L 4 AL 37/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 5199/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 37/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. April 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 18. Juli bis zum 27. August 2003.

Der 1962 geborene, zuletzt als Statiker beschäftigte Kläger, der Bauingenieur ist, stand ab September 1997 im Leistungsbezug der Beklagten. Am 09. April 2003 beantragte er die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe und versicherte am selben Tage mit seiner Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Die Beklagte bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 15. April 2003 für die Zeit vom 02. März bis zum 20. September 2003 Arbeitslosenhilfe.

Mit bei der Beklagten am 16. Juli 2003 eingegangenem Schreiben vom 10. Juli 2003 teilte der Kläger dieser mit, dass er seinen Jahresurlaub zum 18. Juli 2003 melde und um Kenntnisnahme bitte. Unter dem 07. August 2003 – eingegangen am 15. August 2003 – informierte er die Beklagte aus der Türkei, dass er bis zum 21. August 2003 arbeitsunfähig erkrankt sei. Am 28. August 2003 meldete der Kläger sich wieder persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte, die die Leistungsgewährung ab dem 18. Juli 2003 eingestellt hatte, hob mit Bescheid vom 28. August 2003 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 18. Juli 2003 wegen Ortsabwesenheit gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) auf und bewilligte dem Kläger erst ab dem 28. August 2003 wieder Arbeitslosenhilfe.

Noch am 28. August 2003 wandte der Kläger sich gegen die Zahlungseinstellung und legte am 11. September 2003 über seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Mit diesem machte er geltend, die Beklagte hätte ihn nach Eingang seines Schreibens vom 10. Juli 2003 darauf hinweisen müssen, falls eine persönliche Anzeige der Ortsabwesenheit tatsächlich erforderlich sei. Ferner hätte sie jederzeit über seinen Neffen, der während seiner Abwesenheit seine Post kontrolliert habe, Kontakt zu ihm aufnehmen können. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2003 zurück. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe bei Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen nach § 117 Abs. 1 SGB III nur, wer nach § 198 SGB III i.V.m. § 118 Abs. 1 SGB III arbeitslos sei, d.h. wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suche. Dies setze u.a. voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehe, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit (§ 119 Abs. 1 und 2 SGB III) sei. Arbeitsfähig sei ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten könne und dürfe (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III). Durch die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) habe der Verwaltungsrat der Beklagten Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs. 1 EAO könne ein Arbeitsloser Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage sei, unverzüglich 1.) Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2.) das Arbeitsamt aufzusuchen, 3.) mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnah- me in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4.) eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaß- nahme teilzunehmen. Halte sich ein Arbeitsloser außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes auf, stehe dies der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher zugestimmt habe und durch die vorübergehende Ortsabwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt werde (§ 3 Abs. 1 EAO). Der Kläger habe sich außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes aufgehalten, ohne zuvor die notwendige Zustimmung des Arbeitsamtes einzuholen. Er habe daher den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes wegen fehlender Erreichbarkeit nicht mehr zur Verfügung gestanden und sei nicht arbeitslos im Sinne des § 118 Abs. 1 SGB III gewesen. Ein Leistungsanspruch habe nicht bestanden. Weiter habe der Kläger am 09. April 2003 mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Aus diesem gehe eindeutig hervor, dass eine Ortsabwesenheit ohne leistungsrechtliche Nachteile nur möglich sei, wenn der Arbeitsvermittler vorher zugestimmt habe. Unter dem Punkt Verfügbarkeit werde erneut wie folgt ausgeführt: "Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben." Der Kläger könne daher nicht davon ausgehen, dass eine schriftliche Mitteilung über seinen Urlaubsbeginn genügen könne, zumal diese den zuständigen Arbeitsvermittler erst am 23. Juli 2003 erreicht habe. Die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei damit wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft ab dem 18. Juli 2003 aufzuheben gewesen.

