Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 3675/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 1240/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Einstellung der Leistung von Arbeitslosenhilfe zum 20. April 2004 wegen einer Sperrzeit.
Die 1962 geborene Klägerin hat im Jahre 1994 ein Studium als Diplom-Kunsttherapeutin abgeschlossen und steht im langjährigen Leistungsbezug bei der Beklagten. Ihr war zuletzt mit Bescheid vom 24. Juni 2003 Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 9. Juli 2003 bis 8. Juli 2004 bewilligt worden. Mit Schreiben vom 31. März 2004 bot die Beklagte ihr die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme zur Unterstützung in der Selbstsuche nach Arbeit bei der b-Akademie in Berlin vom 19. April bis 30. April 2004 an. Das Schreiben enthielt eine ausführliche Rechtsfolgenbelehrung. Die Klägerin lehnte eine Teilnahme an dieser Eingliederungsmaßnahme ab, weil sie sie für ungeeignet hielt, und legte mit Schreiben vom 4. April 2004 "Widerspruch zur Vermeidung einer Sperrzeit" ein. Mit Bescheid vom 22. April 2004 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 20. April 2004 bis 10. Mai 2004 fest. Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Maßnahme sei nicht erkennbar.
Schon mit Schreiben vom 20. April 2004, das mit "Leistungsnachweis/Entgeltbe-scheinigung" überschrieben war, hatte die Beklagte der Klägerin die Einstellung der Leistungen zum 20. April 2004 mitgeteilt. Das Schreiben enthielt außerdem eine genaue Aufstellung der vom 3. Dezember 2003 bis 19. April 2004 bezogenen Arbeitslosenhilfe. Hiergegen wandte die Klägerin sich – noch in Unkenntnis des Sperrzeitbescheides – mit einem unter dem 22. April 2004 datierenden Widerspruch, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 2004. Sie bat darin um sofortige Wiederaufnahme der Zahlungen. Die erneute Zahlungsverweigerung sei nur der wiederholte Versuch der Beklagten, ihre ungeeigneten Arbeitsmethoden fortsetzen zu wollen. Die Beklagte bezwecke nur, sie finanziell auszuschalten. Es handele sich um eine widerwärtige Form der Verordnung ungeeigneter Weiterbildungsmaßnahmen. Gleichzeitig mahne sie die von ihr beantragten Weiterbildungsstunden an.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2004 verwarf die Beklagte diesen Widerspruch als unzulässig. Er sei unstatthaft, weil er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Mit dem Schreiben vom 20. April 2004 würden Rechte der Klägerin nicht begründet, geändert, entzogen oder festgestellt. Es sei keine Entscheidung über einen Rechtsanspruch getroffen worden. Das Schreiben sei nur informatorisch gewesen.
Am 30. Juni 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Entscheidung der Beklagten sei nicht akzeptabel. Der unnötige Stress, das dümmliche Angesprochenwerden im falschen Chefton und die Unverschämtheit der Beklagten beeinträchtigten nachhaltig ihre künstlerische Arbeit. Sie fühle sich durch die Beklagte drangsaliert, belästigt und finanziell genötigt. Eine schon länger von ihr beantragte geeignete Weiterbildung sei bis heute nicht bearbeitet oder finanziert worden. Die Verwerfung ihres Widerspruches als unzulässig sei nicht korrekt. Ihr Widerspruch habe sich gegen die verordnete Weiterbildungsmaßnahme gerichtet sowie gegen die willkürlich erlassene Sperrzeit, die sinnloser Weise aufgestresst worden sei. Solche Willkür und Dümmlichkeit sei nicht zumutbar. Sie beanstande auch, dass die Beklagte sich darüber hinweggesetzt habe, dass sie mit Schreiben vom 4. April 2004 schon einen "Widerspruch zur Vermeidung einer Sperrzeit" eingelegt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2005, der Klägerin zugestellt am 18. Oktober 2005, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 habe die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen das Schreiben vom 20. April 2004 zu Recht als unzulässig verworfen, da es sich bei der Zahlungseinstellung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Daher habe auch die Klage keinen Erfolg, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten voraussetze, dass die Klage sich gegen einen Verwaltungsakt in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides richte. Die Zahlungseinstellung sei auch zu Recht erfolgt, denn mit Bescheid vom 22. April 2004 sei der Eintritt einer Sperrzeit vom 20. April 2004 an festgestellt worden. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden, weil die Klägerin nicht gegen ihn vorgegangen sei. Konsequenterweise habe die Beklagte dann auch im Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Antrag auf Überprüfung des Sperrzeitbescheides vom 22. April 2004 an die Leistungsabteilung zu richten sei.
