L 4 KR 4474/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2446/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4474/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten für eine stationäre Behandlung in einer Privatklinik streitig.

Die am 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr wurde nach einer Tumoroperation der Mammae zu Lasten der Beklagten im Jahr 1990 eine Mammaaugmentation beidseits mittels Implantaten durchgeführt. Nachdem am 24. September 2003 plötzlich eine Verformung der linken Brust mit leichten Schmerzen und Spannungsgefühlen aufgetreten war, suchte die Klägerin den behandelnden Frauenarzt Dr. H. auf, der eine kernspintomographische Untersuchung veranlasste, die am 26. September 2003 durch die Radiologen Dres. Sc., K. und R. durchgeführt wurde. Diese rieten im Hinblick auf die festgestellte Implantatruptur zu einer operativen Revision (Arztbrief vom 26. September 2003). Die Klägerin begab sich daraufhin in die Privatklinik des Prof. Dr. Ho. (Praxisklinik R.-gasse in U.; im Folgenden: Privatklinik), wo die Implantate im Rahmen einer stationären Behandlung vom 29. September bis 01. Oktober 2003 entfernt wurden.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 legte die Klägerin der Beklagten die Rechnung für die entsprechenden ärztlichen Leistungen über EUR 1.025,90 vom 14. Oktober 2003 sowie die Rechnung der Ärzte für Anästhesie Dres. R., S. und W. vom 07. Oktober 2003 über EUR 485,54 zusammen mit dem erwähnten Arztbrief vom 26. September 2003 zur Erstattung vor. Sie wies darauf hin, dass die Implantate in einer dringend notwendigen Operation entfernt worden seien. Nachdem die Klägerin die Mitarbeiterin der Beklagten B. anlässlich eines am 22. Oktober 2003 geführten Telefonats darüber informiert hatte, dass Dr. H. eine Einweisung in das Krankenhaus O. ausgestellt gehabt, sie diese Klinik jedoch nicht aufgesucht habe, weil die Prothesen in der Universitätsklinik U. von Prof. Dr. Ho. implantiert worden seien, wurde im Rahmen der weiteren Recherchen deutlich, dass die Behandlung nicht in der Universitätsklinik U., sondern in der Privatklinik durchgeführt worden war (Aktenvermerk der Mitarbeiterin B. vom 24. Oktober 2003). Auf die telefonische Mitteilung vom 24. Oktober 2003, wonach die Behandlungskosten nicht erstattet werden könnten, weil die Behandlung in einer Privatklinik erfolgt sei, erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag, dass Prof. Dr. Ho. vor 13 Jahren die Implantate eingesetzt und daher genau gewusst habe, welche Materialien verwendet worden seien. Prof. Dr. Ho. sei auf diesem Gebiet der Plastischen Chirurgie einer der besten Spezialisten. Sie bat um Verständnis, dass sie bei einer dringend notwendigen Operation keine Experimente habe machen wollen, sowie um Übernahme der Kosten "im Rahmen des normalen Abrechnungssatzes für Krankenhäuser"; die Mehrkosten werde sie selbstverständlich tragen. Entsprechend äußerte sie sich erneut mit Schreiben vom 13. Januar 2004, mit dem sie nochmals um Kostenerstattung bat. Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei der in Anspruch genommenen Klinik handle es sich um eine Privatklinik, mit der kein Versorgungsvertrag bestehe; gesetzliche Krankenkassen könnten Krankenhausbehandlung nur in Vertragskrankenhäusern erbringen. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, es sei zu berücksichtigen, dass sie verständlicherweise die Operation bei dem Arzt habe durchführen lassen wollen, der im Jahr 1990 auch die Implantate eingesetzt habe. Seinerzeit sei Prof. Dr. Ho. noch in der Universitätsklinik U. tätig gewesen. Sie habe, nachdem sich zum Wochenende die Notwendigkeit einer Operation abgezeichnet habe, für den folgenden Montag einen Operationstermin vereinbart und erst bei dieser Gelegenheit erfahren, dass es sich um eine Privatklinik handle. Vor Durchführung der Operation sei eine Rücksprache mit der Beklagten nicht mehr möglich gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass die entsprechenden Behandlungskosten übernommen würden, zumal auch in einem sonstigen Vertragskrankenhaus die selben medizinischen Arbeiten hätten durchgeführt werden müssen. Bei dieser Sachlage sei es gerechtfertigt, zumindest den Anteil der Kosten zu erstatten, der auch in einem Vertragskrankenhaus angefallen wäre. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 09. Juni 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer am 13. Juli 2004 beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhobenen Klage, mit der sie im Wesentlichen geltend machte, unter Berücksichtigung der Gesamtsituation und der Tatsache, dass die Operation sofort habe durchgeführt werden müssen, habe sie die Kostenübernahme bei der Beklagten vorher nicht mehr beantragen können. Sie legte verschiedene Unterlagen vor, u.a. den Arztbrief des Prof. Dr. Ho. vom 16. Oktober 2003. