L 10 R 4581/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 RA 3819/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4581/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. September 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Witwenrente.

Die am 1937 in der U. geborene Klägerin ist die Witwe des am 1935 in K. geborenen und am 1997 verstorbenen E. W. (Versicherter). Beide siedelten am 16.06.1997 von Russland in die Bundesrepublik Deutschland aus. Der Versicherte hatte am 09.07.1997 bei der Beklagten Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit beantragt und wäre im Erlebensfall als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt worden (Bescheinigung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 08.08.1997). Die Klägerin selbst ist als Spätaussiedlerin anerkannt.

Am 06.08.1997 beantragte die Klägerin, die aus eigener Versicherung seit 16.06.1997 von der Beklagten eine Altersrente für Frauen bezieht (Bescheid vom 08.04.1998), bei der 25 Entgeltpunkte (EPe) aus im Herkunftsland zurückgelegten Beschäftigungszeiten berücksichtigt sind, die Gewährung von Witwenrente.

Mit Bescheid vom 02.04.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin für den verstorbenen Ehemann eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01.07. bis zum 31.07.1997. Mit Bescheid vom 16.04.1998 entschied die Beklagte, ein Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes der Klägerin werde anerkannt, eine Rentenzahlung könne aber nicht erfolgen, da keine EPe berücksichtigt werden könnten. Nach § 22 b Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) würden für einen Berechtigten höchstens 25 EPe für FRG-Zeiten zugrunde gelegt. Dabei erfolge die Berücksichtigung dieser EPe vorrangig bei der Rente aus eigener Versicherung, die Klägerin beziehe eine Rente aus eigener Versicherung, in der bereits 25 EPe enthalten seien. Daher könnten bei der Witwenrente keine FRG-EPe mehr angerechnet werden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 18.01.2002 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 16.04.1998 unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001, B 4 RA 118/00. Mit Bescheid vom 20.02.2003 und Widerspruchsbescheid vom 26.06.2003 lehnte die Beklagte die Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ab.

Dagegen hat die Klägerin am 21.07.2003 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben.

Mit Urteil vom 09.09.2004 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Bescheid vom 16.04.1998 abzuändern und der Klägerin ab August 1997 neben der ihr bisher gewährten Rente eine Witwenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte könne sich nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BSG insbesondere nicht auf § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG stützen. Die dort geregelte Begrenzung der Rentenhöhe, wonach "für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz ... höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrundegelegt" werden, rechtfertige ein derartiges Vorgehen allein beim Zusammentreffen mehrerer Renten des Berechtigten aus eigener Versicherung, jedoch nicht wenn der Begünstigte neben dem Rentenanspruch aus eigener Versicherung auch ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente habe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.09.2004 zugestellte Urteil am 08.10.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung auf die bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren geäußerte Rechtsauffassung sowie die zwischenzeitlich vom Gesetzgeber vorgenommene Neufassung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Inhalt des nach ihrer Ansicht zutreffenden erstinstanzlichen Urteils und darauf, dass sie den § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG in der jetzt geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot im Sinne der Artikel 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) für verfassungswidrig halte, weil dieser gem. Artikel 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07.05.1996 geändert worden sei.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Der Rentenbescheid ist nicht nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) abzuändern, da das Recht nicht unrichtig angewandt worden ist und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist.

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Witwenrente sind von der Beklagten mit insoweit bestandskräftigem Bescheid vom 16.04.1998 anerkannt. Für den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ergibt sich aber kein Zahlbetrag, weil die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren EPe bereits durch ihre Altersrente ausgeschöpft ist. Dies folgt aus § 22 b FRG in der durch Art. 9 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 geänderten Fassung. Diese Vorschrift ist nach Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz mit Wirkung vom 07.05.1996 in Kraft getreten. Sie ist hier anwendbar, da für den Antrag nach § 44 SGB X auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Senats abzustellen ist. Verfassungsmäßige Rechte der Klägerin werden dadurch nicht verletzt. Der Senat schließt sich - ebenso wie der 5. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 05.10.2005, B 5 RJ 57/03 R und B 5 RJ 39/04 R - der Rechtssprechung des 8. Senats des BSG in seinen Urteilen vom 21.06.2005, B 8 KN 1/05 R und B 8 KN 9/04 R an. Die Entscheidungen des 4. Senats und 13. Senats, auf die das Sozialgericht seine Entscheidung gestützt hat, sind durch die Änderungen der Rechtslage überholt.

Durch die Tatsache, dass noch weitere Revisionen beim BSG anhängig sind, ist der Senat an einer Entscheidung nicht gehindert.

Nachdem der Senat verfassungsmäßige Rechte der Klägerin nicht verletzt sieht, besteht kein Anlass, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Sozialgerichts deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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