L 7 SO 4033/06 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 3469/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4033/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der am 1925 geboren wurde, bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Am 18. August 2005 wurde er - nach Zwangsräumung seiner früheren Wohnung - in eine Wohnung in der K. Straße in S. eingewiesen.

Am 19. Oktober 2005 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf die Gewährung von Hilfe durch den Stadtteilservice und die Beschaffung von Materialien für beschädigte Möbel (Bett, Schrank und Bücherregale). Dieses Rechtsschutzbegehren, das sich auf schriftliche Anträge bei der Antragsgegnerin vom 30. September und 4. Oktober 2005 bezog, lehnte das SG mit Beschluss vom 21. November 2005 ab. Hiergegen erhob der Antragsteller am 12. Dezember 2005 Beschwerde (L 7 SO 5283/05 ER-B) zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) und machte - ohne im Einzelnen die Leistungen aufzuzählen - geltend, es müsse der Zustand wieder hergestellt werden, wie er vor der Zwangsräumung am 17. August 2005 bestanden habe und die beschädigten Möbel müssten repariert sowie eine Erstausstattung bewilligt werden. Außerdem verlange er "Ersatz der von den Spediteuren gestohlenen Sachen". Nähere Angaben hierzu machte er in der Folgezeit nicht.

Im Erörterungstermin am 11. Januar 2006 vor dem zuständigen Berichterstatter des Senats schlossen die Beteiligten - nachdem der Antragsteller erklärt hatte, es gehe hauptsächlich um ein Bett, die Schlösser für den Schrank und drei Bücherregale sowie um Gardinenstangen und Gardinen; auch Lampen müssten angebracht werden - einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

1. Die Stadt wird die Schlösser der Schranktüren und das Bücherregal reparieren und die Lampen in der Wohnung anbringen lassen. 2. Der Antragsteller lässt die von der Stadt hiermit beauftragten Personen diese Arbeiten in der Wohnung verrichten. 3. Der Antragsteller wird sich um die Anschaffung eines Bettes bemühen. Er verwendet hierzu die ihm am 22. August 2005 bewilligten 225,00 EUR. 4. Die Stadt wird nach Erledigung der Arbeiten die Frage der Bewilligung von Gardinen und -stangen prüfen und einen rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen. 5. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit dieses Verfahren erledigt ist.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2006 begehrte der Antragsteller die Fortsetzung des Verfahrens sowie "sofortige Reparaturen durch gewerbliche Handwerker, eine einstweilige Anordnung dieses Inhaltes sowie eine vollstreckbare Entscheidung und eine Kostenentscheidung" mit der Begründung, der Prozessvergleich erfasse nicht den gesamten Prozessstoff. Der Stadtteilservice der Antragsgegnerin sei unfähig, was er bei einem Besuch am 25. Januar 2006 wieder bewiesen habe. Er wünsche die sofortigen Reparaturen der Umzugsschäden vom 17. August 2005 und erhebe Untätigkeitsbeschwerde gegen die Verschleppung seiner Anträge vom Dezember 2005. Auch am 28. Februar 2006 sei der Stadtteilservice da gewesen.

Durch Beschluss vom 6. März 2006 (L 7 SO 526/06 ER-B) stellte der Senat fest, dass das Verfahren L 7 SO 5283/05 ER-B durch den im Erörterungstermin am 11. Januar 2006 geschlossenen Vergleich erledigt ist.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 hat der Antragsteller - unter Berufung auf den "gerichtskundigen Prozessstoff" - beim SG erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf "Wiederherstellung einer menschenwürdigen Wohnung mit Vollstreckungsklausel", beantragt und zur Begründung sinngemäß geltend gemacht, die Antragsgegnerin erfülle ihre vergleichsweise übernommenen Verpflichtungen nicht. Diesen Antrag hat das SG durch Beschluss vom 2. August 2006 abgelehnt, gegen den sich die vorliegende Beschwerde richtet.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris), 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164 (jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Antragsteller macht vorliegend dieselben Ansprüche (Reparatur der durch den Umzug vom 17. August 2005 beschädigten Möbel, Bewilligung einer Erstausstattung seiner Wohnung, Ersatz für die im Zusammenhang mit dem Umzug angeblich gestohlenen Elektrogeräte und Einrichtungsgegenstände) geltend, die bereits Gegenstand des vorangegangenen, durch Vergleich vom 11. Januar 2006 erledigten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Senat waren (vgl. dazu den Beschluss des Senats vom 6. März 2006 - L 7 SO 526/06 ER-B -). Wenngleich ein Prozessvergleich keine materielle Rechtskraft nach § 141 SGG entfaltet, ist er doch zwischen den Beteiligten materiell-rechtlich verbindlich, indem darin deren gegenseitige Rechte und Pflichten in Bezug auf den Streitgegenstand geregelt werden. In prozessrechtlicher Hinsicht bewirkt ein im Rechtsmittelzug geschlossener Vergleich die Unzulässigkeit einer weiteren Klage in derselben Sache (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl, § 141 Randnr. 5, § 101 Randnr. 10 f.). Dementsprechend steht auch ein im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Rechtsmittelgericht geschlossener Vergleich - ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse - der nochmaligen Anrufung des Gerichts in Bezug auf denselben Streitgegenstand entgegen. Da eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegend nicht ersichtlich ist, muss sich der Antragsteller in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche am Inhalt der vergleichsweise geschlossenen Vereinbarung festhalten lassen.

