zugluft, Staub und Reizgase ebenso vermieden werden wie häufiges Knien, Hocken und Bücken. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht zuzumuten, ebenso wenig eine einseitige Belastung der Bauchmuskulatur. Die Klägerin kann jedoch Arbeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus und an laufenden Maschinen ausführen, wenn sie die Arbeit zum Aufsuchen einer Toilette unterbrechen kann. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle sind grundsätzlich nicht zu beachten, denn die Klägerin ist in der Lage, viermal täglich eine Strecke von mehr als 500 m innerhalb von max. 20 Minuten zurückzulegen und jeweils zwischen zwei Fahrtwegen öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Allerdings sollte der Weg zur Arbeitsstelle weniger als eine Stunde dauern, da die Notwendigkeit entstehen kann, dass die Klägerin eine Toilette aufsuchen muss.

Das so festgestellte Leistungsvermögen der Klägerin reicht nach den überzeugenden Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen, die in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Gutachterin im Verwaltungsverfahren Dr. W-H stehen, für eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 6 Stunden aus. Dem steht zwar die Meinung des behandelnden Arztes G in seinem Befundbericht vom 19. Mai 2004 entgegen; der Senat folgt jedoch der abgewogenen sachkundigen Beurteilung des unabhängigen Sachverständigen, der im Gegensatz zu dem behandelnden Arzt nicht in einem engen Vertrauensverhältnis zu der Klägerin steht. Dr. G hat sich im Übrigen mit der Auffassung des Arztes G ausdrücklich auseinandergesetzt und stimmt in der Diagnose auch mit ihm überein. Er hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin durchaus in der Lage sei, einen Arbeitsplatz auszufüllen, an dem sie nach freien Willen die Toilette aufsuchen könne.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist unter den gegebenen Umständen und für den hier zu prüfenden Zeitraum nicht davon auszugehen, dass für die Klägerin der Arbeitsmarkt trotz vollschichtiger Erwerbsfähigkeit verschlossen ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Leiden der Klägerin zu einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung führen würde, bei der nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für an sich mögliche Vollzeittätigkeiten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt. In einem sog. Verschlossenheitskatalog hat das Bundessozialgericht dies u.a. dann angenommen, wenn eine Tätigkeit nicht mehr unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden kann (BSG SozR- 2200 § 1246 Nr. 137 und Nr. 138). Die Klägerin kann aber noch unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Nach den Ausführungen von Dr. G, die auf den eigenen Angaben der Klägerin beruhen und im Übrigen mit den Feststellungen der Vorgutachterin Dr. W-H übereinstimmen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin bis zu achtmal pro Tag die Toilette aufsuchen muss, das heißt ausgehend von einem 16-Stunden-Tag ca. alle 2 Stunden und bei einem achtstündigen Arbeitstag ca. 3 – 5 mal, wobei im Einzelnen ein Zeitraum von nicht mehr als 10 Minuten anzusetzen ist. Die dieser Zeitangabe widersprechende Aussage der Klägerin im Verhandlungstermin am 3. Mai 2005, wonach ein Toilettenbesuch auch bis zu einer halben Stunde dauern könne, ist nicht glaubhaft und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder nachgewiesen noch medizinisch begründet, zumal die Klägerin selbst darauf hingewiesen hat, dass eine gewisse Verbesserung eingetreten sei. Ausgehend davon, dass die Klägerin durchschnittlich ca. alle 2 Stunden für 5 bis 10 Minuten eine Toilette aufsuchen muss, ist die Klägerin aber an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht gehindert, denn jedem Arbeitnehmer ist es gestattet, während der Arbeitszeit jederzeit die Toilette aufzusuchen. In weiten Bereichen des Arbeitslebens sind kurze persönliche Verteilzeiten pro Arbeitsstunde – z. B. zum Aufsuchen einer Toilette – sogar tarifvertraglich eingeräumt, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 25. August 2000, Az. L 5 RJ 71/98). Bei der Notwendigkeit, jederzeit eine Toilette aufsuchen zu können, handelt es sich nicht um eine unübliche Arbeitsbedingung. Nach § 37 der Arbeitsstättenverordnung vom 20. März 1975 (BGBl. I S. 729) in der Fassung der Verordnung vom 1. August 1983 (BGBl. I S. 1057) sind den Arbeitnehmern in der Nähe der Arbeitsplätze besondere Räume mit einer ausreichenden Zahl von Toiletten und Handwaschbecken (Toilettenräume) zur Verfügung zu stellen. Auch die "Arbeitsstätten-Richtlinien" 37/1 des Bundesarbeitsministeriums ("Arbeitsschutz" 9/1976 S. 322) sehen vor, dass Toilettenräume von den ständigen Arbeitsplätzen nicht mehr als 100 m und im Allgemeinen höchstens eine Geschosshöhe entfernt sind (vgl. hierzu Urteil des LSG für das Saarland vom 10. Oktober 1996 Az. L 1 A 25/95). Da bei der Klägerin nach den Ausführungen von Dr. G keine relevante Entzündung im Enddarmbereich und deshalb nicht die Symptomatik eines so genannten "imperativen Stuhldranges", d. h. die Notwendigkeit, die Toilette innerhalb von 1 bis 2 Minuten aufsuchen zu müssen, besteht, reicht es nach den gutachterlichen Feststellungen völlig aus, wenn die Klägerin innerhalb von 5, max. 10 Minuten in der Lage ist, eine Toilette aufzusuchen. Nach alledem liegt eine schwere spezifische Leistungseinschränkung, die die Klägerin an der Teilnahme am Erwerbsleben hindern könnte, nicht vor. Dies gilt darüber hinaus auch deshalb, weil die Krankheit der Klägerin offenbar noch nicht austherapiert ist, wie der Sachverständige Dr. G nachvollziehbar ausgeführt hat, und Rente erst zu gewähren ist, wenn nach Ausschöpfung aller Behandlungsmöglichkeiten ein Zustand besteht, der eine Erwerbstätigkeit dauerhaft nicht mehr zulässt. Der Berufung der Beklagten war daher stattzugeben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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