Mit der am 1. November 2005 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine Zahlungseinstellung oder eine Sperrzeit hätten gar nicht formuliert werden dürfen, weil sie ausreichende Gründe dafür vorgebracht habe, nicht an der Trainingsmaßnahme teilzunehmen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 2005 sowie das Schreiben der Beklagten vom 20. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 und den Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten (2 Bände, Kunden-Nummer ) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte trotz Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Klägerin einseitig verhandeln und entscheiden, weil die Terminsladung einen Hinweis auf diese Möglichkeit enthielt (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2005 ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Soweit man die Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten teilt, die Klage der Klägerin richte sich ausschließlich gegen die Zahlungseinstellung vom 20. April 2004, sind der Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2005 mit ihrer jeweiligen Begründung nicht zu beanstanden. Die Zahlungseinstellung ist eine bloße Mitteilung und kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X, so dass die Anfechtungsklage insoweit nicht gegeben ist, denn sie setzt eine Regelung in Gestalt eines Verwaltungsakts voraus (§ 54 Satz 1 SGG). Einiges spricht dafür, diesen formellen Lösungsweg zu beschreiten, denn die Klägerin trägt durch ihre verwirrenden, umfangreichen und zahlreichen Eingaben nicht zur Erleichterung bzw. Transparenz des Verwaltungsverfahrens bei.
Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass ein Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 vorlag, den die Beklagte hätte sachlich bescheiden müssen. Zwar ist ein Widerspruch grundsätzlich erst ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig; ein vor Erlass der Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf wird, auch wenn dann tatsächlich eine angreifbare Entscheidung ergeht, nicht von selbst zulässig (Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 4 c zu § 84). Hier wurden beide als Widerspruch in Betracht kommenden Schreiben (vom 4. und vom 22. April 2004) von der Klägerin verfasst, ohne dass ihr der Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 schon bekannt gegeben war. Ausnahmsweise kann ein Widerspruchsführer den Widerspruch aber schon vor förmlicher Bekanntgabe einlegen, sofern der Verwaltungsakt von der Behörde nach außen gegeben ist, der Widerspruchsführer also vorab Kenntnis von der Regelung erhalten hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. August 1966, V C 42.65, BVerwGE 25, S. 20). Im Falle der Klägerin liegt es ähnlich: Erstens konnte sie von der Zahlungseinstellung und der chronologischen Vorgeschichte darauf schließen, dass ein Sperrzeitbescheid ergangen sein musste. Zweitens ging der Widerspruch vom 22. April 2004 am 26. April 2004 bei der Beklagten ein, also nach Bekanntgabe des Sperrzeitbescheides. Damit musste die Beklagte den Widerspruch vom 22. April 2004 jedenfalls auslegen und den Willen der Klägerin ermitteln (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen bei Prozesshandlungen: Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 11 a vor § 60). Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere nach der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss. Entscheidend ist dabei das von dem Beteiligten vernünftigerweise Gewollte, nicht unbedingt nur der Wortlaut der Erklärung. Bei der Auslegung ist auch Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten, der es etwa verbietet, einen Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen, wenn bei sachdienlicher Auslegung ohne weiteres eine Sachentscheidung möglich gewesen wäre. So liegt es hier, denn bei Eingang des Widerspruchs am 26. April 2004 konnte und musste die Beklagte annehmen, dass die Klägerin sich nicht nur gegen die Zahlungseinstellung, sondern auch gegen den Sperrzeitbescheid wenden wollte, denn dies allein wäre sachgerecht gewesen.