An der Bindungswirkung des Prozessvergleichs nichts zu ändern vermag auch der Umstand, dass der Antragsteller die behaupteten Ansprüche nunmehr - zu Unrecht - (auch) auf die Bestimmung des § 73 SGB XII stützt. Denn die Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII ist nur einschlägig, wenn sich die Hilfesituation thematisch keinem Tatbestand der in § 8 SGB XII aufgeführten Hilfen zuordnen lässt (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 73 Randnr. 3). Der Antragsteller ist jedoch Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 8 Nr. 2, §§ 41 bis 46 SGB XII, weshalb § 73 SGB XII in seinem Falle nicht eingreift.

Veranlassung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht auch nicht, soweit der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin komme ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 11. März 2006 nicht nach. Denn soweit ersichtlich hat die Antragsgegnerin sämtliche im Prozessvergleich übernommenen Verpflichtungen mittlerweile erfüllt. Daran vermag das diesbezügliche, nicht näher substantiierte Bestreiten des Antragstellers nichts zu ändern. Soweit einzelne hieran anknüpfende Arbeiten, wie das Anbringen der Gardinenstangen und Vorhänge, nicht zeitnah ins Werk gesetzt werden konnten, so ist dies dem Antragsteller selbst zuzurechnen, der nach Aktenlage trotz vorheriger Terminsmitteilung den mit den Arbeiten beauftragten Personen des Stadtteilservices der Antragsgegnerin nicht ohne Weiteres den Zutritt zu seiner Wohnung ermöglicht hat. Hat es der Antragsteller aber selber in der Hand, zur Abhilfe der von ihm behaupteten Nothilfe beizutragen, bedarf er nicht der gerichtlichen Hilfe. Es fehlt dann bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrunds, d. h. an der Dringlichkeit einer gerichtlichen Regelung zur Behebung einer Notlage. Abgesehen davon sind ausweislich der Mitteilung des Stadtteilservices F. vom 2. August 2006 an das Sozialamt der Antragsgegnerin mittlerweile auch die noch ausstehenden Arbeiten in der Wohnung des Antragstellers erledigt, indem die fehlenden drei Gardinenstangen angebracht, die Vorhänge aufgehängt und die Schrankschlösser nochmals repariert wurden, so dass sie sich nun gut schließen lassen.

Schließlich liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auch in Bezug auf den Einsatz der bewilligten und an den Antragsteller ausbezahlten 225,- Euro zur Anschaffung eines Bettes nicht vor. Insoweit fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (§ 86 b Abs. 2 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), also an der substantiierten Darlegung, warum trotz entsprechender Bemühungen ein den Bedürfnissen des Antragstellers entsprechendes Bett für diesen Betrag nicht zu bekommen sei.

Soweit der Antragsteller schließlich in seiner Beschwerdeschrift Reparaturmaßnahmen bzw. Erstattungsleistungen aufführt, die (möglicherweise) über den Streitgegenstand des abgeschlossenen Verfahrens hinausgehen, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig. Nach § 86b Abs. 2 SGG ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Gericht der Hauptsache zuständig. Das ist - jedenfalls solange die begehrten Leistungen nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens sind - das Sozialgericht erster Instanz. Ein entsprechender Antrag direkt beim Landessozialgericht ist unzulässig (vgl. dazu den Beschluss des Senats vom 6. März 2006, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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