Mit seiner am 09. Oktober 2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm ein Merkblatt ausgehändigt worden sei, nach dem für den Fall der Ortsabwesenheit von mehr als einem Tag keineswegs eine persönliche Vorsprache erforderlich gewesen sei. Vielmehr sei danach lediglich eine "rechtzeitige Mitteilung spätestens eine Woche vorher" nötig gewesen. Dass ihm etwaige anderslautende gesetzliche Bestimmungen bekannt seien, könne von ihm nicht erwartet werden. Im Übrigen sei für die gesamte Dauer seiner Abwesenheit sein Neffe M T damit betraut gewesen, eingehende Post unverzüglich zu untersuchen und ihn davon zu unterrichten. Der Beklagten sei jedenfalls vorzuwerfen, dass sie ihn im Merkblatt nicht ausreichend belehrt habe, sodass ihm ein sozialrechtlicher Schadensersatzanspruch erwachse. Er habe sein Schreiben vom 10. Juli 2003 noch am selben Tage zur Post gegeben. Das Schreiben hätte dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten bei ordnungsgemäßer Organisation am folgenden Tag zur Kenntnis gelangen müssen. Diesbezügliche Versäumnisse könnten nicht ihm angelastet werden. Für den nachfolgenden Zeitraum habe er aufgrund einer Erkrankung, die noch ab dem 07. August 2003 ausweislich des ärztlichen Attestes 15 Tage Ruhe erforderlich gemacht habe, Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.

Mit Urteil vom 01. April 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X und § 330 SGB III zu Recht aufgehoben habe. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sei dadurch entfallen, dass der Kläger der Arbeitsvermittlung ab dem 18. Juli 2003 nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. An diesem Tage habe er einen nicht beantragten und demzufolge auch nicht genehmigten Urlaub angetreten. Weiter sei ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Nicht nur habe er am 09. April 2003 mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Vielmehr habe er auch ein Jahr zuvor am 10. Juni 2002 bei der Beklagten vorgesprochen, seinen Urlaub vor Antritt bei dieser beantragt und ihn sich genehmigen lassen. Er wusste daher, dass eine schriftliche Mitteilung an die Beklagte mit dem Inhalt "Hiermit möchte ich meinen Jahresurlaub zum 18. Juli 2003 melden und bitte um Kenntnisnahme" nicht ausreicht.