Die Beklagte hätte daher den "Widerspruch" der Klägerin vom 22. April 2004 nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Auch das Sozialgericht hätte sehen müssen, dass der Widerspruch sich nicht nur gegen die Zahlungseinstellung, sondern auch gegen den Sperrzeitbescheid richtete; es hätte insoweit eine Sachentscheidung über die Sperrzeit treffen müssen. Ein Zurückverweisungsgrund nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG liegt gleichzeitig nicht vor, weil das Sozialgericht die Klage nicht als unzulässig abgewiesen hat.
Die danach notwendige Sachprüfung ergibt, dass der Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c SGB III tritt eine dreiwöchige Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung oder einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Eine solche Maßnahme ist der Klägerin hier am 31. März 2004 angeboten worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Maßnahme etwa offensichtlich ungeeignet oder unzumutbar war. Einen wichtigen Grund für die Ablehnung hat die Klägerin nicht dargetan. Sie trug in ihrem Schreiben vom 4. April 2004 lediglich vor, der Meinung zu sein, die zu vermittelnden Fähigkeiten aufgrund ihrer Hochschulausbildung bereits zu besitzen. Im Übrigen legte sie Wert auf die Vermittlung einer Maßnahme mit kunstpädagogischem Bezug. Es liegt auf der Hand, dass diese Einwendungen der langjährig arbeitslosen Klägerin nicht sachgerecht waren. Es stand nicht in ihrem Belieben, die Eignung der Trainingsmaßnahme, während derer sie von der Beklagten alimentiert werden sollte, vorab zu beurteilen. Nach § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III hat die Beklagte den Beginn der Sperrzeit zutreffend auf den Tag nach Beginn der Trainingsmaßnahme – auf den 20. April 2004 – festgelegt.
Die Berufung hat danach keinen Erfolg,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Einstellung der Leistung von Arbeitslosenhilfe zum 20. April 2004 wegen einer Sperrzeit.
Die 1962 geborene Klägerin hat im Jahre 1994 ein Studium als Diplom-Kunsttherapeutin abgeschlossen und steht im langjährigen Leistungsbezug bei der Beklagten. Ihr war zuletzt mit Bescheid vom 24. Juni 2003 Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 9. Juli 2003 bis 8. Juli 2004 bewilligt worden. Mit Schreiben vom 31. März 2004 bot die Beklagte ihr die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme zur Unterstützung in der Selbstsuche nach Arbeit bei der b-Akademie in Berlin vom 19. April bis 30. April 2004 an. Das Schreiben enthielt eine ausführliche Rechtsfolgenbelehrung. Die Klägerin lehnte eine Teilnahme an dieser Eingliederungsmaßnahme ab, weil sie sie für ungeeignet hielt, und legte mit Schreiben vom 4. April 2004 "Widerspruch zur Vermeidung einer Sperrzeit" ein. Mit Bescheid vom 22. April 2004 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 20. April 2004 bis 10. Mai 2004 fest. Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Maßnahme sei nicht erkennbar.
Schon mit Schreiben vom 20. April 2004, das mit "Leistungsnachweis/Entgeltbe-scheinigung" überschrieben war, hatte die Beklagte der Klägerin die Einstellung der Leistungen zum 20. April 2004 mitgeteilt. Das Schreiben enthielt außerdem eine genaue Aufstellung der vom 3. Dezember 2003 bis 19. April 2004 bezogenen Arbeitslosenhilfe. Hiergegen wandte die Klägerin sich – noch in Unkenntnis des Sperrzeitbescheides – mit einem unter dem 22. April 2004 datierenden Widerspruch, eingegangen bei der Beklagten am 26. April 2004. Sie bat darin um sofortige Wiederaufnahme der Zahlungen. Die erneute Zahlungsverweigerung sei nur der wiederholte Versuch der Beklagten, ihre ungeeigneten Arbeitsmethoden fortsetzen zu wollen. Die Beklagte bezwecke nur, sie finanziell auszuschalten. Es handele sich um eine widerwärtige Form der Verordnung ungeeigneter Weiterbildungsmaßnahmen. Gleichzeitig mahne sie die von ihr beantragten Weiterbildungsstunden an.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2004 verwarf die Beklagte diesen Widerspruch als unzulässig. Er sei unstatthaft, weil er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Mit dem Schreiben vom 20. April 2004 würden Rechte der Klägerin nicht begründet, geändert, entzogen oder festgestellt. Es sei keine Entscheidung über einen Rechtsanspruch getroffen worden. Das Schreiben sei nur informatorisch gewesen.