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2004 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Denn es sei nicht festzustellen, dass die in Anspruch genommene Leistung von der Beklagten im gesetzlichen Versorgungssystem, d.h. in einem zugelassenen Krankenhaus, nicht rechtzeitig hätte erbracht werden können. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten der Klägerin am 06. September 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Dagegen richtet sich die am 05. Oktober 2004 schriftlich durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie auf ihren bisherigen Vortrag verweist und ergänzend geltend macht, es sei nicht lediglich ihr Wunsch gewesen, die Operation durch Prof. Dr. Ho. durchführen zu lassen, vielmehr habe ihr Frauenarzt Dr. H. eine schwer eitrige Entzündung der linken und eine leicht eitrige Entzündung der rechten Brust diagnostiziert, wobei wegen der Gefahr einer Sepsis eine sofortige operative Behandlung notwendig gewesen sei. Ihr Frauenarzt habe auch mit Kliniken im hiesigen Bereich Rücksprache gehalten und ihr dann erklärt, dass eine Operation in einer der hiesigen Kliniken nicht möglich sei. Deshalb habe er wegen der akuten Operationsindikation eine sofortige Zuweisung an den seinerzeitigen Operateur Prof. Dr. Ho. für notwendig erachtet. Aus ihrer Sicht sei kurzfristig daher nur eine Operation bei diesem Arzt in Frage gekommen. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass es sich bei der in Anspruch genommenen Klinik nicht um ein zugelassenes Krankenhaus gehandelt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Operation jedoch bereits durchgeführt gewesen. Hierzu hat sie die Bescheinigung des Dr. H. vom 14. Oktober 2004 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Juni 2004 zu verurteilen, ihr EUR 1.602,04 nebst fünf vom Hundert Zinsen über dem Basiszinssatz seit 22. November 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen. Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2004 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Juni 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die operative Behandlung in der Privatklinik entstanden sind. Die Beklagte hat ihr Kosten auch nicht in der Höhe zu erstatten, wie sie durch eine stationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus entstanden wären.

Das SG hat die vorliegend als Anspruchsgrundlage allein in Frage kommende Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V dargelegt und die Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen zutreffend verneint. Nachdem der Leistungsanspruch der Versicherten im Hinblick auf § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 108 SGB V auf die Behandlung in zugelassenen Krankenhäusern beschränkt ist, die Klägerin jedoch eine Privatklinik und damit kein zugelassenes Krankenhaus in Anspruch genommen hat, war die in Rede stehende Leistung nicht Gegenstand des von der Beklagten zur Verfügung zu stellenden Leistungsspektrums. Da die Klägerin diese Leistung somit nicht als Sachleistung hätte in Anspruch nehmen können und darüber hinaus auch ein Versagen des gesetzlichen Leistungssystems, das sie hätte berechtigen können, sich die erforderliche operative Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen, nicht ersichtlich ist, kann sie die ihr entstandenen Kosten auch nicht mit Erfolg im Wege der Kostenerstattung von der Beklagten verlangen.

Es liegen insbesondere keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V vor. Denn es ist nicht festzustellen, dass die in der Privatklinik durchgeführte operative Entfernung der Brustimplantate zeitgerecht in einem zugelassenen Krankenhaus nicht hätte durchgeführt werden können. So ist schon nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin überhaupt um die Aufnahme in einer zugelassenen Klinik bemüht hat, dort etwa vorgesprochen hätte, jedoch abgewiesen oder zumindest nicht zeitnah aufgenommen worden wäre. Entsprechendes hat die Klägerin weder vorgetragen, noch sind für das Vorliegen derartiger Umstände Anhaltspunkte ersichtlich. Demgegenüber wird aus den Ausführungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren vielmehr deutlich, dass sie sich bereits bei Feststellung der Operationsindikation für eine Behandlung bei Prof. Dr. Ho. entschieden hatte, weil sie zu diesem Arzt, der bei ihr bereits 13 Jahre zuvor in der Universitätsklinik U. die Implantate eingesetzt hatte, auch wegen seiner Fachkompetenz Vertrauen gefasst hatte und er aus ihrer Sicht zudem über die damals verwendeten Materialien informiert war. Dies machen ihre Ausführungen in dem Schreiben vom 24. Oktober 2003 ebenso deutlich wie ihre Darlegungen im