Gegen dieses ihm am 14. Mai 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Mai 2004 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung verweist er darauf, dass die "Urlaubsmeldung" bei ordnungsgemäßer Auslegung als Antrag auf Gewährung von Urlaub bzw. auf Genehmigung der Ortsabwesenheit zu sehen sei. Die Beklagte habe den Antrag jedoch zu Unrecht nicht beschieden, was nicht zu seinem Nachteil gehen könne. Er hätte ggfs. noch am 17. Juli 2003 telefonisch in Kenntnis gesetzt werden können, dass der Urlaub nicht genehmigt werde. In diesem Falle hätte er seinen Flug storniert und den Urlaub nach Absprache mit der Beklagten neu festgelegt. Selbst wenn man der Beklagten eine Mitteilungszeit von drei Tagen einräumen wollte, hätte er seinen Jahresurlaub noch anderweitig geplant und wäre unverzüglich nach Deutschland zurückgekehrt. Sein mit der Sichtung der Post beauftragter Neffe hätte ihn alsbald über Handy erreichen können. Wenn die Beklagte von ihm tägliche Erreichbarkeit verlange, könne auch er erwarten, ebenso zügig über eventuelle Fehler in seinem Verhalten informiert zu werden, um sein Verhalten entsprechend zu korrigieren. Die Beklagte könne nicht in Kenntnis des offensichtlichen Irrtums einfach zuschauen. Ihr Verhalten sei treuwidrig. Allgemein sei die Unklarheit des Merkblattes zu rügen. Ferner habe die Beklagte keinerlei Gründe dafür vorgebracht, warum der Urlaub nicht nachträglich hätte genehmigt werden können. Schließlich führe die Nichtbeachtung von Formvorschriften nicht dazu, dass der beantragte Urlaub generell zu versagen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 01. April 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ergänzend verweist sie darauf, dass das Merkblatt 1 für Arbeitslose Stand April 2002, das dem Kläger bei seiner Erklärung im April 2003 vorgelegen hat, den Hinweis enthalte: "Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben." Damit müsse der Kläger sich im Falle der Unkenntnis von der erforderlichen Zustimmung des Arbeitsvermittlers jedenfalls grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen. Im Übrigen habe sie angesichts der Mitteilung des Klägers vom Juli 2003 davon ausgehen müssen, dass sie ihn in seiner Wohnung nicht mehr erreiche. Angaben dazu aber, wo er zu erreichen sei, habe er nicht gemacht. Der Hinweis, dass sie ihn nach dem 17. Juli 2003 über die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns hätte informieren müssen, gehe daher ins Leere, zumal ihr Merkblatt entgegen der Ansicht des Klägers hinsichtlich der Sanktionen keinesfalls "nebulös" sei. Das Verhalten des Klägers könne nicht nachträglich genehmigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen – insbesondere die Seiten 9 und 19 des Merkblatts 1 der Beklagten mit dem Stand April 2002 -, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten zur Stammnummer verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage zutreffend.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 18. Juli 2003 wegen Ortsabwesenheit des Klägers aufgehoben hat.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ist der Verwaltungsakt nach Satz 2 dieser Vorschrift in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III u.a. dann aufzuheben, wenn - so Ziffer 4 – der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Bei dem von der Beklagten aufgehobenen Bescheid vom 15. April 2003, mit dem dem Kläger ab dem 02. März bis zum 20. September 2003 Arbeitslosenhilfe gewährt worden ist, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, liegt darin, dass der Kläger ab dem 18. Juli 2003 wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Darstellung der Rechtsgrundlagen im Widerspruchsbescheid der Beklagten und die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1 und Abs. 2, 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Das diesbezügliche Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Kläger hat sich ab dem 18. Juli 2003 unstreitig außerhalb des so genannten zeit- und ortsnahen Bereichs des Arbeitsamtes aufgehalten, ohne dass die Beklagte hierzu zuvor ihre Zustimmung erteilt gehabt hätte. Auch hatte sie keine Veranlassung, eine Zustimmung zu erteilen, da der Kläger bei ihr nicht um eine solche nachgesucht hatte. Denn – anders als der Kläger meint - musste die Beklagte sein Schreiben vom 10. Juli 2003 nicht als Antrag auf Erteilung einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit auslegen. Zum einen wird in dem – von einem Akademiker verfassten - Schreiben ausdrücklich der Urlaubsantritt "gemeldet", mithin eine Information zur Kenntnis gegeben, nicht aber um eine Zustimmung gebeten. Zum anderen hätte die Einholung einer Zustimmung erfordert, dass die Beklagte überhaupt ausreichend aufgeklärt wird, um eine entsprechende Zustimmung erteilen zu können. Dies aber war hier nicht Fall, da der Kläger ihr nicht mitgeteilt hatte, wohin und für welchen Zeitraum er sich aus dem zeit- und ortsnahen Bereich entfernen will. Im Übrigen hat auch der Kläger selbst sein damaliges Schreiben im Sommer 2003 offensichtlich nicht als Antrag verstanden. Andernfalls wäre es jedenfalls nicht nachvollziehbar, warum er seinen Urlaub angetreten hat, ohne vorher nochmals nachzufragen, ob seiner Ortsabwesenheit zugestimmt wird.