Am 30. Juni 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Entscheidung der Beklagten sei nicht akzeptabel. Der unnötige Stress, das dümmliche Angesprochenwerden im falschen Chefton und die Unverschämtheit der Beklagten beeinträchtigten nachhaltig ihre künstlerische Arbeit. Sie fühle sich durch die Beklagte drangsaliert, belästigt und finanziell genötigt. Eine schon länger von ihr beantragte geeignete Weiterbildung sei bis heute nicht bearbeitet oder finanziert worden. Die Verwerfung ihres Widerspruches als unzulässig sei nicht korrekt. Ihr Widerspruch habe sich gegen die verordnete Weiterbildungsmaßnahme gerichtet sowie gegen die willkürlich erlassene Sperrzeit, die sinnloser Weise aufgestresst worden sei. Solche Willkür und Dümmlichkeit sei nicht zumutbar. Sie beanstande auch, dass die Beklagte sich darüber hinweggesetzt habe, dass sie mit Schreiben vom 4. April 2004 schon einen "Widerspruch zur Vermeidung einer Sperrzeit" eingelegt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2005, der Klägerin zugestellt am 18. Oktober 2005, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 habe die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen das Schreiben vom 20. April 2004 zu Recht als unzulässig verworfen, da es sich bei der Zahlungseinstellung nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Daher habe auch die Klage keinen Erfolg, weil der Rechtsweg zu den Sozialgerichten voraussetze, dass die Klage sich gegen einen Verwaltungsakt in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides richte. Die Zahlungseinstellung sei auch zu Recht erfolgt, denn mit Bescheid vom 22. April 2004 sei der Eintritt einer Sperrzeit vom 20. April 2004 an festgestellt worden. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden, weil die Klägerin nicht gegen ihn vorgegangen sei. Konsequenterweise habe die Beklagte dann auch im Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Antrag auf Überprüfung des Sperrzeitbescheides vom 22. April 2004 an die Leistungsabteilung zu richten sei.
Mit der am 1. November 2005 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine Zahlungseinstellung oder eine Sperrzeit hätten gar nicht formuliert werden dürfen, weil sie ausreichende Gründe dafür vorgebracht habe, nicht an der Trainingsmaßnahme teilzunehmen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. Oktober 2005 sowie das Schreiben der Beklagten vom 20. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 und den Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten (2 Bände, Kunden-Nummer ) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte trotz Ausbleibens der ordnungsgemäß geladenen Klägerin einseitig verhandeln und entscheiden, weil die Terminsladung einen Hinweis auf diese Möglichkeit enthielt (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2005 ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Soweit man die Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten teilt, die Klage der Klägerin richte sich ausschließlich gegen die Zahlungseinstellung vom 20. April 2004, sind der Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2005 mit ihrer jeweiligen Begründung nicht zu beanstanden. Die Zahlungseinstellung ist eine bloße Mitteilung und kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X, so dass die Anfechtungsklage insoweit nicht gegeben ist, denn sie setzt eine Regelung in Gestalt eines Verwaltungsakts voraus (§ 54 Satz 1 SGG). Einiges spricht dafür, diesen formellen Lösungsweg zu beschreiten, denn die Klägerin trägt durch ihre verwirrenden, umfangreichen und zahlreichen Eingaben nicht zur Erleichterung bzw. Transparenz des Verwaltungsverfahrens bei.
Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass ein Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 vorlag, den die Beklagte hätte sachlich bescheiden müssen. Zwar ist ein Widerspruch grundsätzlich erst ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig; ein vor Erlass der Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf wird, auch wenn dann tatsächlich eine angreifbare Entscheidung ergeht, nicht von selbst zulässig (Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 4 c zu § 84). Hier wurden beide als Widerspruch in Betracht kommenden Schreiben (vom 4. und vom 22. April 2004) von der Klägerin verfasst, ohne dass ihr der Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 schon bekannt gegeben war. Ausnahmsweise kann ein Widerspruchsführer den Widerspruch aber schon vor förmlicher Bekanntgabe einlegen, sofern der Verwaltungsakt von der Behörde nach außen gegeben ist, der Widerspruchsführer also vorab Kenntnis von der Regelung erhalten hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. August 1966, V C 42.65, BVerwGE 25, S. 20). Im Falle der Klägerin liegt es ähnlich: Erstens konnte sie von der Zahlungseinstellung und der chronologischen Vorgeschichte darauf schließen, dass ein Sperrzeitbescheid ergangen sein musste. Zweitens ging der Widerspruch vom 22. April 2004 am 26. April 2004 bei der Beklagten ein, also nach Bekanntgabe des Sperrzeitbescheides. Damit musste die Beklagte den Widerspruch vom 22. April 2004 jedenfalls auslegen und den Willen der Klägerin ermitteln (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen bei Prozesshandlungen: Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 11 a vor § 60). Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere nach der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss. Entscheidend ist dabei das von dem Beteiligten vernünftigerweise Gewollte, nicht unbedingt nur der Wortlaut der Erklärung. Bei der Auslegung ist auch Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten, der es etwa verbietet, einen Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen, wenn bei sachdienlicher Auslegung ohne weiteres eine Sachentscheidung möglich gewesen wäre. So liegt es hier, denn bei Eingang des Widerspruchs am 26. April 2004 konnte und musste die Beklagte annehmen, dass die Klägerin sich nicht nur gegen die Zahlungseinstellung, sondern auch gegen den Sperrzeitbescheid wenden wollte, denn dies allein wäre sachgerecht gewesen.
Die Beklagte hätte daher den "Widerspruch" der Klägerin vom 22. April 2004 nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Auch das Sozialgericht hätte sehen müssen, dass der Widerspruch sich nicht nur gegen die Zahlungseinstellung, sondern auch gegen den Sperrzeitbescheid richtete; es hätte insoweit eine Sachentscheidung über die Sperrzeit treffen müssen. Ein Zurückverweisungsgrund nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG liegt gleichzeitig nicht vor, weil das Sozialgericht die Klage nicht als unzulässig abgewiesen hat.
Die danach notwendige Sachprüfung ergibt, dass der Sperrzeitbescheid vom 22. April 2004 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c SGB III tritt eine dreiwöchige Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, an einer Maßnahme der Eignungsfeststellung oder einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Eine solche Maßnahme ist der Klägerin hier am 31. März 2004 angeboten worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Maßnahme etwa offensichtlich ungeeignet oder unzumutbar war. Einen wichtigen Grund für die Ablehnung hat die Klägerin nicht dargetan. Sie trug in ihrem Schreiben vom 4. April 2004 lediglich vor, der Meinung zu sein, die zu vermittelnden Fähigkeiten aufgrund ihrer Hochschulausbildung bereits zu besitzen. Im Übrigen legte sie Wert auf die Vermittlung einer Maßnahme mit kunstpädagogischem Bezug. Es liegt auf der Hand, dass diese Einwendungen der langjährig arbeitslosen Klägerin nicht sachgerecht waren. Es stand nicht in ihrem Belieben, die Eignung der Trainingsmaßnahme, während derer sie von der Beklagten alimentiert werden sollte, vorab zu beurteilen. Nach § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III hat die Beklagte den Beginn der Sperrzeit zutreffend auf den Tag nach Beginn der Trainingsmaßnahme – auf den 20. April 2004 – festgelegt.
Die Berufung hat danach keinen Erfolg,
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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