Schreiben vom 13. Januar 2004, in denen sie darauf hingewiesen hatte, dass sie mit der entsprechenden Operation keine Experimente habe machen, sich in die Hände eines Spezialisten habe begeben wollen und Prof. Dr. Ho. auf diesem Gebiet als solcher anerkannt sei. Auch der Aktenvermerk der Mitarbeiterin der Beklagten B. vom 24. Oktober 2003 belegt, dass die Klägerin von vornherein eine Behandlung bei dem früheren Operateur Prof. Dr. Ho. wünschte und deshalb sowohl eine Behandlung im Krankenhaus O., nämlich der Klinik, die Dr. H. in einer Überweisung bezeichnet hatte, als auch der Universitätsklinik U., in der die Augmentation durchgeführt worden war, ablehnte. Damit ist nicht davon auszugehen, dass die streitige Behandlung wegen ihrer besonderen Dringlichkeit in der Privatklinik und nicht in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wurde. Die dargelegten Gründe, die die Klägerin veranlasst haben, sich in der Privatklinik durch Prof. Dr. Ho. behandeln zu lassen, sind als solche zwar verständlich, rechtfertigen jedoch nicht die Übernahme der entsprechenden Kosten durch die Beklagte.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren durch ihren Bevollmächtigten erstmals geltend macht, der behandelnde Frauenarzt Dr. H. habe die Behandlung bei Prof. Dr. Ho. für notwendig und eine Durchführung der Operation in einer hiesigen Klinik nach "Rücksprache" mit entsprechenden Kliniken nicht für möglich erachtet, vermag sich der Senat von der Richtigkeit dieser Darstellung nicht zu überzeugen. Denn diese lässt sich nicht in Einklang bringen mit den Ausführungen der Klägerin anlässlich des am 22. Oktober 2003 mit der Mitarbeiterin der Beklagten B. geführten Telefonats, wonach Dr. H. eine Überweisung in das Krankenhaus O. ausgestellt, sie selbst dort eine operative Behandlung jedoch nicht gewünscht habe. Hätte Dr. H. nämlich tatsächlich - wie nunmehr geltend gemacht - keine andere Behandlungsmöglichkeit gesehen als die in der Privatklinik, wäre nicht verständlich, weshalb er der Klägerin gleichwohl eine Überweisung für das Krankenhaus O. ausstellt, in dem die Operation gerade nicht möglich sein soll. Im Hinblick auf diesen Umstand sieht der Senat auch keinen Grund dafür, ein Systemversagen in Betracht zu ziehen, weil die Behandlung in der Privatklinik etwa auf eine Überweisung des Dr. H. zurückzuführen sein könnte, dessen Verhalten bei der Klägerin zudem den Eindruck erweckt haben könnte, für eine operative Behandlung komme ausschließlich die Privatklinik in Betracht, und die entsprechende Operation werde dort als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. Schließlich hat auch Dr. H. in seiner Bescheinigung vom 14. Oktober 2004 den Vortrag der Klägerin, wonach er "mit Kliniken im hiesigen Bereich Rücksprache gehalten" und ihr dann erklärt habe, dass "eine Durchführung der Operation in einer der hiesigen Kliniken nicht möglich sei", nicht bestätigt. Darin hat Dr. H. sich lediglich dahingehend geäußert, dass aufgrund seiner Erfahrung eine sofortige Aufnahme in einer hiesigen Klinik schwer durchführbar gewesen sei. Dass eine entsprechende Klinik auf konkrete Rückfrage trotz der Dringlichkeit eine Aufnahme tatsächlich abgelehnt, insbesondere auch die Universitätsklinik U., in der die Implantate eingesetzt worden waren, eine entsprechende Aufnahme verweigert hat, bestätigen diese Ausführungen aber gerade nicht. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der in Rede stehenden Leistung subjektiv davon ausgegangen wäre, dass ihr eine Leistung innerhalb des gesetzlichen Leistungssystems verschafft wird. Denn ihr diesbezügliches Vorbringen im Berufungsverfahren, erst nach Abschluss der stationären Behandlung Kenntnis davon erlangt zu haben, dass es sich bei dem in Anspruch genommenen Krankenhaus um eine Privatklinik handelt, begegnet insoweit erheblichen Bedenken, als sie im Widerspruchsverfahren durch ihren Bevollmächtigten noch hat vortragen lassen, sie habe "erst" anlässlich der Vereinbarung des Operationstermins erfahren, dass es sich bei der angegangen Klinik um eine Privatklinik handle. Dieser Ablauf würde aber gerade ausschließen, dass sie die stationäre Behandlung in gutem Glauben an das Vorliegen einer Leistung innerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenkasse entgegen genommen hat.

Nach alledem lässt sich weder feststellen, dass der erforderliche operative Eingriff zeitgerecht nur in der Privatklinik hat durchgeführt werden können, noch dass die Klägerin aufgrund der Gesamtumstände hiervon ausgehen durfte und berechtigterweise auch annehmen konnte, dass die Beklagte für die Leistung einstehen werde. Die Berufung der Klägerin konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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