Schließlich scheidet entgegen der Ansicht des Klägers auch eine Genehmigung der Ortsabwesenheit aus. Bei dem Erfordernis, vor Antritt der Ortsabwesenheit eine Zustimmung einzuholen, handelt es sich nicht lediglich um eine Formalie, deren Fehlen gleichsam nachträglich geheilt werden kann. Vielmehr hat das Arbeitsamt bei Eingang eines entsprechenden Antrages zu prüfen, ob für den Antragsteller zumutbare Stellenangebote vorliegen oder voraussichtlich bis zum Ende des beantragten Urlaubs eingehen werden. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann es auf die Verfügbarkeit des Arbeitslosen vorübergehend verzichten. Da das Arbeitsamt die erforderlichen Feststellungen und seine hierauf gestützte Prognoseentscheidung nur auf den Zustimmungsantrag des Arbeitslosen hin trifft, kann er nur dann als zulässig angesehen werden, wenn er so rechtzeitig vor der Abreise gestellt wird, dass es dem Arbeitsamt überhaupt möglich ist, entsprechend § 3 Abs. 1 EAO zu verfahren. Nachträgliche Feststellungen des Arbeitsamtes und eine etwa darauf gestützte nachträgliche Zustimmung haben hingegen keine dispensierende Wirkung, können also den Arbeitslosen vor dem Verlust seiner Leistungsansprüche nicht bewahren. Denn es ist unerheblich, ob der Arbeitslose im fraglichen Zeitraum überhaupt in Arbeit hätte vermittelt werden können. Die Berechtigung zum Leistungsbezug wegen Arbeitslosigkeit folgt nicht aus den Chancen von Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes, sondern aus der Fähigkeit des Arbeitslosen, solchen Bemühungen – falls sie erfolgen – zeitlich und örtlich sachgerecht entsprechen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1997, 11 RAr 89/96, zitiert nach juris). Diese Fähigkeit kann nicht rückwirkend fingiert werden.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X war damit die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zweifelsohne für die Zukunft – was hier angesichts der ab dem 28. August 2003 wieder vorliegenden Leistungsvoraussetzungen nicht relevant war – aufzuheben. Zu Recht hat die Beklagte die Leistungsbewilligung jedoch auch rückwirkend aufgehoben. Denn der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger vom Wegfall des Anspruchs – so er von diesem nicht sogar wusste – jedenfalls nur deshalb nichts wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Anzulegen ist dabei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Danach kommt es darauf an, ob der im konkreten Einzelfall betroffene Arbeitslose aufgrund seiner individuellen persönlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Umstände des Falles bei einfachsten Überlegungen das Richtige hätten erkennen können. Entscheidend hierfür ist in der Regel, ob der Arbeitslose in einer für ihn verständlichen Weise durch das Merkblatt der Beklagten belehrt worden ist. Daran bestehen vorliegend zur Überzeugung des Senats keine Zweifel. Das Merkblatt der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers weder zu dem Erfordernis, sich vor Beginn einer Ortsabwesenheit die dafür nötige Zustimmung einzuholen, noch hinsichtlich der Rechtsfolgen des Unterlassens unklar. Der auf Seite 19 des Merkblattes 1 (Stand April 2002) unter der Überschrift Verfügbarkeit enthaltene Hinweis "Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben.", ist nicht nebulös, sondern im Gegenteil an Klarheit kaum zu überbieten. Insbesondere aber bei einem Akademiker steht für den Senat fest, dass dieser – so er seine Kenntnis des Inhalts des Merkblatts denn in dem erforderlichen und insbesondere ihm obliegenden Maße aktualisiert hätte – gewusst hätte, dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mehr hat, wenn er sich urlaubsbedingt in der Türkei aufhält und dafür zuvor keine Zustimmung der Beklagten eingeholt hat.

Ermessen stand der Beklagten insoweit aufgrund der Regelung des § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III nicht zu. Insofern ist es hier auch irrelevant, dass die Beklagte die Leistungsgewährung - entgegen der Begründung in ihrem Widerspruchsbescheid – mit Bescheid vom 28. August 2003 gerade nicht für die Zukunft, sondern nur für die Vergangenheit aufgehoben hat.

Ob die Beklagte es vor Erlass des Aufhebungsbescheides entgegen § 24 SGB X unterlassen hat, den Kläger zu der beabsichtigen Aufhebung anzuhören, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wäre dieser Verfahrensmangel gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt.

Schließlich hat die Beklagte die sich aus § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X ergebende Frist zur Aufhebung eingehalten. Die Beklagte hat erst im Juli 2003 erfahren, dass der Kläger wegen Ortsabwesenheit, die er sich vorher nicht hat genehmigen lassen, nicht mehr verfügbar ist. Der Aufhebungsbescheid stammt vom 28. August 2003 und wurde damit innerhalb der Jahresfrist erlassen.

Weiter ist die Beklagte nicht gehalten, das fehlende Anspruchsmerkmal der Verfügbarkeit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich durch eine rechtmäßige Amtshandlung herzustellen. Dabei kann dahinstehen, ob dies grundsätzlich überhaupt möglich wäre. Denn jedenfalls vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen, dass die Beklagte einer ihr obliegenden Pflicht nicht nachgekommen wäre. Keiner Entscheidung bedarf insoweit, ob die Beklagte, die in ihrem Merkblatt ausführlich und verständlich darüber informiert, wie von dem Arbeitslosen vor Antritt einer Ortsabwesenheit zu verfahren ist und welche Konsequenzen eine Ortsabwesenheit ohne vorherige Einholung der erforderlichen Zustimmung hat, überhaupt dazu verpflichtet ist, einen Arbeitslosen, der seinen Urlaub lediglich anzeigt, nicht aber um Zustimmung zu seiner beabsichtigten Ortsabwesenheit ersucht, über seinen Irrtum aufzuklären. Denn jedenfalls bestand eine entsprechende Aufklärungspflicht vorliegend innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes nicht. Eine etwaig erforderliche Aufklärung des Klägers noch vor seiner Abreise war der Beklagten von vornherein unzumutbar. Das auf den 10. Juli 2003 datierte Schreiben ist unstreitig erst am 16. Juli 2003 bei ihr eingegangen. Im Rahmen einer Massenverwaltung ist eine Reaktion am folgenden Tage insbesondere dann, wenn das Schreiben nicht z.B. durch äußerliche Hervorhebungen die Eilbedürftigkeit klar erkennen lässt, keinesfalls zu erwarten. Ebenso wenig war die Beklagte aber gehalten, ab dem 18. Juli 2003 auf die Notwendigkeit einer persönlichen Zustimmungseinholung hinzuweisen. Die Beklagte musste angesichts des Schreibens des Klägers davon ausgehen, dass dieser nicht mehr unter seiner Wohnanschrift zu erreichen ist. Veranlassung zu der Annahme, dass ihn an seine Wohnanschrift gerichtete Schreiben erreichen bzw. er von ihrem Inhalt angeblich informiert werden würde, hatte sie indes nicht. Der Kläger kann sein offensichtliches Fehlverhalten, das auch nicht mit einem geradezu unvermeidbaren Irrtum zu erklären ist, sondern schlicht auf eine Vernachlässigung der ihm obliegenden Pflichten zurückzuführen ist, nicht nachträglich auf die Beklagte abwälzen, indem er von dieser Überlegungen und Anstrengungen verlangt, die sich keinesfalls aufdrängen mussten.

Soweit der Kläger schließlich meint, ihm stünde jedenfalls ein "sozialrechtlicher Schadensersatzanspruch" zu, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Selbst wenn sich die Beklagte nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches i.V.m. Art. 34 Grundgesetz schadensersatzpflichtig gemacht haben sollte, was hier offensichtlich nicht der Fall ist, wäre dies im vorliegenden Verfahren irrelevant. Für einen Amtshaftungsanspruch ist nicht der Weg zu den Sozial-, sondern zu den Zivilgerichten eröffnet. Daran ändert auch die Regelung des § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz nichts, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten entscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved